1 Stellungnahme zum Vernehmlassungsbericht der Regierung

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Stellungnahme zum Vernehmlassungsbericht der Regierung
betreffend Abänderung des Gesetzes über die Krankenversicherung
Zu Handen der
Regierung des Fürstentums Liechtenstein
Ministerium für Gesellschaft
Herrn RR Mauro Pedrazzini
Peter-Kaiser-Platz 1
9490 Vaduz
Eschen, 30.09.2014
Sehr geehrter Herr Regierungsrat
Ich danke für die Möglichkeit einer Stellungnahme zur Abänderung des Gesetzes über die Krankenversicherung.
Offene Fragen / fehlende Informationen

Aufstellung der Kosten pro Versicherten in 2013 (S.14):
Die Abänderung des KVG zielt u.a. auf eine Reduktion der Kosten für ambulante ärztl. Behandlungen
ab. Folgende weitere Informationen wären für eine Beurteilung der vorgeschlagenen Änderungen nötig: Wie setzen sich die Kosten für ärztliche ambulante Behandlungen zusammen, d.h. durch welche
Leistungen werden konkret die Kosten für ambulante Behandlungen verursacht (Medikamente, Labor,
etc.)? Von welcher ärztlichen Fachrichtung werden Kosten in welcher Höhe verursacht?
Unterstützungswürdige Punkte
Die Vorschläge der Regierung zur Kostenreduktion und Angebotssteuerung der Gesundheitsleistungen beinhalten einige unterstützungswürdige Inhalte.
Positiv hervorzuheben ist insbesondere:

Die vorgeschlagene Umstellung auf Tiers garant für ambulante Kosten (mit Möglichkeit einer Abtretungserklärung).
Kommentar: Auch wenn sich hierdurch für einen Teil der Bevölkerung finanzielle Engpässe ergeben
können, wird dieser Vorschlag unterstützt, da er zu einem bewussteren Umgang bei der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen beitragen dürfte.
Ergänzender Vorschlag: Um allfällige finanzielle Engpässe abzumildern, müsste auf Anfrage oder generell eine Verlängerung der Zahlungsfrist gewährt werden.

Generell die Erhöhung der Eigenverantwortung und Reduktion der Anspruchshaltung über finanzielle
Anreize.
Kommentar: jedoch einige Vorbehalte hierzu; siehe Kommentare unten.

Die Abschaffung der Kostenbefreiung vom Selbstbehalt bei chronischen Erkrankungen.
Kommentar: sinnvoll, da chronische Erkrankungen nicht immer klar abzugrenzen sind von akuten Erkrankungen und die bisher geltende generelle Befreiung vom Selbstbehalt nicht gerechtfertigt ist.

Die Regulierung der Arzneimittelkosten (Festbetragsregelung; S. 86).
Kommentar: Dieser Vorschlag wird begrüsst – wünschenswert wären jedoch weitergehende Schritte
zur Reduktion der Ausgaben für Arzneimittel. Konkrete Vorschläge siehe unten.
1

Die Einführung einer Leistungspflicht für Leistungserbringer mit OKP-Verträgen (S.79).
Kommentar: Dies ist zu begrüssen, um eine mögliche Unterversorgung zu vermeiden. Auch sollen
OKP-Verträge kündbar sein, wenn im betreffenden Fachgebiet kein Bedarf mehr besteht, um eine
Überversorgung zu verhindern. Kommentare und Vorschläge zu den weiteren geplanten Massnahmen
siehe unten.
Kritik-Punkte
A. Erhöhung der Kostenbeteiligung in der Grundkostenversicherung
Vernehmlassung der Regierung:
Die Statistik auf S.22 zeigt auf, dass die Liechtensteiner Bevölkerung im Vergleich zum OECD-Durchschnitt häufigere Arztbesuche aufweist (nämlich 9.2 pro Jahr im Gegensatz zu 6.6 pro Jahr), was auf
eine zu hohe Anspruchshaltung und mangelnde Eigenverantwortung bei den Liechtensteiner Patienten zurückgeführt wird. Um die Eigenverantwortung zu erhöhen und die Kosten zu reduzieren, soll die
Kostenbeteiligung des einzelnen Patienten erhöht werden (S.34), staatliche Beiträge (v.a. im Grundkostenbereich) (S.62) dagegen sollen reduziert werden.
Hierzu Kommentare 1. bis 5.
1.
ENTSOLIDARISIERUNG.
Durch die vorgeschlagene Reduktion staatlicher Beiträge findet eine Entsolidarisierung
statt. Diese wird von der Regierung damit gerechtfertigt, dass die Grundkostenversicherung.
(S.62) zwar entsolidarisiert werde, die Hochkostenversicherung aber ja unverändert solidarisch ausgestaltet sei (da diese mehrheitlich aus Steuermitteln finanziert wird).
Diese geplante Entsolidarisierung der Grundkostenversicherung macht wenig Sinn. Sie belastet die untere und mittlere Einkommensschicht unnötigerweise unverhältnismässig stärker als die obere Einkommensschicht und trägt zu einer weiteren Umverteilung des Vermögens bei.
Siehe hierzu unten stehenden Vorschlag (I).
2.
VERMÖGENDE: KEINE ERHÖHUNG DER EIGENVERANTWORTUNG.
Zu bedenken ist, dass die geplante Entsolidarisierung (S.62) voraussichtlich nur für einen Teil
der Bevölkerung den erhofften Effekt der verstärkten Eigenverantwortung zeitigen wird:
nämlich bei der Unterschicht und teilweise bei der Mittelschicht.
Beim finanziell besser gestellten Teil der Bevölkerung darf davon ausgegangen werden:
Wer sich den erhöhten Selbstbehalt problemlos leisten kann, wird sein Anspruchs- und
Konsum-Verhalten kaum ändern und unvermindert weiterhin häufig zum Arzt gehen. Hier
geht der Anreiz zu mehr Eigenverantwortung ins Leere und die Eigenverantwortung wird
nicht gestärkt.
Siehe hierzu unten stehenden Vorschlag (I).
3.
UNTERSCHICHT: REDUZIERTE INANSPRUCHNAHME MED. VERSORGUNG.
Bei den unteren Einkommensschichten dagegen dürfte die verhältnismässig massiv stärkere
finanzielle Belastung einen extrem starken Anreiz zur "Eigenverantwortung" darstellen –
2
und zwar mit den möglichen negativen Auswirkungen, dass auf notwendige Arztbesuche
verzichtet oder diese zu lange verzögert werden – also notwendige Behandlungen aus Kostengründen (Selbstbehalt) abgebrochen werden oder die Diagnostik gar nicht erst durchgeführt wird.
In der Folge würden Krankheiten spät oder gar nicht diagnostiziert werden und u.U. im fortgeschrittenen Stadium durch die Verzögerung deutlich höhere Folgekosten verursachen.
Dies gilt insbesondere für Erkrankungen, die primär nicht mit starker Beeinträchtigung (verminderte Funktionalität, Schmerzen) einhergehen. Die verzögerte Abklärung und Behandlung kann aber dennoch gravierende und evt. kostspielige Folgen haben, ob es sich nun um
maligne Tumoren oder um "Volkskrankheiten" wie Zuckerkrankheit, Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin usw. handelt oder auch um psychische Erkrankungen.
Eine besondere Bedeutung hat die Spät- oder Nicht-Behandlung infektiöser (und evt. meldepflichtiger) Erkrankungen wegen ihrer sozialmedizinischen Auswirkungen.
(Zynischerweise trifft die zu erwartende Kostensteigerung durch verspätete Behandlung
selbstverständlich nicht zu, wenn die Patienten rechtzeitig und unbehandelt versterben –
das wäre nämlich der kostengünstigste Fall. Es wird jedoch nicht angenommen, dass die Regierung auf diesen Fall spekuliert).
Die nur alle fünf Jahre geplanten Vorsorgeuntersuchungen scheinen nicht angemessen, um
den Folgen der unverhältnismässig starken Spar-Anreize in der unteren Einkommensschicht
entgegenzuwirken.
Siehe hierzu unten stehende Vorschläge (I) und (II).
4.
MITTELSCHICHT: BEI FINANZ. ENGPÄSSEN KEINE UNTERSTÜTZUNG.
Es ist anzunehmen, dass auch die Mittelschicht auf die geplanten Eigenverantwortungs-Anreize reagieren und die Anzahl medizinischer Konsultationen reduzieren wird (was ja Ziel der
Massnahme ist). Je nach körperlichem Gesundheitszustand besteht jedoch keine Möglichkeit, die kostspieligen Behandlungen zu reduzieren. Die Mittelschicht ist unterschiedlich
stark von den Sparmassnahmen betroffen.
Um eine allfällige unzumutbare finanzielle Belastung des Patienten abzufangen, wird auf
S. 46 darauf hingewiesen, dass Bezüger von Sozialleistungen wie bisher eine Prämienreduktion beantragen können und somit weiterhin staatlich unterstützt werden. Unterschiede in
Einkommens/Vermögen der Mittelschicht werden nicht berücksichtigt.
Siehe hierzu unten stehenden Vorschlag (I).
5.
ANSPRUCHSHALTUNG und VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT.
Der grösste Teil der Bruttoleistungen wird von nur 10% der Versicherten bezogen (S.40).
Damit dürften die "schärferen Massnahmen am unteren Ende" (S. 62) in finanzieller Hinsicht
rein rechnerisch wohl kaum die gewünschte Reduktion der Kostenexplosion (Reduktion der
Gesamt-Bruttoleistungen) bringen und deshalb die "verschärfte" Massnahme im vorgeschlagenen Ausmass rechtfertigen.
Dennoch spricht diese Feststellung keinesfalls generell gegen Massnahmen zur Erhöhung
der Eigenverantwortung und Reduktion der Anspruchshaltung. Sie sollen jedoch nicht in
vorgeschlagenen Ausmass auf Kosten der Solidarität oder der Inanspruchnahme adäquater
Behandlung einzelner Bevölkerungsschichten umgesetzt werden.
Siehe hierzu unten stehende Vorschläge (I) und (II).
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Vorschläge zu Kommentar 1. bis 5.
Vorschlag (I)
Eine Stärkung der Eigenverantwortung ist generell sinnvoll.
Wenn dies vor allem über Spar-Anreize wie der Erhöhung des Selbstkostenanteils reguliert
werden soll, müsste jedoch eine erheblich konsequentere Umsetzung erfolgen – und zwar
in Form einer Massnahme, die alle Bevölkerungsschichten gleichermassen betrifft.
Dies wäre der Fall, wenn der prozentuelle Selbstkostenanteil sowie die maximale Höhe des
jährlichen Selbstkostenanteils in Zukunft abhängig vom Einkommen / Vermögen festgelegt werden.
In der Praxis kann ein festgelegter Ausgangswert für den Selbstbehalt (z.B. 10% der Rechnung)
mit einem anhand der Steuererklärung errechneten Faktor multipliziert werden – für Einkommensschwache z.B. um einen Faktor kleiner 1 und für Einkommensstärkere um einen
Faktor grösser 1; mit entsprechender Progression bei hohen Einkommen. Dieser Multiplikationsfaktor ist demnach einkommens- und vermögensabhängig.
Somit fällt einerseits der Anreiz zur Eigenverantwortung in allen Einkommensschichten gleich
stark aus und andererseits findet zusätzlich KEINE Entsolidarisierung statt – diese ist weder
notwendig noch erstrebenswert.
VORSCHLAG (II)
Unabhängig davon, ob eine einkommens-/vermögens-abhängige Kostenbeteiligung gemäss
Vorschlag (I) umgesetzt wird oder nicht, ist es aus medizinischer Sicht (sowohl individuell als
auch sozialmedizinisch) angezeigt, die Anzahl und den Umfang der Vorsorge-Untersuchungen derart zu gestalten, dass eine Verschleppung von Diagnostik und Behandlung aufgrund
falsch verstandener "Spar-Anreize" v.a. in der unteren Einkommensschicht abgefangen werden kann, bevor Nachteile für den Patienten und erhebliche Folgekosten generiert werden.
Kommentare 6. bis 8.
6.
HANDLUNGSSPIELRAUM im Falle einer ERKRANKUNG.
Es ist zu hinterfragen, ob der Patient als Laie in medizinischen Fragen tatsächlich einen so
grossen Handlungsspielraum hat, wie in der Vernehmlassung der Regierung dargestellt.
Man kann sich erstens ja nicht einfach dagegen entscheiden, eine Krankheit zu bekommen
oder einen Unfall zu haben. Man kann sich nur entscheiden, eine Diagnostik und Behandlung in Anspruch zu nehmen oder zu verschleppen. Und zweitens dürfte die Angemessenheit von Diagnostik und Behandlung in der Regel durch einen Laien nicht zuverlässig beurteilt werden können. Diese sollte stattdessen durch einen unabhängigen Experten (unabhängige Vertrauensärzte) erfolgen. Siehe hierzu Vorschlag (III)
7.
ANGEBOTS-INDUZIERTE NACHFRAGE.
Die Vermutung auf S. 23 dürfte wahrscheinlich zutreffen, dass die sehr hohe Nachfrage medizinischer ambulanter Leistungen in Liechtenstein unter anderem "angebotsinduziert" sei.
Das würde heissen, dass die Anbieter, nämlich die Leistungserbringer (alle? einzelne? welche?) aktiv eine hohe Nachfrage generieren, indem sie möglicherweise in ihrer Expertenrolle dem Patienten zu Behandlungen und Kontroll-Konsultationen raten, die eventuell nicht
zwingend notwendig wären oder aber sie wählen nicht die kostengünstigste Alternativen bei
Diagnostik und Behandlung.
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Es dürfte jedoch für den medizinischen Laien kaum möglich sein, zweifelsfrei zu entscheiden, welche der vorgeschlagenen Massnahmen und Kontrollen tatsächlich zwingend nötig
sind, um Folgeschäden und Beeinträchtigungen zu verhindern, und welche dagegen nicht
zwingend nötig sind, weil sie beispielsweise auf Kosten der Sozialversicherung nur der Erhöhung des Wohlbefindens und der Lebensqualität oder der Reduktion von Schmerzen dienen
sollen – oder ob tatsächlich gar keine Diagnostik und Behandlung nötig wäre und die vom
Leistungserbringer vorgeschlagenen Massnahmen somit einen juristischen Tatbestand erfüllen würden.
Medizin ist keine exakte Wissenschaft und es handelt sich bei Prognosen von Erkrankungen
(ob mit oder ohne Behandlung) um statistische Auftretens-Wahrscheinlichkeiten bestimmter Ereignisse. Dabei spielen zahlreiche weitere Faktoren eine Rolle (Komorbidität, Alter,
Risikofaktoren, Interaktionen, Patienten-Compliance usw.).
Auch gut informierte und aufgeklärte Laien können die oft komplexen Zusammenhänge
nicht verlässlich ohne weiteres durchschauen und sind in hohem Ausmass von der Beurteilung durch den Experten abhängig.
Siehe hierzu unten stehenden Vorschlag (III)
8.
UMGANG MIT MEDIKAMENTEN
Das Nicht-fertig-Einnehmen angebrochener Medikamentenpackungen (S.34 und S. 89) trägt
nach Ansicht der Regierung zum aktuellen Kostenanstieg im Gesundheitswesen bei.
Dies ist durchaus möglich, zumal sich Patienten in der Regel unkritisch die vollständige Packung verschriebener Medikamente aushändigen lassen.
Es ist jedoch erstens anzumerken, dass der Patient keinen Einfluss hat auf die Grösse der
kleinsten handelsüblichen Medikamentenschachteln und zweitens nicht jede Krankheit oder
jeder Schmerz exakt bis "zum Ende der Schachtel x" dauert, sondern unter Umständen
schon vorher auskuriert ist.
Es findet sich auch nicht in jeder Apotheke immer das günstigste verfügbare Generikum,
was ein aktives Nachfragen und Nachbestellen (mit Wartezeit) nötig macht.
Siehe hierzu unten stehende Vorschläge (IV) und (V)
Vorschläge zu Kommentar 6. bis 8.
VORSCHLAG (III): Die Beurteilung von Art und Umfang einer adäquaten und gleichzeitig kosteneffizienten Diagnostik und Behandlung soll nicht (über Einsatz finanzieller Druckmittel) dem Patienten als
medizinischen Laien, sondern einem unabhängigen (staatlichen) Vertrauensarzt oder Expertengremium unterliegen.
Die Experten/Vertrauensärzte sollen jedoch nicht wie im bisherigen Vertrauensarztsystem
ausschliesslich über die Krankenkasse finanziert werden und primär deren Interessen vertreten, sondern von der Krankenkasse unabhängig sein.
Der Behandler hat vor diesem Vertrauensarzt seine Therapien zu begründen bzw. zu rechtfertigen, denn dieser kann erheblich besser beurteilen, welche Massnahmen kosteneffizient, gerechtfertigt und zwingend nötig sind, als der Patient als medizinischer Laie dies
könnte.
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Sollten die bisher üblichen Kontrollen der Leistungserbringer über den Vertrauensarzt der
Krankenkasse nicht ausreichend oder zu wenig effizient sein, um ein Fehlverhalten einzelner
Leistungserbringer erfolgreich zu verhindern, so ist das System der Kontrolle durch unabhängiger Experten entsprechend auszubauen und zu verstärken.
Diese verstärkten Kontroll-Massnahmen sind offensichtlich und bedauerlicherweise nötig,
auch wenn dadurch das Fehlverhalten einzelner Leistungserbringer zu verstärkter Kontrolle
und einem erheblichen bürokratischen Aufwand für alle Leistungserbringer führt (Rechtfertigung vor dem Vertrauensarzt: ausführliche Berichte über Diagnostik und Behandlungen;
Gesuche um Verlängerung oder Änderung der Therapien usw.).
Dennoch stellt dies eine sinn- und verantwortungsvolle Option dar, ganz im Gegensatz zum
Vorschlag der "Kontrolle/Überprüfung des Behandlers durch den medizinischen Laien" –
diese Forderung ist abwegig.
VORSCHLAG (IV): Medikamente sollen von Apotheken und Ärzten stückweise statt packungsweise abgegeben
werden, um eine übermässige Abgabe (und nicht fachgerechte Entsorgung) von Medikamenten zu reduzieren. Ärzte und Apotheken sind zu verpflichten, das jeweils günstigste verfügbare Generikum einer Wirksubstanz zu verschreiben respektive anzubieten – es sei denn,
es liegen medizinische Gründe vor, die das Verschreiben des Originalpräparates unumgänglich machen.
VORSCHLAG (V): Ein weiterer Punkt dürfte zu einer weit erheblicheren Kostenreduktion beitragen, bleibt
aber im Vernehmlassungsbericht gänzlich unerwähnt: Die in Liechtenstein (und der Schweiz)
erhältlichen Medikamente sind erheblich und teilweise um ein Mehrfaches teurer als in
verschiedenen EWR-Staaten.
Der Bezug von Arzneimitteln aus EWR-Staaten dürften die Bruttoleistungen der Krankenversicherung spürbar verringern (vgl. Medikamentenkosten S. 90).
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B. Steuerung des Angebots an Gesundheitsleistungen
Vernehmlassung der Regierung:
Die derzeitige Bedarfsplanung ist unflexibel, erschwert eine Teilzeit-Arbeit der Leistungserbringer und kann zu
Versorgungslücken führen, wenn Leistungserbringer mit OKP-Verträgen sich nebenberuflich auch anderen lukrativen Tätigkeiten (Privat- und Zusatzversicherungsbereich, Begutachtungen etc.) widmen (S.79). Ausserdem
besteht aufgrund der unbefristeten Verträge keine Handhabe gegenüber Leistungserbringern, deren "Abrechnung nicht über jeden Zweifel erhaben (S.82)" ist. Es werden daher entsprechend einige Änderungen vorgeschlagen.
Dazu folgende Anmerkungen und Vorschläge:
A)
SANKTIONEN AUF KOSTEN DER PATIENTEN
Vernehmlassung der Regierung:
Bislang wurden OKP-Verträge unbefristet erteilt (S.75ff). Dies ist aus verschiedenen Gründen nachteilig
und als Massnahme wird die "Befristung von OKP-Verträgen auf vier Jahre" (S.80) vorgeschlagen. Die
mögliche Verweigerung eines Anschlussvertrags werde zu Wohlverhalten des Leistungserbringers führen
und Sanktionen eher unwahrscheinlich machen, die ja durch den unfreiwilligen Arztwechsel auch für den
Patienten negative Folgen hätten ("Unbequemlichkeiten, gerade weil zu einem Arzt ein Vertrauensverhältnis besteht" S.82).
Kommentar:
Die Befristung der Verträge dient neben der Erhöhung der Flexibilität in der Bedarfsplanung vor allem der
verstärkten Kontrolle der OKP-Leistungserbringer durch die Krankenkassen, da es – ausserhalb jeder Bedarfsplanung – ein Druckmittel darstellt, das ein LKV-definiertes "Wohlverhalten" (S.82) des einzelnen
Leistungserbringers sicherstellen soll.
Bei Nicht-Wohlverhalten eines OKP-Arztes wären die Patienten (wenn sie Pech haben, auch mehrfach)
gezwungen, zu einem anderen Arzt (mit OKP-Vertrag) zu wechseln.
Je nach Krankengeschichte und Spezialisierung (insbesondere im Fach Allgemeinmedizin und im Fach Psychiatrie, in welchem die Arzt-Patienten-Beziehung ein wesentlicher Wirkfaktor der Therapie darstellt)
kann sich dies sowohl für den Patienten als auch auf die Behandlungskosten nachteilig auswirken und sind
nicht lediglich "Unbequemlichkeiten". Diese nachteilige Entwicklung wäre vollständig vermeidbar.
Eine Kontrolle der Leistungserbringer ist jedoch notwendig und soll für fehlbare Leistungserbringer auch
Konsequenzen haben – aber nicht auf Kosten der Patienten.
Siehe hierzu unten stehende Vorschläge (VII) und (VIII) sowie oben stehender Vorschlag (III)
B) UNFAIRES SYSTEM
Vernehmlassung der Regierung:
Die bisherigen Verträge seien de facto unkündbar bis über das Pensionsalter hinaus, was einen Anachronismus darstelle (S.81)und durch die befristeten Verträge abgeschafft werden soll. Die Befristung der Verträge werde zu Wohlverhalten des Leistungserbringers führen und dadurch die mit "Unanehmlichkeiten"
für den Patienten verbundene Arztwechsel (Sanktionen) unwahrscheinlich machen. (S.82)
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Kommentar:
Wie in der Vernehmlassung angemerkt, ist das bisherige System der Vergabe unbefristeter Verträge ungerecht, da es einzelne Leistungserbringer unbefristet und mit einem vollen (100-Prozent) Pensum begünstigt, während es andere Leistungserbringer benachteiligt.
Gemäss obiger Anmerkung (S.82) ist zu schliessen, dass die Regierung selbstverständlich nicht davon ausgeht, dass aufgrund der Vertrags-Befristung nun alle vier Jahre ein Wechsel der Person des OKP-Vertragspartners (im Sinn einer gerechteren Verteilung) stattfinden wird – was ja für die Patienten äusserst nachteilig und nicht umsetzbar wäre –, sondern es sollen (im Sinn der Besitzstandswahrung) die Verträge der
immer gleichen ausgewählten Personen als Leistungserbringer verlängert werden (…Wohlverhalten vorausgesetzt).
Die vorgeschlagene Neuregelung ändert leider nichts an dem unbefriedigenden System der Vergabe von
OKP-Verträgen, sondern dient lediglich als Instrument zur Kontrolle bisheriger OKP-Vertragspartner.
Siehe hierzu unten stehender Vorschlag (VI)
C) TEILZEIT-MODELLE UND FLEXIBLERE BEDARFSPLANUNG
Vernehmlassung der Regierung:
Bei der Bedarfsplanung soll das Festlegen der Höchstzahl Ärzte pro Fachrichtung die Einführung von flexibleren Teilzeitmodellen (Stellenpoolmodelle) ermöglichen (S.78ff).
Kommentar:
Das vorgeschlagene Teilzeitmodell ist nicht ausreichend flexibel – Life events und Familienplanung halten
sich nicht exakt an Vierjahrespläne. Flexible Veränderungen des Pensums sind in diesem Modell nicht
möglich, da die Gesamthöhe ärztlicher Stellenprozente pro Fachgebiet (auf vier Jahre) festgelegt werden
soll. Beim Teilzeitmodell würde beispielsweise eine neu angestrebte Pensum-Aufstockung einerseits von
der Bedarfsplanung in diesem Fachgebiet abhängen und andererseits von der Länge der Warteliste für
dieses Fachgebiet; es gibt ja auch andere Bewerber. Eine angestrebte Reduktion des Pensums wäre auch
nicht ohne weiteres möglich, da ja an die OKP-Verträge auch eine Leistungspflicht geknüpft werden soll.
Sollte nicht per Zufall ein Job-Sharing-Partner vorhanden sein, der zur gleichen Zeit im gleichen Fachgebiet
die komplementären Stellenprozent-Änderungen anstrebt, ist das System nicht wesentlich flexibler als
heute.
Siehe hierzu Vorschlag (VI)
Vorschläge zu den Punkten A. bis C.:
VORSCHLAG (VI): In Zukunft sollen keine Voll-Beschäftigungs-OKP-Verträge mehr vergeben werden. Die pro
Fachgebiet festgelegte Höchstzahl an Stellenprozenten soll dagegen grundsätzlich auf mehrere Personen aufgeteilt werden. Vorstellbar wären Verträge, die bspw. maximal einem
50% oder 25%- Pensum entsprechen.
D.h. ein Leistungserbringer darf in diesem System nur eine definierte Anzahl Kassen-Patienten behandeln und über die Sozialversicherung abrechnen – entsprechend einem Arbeitspensum von bspw. 25% oder 50%.
Das übrige Pensum des Leistungserbringers würde sich zusammensetzen aus dem Privat/Zusatzversichertenbereich und sonstigen ärztlichen Tätigkeiten (Gutachten etc.). Die genaue
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Definition eines 100% respektive 50%-Pensums müsste für die einzelnen Fachgebiete ausgearbeitet werden. Entsprechende Übergangsregelungen wären nötig.
Die vorgeschlagene Regelung hätte mehrere Vorteile:

Das Kontrollinstrument für ärztliches "Wohlverhalten" bliebe in abgeschwächter
Form erhalten, da bei Fehlverhalten der OKP-Vertrag gefährdet würde.
Kompensatorisch sollen auch andere Kontrollinstrumente gestärkt werden (s.u.)

Die Aufteilung der OKP-Stellenprozente zwischen den Leistungserbringern wäre fairer – nicht einige wenige, sondern doppelt bis viermal so viele Leistungserbringer
erhalten (entsprechend der Position auf der Warteliste) OKP-Verträge, wobei nicht
mehr einzelne Personen maximal begünstigt werden, sondern eine gerechtere Verteilung unter den Leistungserbringern erreicht wird.

Dieses Modell entspricht bereits einem "Teilzeitmodell", das jedoch für alle Leistungserbringer gilt. Teilzeitarbeit wird also problemlos ermöglicht; wer Vollbeschäftigung anstrebt, muss sein Vollzeitpensum ausserhalb von Kassenleistungen erwirtschaften.
VORSCHLAG (VII): OKP-Verträge sollen grundsätzlich unbefristet bleiben, um die Planungssicherheit nicht alle
vier Jahre zu gefährden. Die Verträge sollen dennoch bei Fehlverhalten kündbar sein und
stellen damit ein direkt und ohne Zeitverzögerung wirksames Druckmittel zur Kontrolle jener Leistungserbringer dar, deren "Abrechnung nicht über jeden Zweifel erhaben" (S.82) ist.
Wie und von wem das Wohl- oder Fehlverhalten dabei genau definiert wird, ist jedoch festzulegen. Um einzelne "zweifelhafte Leistungserbringer" besser kontrollieren resp. massregeln zu können, sollten ohnehin sinnvollere Instrumente zur Anwendung kommen als ein
alle vier Jahre in Aussicht gestellter Vertragsentzug samt negativen Konsequenzen für die
betroffenen Patienten.
Sinnvoller wäre: Vermehrte Kontrolle und Beurteilung durch unabhängige Experten / Gremien (anstatt ausschliesslich über kassenfinanzierte Vertrauensärzte). Siehe dazu auch Vorschlag (III).
VORSCHLAG (VIII): Sollten die Vorschläge (VI) und (VII) nicht umgesetzt werden, sollte zumindest für alle Patienten, welche dies wünschen, unabhängig von deren aktuellen Gesundheitszustand und
sonstigen Krankenkassenvorbehalten die Möglichkeit bestehen, in die Zusatzversicherung
für freie ambulante Wahl der Leistungserbringers aufgenommen zu werden – sodass die
Patienten die Möglichkeit haben, sich gegen Krankenkassen-Sanktionen in Form unfreiwilliger und nachteiliger Arztwechsel abzusichern, sofern sie dies wünschen.
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D) KOMPETENZERHÖHUNG DER KASSEN
Vernehmlassung der Regierung:
Der LKV hat das Recht, OKP-Verträge bei Fehlverhalten nicht zu erneuern und die offenen Stellenprozente
gemäss der Warteliste mit einem anderen Inhaber zu besetzen(S. 81).
Die Bedarfsplanung soll ausserdem ausschliesslich dem LKV obliegen (S. 77), die Ärztekammer hat nur
noch ein Anhörungsrecht, aber kein Mitspracherecht mehr.
Als Kontrollinstanz dieser Bedarfsplanung werde die Bevölkerung fungieren, die über das Instrument der
"Kundenreklamationen" im Falle einer Unterversorgung die zukünftige Bedarfsplanung beeinflussen
werde (S.77).
Kommentar:
Die Krankenkassen entscheiden somit nicht nur, wie viele Stellenprozente in den nachfolgenden vier Jahren in jeder Fachrichtung besetzt werden sollen, sondern sie bestimmen auch über die Kriterien, die zur
Beibehaltung dieser Stellenprozente erfüllt werden müssen.
Letztlich bestimmen sie damit auch darüber, welche Personen diese OKP-Vertrags-Stellen (weiterhin) besetzen.
Diese Regelung führt zu mehreren Problemen:

Der LKV hat die Definitions-Hoheit über "Wohlverhalten". Das kann unter Umständen bedeuten,
dass sich die Leistungserbringer genötigt fühlen, indizierte Abklärungen und Therapien nicht mehr
leitlinienkonform durchzuführen, weil sie teuer oder langwierig sind.
Sie würden vielmehr "kassenkonforme" und möglichst kostengünstige Therapien anbieten und die
Bedürfnisse des Patienten wenig berücksichtigen.

Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird es vor allem auch dazu führen, dass die Behandlung "billiger"
Patienten bevorzugt und jene "teurer" Patienten von vorneherein abgelehnt werden wird. Als
teuer sind beispielsweise polymorbide Patienten, ältere Patienten, Patienten mit bestimmten chronischen Erkrankungen oder "schwierige" (psychosomatische / psychisch kranke) Patienten mit geringer Compliance usw. zu betrachten.
Somit ist es dem Leistungserbringer erheblich einfacher möglich, vor der Kasse "gut da zu stehen"
da er vergleichsweise kostengünstige Therapien pro Patient abrechnen kann.

Weiterhin besteht grundsätzlich die Gefahr von Willkür, wenn ein einziger Interessensvertreter einerseits über den Bedarf (also die OKP-Stellenprozente pro Fachrichtung) entscheidet und gleichzeitig auch bestimmt, welche Kriterien für die Beibehaltung des OKP-Vertrags erfüllt werden müssen und zudem auch entscheidet, ob bestimmte Personen diesen Vertrag weiterhin beibehalten
werden oder nicht – und zwar ohne jegliche unabhängige Kontrollinstanz oder Beizug unabhängiger Gremien.

Als Kontrollinstanz der Bedarfsplanung der Gesundheitsversorgung allfällige "Kundenreklamationen durch die Bevölkerung" einzusetzen, ist absurd.
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