Versorgung von Zahnfrakturen beim Kurzkrallenotter Aonyx cinerea

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Zool. Garten N.F. 81 (2012) 275–296
www.journals.elsevier.de/zooga
Versorgung von Zahnfrakturen beim
Kurzkrallenotter Aonyx cinerea (Illiger, 1815) – ein
Beitrag zur Zahnhygiene bei Marderartigen
(Mustelidae) in menschlicher Obhut
Treatment of tooth fractures in Asian Small-Clawed Otter
Aonyx cinerea (Illiger, 1815) - a contribution to the dental
hygiene in the weasel family (Mustelidae) living in human
care
Jochen Krüger a , Wolfgang W. Gettmann b,∗
a
Zentrum für Tierzahnheilkunde, Die Tierarztpraxis, Wüstrathstraße 10, D-47829
Krefeld-Uerdingen
b
Aquazoo/Löbbecke-Museum, Kaiserswerther Str. 380, D-40200 Düsseldorf
Eingegangen am 4. Dezember 2012
Abstract
The oral examination of a five and half years old Asian Small-Clawed Otter (Aonyx cinerea) showed
the accumulation of tartar and two complicated tooth fractures. The tartar has been removed with an
ultrasonic device. The fractured molar of the mandibula has been extracted and the damaged canine
tooth of the maxilla has been treated by an endodontic procedure. Half a year later the x-ray control
of the canine tooth indicated a stop of the periapical reactions.
Keywords: Carnivora; Mustelidae; Lutrinae; natural dentition; Asian Small-Clawed Otter; dental
treatment
Einleitung
Die dreizehn Arten der Fischotter (Mason & Macdonald, 1986) aus der Familie der Marderartigen (Mustelidae) sind als Vertreter der Raubtiere (Carnivora) mit einem kräftigen
∗ Korrespondierender
Autor.
E-Mail: wolfgang.dr [email protected] (W.W. Gettmann).
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J. Krüger, W.W. Gettmann · Versorgung von Zahnfrakturen beim Kurzkrallenotter
Gebiss, das ihrem Beutefangverhalten angepasst ist, ausgestattet. Wie fast alle Otterarten
besitzt der bei uns heimische Europäische Fischotter (Lutra lutra) 36 Zähne mit der Zahnformel 3/1/4/1 im Oberkiefer und 3/1/3/2 im Unterkiefer. Ausnahmen machen die Arten,
die in hohem Maße hartschalige Wassertiere (wie z. B. Muscheln, Schnecken, Seeigel etc.)
fressen. So findet man beim Seeotter (Enhydra lutris) im Unterkiefer insgesamt nur 4 Schneidezähne, die Backenzähne sind zum Zerbeißen von massiver Nahrung kräftig ausgebildet.
Beim südamerikanischen Küstenotter (Lontra felina), der sich überwiegend von Krabben,
Garnelen und Krebsen ernährt, sind häufig die Prämolaren im Oberkiefer auf jeder Seite
um einen Zahn reduziert. Diese Ausprägung des Gebisses stellt einen Kompromiss dar zwischen Zermahlen und Reißen, was die Otter in die Lage versetzt, ein breites Beutespektrum
zu bejagen. Das wäre mit hoch spezialisierten Zähnen nicht derart der Fall (Chanin, 1985).
Die kleinen Schneidezähne dienen vorwiegend der Fellpflege. Das Gebiss der meisten Otter
ähnelt dem felinen Gebiss, weist aber oft in beiden mandibulären Quadranten einen zusätzlichen zweiten Molaren auf. Alle Zähne der Otter sind radikulär, hypsodont und werden zu
den brachydonten Zähnen gezählt. Die Canini sind wie bei der Katze haplodont. Die Inzisivi und Prämolaren sind ihrer Funktion nach als sekodont und die Molaren als bunodont
zu beschreiben. Die vierten maxillären Prämolaren sind gemischt sekodont und bunodont.
Auffallend sind die ausgeprägten palatinalen Kauflächen der maxillären vierten Prämolaren und ersten Molaren. Die bunodonte Ausbildung dieser Zähne ist angepasst an die für
Otter typische Futterzusammensetzung in Form von Fischen, Krustentieren und ähnlichen
Beutetieren.
Auch das Gebiss des Asiatischen Kurzkrallenotters oder Zwergotters (Aonyx cinerea)
weist nur 34 Zähne auf (Zahnformel: 3/1/3/1 im Oberkiefer und 3/1/3/2 im Unterkiefer,
Abb. 1 a und b). Die Backenzähne tragen zwar spitze Höcker und scherende Kanten, die
Zähne sind jedoch ziemlich breit, was für die vorrangig Invertebraten fressenden Otter
typisch ist. Natürlich sind die Vertreter der kleinsten Otterart durchaus fähig, sich mit den
scharfen Zähnen zu verteidigen, was Tierpfleger zur Vermeidung von Bissverletzungen auch
bei diesen Beutegreifern mit geringer Körpergröße tunlichst berücksichtigen sollten (Abb.
2).
Kurzkrallenotter haben ihren Verbreitungsraum in Südostasien. Sie bewohnen unterschiedliche Feuchtgebiete. Ihre bevorzugte Nahrung stellen Krebse und Muscheln dar.
Sie fressen aber auch Fische und andere im Wasser lebende bzw. am Ufer vorkommende
Kleintiere. In der ,,Roten Liste“ des internationalen Naturschutzverbandes IUCN, deren
Internetplattform alle Otterarten behandelt www.otterspecialistgroup.org, wird die Art als
,,gefährdet“ eingestuft (Bestand abnehmend). Im Gegensatz zu den meisten anderen Otterarten leben Kurzkrallenotter in Familiengruppen mit bis zu zwölf und mehr Tieren. Bei der
Nahrungssuche wühlen sie häufig im Bodengrund oder tasten unter bzw. zwischen Steinen
nach Beute (,,Fingerotter“). Diese wird häufig mit den Vorderpfoten gegriffen und aufgerichtet verzehrt, was offensichtlich verhindern soll, dass Nahrungspartikel aus der weiten
Maulspalte fallen (Abb. 3 und Abb. 4).
Kurzkrallenotter werden in vielen europäischen Zoos gehalten und regelmäßig nachgezüchtet. Das internationale Zuchtbuch führt das Newport Aquarium (Kentucky, USA).
In Deutschland gelang die erste Nachzucht (2,1) dem Wuppertaler Zoo im Jahr
1977 (196. Jahresbericht des Zoologischen Gartens Wuppertal für 1977, erschienen
1978).
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Abb. 1. Zahnstatus bei einem im Alter von 4 Jahren tödlich verunglückten Otter (w): Im Oberkiefer
(a) sind 3/1/3/1, im Unterkiefer (b) 3/1/3/2 zu erkennen (Alle Aufnahmen, außer Abb. 18, von den
Autoren).
Im Aquazoo Düsseldorf sind seit Oktober 1998 in einem Gehege in der Tropenhalle
Kurzkrallenotter in Obhut. Erster Nachwuchs wurde 2004 – und danach mehrfach – großgezogen. Der zahme Otter ,,Nemo“ kam am 22. November 2005 im ersten Wurf seiner
Mutter ,,Julischka“ (geboren 2004 im Zoo Budapest) zur Welt. Vater ist ,,August“ (2000
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Abb. 2. Bissverletzungen am rechten Handballen bei einer Mitarbeiterin.
im Zoo Dortmund geboren). Die Mutter gebar sieben Junge (durchschnittliche Wurfgröße: 3 bis 4), von denen zwei in der ersten Nacht und ein weiteres Tier nach 12 Tagen
starben. ,,Nemo“ wurde aus dem Wurf genommen, um ihn von Hand aufzuziehen. Der
mit 13 Monaten kastrierte Wassermarder blieb bis heute in direktem Menschenkontakt
(,,Familienanschluss“) und agiert als Spenden akquirierender Botschafter der Otter (z.B. für
den Internationalen Otter Survival Fund IOSF sowie das Küstenotter-Projekt von YAQUPACHA in Kooperation mit dem Zoo in Nürnberg) in zahllosen Vorträgen, TV-Auftritten
und Presseberichten – auch über die Grenzen Deutschlands hinaus (Abb. 5). Mit zurzeit
sieben Jahren ist er in ,,bestem Otteralter“, nicht zuletzt deshalb, weil dank einer verbesserten veterinärmedizinischen Versorgung in Zoos diese Tiere – im Gegensatz zum Freiland
- ein Alter von 15 Jahren und mehr erreichen (vergl. hierzu auch Lamp, 2009). Über die
Ursache(n) der Zahnverletzungen des Otters liegen keine Erkenntnisse vor. Es handelte sich
möglicherweise um ein Unfallgeschehen bei einem Sturz, beim Spielen oder beim Benagen
eines Knochens.
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Abb. 3. Die Nahrung wird mit den Vorderpfoten festgehalten, das Zerkleinern bzw. Zerkauen der
Beute erfolgt abwechselnd mit der linken bzw. rechten Seite des Mauls.
Zahnverletzungen
Zahnfrakturen werden in unkomplizierte und komplizierte Frakturen unterteilt.
Bei der unkomplizierten Fraktur liegt nur der Verlust von Zahnschmelz oder auch Anteilen
des darunterliegenden Dentins vor. Die Pulpahöhle ist nicht eröffnet. In diesen Fällen ist
zum Schutz der Pulpa eine Versiegelung des freiliegenden Dentins durchzuführen (Gorrel,
2004; Remeeus, 1995).
Im Gegensatz dazu gehen komplizierte Frakturen immer mit der Eröffnung der Pulpahöhle und somit der Exposition der Pulpa einher. Sobald die Pulpa Kontakt zur Maulhöhle
hat, ist sie mit der in der Maulhöhle normal vorhandenen oralen Keimflora konfrontiert.
Von einer sofortigen bakteriellen Infektion ist immer auszugehen. Durch den anatomischen Aufbau der Zähne wird die Zahnpulpa ausschließlich durch die apikalen Öffnungen,
dem apikalen Delta, mit Gefäßen und Nerven versorgt. Durch die traumabedingte Irritation des Pulpagewebes entwickelt sich in der Pulpa durch freigesetzte Gewebefaktoren ein
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Abb. 4. Die Mundspalte ist relativ groß, deshalb richten sich Kurzkrallenotter beim Fressen oft
auf, damit Nahrungsbrocken nicht aus dem Maul fallen.
Pulpaödem. Diese Druckerhöhung im Zahn limitiert die Blutversorgung der Pulpa über
den Apex und behindert die immunologische Bekämpfung der bakteriellen Infektion in der
Pulpa. Dringt die Infektion immer weiter ins Zahninnere vor, dominieren zusehends anaerobe Keime, die wegen ihrer Aggressivität über kurz oder lang zum gangränösen Absterben
des Pulpagewebes führen (Hennet, 1995). Dehnt sich die Gangrän über die Wurzelspitze
hinaus aus, haben die Keime den Zahn über das apikale Delta verlassen und das umgebende alveoläre Knochengewebe befallen. Die Entwicklung eines periapikalen Abszesses
ist zumeist die Folge. Bei so schwerwiegenden abszedierenden Zahnerkrankungen ist mit
dem Verlust des betroffenen Zahns zu rechnen.
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Abb. 5. Aufkleber des Aquazoos: Kurzkrallenotter ,,Nemo“ ist ein Botschafter für den Otterschutz
weltweit.
Die Therapie von komplizierten Zahnfrakturen, die nicht älter als 12 bis 24 Stunden
zurückliegen, kann mittels einer Vitalamputation erfolgen. Hierbei werden die Frakturränder geglättet, das exponierte Pulpagewebe zur Anlegung einer Kavität gekürzt, mit einer
Unterfüllung versorgt und die geschaffene Kavität anschließend mit einer Abschlussfüllung
verschlossen. Das Ziel dieser Therapie ist der Erhalt der Vitalität des traumatisierten Zahns.
Liegt der Zeitpunkt der Fraktur bereits länger als 12 bis 24 Stunden zurück, ist der
frakturierte Zahn endodontisch zu versorgen. Im Rahmen dieser Therapie wird das infizierte
Pulpagewebe vollständig entfernt, das Zahninnere desinfiziert, die so gereinigte Pulpahöhle
vollständig mit Füllungsmaterial versiegelt und abschließend mit einer Abschlussfüllung
versorgt (Eickhoff, 2005; Gorrel & Robinson, 1995).
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Eine regelmäßige röntgenologische Dokumentation endodontisch versorgter Zähne ist
angezeigt. Zahnfrakturen, die eine zu starke Zerstörung der Zahnsubstanz oder des Zahnhalteapparates (Desmodont) aufweisen, lassen nur noch die vollständige Exstirpation des
traumatisierten Zahns zu (Remeeus, 1995).
Fallbeschreibung
Anfang Mai 2011 wurde der männliche Asiatische Kurzkrallenotter ,,Nemo“ in dem
Zentrum für Tierzahnheilkunde mit einer älteren Caninusfraktur vorgestellt. Das Tier hatte
ein Körpergewicht von 2,9 kg und zeigte keine äußerlichen Zeichen einer Erkrankung.
Die Futteraufnahme erschien normal. Bei der Voruntersuchung wies der linke maxilläre
Caninus eine ältere, komplizierte Caninusfraktur auf. Die Pulpahöhle war exponiert und die
Pulpa gangränös. Zur Röntgenuntersuchung und endodontischen Zahnbehandlung musste
der Otter sediert werden.
Zahnbehandlung
Da die Otter (Lutrinae) wie die Frettchen (Mustela putorius furo) zu der Familie der
Marder (Mustelidae) gezählt werden, wurden für den vorgestellten Otter die Narkoseempfehlungen für Frettchen als Grundlage der verwendbaren Narkosemittel und deren
Dosierung gewählt. Bei den von Moormann-Roest (2005) angegebenen Narkosemitteln
für Frettchen ist für die Sedation Medetomidin mit 0.08-0,1 mg pro kg Körpergewicht in
der intramuskulären oder subkutanen Applikation aufgeführt. Für die Narkose von Frettchen wurden Medetomidin mit 0.08-0,1 mg gemischt mit Ketaminhydrochlorid mit 5 mg
jeweils pro kg Körpergewicht für die intramuskuläre oder subkutane Applikation empfohlen. Lendl & Henke (2010) geben für die Dosierungen von Medetomidin 0,05 mg und
Ketaminhydrochlorid 10 mg jeweils pro kg Körpergewicht an, ergänzen die beiden Narkosemittel allerdings um den Wirkstoff Propofol. Zusätzlich führen die Autoren eine Vielzahl
weiterer Narkosemittelkombinationen auf. Zur Narkotisierung von Kurzkrallenotter siehe
auch Lewis, 1991.
In dem in dieser Publikation beschriebenen Fall hat man sich an der Dosierungsempfehlung von Moormann-Roest (2005) orientiert, aber versuchsweise eine niedrigere
Anfangsdosierung von 0,1 ml Medetomidin (Domitor, 1 mg/1 ml, Fa. Janssen-Cilag, Neuss)
gemischt mit 0,2 ml Ketaminhydrochlorid (Ketamin 10%, 100 mg/1 ml, Fa. CP-Pharma,
Burgdorf) gewählt. Von dieser Mischung wurden initial 0,25 ml intramuskulär verabreicht
(Medetomidin 0,033 mg und Ketaminhydrochlorid mit 6,7 mg jeweils pro kg Körpergewicht).
Der Otter befand sich bereits nach knapp 5 Minuten in tiefer Sedation, so dass der frakturierte Caninus und das restliche Gebiss einer äußeren Adspektion unterzogen werden
konnte. Bei dieser Untersuchung wurde bilateral an den bukkalen Flächen der mandibulären Prämolaren und Molaren ein mittelgradiger Zahnsteinbefund (Zahnsteinindex nach
Ramfjord: Grad 2) mit begleitender leichter Gingivitis (Gingivaindex nach Loe and Sillness:
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Abb. 6. Zahnstein am vierten Prämolaren im Oberkiefer.
Grad 1-2) erhoben (Abb. 6). Außer der bereits festgestellten Kronenfraktur des linken maxillären Caninus (Abb. 7) stellte sich bei der weiteren Adspektion der Maulhöhle zusätzlich
eine alte, komplizierte Kronenfraktur des rechten ersten mandibulären Molaren heraus. Die
Fraktur des Molaren befand sich im mesialen Kronenbereich (Abb. 8). Die Sondierung
der Pulpen beider Zähne zeigte, dass sie avital waren, und bestätigte den Verdacht des
Vorliegens einer Pulpagangrän. Anschließend wurden beide Zähne mit einem Intraoralfilm
(Agfa Dentus M2 comfort, 3x4 cm und 2x3 cm, Fa. Agfa HealthCare, Belgien) geröntgt.
Die Röntgenaufnahmen zeigten am frakturierten linken maxillären Caninus eine geringgradigen (Abb. 9) und am ersten rechten mandibulären Molaren einen deutlichen apikalen
Aufhellungshof (Abb. 10), was besonders beim Molaren bereits für das Übergreifen der
pulpären Infektion auf das periapikale Alveolargewebe sprach.
Als erste Maßnahme wurde der Zahnstein mit Ultraschall gründlich von allen Zahnoberflächen entfernt (Sonadent, Bandelin, SD3A, Fa. Sonadent, Berlin) und der Zahnschmelz
der so gereinigten Zähne mit Polierpaste (Tri Fluor O Clean, Fa. KerrHawe SA, Bioggio/Switzerland), Polierkelch und einem langsam rotierenden Winkelstück geglättet.
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Abb. 7. Oberkiefer links Caninus Kronenfraktur mit Pulpagangrän.
Für den rechten ersten mandibulären Molaren wurde wegen der fortgeschrittenen periapikalen Veränderungen die Exstirpation des Zahns gewählt. Da alpha2Adrenozeptoragonisten wie das Medetomidin zwar stark sedativ wirksam sind aber kein
nennenswertes analgetisches Potenzial aufweisen, ist vor chirurgischen Eingriffen eine
zusätzliche Analgesie notwendig (Kramer, 2006). Zur lokalen infiltrativen Analgesie des
Molaren wurde der umgebene Kieferknochen sowohl bukkal als auch lingual mit Lidocain
2% plus Sperrkörper mit cirka 0,4 ml pro Kieferseite analgesiert (Xylonor 2% Spezial,
Fa. Septodont, Frankreich, Intraligamentalspritze Citoject, Fa. Heraeus, Septoject DentalInjektionsnadel G30, 30x10 mm, Fa. Septodont, Frankreich) (Lantz, 2003; Pascoe, 2012).
Anschließend wurde der Molar im Furkationsbereich mit einer FG-Fräse (HM23RX012,
Fa. Meisinger, Germany) in zwei Teile zerteilt, der bukkale Alveolarknochen mit einem FGRosenkopfbohrer (HM1S016, Fa. Meisinger, Germany) soweit abgetragen, dass die beiden
Wurzeln des Zahns mit einem Beinschen Hebel gelockert und anschließend mit einer Extraktionszange entfernt werden konnten. Die scharfen Alveolarknochenränder wurden mit dem
Rosenkopfbohrer geglättet. Das Wundgebiet wurde mit einem Gemisch aus 1,8 ml Traumeel
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Abb. 8. Unterkiefer rechts erster Molar Kronenfraktur mit Pulpagangrän.
(Fa. Heel, Baden-Baden) und 0,2 ml Enrofloxacin (Baytril 2,5%, Fa. Bayer HealthCare,
Leverkusen) gespült. Vor dem Wundverschluss wurden die Wundränder zur Gewinnung
einer spannungsfreien Mukosaverschiebeplastik mobilisiert und die Wundränder über dem
geglätteten Alveolaknochenkamm mit monofilem Glykonat (Monosyn 1,5metric, Fa. Braun
Aesculap, Tuttlingen) verschlossen (Abb. 11). Abschließend wurde der gesamte Wundbereich mit einem ungepulsten Diodenlaser (Faser 200 ␮m, Classic Laser 8W, Fa. MLT,
Ingelheim) mit 4 Watt für 30 Sekunden bestrahlt. (Backhaus, 2004; Schubert, 2006).
Für die Versorgung des frakturierten linken maxillären Caninus wurde eine endodontische, zahnerhaltende Behandlungstechnik gewählt. Zuerst wurde die Bruchkanten mit
einer wassergekühlten Diamantfeile geglättet, die Pulpareste mit einer feinen Nervnadel
Nr.3 (Fa. Micro-Mega, Besancon) entfernt und der Pulpakanal mit Hedströmfeilen (ISO
15/20/25, Fa. Micro-Mega, Besancon) solange erweitert, bis kein pathologisch verändertes
Dentin mehr herausgefeilt werden konnte. Daraufhin wurde mittels einer erneuten Röntgenaufnahme der Masterpoint der Pulpahöhle festgelegt (Abb. 12). Die Behandlung setzte
sich mit der Desinfektion der Pulpahöhle mit H2 O2 10%, Traumeel/Baytril 2,5% und
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J. Krüger, W.W. Gettmann · Versorgung von Zahnfrakturen beim Kurzkrallenotter
Abb. 9. Röntgenaufnahme Caninus Oberkiefer links mit leichter apikaler Hofbildung.
Hypochlorit 5,25% (Hypochlorit SPEIKO 5,25%, Fa. SPEIKO-Dr.Speier GmbH, Münster) fort. Zwischen den einzelnen Desinfektionsflüssigkeiten wurde die Pulpahöhle immer
wieder intensiv mit sterilem Aqua ad inj. gespült. Zur Verstärkung der desinfizierenden Wirkung des Hypochlorids wurde gleichzeitig zum Hypochlorid eine 200 ␮m dicke Glasfaser
eines Diodenlasers (Classic Laser 8W, Fa. MLT) bis auf den Grund der Pulpahöhle eingeführt und in einzelnen Etappen mit einer gepulsten Einstellung (6 Hz, 10ms) für insgesamt
30 Sekunden bestrahlt (Moritz, Schoop, Klimscha, & Goharkhay, 2005). Nach der abschließenden Spülung der Pulpahöhle mit Aqua ad inj. wurde sie mit sterilen Papierspitzen (ISO
25/20/25; Fa. ROEKO, Langenau) getrocknet, mittels eines passenden Lentulos (Fa. MicroMega, Besancon) mit einem pastösen Polydimethylsiloxan (RSA Roekoseal-Automix, Fa.
ROEKO, Langenau) abgefüllt und dieses mit drei Gutaperchaspitzen (ISO 15; Fa. De Healthcare Products, U.K.) verpresst. Die dann durchgeführte Röntgenkontrolle zeigte außer
einer gleichmäßigen Verteilung des Füllungsmaterials in der Pulpahöhle eine geringgradige
apikale Überfüllung (Abb. 13). Die koronale Abschlussfüllung erfolgte in die zuvor präparierte Füllungskavität mit Amalgam (Oraloy Magicap S, Fa. Coltène, Schweiz) (Bieniek &
Bieniek, 1993; Eickhoff, 2005; Tutt, 2008) (Abb. 14). Im Verlauf der Operation wurden nach
zirka 20 Minuten die restlichen 0,05 ml des Medetomidin/Ketaminhydrochlorid-Gemisches
und nach weiteren 20 Minuten 0,1 ml Ketamin als intramuskuläre Injektion nachdosiert.
Die Narkose wurde nach Ende der Dentalbehandlungen mit der intramuskulären Gabe von
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Abb. 10. Röntgenaufnahme Molar Unterkiefer mit apikalen Aufhellungshöfen.
0,5 mg pro kg Körpergewicht Atipamezol (Antisedan, 5 mg/ml, Fa. Janssen-Cilag, Neuss)
beendet.
Zur antibiotischen Nachversorgung wurde ein Langzeitpenicillin-Streptomycin (Veracincompositum, 0,1 ml/kg Körpergewicht, Fa. Albrecht, Aulendorf) und zur Analgesie ein
Analgetikum Meloxicam (Metacam 5 mg/ml, 0,2 mg/kg Körpergewicht, Fa. Boehringer
Ingelheim, Ingelheim/Rhein) als subkutane Injektionen verabreicht. Das verwendete Nahtmaterial ist selbstauflösend und erfahrungsgemäß nach maximal 4 bis 8 Wochen vollständig
resorbiert. Die postoperative keimhemmenden Nachbehandlung bestand für eine Woche in
der täglichen oralen Gabe von Spiramycin 23,81 mg/Metronidazol 16,67 mg pro Tablette
(Suanatem, 2x1Tablette/d, Fa. Merial, Hallbergmoos) und der Analgesie mit Meloxicam
(Meloxidyl 1,5 mg/ml, 0,2 mg/kg Körpergewicht, Fa. Ceva Santé Animal, Libourne, Frankreich).
Das Tier erholte sich am Operationstag langsam und nahm nach ca. 4 Stunden wieder
Futter auf.
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J. Krüger, W.W. Gettmann · Versorgung von Zahnfrakturen beim Kurzkrallenotter
Abb. 11. Unterkiefer rechts nach Exstirpation des ersten Molaren.
Kontrolluntersuchung
Nach einem halben Jahr wurde ein Röntgenkontrolltermin vereinbart. Der Otter zeigte
in den gesamten postoperativen Monaten trotz des fehlenden rechten ersten mandibulären
Molaren keine Probleme bei der Futteraufnahme oder der Futterzerkleinerung.
Für die Anfertigung der dentalen Kontrollröntgenaufnahme wurde eine erneute Sedation
des Otters benötigt. Wegen der langen Erholungsphase nach der ersten Behandlung wurde
dieses Mal eine etwas verringerte Dosierung des Narkosemittels gewählt. Es wurden wieder
0,1 ml Medetomidin (Domitor) mit 0,2 ml Ketaminhydrochlorid (Ketamin 10%) gemischt,
aber dann nur 0,15 ml dieses Gemischs intramuskulär verabreicht. Nach dem schnellen
Eintritt der gewünschten sedierenden Wirkung wurde der erneut vorhandene Zahnstein entfernt. Anschließend wurde der endodontisch versorgte linke maxilläre Caninus äußerlich
untersucht und eine Dentalröntgenaufnahme des Zahns angefertigt. Die äußere Adspektion
des Caninus, dessen koronaler Füllung und der umgebenden Gingiva zeigte keine pathologischen Befunde (Abb. 15). Die Dentalröntgenaufnahme ergab trotz der geringgradigen
J. Krüger, W.W. Gettmann · Versorgung von Zahnfrakturen beim Kurzkrallenotter
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Abb. 12. Röntgenaufnahme Caninus Oberkiefer links mit eingelegter Sonde zur Überprüfung des
Masterpoints.
apikalen Überfüllung des Füllungsmaterials keine vergrößerte apikale Hofbildung (Abb.
16), so dass die Narkose mit der intramuskulären Injektion von 0,17 ml Atipamezol (Antisedan) antagonisiert werden konnte. Die Exstirpationswunde im Bereich des ersten rechten
mandibulären Molaren war einwandfrei verheilt (Abb. 17).
Das Tier erholte sich dieses Mal sehr viel schneller aus der Narkose, so dass es in der
Praxis bereits eine Stunde nach der Gabe von Atipamezol erste Fische fressen konnte.
Diskussion
Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass der Befund von Zahnerkrankungen bei Wildtieren nicht unerheblich ist (Coles, 1996; Fagan, Oosterhuis, & Kirkman,
1998; Scheels, 1999; Steenkamp & Gorrel, 1999). Wie beim Menschen ist auch bei den
Tieren davon auszugehen, dass Zahnerkrankungen das Potenzial besitzen, systemische
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J. Krüger, W.W. Gettmann · Versorgung von Zahnfrakturen beim Kurzkrallenotter
Abb. 13. Röntgenaufnahme Caninus Oberkiefer links mit Wurzelfüllung mit leichter apikaler
Überfüllung.
Erkrankungen auszulösen. Hier sind als bedrohte Organe besonders das Herz, die Leber und
die Nieren hervorzuheben (DeBowes, 1998). Bei der Fraktur von Prämolaren und Molaren
ist anzunehmen, dass Verletzungen dieser Zähne durch unsachgemäße Futterzubereitung
oder ungeeignete Kauartikel zustande kommen. Externe Traumaeinwirkungen sind nicht
auszuschließen, werden aber bei Wildtieren im Bereich der Prämolaren und Molaren eine
nicht so zentrale Rolle spielen. Frakturen der Canini und Inzisivi dagegen sind wegen ihrer
exponierten Lage wahrscheinlicher das Resultat traumatischer Einwirkungen, zum Beispiel
infolge von Kämpfen mit Artgenossen oder Futtertieren.
Komplizierte Zahnfrakturen mit Pulpaexposition können nicht spontan abheilen. Entweder bleibt die Pulpa vital und stellt eine permanente, sehr schmerzhafte Konfliktzone in
der Maulhöhle dar, oder die Pulpa stirbt langsam ab und hinterlässt letztendlich ein gangränöses Pulpagewebe. Auch in solchen Fällen bleibt die entzündliche Situation bestehen,
nur dass die Grenze der infektiösen Auseinandersetzung tief in die Pulpahöhle verlagert
ist. Im ungünstigsten Fall verlassen die Keime den Zahn apikal, was zu einem periapikalen
J. Krüger, W.W. Gettmann · Versorgung von Zahnfrakturen beim Kurzkrallenotter
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Abb. 14. Oberkiefer links Caninus Abschlussfüllung postoperativ.
Abszess führen kann. Eine Abheilung ist in keinem Fall zu erwarten. Der gesamte Organismus ist permanent mit äußerst pathogenen Keimen konfrontiert (Gorrel, 2004; Hennet,
1995). Erst der Verlust eines infizierten Zahns kann den Körper in die Lage versetzen,
die Infektion erfolgreich zu bekämpfen. Wegen der kräftigen Verankerung der Zähne im
Alveolarknochen kann sich ein solcher Prozess besonders bei mehrwurzeligen Zähnen über
Jahre hinziehen. Eine Schädigung von Herz, Leber und Nieren durch hämatogen gestreute
Infektionskeime kann irreparable Organschäden verursachen und bei Wildtieren sicherlich
als Selektionskriterium angesehen werden.
Der im Zentrum für Tierzahnheilkunde vorgestellte Otter schien laut Halter keine äußerlichen Anzeichen von Schmerzen oder anderen Behinderungen bei der Futteraufnahme zu
haben. Auch wenn Tiere bei Verletzungen von Organen der Maulhöhle zumeist für den
Menschen scheinbar keine Schmerzäußerungen zeigen, muss davon ausgegangen werden,
dass komplizierte Zahnfrakturen besonders in der akuten Phase sehr schmerzhaft sind. Ein
verändertes Fressverhalten wird in den meisten Fällen nicht registriert. In Einzelfällen wird
von den Tierhaltern bei ihrem Haustier kurz nach dem Zahntrauma Hypersalivation und
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J. Krüger, W.W. Gettmann · Versorgung von Zahnfrakturen beim Kurzkrallenotter
Abb. 15. Oberkiefer links Caninus Füllungskontrolle ein halbes Jahr postoperativ.
eine Empfindlichkeit im Kopfbereich beobachtet, die zumeist nach wenigen Tagen wieder
abklingt. Eine Zahnbehandlung ist wegen der drohenden systemischen Belastung dennoch
in allen Fällen indiziert.
Die angewendeten Dosierungen der Narkosemittel wurden wegen fehlender Referenzwerte für den Otter entsprechend der Empfehlungen für die Narkose beim Frettchen
angeglichen. Die erste Narkose zur Zahnbehandlung zeigte wegen der langen Behandlungszeit und der damit verbunden Nachdosierung von Ketaminhydrochlorid eine relativ lange
Erholungsphase. Besonders bei Tieren, die einer regelmäßigen Futterversorgung bedürfen,
kann das von Nachteil sein. Die bei der zweiten Narkose angewendete niedrigere Dosierung
zeigte eine deutlich kürzere Aufwachphase. Für zukünftige Narkosen wäre auch eine Kombination mit Isofluran in Form einer Inhalationsnarkose per Maske oder nach Intubation zur
Narkosevertiefung denkbar (Hall et al., 2001).
J. Krüger, W.W. Gettmann · Versorgung von Zahnfrakturen beim Kurzkrallenotter
293
Abb. 16. Röntgenaufnahme Caninus linker Oberkiefer ein halbes Jahr postoperativ.
Da die Zähne bis auf wenige äußere phänotypische Abweichungen anatomisch denen von
Hund, Katze und letztendlich auch denen des Menschen ähneln, lassen sich für die Zahnbehandlung beim Otter vergleichbare Zahnbehandlungsmaßnahmen durchführen. Das gilt
besonders für die Zahnexstirpationstechniken und die Endodontie, sowohl beim technischen
Ablauf als auch für die angewendeten Materialien.
Besonders bei Wildtieren, die noch mit ihrem artspezifischen Futter ernährt werden, ist der
Erhalt der Zähne wichtig. Nur wenn die Schädigungen eines Zahns zu weit fortgeschritten
sind, muss dieser Zahn entfernt werden. Der frakturierte linke maxilläre Caninus des Otters
zeigte röntgenologisch wenig auffällige apikale Veränderungen. Für diesen Zahn wurde die
endodontische Versorgung gewählt. Somit konnte sein Erhalt gesichert werden. Die Pulpitis des rechten ersten mandibulären Molaren war bereits als periapikale Alveolitis deutlich
in den periapikalen Kieferknochen vorgedrungen. Besonders fortgeschrittene periapikale
entzündliche Prozesse am ersten mandibulären Molaren können in ungünstigen Fällen zu
spontanen Kieferfrakturen führen. Aus diesem Grund wurde hier als Behandlungstechnik
294
J. Krüger, W.W. Gettmann · Versorgung von Zahnfrakturen beim Kurzkrallenotter
Abb. 17. Unterkiefer links Molar Exstirpationsbereich ein halbes Jahr postoperativ.
die vollständige Exstirpation des Zahns gewählt. Wie sich auf späteren postoperativen Abbildungen zeigt, kann der Otter das Futter problemfrei auf seiner gesunden linken Kieferseite
zerkleinern (Abb. 18).
Abschließend ist eine regelmäßige Kontrolle der Zähne aller in menschlicher Obhut
lebenden Tiere anzuregen, da Zahnerkrankungen zumeist nicht mit deutlich sichtbaren Einschränkungen des Tieres einhergehen, aber dennoch ein unkalkulierbares Erkrankungsrisiko
für den gesamten Organismus darstellen. Mit dem entsprechenden Wissen des Behandelnden und der adäquaten Technik sind Zahnerkrankungen der meisten Tiere erfolgreich zu
therapieren.
Zusammenfassung
Bei einem fünfeinhalbjährigen Kurzkrallenotter (Aonyx cinerea) wurden Zahnsteinbelag
und zwei komplizierte Zahnfrakturen festgestellt. Der Zahnstein wurde mit einem Ultraschallgerät entfernt. Ein mandibulärer Molar wurde exstirpiert und ein maxillärer Caninus
endodontisch versorgt. Eine Röntgenkontrolle der Wurzelfüllung des Caninus nach einem
halben Jahr ergab einen Stillstand der periapikalen Veränderungen.
J. Krüger, W.W. Gettmann · Versorgung von Zahnfrakturen beim Kurzkrallenotter
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Abb. 18. Futterzerkleinerung mit der linken Kieferseite (Aufn.: Bettina Hackstein).
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