3 Induktive Statistik 3.1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 3.1.1 Grundbegriffe/ Definitionen Zufallsexperiment Vorgang, der beliebig oft wiederholbar ist und dessen Ergebnis vom Zufall abhängt. Elementarereignis ei Reihe möglicher elementarer Ergebnisse. Ereignisraum S Ergibt sich aus der Menge aller Elementarereignisse { e1 , e 2 , . . ., e n } . Ereignis A, B Jede beliebige Teilmenge des Ereignisraumes. Wahrscheinlichkeitsbegriff nach Laplace Sind alle Elementarereignisse gleichmöglich, so gilt W ( ei ) = Zahl der günstigste n Fälle Zahl aller gleichwahr scheinlichen Fälle Wahrscheinlichkeitsbegriff nach von Mises hn (A ) n→∞ n W (A ) = lim fn (A ) = lim n→∞ Wahrscheinlichkeitsbegriff nach Kolmogorov Axiom 1: 0 ≤ W (A ) ≤ 1 Axiom 2: W (S ) = 1 Axiom 3: W (A ∪ B ) = W (A ) + W (B ) für A ⊂ S (Nichtnegativität) (Normierung) für A ∩ B = ∅ Aus Axiom (3 ) ergibt sich die Beziehung F. W. Peren, Formelsammlung Wirtschaftsstatistik, DOI 10.1007/978-3-662-47852-3_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 (Additivität) 28 3 Induktive Statistik W (A 1 ∪ A 2 ∪ . . . ∪ A n ) = W (A 1 ) + W (A 2 ) + . . . + W (A n ) für (i ≠ j). Ai ∩ A j = ∅ Rechenregeln für Wahrscheinlichkeiten (1) Komplementär-Wahrscheinlichkeit (Gegenwahrscheinlichkeit) Für A , das Komplementärereignis von A, gilt ( ) W A = 1 − W (A ). (2) Wahrscheinlichkeit für ein unmögliches Ereignis W (∅ ) = 0 (3) Additionssatz für zwei beliebige Ereignisse W (A ∪ B ) = W (A ) + W (B ) − W (A ∩ B) (4) Wahrscheinlichkeitsbedingung für ein Teilereignis W (A ) ≤ W (B ) für A ⊂ B 3.1.2 Sätze der Wahrscheinlichkeitsrechnung Multiplikationssatz Für zwei stochastisch unabhängige Ereignisse A und B gilt W (A ∩ B ) = W (A ) ⋅ W (B ) Für zwei stochastisch abhängige Ereignisse A und B gilt W (A ∩ B ) = W (A ) ⋅ W (B / A ) = W (B ) ⋅ W (A / B ) . 3.1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 29 Bedingte Wahrscheinlichkeit Für W (A ) > 0 definiert sich die bedingte Wahrscheinlichkeit des Ereignisses B unter der Bedingung A als W (B / A ) = W (A ∩ B ) . W (A ) Stochastische Unabhängigkeit Zwei Ereignisse A, B heißen stochastisch unabhängig, wenn gilt ( W (B / A ) = W B / A bzw. ) ( ) ∨ W (A / B ) = W A / B , W (A ∩ B ) = W (A ) ⋅ W (B ) . Satz der totalen Wahrscheinlichkeit Wenn A 1 ∪ A 2 ∪ . . . ∪ A n = S und A i ∩ A j = ∅ für i ≠ j , so gilt für E ⊂ S n (i = 1, . . . ,n) . W (E ) = ¦ W (A i ) ⋅ W (E / A i ) i=1 Theorem von Bayes Wenn A 1 ∪ A 2 ∪ . . . ∪ A n = S und A i ∩ A j = ∅ für i ≠ j , so gilt für E ⊂ S ( ) W Aj /E = ( ) ( W Aj ⋅ W E/ Aj n ¦ i =1 ) W (A i ) ⋅ W (E / A i ) (i, j = 1 , . . . , n) . 30 3 Induktive Statistik 3.2 Wahrscheinlichkeitsverteilungen 3.2.1 Begriff der Zufallsvariablen Um das Ergebnis eines Zufallsexperimentes quantitativ verarbeiten zu können, ist dieses in eine reelle Zahl zu transformieren. Die Zufallsvariable X umfasst eine bestimmte Anzahl von n Elementarereignissen e j ( j = 1, 2, . . ., n) im Ereignisraum S. Definitionsbereich: Ereignisraum S Wertebereich: Menge der reellen Zahlen Zu unterscheiden sind: 1. Diskrete Zufallsvariablen: Hier lässt sich jedem möglichen Ereignis genau eine bestimmte Eintrittswahrscheinlichkeit zuordnen (z.B. Werfen eines Würfels). 2. Stetige Zufallsvariablen: Hier existieren unendlich viele mögliche Ausprägungen eines Merkmals. Die Möglichkeit zur Bestimmung der Eintrittswahrscheinlichkeit ist nahezu Null. 3.2.2 Wahrscheinlichkeits-, Verteilungs- und Dichtefunktion 3.2.2.1 Diskrete Zufallsvariable Wahrscheinlichkeitsfunktion f (x i ) = W ( X = x i ) (i = 1, 2, ...) Eigenschaften der Wahrscheinlichkeitsfunktion: (1) f (x i ) ≥ 0 (2) ¦ f (x i ) = 1 i mit (i = 1, 2, ...) 3.2 Wahrscheinlichkeitsverteilungen Verteilungsfunktion F(x ) = W (X ≤ x ) Eigenschaften der Verteilungsfunktion: (1) F(x) ist monoton steigend (2) F(x) ist stetig (3) lim F(x ) = 0 x→ −∞ (4) lim F(x ) = 1 x→ +∞ 3.2.2.2 Stetige Zufallsvariable Anstelle von Wahrscheinlichkeiten werden sogenannte Dichten angegeben, dies erfolgt in Form von Dichtefunktionen. Wahrscheinlichkeitsdichte b W (a ≤ X ≤ b ) = ³ f (x ) dx a Eigenschaften jeder Wahrscheinlichkeitsdichte: (1) f (x ) ≥ 0 +∞ (2) ³ f (x )dx = 1 −∞ Verteilungsfunktion F(x ) = W (X ≤ x ) = x ³ f (q)dq −∞ F′(x ) = f (x ) 31 32 3 Induktive Statistik Eigenschaften jeder Verteilungsfunktion von stetigen Zufallsvariablen: (1) 0 ≤ F(x ) ≤ 1 (2) F(x ) ist monoton steigend, d.h. für x 1 < x 2 gilt F(x 1 ) ≤ F(x 2 ) (3) lim F(x ) = 0 x→ −∞ (4) lim F(x ) = 1 x→ + ∞ (5) F(x) ist im gesamten Definitionsbereich stetig. 3.2.3 Parameter für Wahrscheinlichkeitsverteilungen Erwartungswert und Varianz von Zufallsvariablen Diskrete Zufallsvariable E(X ) = ¦ x i f (x i ) i [ Var (X ) = E [X − E(X )] 2 ] = ¦ [x i − E(X )] f (x i ) 2 i = ¦ x i2 ⋅ f (x i ) − [E(X )] 2 i Stetige Zufallsvariable E(X ) = +∞ ³ xf (x )dx [ Var (X ) = E [X − E(X )] 2 = +∞ ] ³ [x − E(X)] f (x )dx 2 −∞ −∞ = +∞ ³ x ⋅ f (x )dx − [E(X)] 2 −∞ 2 3.3 Theoretische Verteilungen 33 3.3 Theoretische Verteilungen 3.3.1 Diskrete Verteilungen Binomialverteilung Wahrscheinlichkeitsfunktion ­§ n · x n− x °¨ ¸ θ (1 − θ) fB (x / n ; θ) = ®¨© x ¸¹ ° 0 ¯ für x = 0 , 1, . . ., n für x ≠ 0 , 1, . . ., n Verteilungsfunktion x §n · n−v FB (x / n ; θ) = ¦ ¨¨ ¸¸ θ v (1 − θ ) v =0 © v ¹ Erwartungswert E(X ) = n ⋅ θ Varianz Var (X ) = n ⋅ θ(1 − θ) Rekursionsformel fB (x + 1/ n ; θ) = fB (x / n ; θ) ⋅ n−x θ ⋅ x + 1 1− θ 34 3 Induktive Statistik Hypergeometrische Verteilung Wahrscheinlichkeitsfunktion ­ § M ·§ N − M · ¸¸ ° ¨¨ ¸¸¨¨ °° © x ¹© n − x ¹ fH (x / N; n ; M) = ® §N · ¨¨ ¸¸ ° © n¹ ° °¯ 0 für x = 0 , 1, . . . , n für x ≠ 0 , 1, . . . , n Verteilungsfunktion x FH (x / N; n ; M) = ¦ v =0 § M ·§ N − M · ¨¨ ¸¸¨¨ ¸¸ © v ¹© n − v ¹ §N· ¨¨ ¸¸ © n¹ Erwartungswert E(X ) = n ⋅ M N Varianz Var (X ) = n ⋅ M N−M N−n ⋅ ⋅ N N N−1 Rekursionsformel fH (x + 1/ N; n; M) = fH (x / N; n ; M) ⋅ (M − x ) (n − x ) (x + 1) (N − M − n + x + 1) 3.3 Theoretische Verteilungen 35 Poissonverteilung Wahrscheinlichkeitsfunktion ­ μ x e −μ ° fp (x / μ ) = ® x ! °0 ¯ für x ≠ 0 , 1, . . . e = 2,71828... (Eulersche Zahl) für x = 0 , 1, . . . Verteilungsfunktion x Fp (x / μ ) = ¦ v =0 μ v e −μ v! Erwartungswert und Varianz E(X ) = Var (X ) = μ Rekursionsformel fp (x + 1/ μ ) = fp (x / μ ) μ x +1 3.3.2 Stetige Verteilungen Normalverteilung Wahrscheinlichkeitsdichte ( fn x/ȝ; ı 2 )= 1 ı 2ʌ e 1 § x −ȝ · − ¨ ¸ 2© ı ¹ 2 36 3 Induktive Statistik Verteilungsfunktion ( )= ³ ı x Fn x/ȝ; ı 2 − 1 2ʌ −∞ e 1 § q − ȝ ·2 ¨ ¸ 2© ı ¹ dq Erwartungswert E (X ) = μ Varianz Var (X ) = σ 2 Standardnormalverteilung Ist die Zufallsvariable X normalverteilt mit E(x ) = μ und Var (x ) = σ² , so wird X zur standardisierten Zufallsvariablen Z mit Z= X−μ σ und dem Erwartungswert E( Z) = 0 und der Varianz Var( Z) = 1 Wahrscheinlichkeitsdichte 1 fN (z ) = 2π e 1 − z2 2 Verteilungsfunktion FN (z ) = z ³ −∞ 1 2π e 1 − q2 2 dq http://www.springer.com/978-3-662-47851-6