36 WIRTSCHAFT W E LT A M S O N N TAG N R . 2 6 2 6 . J U N I 2 011 GRIECHENLAND IN DER KRISE Euro-Krise ängstigt den Mittelstand Mittelstands-Panel der „Welt am Sonntag“: Unternehmer beklagen mangelnde Strategie der Politik. Aktuell laufen die Geschäfte noch gut. Doch die Konjunkturerwartungen sind eingebrochen HOLDE SCHNEIDER/VISUM, MARKUS KIRCHGESSNER, AMIN AKHTAR (6), PR (2) D er Euro sollte auf jeden Fall gerettet werden – das ist das fast einheitliche Fazit der aktuellen Mittelstandsumfrage der „Welt am Sonntag“. Für die befragten Unternehmer wäre die Rückkehr zu nationalen Währungen in Europa eine mittlere Katastrophe. „Die gemeinsame Währung hat so vieles vereinfacht, sei es im Zahlungsverkehr, in der Abrechnung oder beim Preisvergleich. Wir exportieren in mehrere Länder der EU und sparen dank des Euros hohe Transaktionskosten“, fasst Helmut Hilzinger, Eigner des Fensterbauers Hilzinger, die Vorteile des Euro für die Unternehmer zusammen. „Der Euro ist eine Erfolgsgeschichte, er muss sich nun in der Krise beweisen“, sagt auch Axel Schweitzer vom Recyclingunternehmen Alba. Unternehmenssanierer Stefan Weniger von der Beratung CMS sekundiert: „Es gibt keine Alternative zum Euro.“ Bis hier sind die Mittelständler auf einer Linie mit der europäischen Politik – doch über die Strategie der Politiker haben sie nur wenig Gutes zu sagen. „Das Nachrichtenchaos der letzten Tage zeigt, zu eng“, sagt Michael Popp, Eigner von welche strategischen Überlegungen sei- Bionorica. „Die Staatsverschuldung in tens der Politik existieren – gar keine!“, der EU wie in den USA machen mir geärgert sich Dirk Martin, Eigner des Soft- nerell Sorgen. Sollte daraus mittelfristig waredienstleisters PMCS Helpline. Er eine weitere weltweite Finanzkrise resulhat viele Schweizer Kunden, jede tieren, hätte das natürlich massivste schlechte Nachricht zum Euro drückt Auswirkungen auch auf unser Geschäft.“ den Wechselkurs zum Franken weiter, Angesichts der drohenden Krise sackt mindert seine Margen. auch der anonym erhobeFür die Mittelständne Index über die konUMFRAGE ler ist klar: Eurorettung junkturelle Lage der Mitzur aktuellen Lage und den Erwartungen des Mittelstands ist nicht gleich Grietelständler zum fünften 6 chenland-Rettung: Die Mal in Folge leicht ab: Unternehmer haben Hatten die Unternehmer 5 kein Problem damit, ofnoch im März ihre Lage 4 fen eine Beteiligung der durchschnittlich mit 5,6 3 Gläubiger in einer gereauf der Skala von -10 bis gelten Staatsinsolvenz +10 beurteilt, sank der In2 oder eine harte Umdex nun auf 5,2. Dennoch 1 Aktuelle Lage schuldung der Hellenen geben fast alle befragen Erwartungen zu verlangen. „Im Unternehmen weiterhin 0 Mrz. 08 Juni 11 Grunde müssten bei eiRekord-Auftragsbestände nem Land die gleichen an und suchen noch imSanierungsinstrumente wie bei einem mer händeringend Fachkräfte. Damit Unternehmen funktionieren – alle müs- liegt die „Welt am Sonntag“-Prognose sen einen Beitrag leisten“, fordert Stefan etwa gleich auf mit dem Index des IfoWeniger. Dirk Martin stößt ins gleiche Instituts in München. Auch der hält sein Horn: „Die Gläubiger, die in den letzten Niveau, noch trotzen die Unternehmen Jahren bereits ein Riesengeld dank der also den schlechten Nachrichten. hohen Risikoaufschläge verdient haben, Doch ihre Lage in drei Monaten beurmüssen nun auch die unternehmerische teilen die Mittelständler deutlich schlechter als noch im Frühjahr: Der Verantwortung für ihr Geschäft tragen.“ Für die Mittelständler gilt: Griechen- Prognose-Index ist regelrecht eingebroland als Markt ist klein. Sie fürchten da- chen und liegt nun nur noch bei 2,7, dem her nicht so sehr die griechische Pleite, schlechtesten Wert seit 2009. Nikolaus Doll, Benedikt Fuest, Tobias sondern die Kettenreaktion in SüdeuroKaiser, Hagen Seidel, Flora Wisdorff pa. „Der Blick auf Griechenland allein ist QUELLE: WELT AM SONNTAG Inzwischen ist die Zuversicht für die Geschäftsentwicklung in den kommenden drei Monaten nur noch so groß wie zu Beginn des Aufschwungs T „Die wirtschaftliche Situation unseres Unternehmens ist im Moment hervorragend, wir profitieren auch davon, dass die Konjunktur sich im Moment so hervorragend entwickelt“, sagt Kim-Eva Wempe, die die gleichnamige Juwelierkette leitet. „Auch die Verbraucher geben wieder mehr aus. Für das kommende Quartal bin ich nicht ganz so optimistisch und erwarte nur eine leichte Verbesserung. Der Grund dafür ist, dass wir im vergangenen Jahr dank der wirtschaftlichen Erholung so außergewöhnlich gute Geschäfte gemacht haben, dass es schwierig sein wird, diesen Erfolg in diesem Jahr zu wiederholen“ ANZEIGE Auf einen Kaffee mit Karl Matthäus Schmidt Warum Kick-backs auf dem Platz gut, aber im Finanzvertrieb schlecht sind. Nur noch wenige Stunden bis zum ersten Kick-off der FrauenfußballWM! Dann werden elf deutsche Damen vorführen, wie Mannschaftssport funktioniert. Am meisten freue ich mich auf den Teamgeist, den unsere Nationalelf zeigt. Zum Beispiel, wenn eine Spielerin auf einen spektakulären Schuss aufs gegnerische Tor verzichtet und den Ball elegant an eine Mannschaftskameradin mit besseren Chancen zurückspielt. In der Muttersprache des Fußballs heißt das kicking the ball back. In der von Männern dominierten Finanzwelt ist das anders, denn dort gibt es noch echte Abstauber. Auch sie freuen sich über Kick-backs. Allerdings verstehen sie darunter versteckte Provisionszahlungen, die vom Hersteller eines Finanzprodukts an den Verkäufer gezahlt werden, und zwar ohne Wissen des Kunden. Bei ihren Spielchen mischt also jemand mit, der eigentlich gar nicht zum Team gehört. Das ist ein böses Foul und – wenn man Kick-back etwas freier übersetzt – ein feiger Tritt in den Hintern der Anleger. Denn die bekommen etwas verkauft, was gar nicht in ihrem Sinne ist, und dürfen dafür auch noch draufzahlen. Also Jungs, nehmt euch ein Beispiel an unseren Fußballerinnen. Zeigt mehr Team-Spirit und hört mit Euren Kick-back-Mogeleien auf. Dann steht ihr vielleicht bald nicht mehr im Abseits. Der Autor ist Vorstandssprecher der ersten Honorarberaterbank Deutschlands: www.quirinbank.de „Natürlich sind wir als Recyclingunternehmen, das Sekundärrohstoffe ins europäische Ausland exportiert, an einem stabilen Euro interessiert“, sagt Axel Schweitzer, Vorstand von Alba. „Der Euro ist grundsätzlich eine Erfolgsgeschichte, da er geholfen hat, Handelshemmnisse zwischen den europäischen Staaten abzubauen, und so zu einem einheitlichen europäischen Wirtschaftsraum geführt hat. Griechenland ist die erste ernst zu nehmende Belastungsprobe für die Währungsunion, deren Zukunftsfähigkeit sich beweisen muss“ Helmut Hilzinger, Geschäftsführer des gleichnamigen Fensterherstellers, hat Vertrauen, dass die Euro-Krise gemeistert wird: „Entscheidend wird sein, dass Griechenland seine Hausaufgaben macht und die Sparmaßnahmen im eigenen Land möglichst sozial verträglich durchsetzt. Dann wird auch die EU das Land mit weiteren Krediten unterstützen. Die gemeinsame Währung sollte auf jeden Fall gerettet werden. Wir exportieren in mehrere Länder der europäischen Währungsunion, und die einheitliche Währung hat vieles vereinfacht“ Daniel Terberger, der die Geschäfte des Mode-Dienstleisters Katag führt, ist bereit, für die Rettung der europäischen Einheit einen hohen Preis zu zahlen, „allerdings nicht jeden. Es wäre für deutsche Unternehmen fatal, wenn die Griechen ihre Drachme wieder einführen sollten. Das würde es etwa deutschen Unternehmen sehr schwer machen, dort ihre Waren abzusetzen. Die Griechen könnten sie nicht bezahlen. Und: Falls es in Griechenland richtig krachen sollte, könnte die Konsumstimmung in Deutschland und der ganzen Welt schnell sinken“ „Ich bin der Meinung, dass die privaten Darlehensgeber für Griechenland genauso am Risiko beteiligt werden sollten, als wenn sie das Geld in private Geschäfte investiert hätten. Wenn die schiefgehen, erstattet schließlich auch niemand einfach alle Verluste.“ So sieht es Dirk Martin vom ITDienstleister PMCS. „Wer Griechenland in den letzten Jahren Geld geliehen hat, hat schließlich durch die durchs höhere Risiko bedingten hohen Zinsen auch gut verdient – nun die Risikokomponente auszuklammern, wäre die falsche Botschaft“ DER INDEX Die Lage ist gut, aber die Unsicherheit wächst Stefan Weniger, Partner des Unternehmenssanierers HWW, betrachtet die Griechenlandkrise aus der Unternehmerperspektive: „Ich finde es richtig, auch private Gläubiger zu beteiligen; so machen wir es ja bei Sanierungen auch. Im Grunde müssten bei einem Land die gleichen Sanierungsinstrumente wie bei einem Unternehmen funktionieren. Ein Sanierungsberater muss mit allen Gläubigern sprechen, alle müssen einen Beitrag leisten und dann kommt ein Unternehmen auch wieder in gutes Fahrwasser. Dabei muss man noch nicht mal ein Insolvenzverfahren eröffnen“ Für die Baufirma Peri läuft es seit Januar richtig gut. Alexander Schwörer, der Geschäftsführer: „Die Nachfrage kommt aus der ganzen Welt, aber vor allem aus rohstoffreichen Ländern, etwa den Golfstaaten, Südamerika und Teilen des südlichen Afrika. Problematisch sind für uns die Lieferfristen für Vormaterialien wie Stahlrohre und Profile. Die Lieferanten haben ihre Kapazitäten nicht schnell genug erhöhen können. Außerdem spüren wir den Fachkräftemangel. Vor allem fehlt uns qualifiziertes Personal in der Produktion. Der Markt ist einfach leergefegt“ Der Blick auf Griechenland allein ist dem Eigentümer des Naturarzneimittelherstellers Bionorica, Michael Popp, zu eng: „Die USA etwa sind nicht weniger verschuldet, das sollte auch Sorgen machen. Die Staatsschulden dort und in der EU machen mir Sorgen. Sollte daraus mittelfristig eine weitere weltweite Finanzkrise resultieren, hätte das massivste Auswirkungen auch auf unser Geschäft. Um jeden Preis sollte Griechenland sicherlich nicht gerettet werden, das ist zu absolut. Sicherlich wäre es aber gut, wenn das Land nicht fallen gelassen wird“ „Die problematische Situation in Griechenland macht mir als Bürgerin Sorgen, aber nicht als Unternehmerin“, sagt Tina Voß, die Gründerin der gleichnamigen Zeitarbeitsfirma. „Ich kann im Moment nicht erkennen, wie Griechenland aus dieser Situation herauskommen kann. Die Politik hat im Inneren keine Unterstützung, nach außen muss sie aber Reformen und Streichprogramme präsentieren. Neue Hilfen würde ich nur befürworten, wenn erkennbar ist, dass sich die Situation in Griechenland verbessert. Im Moment scheint das Geld dort zu versickern“ + Seit 2008 befragt die „Welt am Sonntag“ alle drei Monate ein Panel von Mittelständlern danach, wie sie das konjunkturelle Umfeld ihrer Firmen bewerten – auf einer Skala von „minus 10“ bis „plus 10“. In die aus den Antworten errechneten Indizes gehen die Urteile aller in gleicher Weise ein. Ausnahme: Die Bewertungen des Sanierungsexperten Stefan Weniger werden mit umgekehrten Vorzeichen einkalkuliert. Sein Geschäft läuft dann gut, wenn es dem Rest schlecht geht. Die aktuelle Umfrage spiegelt noch den starken Aufschwung wider, die Einschätzung der gegenwärtigen Geschäftslage befindet sich weiterhin auf hohem Niveau. Doch immer deutlicher wird, dass der Aufschwung seinen Zenit überschritten hat. Darauf deutet der Prognose-Index eindeutig hin. Micaela Schönherr ist Geschäftsführerin des Maschinenbauers Niles Simmons. Die Branche boomt im Moment, vor allem dank der großen Nachfrage aus den asiatischen Schwellenländern; kein Wunder, dass Schönherr die gegenwärtige Lage ihres Unternehmens überaus positiv einschätzt. Für die kommenden Monate ist die Unternehmerin allerdings skeptischer: Sie zweifelt daran, dass sich die ohnehin gute Situation des Maschinenbauers mit Sitz im sächsischen Chemnitz im kommenden Quartal noch weiter verbessern wird“