Modallogische Ansätze zur Temporallogik

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Modallogische Ansätze zur Temporallogik
Temporallogik: allgemein: Verwendung von Logik zur Repräsentation zeitlicher Information.
Im engeren Sinn: modallogische Ansätze, eingeführt um 1960 von Arthur Prior unter dem
Namen Tense Logic. Seither weiter entwickelt von Logikern und Informatikern.
Anwendungen: Klärung philosophischer Fragen über Zeit; Rahmen zur Definition der
Semantik zeitlicher Ausdrücke in natürlicher Sprache; Sprache zur Repräsentation zeitlichen
Wissens in der KI; Werkzeug zur Untersuchung zeitlicher Aspekte der Ausführung von
Computerprogrammen.
1 Tense Logic
Arthur Prior (1957, 1967, 1969)
Logische Sprache mit 4 Modaloperatoren mit folgender intendierter Bedeutung:
P
"It has at some time been the case that …"
F
"It will at some time be the case that …"
H "It has always been the case that …"
G "It will always be the case that …"
P und F sind sog. weak tense operators, während H und G strong tense operators genannt
werden. Zwei Paare lassen sich jeweils gegenseitig definieren:
Pp ≡ ¬H¬p
Fp ≡ ¬G¬p
Verschiedene Intuitionen über den Zeitbegriff lassen sich durch entsprechende
Axiomschemata ausdrücken. Beispiele mit Prior's eigenen Erläuterungen (Prior 1967):
Gp→Fp
"What will always be, will be"
"If p will always imply q, then if p will always be the case, so
G(p→q)→(Gp→Gq)
will q"
"If it will be the case that p, it will be — in between — that it
Fp→FFp
will be"
"If it will never be that p then it will be that it will never be that
¬Fp→F¬Fp
p"
Verschiedene Kombinationen solcher Axiomschemata wurden untersucht. Von besonderer
Bedeutung ist das System der Minimal Tense Logic Kt. Sie entsteht, indem man zu den
Axiomen und Regeln der Aussagenlogik folgende hinzunimmt
Axiome:
p→HFp
p→GPp
"What is, has always been going to be"
"What is, will always have been"
"Whatever always follows from what always has been, always
H(p→q)→(Hp→Hq)
has been"
"Whatever always follows from what always will be, always
G(p→q)→(Gp→Gq)
will be"
Inferenzregeln:
RH: Falls p beweisbar, so ist Hp beweisbar.
RG: Falls p beweisbar, so ist Gp beweisbar.
Die Theoreme von Kt drücken alle Eigenschaften der Zeitoperatoren aus, die nicht von
bestimmten Annahmen über die zeitliche Ordnung abhängen (s.u.).
Anmerkung: man kann die Zeitoperatoren nicht nur mit Aussagenlogik, sondern auch mit dem
First-order Prädikatenkalkül verbinden. Dadurch lassen sich wichtige Unterscheidungen
formal präzisieren. Zum Beispiel kann der Satz A philosopher will be a king auf verschiedene
Weise interpretiert werden:
x(Philosopher(x) & F
King(x))
xF(Philosopher(x) &
King(x))
Fx(Philosopher(x) & F
King(x))
Fx(Philosopher(x) &
King(x))
Someone who is now a philosopher will be a king at some
future time
There now exists someone who will at some future time
be both a philosopher and a king
There will exist someone who is a philosopher and later
will be a king
There will exist someone who is at the same time both a
philosopher and a king
2 Semantik der Tense Logic
Ein temporal frame besteht aus einer Menge T von Zeitpunkten zusammen mit einer
irreflexiven Relation < auf T (t < t’ heißt t ist früher als t’). Diese definiert den "flow of
time", über den die Bedeutung der Tense-Operatoren definiert wird. Eine Interpretation weist
jeder atomaren Formel einen Wahrheitswert für jeden Zeitpunkt eines Frames zu. Auf der
Basis einer Interpretation kann die Bedeutung der Tense-Operatoren folgendermaßen definiert
werden:
Pp is true at t if and only if p is true at some time t′ such that t′<t
Fp is true at t if and only if p is true at some time t′ such that t<t′
Hp is true at t if and only if p is true at all times t′ such that t′<t
Gp is true at t if and only if p is true at all times t′ such that t<t′
System Kt der Minimal Tense Logic lässt sich nun präzise charakterisieren: Die Theoreme
von Kt sind genau die Formeln, die zu allen Zeitpunkten in allen Interpretationen über jedem
temporalen Frame wahr sind.
Viele tense-logische Axiome wurden vorgeschlagen, die bestimmte Eigenschaften des flow of
time ausdrücken. Wie in der Modallogik üblich, gibt es eine eindeutige Korrespondenz
zwischen Axiomen und Eigenschaften der Ordnung < in temporalen Frames.
Wir sagen eine Formel p charakterisiert eine Menge von temporal frames F gdw.


p ist wahr zu allen Zeiten in allen Interpretationen über jedem Frame in F.
Für jeden Frame nicht in F gibt es eine Interpretation, die p zu einer Zeit falsch macht.
Jedes Theorem von Kt characterisiert die Klasse aller temporal Frames.
Klassen von Frames lassen sich durch first-order Formeln definieren, die Eigenschaften von <
festlegen. Eine tense-logische Formel p entspricht einer first-order Formel q, wenn p genau
die Klasse von temporal frames charakterisiert, für die q wahr ist. Einige bekannte Beispiele
von Paaren sich entsprechender Formeln sind:
Hp→Pp
(unbounded in the past)
tt′(t′<t)
Gp→Fp
(unbounded in the future)
tt′(t<t′)
Fp→FFp
(dense ordering)
t,t′(t<t′ → t″(t<t″<t′))
FFp→Fp
(transitive ordering)
t,t′(t″(t<t″<t′) → t<t′)
FPp → Pp p Fp t,t′,t″((t<t″ & t′<t″) → (t<t′ t=t′ t′<t)) (linear in the past)
PFp → Pp p Fp t,t′,t″((t″<t & t″<t′) → (t<t′ t=t′ t′<t)) (linear in the future)
3 Erweiterungen der Tense Logic
Die "PFGH" Syntax der Tense Logic wurde in verschiedener Weise erweitert. Einige
Beispiele werden im Folgenden diskutiert.
Die binären temporalen Operatoren S und U ("since" und "until"). Kamp (1968).
Intendierte Bedeutung:
Spq
"q has been true since a time when p was true"
Upq "q will be true until a time when p is true"
Die einstelligen Tense-Operatoren lassen sich mithilfe von S und U definieren:
Pp ≡ Sp(p ¬p)
Fp ≡ Up(p ¬p)
S und U sind deshalb bedeutsam, weil sich mit ihnen mehr Eigenschaften von <
charakterisieren lassen als mit den einstelligen Operatoren (expressively complete with
respect to first-order temporal properties on continuous, strictly linear temporal orders).
Der "next time" Operator O. Es wird angenommen, dass die Zeitfolge aus einer diskreten
Sequenz von Zeitpunkten besteht. Op bedeutet: p ist wahr im unmittelbar folgenden
Zeitpunkt. Kann mit dem "until" Operator U definiert werden:
Op ≡ Up(p&¬p)
wörtlich: p wird wahr sein zu einem zukünftigen Zeitpunkt t, und zu jedem Zeitpunkt
zwischen jetzt und t ist ein Widerspruch wahr. Da kann nur bedeuten, dass es keinen
Zeitpunkt zwischen jetzt und t gibt.
Es gilt folgender Zusammenhang zwischen F und O:
Fp ≡ Op OFp.
O ist von besonderer Bedeutung für die Modellierung der Ausführung von
Computerprogrammen, wo man sich für den Zustand nach Ausführung eines Befehls
interessiert.
4 Anwendungen: Programmverifikation
Ausgehend von Pnueli (1977) wurden temporale Modallogiken häufig in der Informatik zur
Spezifikation und Verifikation von Programmen verwendet, insbesondere für parallele
Programme, bei denen die Berechnung von mehreren Prozessoren ausgeführt wird. Um
korrektes Verhalten zu erreichen, spielt hier die zeitliche Koordinierung der Aktionen der
Prozessoren eine entscheidende Rolle. Von Bedeutung ist hier die Unterscheidung zwischen
"liveness" Eigenschaften der Form Fp, die gewährleisten, dass erwünschte Zustände, die p
erfüllen, im Laufe der Berechnung immer wieder erreicht werden, und "safety" Eigenschaften
der Form Gp, die gewährleisten, dass unerwünschte Zustände, in denen p nicht gilt, nie
eintreten.
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