Meilensteine in der Erkundung des Erdschwerefelds: Die Satelliten

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Meilensteine in der Erkundung des Erdschwerefelds:
Die Satelliten CHAMP und GRACE
C. Reigber
Mit einer voellig neuen Generation von niedrigfliegenden Satelliten, ausgerüstet mit
hochempfindlichen Geräten für die Beobachtung des Erdschwerefeldes und seiner zeitlichen
Variation, sind die Geowissenschaften in das 21. Jahrhundert eingetreten. Das nationale
geowissenschaftliche Forschungszentrum GFZ in Potsdam, die deutsche Raumfahrtindustrie
und die in der Arbeitsgruppe ‚Neue Satellitenmissionen’ der Deutschen Geodätischen
Kommission vereinigte Expertise aus den deutschen Hochschulen haben zu dem sich
abzeichnenden herausragenden Erfolg der bisher gestarteten beiden Missionen CHAMP (Start
2000) und GRACE (Start 2002) in hohem Masse beigetragen.
Der im Juli 2000 gestartete deutsche Geoforschungssatellit CHAMP (CHAllenging
Minisatellite Payload) hat nach einer Reihe betrieblicher Verbesserungen im Satelliten und im
Bodensegment etwa Mitte 2001 seine volle Leistungskapazität erreicht und liefert seitdem
zuverlässig und in der erwarteten Menge und
Genauigkeit Daten zum Erdschwere- und Erdmagnetfeld
sowie zur Temperatur- und Wasserdampfverteilung in
der Atmosphäre. Der Satellit ist von anfänglich 454 km
Flughöhe innerhalb der ersten zwei Jahre schneller als
erwartet auf 400 km abgesunken. Es wurde deshalb im
Juni 2002 mit einem Bahnmanöver die Flughöhe um 15
km angehoben, so dass nach derzeitigen Voraussagen
eine Missionsdauer von mehr als 5 Jahren
wahrscheinlich erscheint.
CHAMP
(Bild: Astrium)
Insgesamt wurden bis heute mehr als eine Million Daten- und Produktfiles der CHAMPMission im Verarbeitungssystem des GFZ Potsdam erzeugt und im CHAMP Daten- und
Informationssystem des GFZ abgelegt. Diese Information wird sehr intensiv von den über 100
Wissenschaftlergruppen mit CHAMP Co-Investigator Status weltweit genutzt sowohl für
wissenschaftliche Untersuchungen als auch praktische Anwendungen. Im Januar 2002 fand
am GFZ Potsdam das international sehr gut besuchte "First CHAMP Science Meeting" statt,
auf dem sehr intensiv die ersten CHAMP Ergebnisse diskutiert wurden. In einer demnächst
erscheinenden 600-seitigen Springer-Publikation mit dem Titel "CHAMP Mission Results I"
werden diese Ergebnisse dokumentiert sein. Ein zweites CHAMP Science Meeting soll
Anfang 2003 stattfinden.
Die globale Kartierung des Erdschwerefeldes gelingt über die Beobachtungen der
Bahnstörungen des Satelliten CHAMP. Dazu befindet sich an Bord von CHAMP ein
Mikrowellen-Empfänger, der Radiosignale von den 24 hochfliegenden Satelliten des
amerikanischen Navigationssystems GPS (Global Positioning System) verarbeitet. Daraus
werden Position und Geschwindigkeit des Satelliten mit hoher Präzision abgeleitet. Der auf
CHAMP mitfliegende dreiachsige Beschleunigungsmesser misst gleichzeitig die nichtgravitativen Störbeschleunigungen des Satelliten durch die Atmosphärenreibung und den
Strahlungsdruck von Sonne und Erde. Die räumliche Orientierung der Akzelerometerachsen
wird über zwei Sternkameras bestimmt. Mit dieser Messkonfiguration werden die gravitativen
Bahnstörungen des Satelliten CHAMP freigelegt und für die Kartierung des
Erdgravitationsfeld im globalen Maßstab genutzt. Weitere notwendige Komponenten in
diesem Rahmen sind die GPS-Bodenstationen für die Bahnbestimmung der GPS-Satelliten
und die Laser-Bodenstationen für die Validierung der GPS-Messungen auf CHAMP. Alle für
die Schwerefeldausmessung wichtigen Instrumente an Bord von CHAMP arbeiten seit dem
Start einwandfrei bis auf eine Fehlfunktion im (weniger wichtigen) radialen Kanal des
Beschleunigungsmessers.
Ein erstes neues auf drei Monaten CHAMP-Daten basierendes globales
Erdschwerefeldmodell wurde am GFZ in Kooperation mit französischen Wissenschaftlern
(CNES/GRGS, Toulouse) erstellt und publiziert. Gegenüber den bisher existierenden globalen
Modellen aus der Vor-CHAMP-Ära konnte mit diesem Modell ein durchschlagender Erfolg
erzielt werden: Genauigkeitssteigerung im langwelligen Bereich um den Faktor 5,
Auflösungssteigerung von 600 km auf 400 km (halbe Wellenlänge) allein aus
Satellitenbahnstörungen. Erstmals ist es mit CHAMP auch möglich geworden, ein
Schwerefeldmodell aus Bahnstörungen eines einzigen
Satelliten und mit Beobachtungen über nur wenige
Wochen abzuleiten. Das "10cm-Geoid" ist bezogen auf
die angesprochene Auflösung Wirklichkeit geworden.
Damit
steht
den Ozeanographen jetzt eine
Referenzfläche zur Verfügung, die genau genug ist, um
sinnvoll
für
die
Ableitung
großräumiger
Ozeanzirkulationen eingesetzt werden zu können.
Weitere Lösungen auf breiterer CHAMP-Datenbasis und
unter Einbeziehung zeitlicher Feldänderungen sind in
CHAMP-Schwerefeldmodell
Bearbeitung und zeigen bereits weitergehende Erstes
(Geoid)
(Bild: GFZ Potsdam)
Verbesserungen, auch aufgrund der kontinuierlich
abnehmenden Flughöhe von CHAMP.
Die Erfassung zeitlicher nicht-gezeitenbedingter Schwerefeldänderungen aufgrund von
umweltrelevanten Massenumverteilungen in der Hydrosphäre und Kryosphäre sind das
Hauptziel der ebenfalls auf 5 Jahre ausgelegten
amerikanisch-deutschen GRACE-Mission (Gravity
Recovery And Climate Experiment). Die beiden
Satelliten der GRACE-Formation wurden im März
2002 als Teil des "Earth's System Pathfinder" -Projekts
der NASA erfolgreich gestartet. Das Deutsche Zentrum
für Luft- und Raumfahrt (DLR) und das GFZ Potsdam
sind von deutscher Seite an der Mission beteiligt. Die
operationelle wissenschaftliche Datenaufbereitung und
~auswertung ist auf das Center for Space Research GRACE-Satellitentandem
(UTEX-CSR, Austin) das Jet Propulsion Laboratory (Bild: Astrium)
(JPL, Pasadena) und das GFZ Potsdam verteilt.
Die beiden GRACE-Satelliten, die im Abstand von nominal 225 km auf gleicher Bahn in
anfänglich 500 km Höhe fliegen, ähneln in ihrer Instrumentenbestückung und Funktionsweise
dem Satelliten CHAMP mit allerdings erheblich höheren Genauigkeits- und
Auflösungsanforderungen bezüglich der Akzelerometermessungen. Das neue Element bei
GRACE ist die kontinuierliche Abstandsmessung zwischen beiden Satelliten über
Mikrowellensignale mit einer Präzision von wenigen Mikrometern. Durch die Analyse der
gravitativen relativen Bahnstörungen soll die Auflösung des Erdschwerefelds von etwa 400
km halbe Wellenlänge, wie mit CHAMP erreicht, auf 150 km gesteigert werden bei einem
gleichzeitigen Genauigkeitsgewinn von ein bis zwei Größenordnungen gegenüber heutigen
mittelauflösenden Schwerefeldmodellen. Es ist geplant, monatliche Schwerefeldlösungen für
die Nutzer bereitzustellen und anhand dieser Zeitreihe erstmals zeitliche Feldänderungen im
großen Maßstab zu untersuchen.
Gegenwärtig befindet sich die GRACE-Mission ein halbes Jahr nach dem Start noch wie
vorgesehen in der Kalibrations- und Evaluationsphase, die für Optimierungen hinsichtlich der
Satelliten- und Instrumenteneinstellungen als auch bei der Datenaufbereitung benötigt wird.
Erste auf Daten über wenige Tage basierende interne Schwerefeldlösungen, die unabhängig
bei CSR und dem GFZ erzeugt worden sind, sehen sehr vielversprechend aus und lassen
erkennen, dass durch die Verbindungsmessungen zwischen den beiden Satelliten die
Auflösung in der Schwerefeldausmessung erheblich gesteigert werden kann.
Die mit CHAMP und GRACE gesetzten neuen Standards bei der Gravitatonsfeldbestimmung
haben und werden neue Forschungen und Anwendungen in der Geodäsie, Geophysik,
Ozeanographie und Klimatologie ganz wesentlich vorantreiben.
Univ. Prof. Dr.-Ing. Christoph Reigber, GeoForschungsZentrum Potsdam, Kinematik u. Dynamik der Erde,
Telegraphenberg A 17, 14473 Potsdam, Fax: 0331-288-11 11, Tel.: 0331-288 - 1100, - 1101, E-mail:
[email protected]
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