EUROPÄISCHE KOMMISSION PRESSEMITTEILUNG Brüssel, den 29. Januar 2014 EU-Kommission will Auslandsbürger vor Verlust des Wahlrechts schützen Die Europäische Kommission hat heute jenen EU-Mitgliedstaaten, deren Rechtsvorschriften dazu führen können, dass ihre Bürger bei einem Umzug ins EU-Ausland ihr Wahlrecht bei nationalen Wahlen verlieren, Vorschläge zur Abhilfe unterbreitet. Diese Vorschläge betreffen fünf Mitgliedstaaten (Dänemark, Irland, Zypern, Malta und Vereinigtes Königreich). Wie die Kommission betont, ist es Sache der Mitgliedstaaten zu bestimmen, wer in den nationalen Wahlen an die Urnen darf. Allerdings könnte die Praxis des Wahlrechtsentzugs, wie sie gegenwärtig geregelt ist, das Recht der EU-Bürger auf Freizügigkeit beeinträchtigen. Auch steht sie im Widerspruch zur Grundidee der Unionsbürgerschaft, die den EU-Bürger mit zusätzlichen Rechten ausstatten soll, anstatt ihm Rechte vorzuenthalten. „Das Wahlrechtist ein politisches Grundrecht eines jeden Bürgers und Wesensmerkmal der Demokratie. „Wenn ein Bürger bei einem Umzug in ein anderes EU-Land sein Wahlrecht verliert, wird er de facto dafür bestraft, dass er sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nimmt. Die Betroffenen drohen so zu Bürgern zweiter Klasse zu werden“, so Viviane Reding, die für Justiz zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission. „Die Bürgerinnen und Bürger haben uns in vielen Briefen und Petitionen, aber auch in unseren Gesprächen im Rahmen der Bürgerdialoge zu verstehen gegeben, dass sie dieses Problem sehr ernst nehmen. Deshalb hat die Kommission in ihrem letzjährigen Bericht über die Unionsbürgerschaft angekündigt, sich dieses Themas anzunehmen. Heute machen wir diese Ankündigung wahr. Wir rufen die Mitgliedstaaten zu größerer Flexibilität auf und schlagen den fünf Ländern verhältnismäßige Lösungen vor, wie sie die Bürgerinnen und Bürger, um die es geht, wieder zur Wahl zulassen können. Ich hoffe, dass die Mitgliedstaaten bereit sind, sich dieses sehr konkreten Anliegens ihrer Bürgerinnen und Bürger anzunehmen, da der Verlust des Wahlrechts für die Betroffenen sehr schwer wiegt.“ Momentan gibt es in fünf EU-Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften, nach denen ein Auslandsaufenthalt zum Verlust des Wahlrechts bei nationalen Wahlen führen kann (Dänemark, Irland, Zypern, Malta und Vereinigtes Königreich). Dabei sind von Staat zu Staat erhebliche Unterschiede festzustellen. Während Zyprer ihr Wahlrecht verlieren, wenn sie sich in den sechs Monaten vor der Wahl nicht in Zypern aufgehalten haben, müssen Briten in den 15 Jahren vor einer Wahl einmal im Vereinigten Königreich im Wählerverzeichnis eingetragen gewesen sein, um ihr Wahlrecht zu behalten (siehe Überblick im Anhang). In anderen Mitgliedstaaten ist die Beibehaltung des Wahlrechts an bestimmte Voraussetzungen gebunden. In Österreich beispielsweise müssen Auslandsbürger ihren Verbleib im Wählerverzeichnis in bestimmten Zeitabständen neu beantragen, wohingegen sie in Deutschland mit der nationalen Politik vertraut und von ihr betroffen sein oder in den 25 Jahren vor dem Wahltermin mindestens drei Monate lang im Inland gelebt haben müssen. IP/14/77 Der Hauptgrund für den Wahlrechtsentzug – der Verlust der Verbindungen zum Heimatland – scheint in der heutigen, vernetzten Welt überholt. Die Kommission schlägt den Mitgliedstaaten verhältnismäßige Lösungen vor: Sie sollten Staatsbürgern, die von ihrem Recht, sich in der Union frei zu bewegen und aufzuhalten, Gebrauch machen, die Beibehaltung ihres Wahlrechts in nationalen Wahlen ermöglichen, wenn diese ein fortdauerndes Interesse am politischen Leben ihres Heimatlandes nachweisen. Dies kann beispielsweise durch einen Antrag auf Verbleib im Wählerverzeichnis geschehen. Im EU-Ausland lebende Staatsangehörige sollten die Möglichkeit erhalten, diesen Antrag elektronisch zu stellen. Schließlich sollten die Mitgliedstaaten ihre im EU-Ausland lebenden Bürger in geeigneter Weise und rechtzeitig über die Voraussetzungen und die erforderlichen Vorkehrungen für die Beibehaltung des Wahlrechts informieren. Beispiele Ein dänisches Ehepaar zieht zu Arbeitszwecken nach Polen um, während ihre Tochter in Dänemark bleibt, um dort ihr Studium zu beenden. Das Ehepaar reist häufig nach Kopenhagen, um Familie und Freunde zu besuchen, und verfolgt die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Dänemark, wohin es am Ende wieder zurückkehren möchte, mit großem Interesse. Allerdings dürfen sie in nationalen Wahlen nicht mitwählen, da Dänen, die das Land verlassen, nur dann im Wählerverzeichnis verbleiben dürfen, wenn sie binnen zwei Jahren zurückkehren wollen. Ein britischer Rentner zieht nach Frankreich, bleibt aber mit Freunden und Familie daheim in engem Kontakt. Er besitzt eine kleine Wohnung in Großbritannien und verfolgt die politischen Ereignisse in seinem Heimatland über die Informationsprogramme britischer Radio- und Fernsehsender, die in anderen EU-Ländern problemlos empfangen werden können. Nach 15 Jahren darf er aber nicht mehr bei den Unterhauswahlen mitwählen. Hintergrund EU-Bürger, die im EU-Ausland wohnen, haben das Recht, dort bei Kommunal- und Europawahlen zu denselben Bedingungen wie die Einheimischen wählen und kandidieren zu können. Dieses Recht erstreckt sich aber nicht auf die nationalen und – in den 13 Mitgliedstaaten, in denen auch die Regionen über gesetzgebende Körperschaften verfügen – regionalen Wahlen. In ihrem Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010 hatte die Kommission den Wahlrechtsentzug als Problem für Unionsbürger, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, identifiziert und eine Diskussion über mögliche Lösungen eingeleitet. Am 19. Februar 2013 haben das Europäische Parlament und die Kommission eine gemeinsame Anhörung zur Unionsbürgerschaft abgehalten. Die Teilnehmer, unter ihnen auch betroffene Bürger, Vertreter der Zivilgesellschaft, Mitglieder des Europäischen Parlaments und Sachverständige, betonten die Notwendigkeit einer Neubewertung der bisherigen Politik — und der ihnen zugrunde liegenden Rechtfertigung — im Lichte aktueller Entwicklungen hin zur Öffnung demokratischer Mitwirkungsmöglichkeiten in der EU. Zudem vertraten in einer Eurobarometer-Umfrage zum Wahlrecht vor kurzem zwei Drittel der Befragten die Auffassung, dass man sein Wahlrecht bei nationalen Wahlen im Heimatland nicht verlieren sollte, bloß weil man in einen anderen EU-Mitgliedstaat umzieht. 2 Im Bericht über die Unionsbürgerschaft 2013 wurden zwölf konkrete Maßnahmen genannt, die den Europäern helfen sollen, besser von ihren Rechten Gebrauch machen, sei es bei der Suche nach einer Arbeit im EU-Ausland oder in Bezug auf eine stärkere Teilhabe am demokratischen Leben der Union. Dort kündigte die Kommission konstruktive Vorschläge an, damit EU-Bürger ihr Wahlrecht bei nationalen Wahlen in ihrem Heimatland behalten können. Weitere Informationen Pressepaket (Mitteilung und Empfehlung der Kommission): http://ec.europa.eu/justice/newsroom/citizen/news/140129_de.htm May 2014: Your vote counts http://ec.europa.eu/avservices/video/player.cfm?ref=I083108 Europäische Kommission – Unionsbürgerschaft – aktives und passives Wahlrecht: http://ec.europa.eu/justice/citizen/voting-rights/index_de.htm Homepage von Viviane Justizkommissarin: Reding, Vizepräsidentin der EU-Kommission und EU- http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/reding/index_de.htm Vizepräsidentin Reding auf Twitter: @VivianeRedingEU EU-Justiz auf Twitter: @EU_Justice Kontakt: Mina Andreeva (+32 2 299 13 82) Natasha Bertaud (+32 2 296 74 56) Für die Öffentlichkeit: Europa Direkt telefonisch unter 00 800 6 7 8 9 10 11 oder per EMail 3 Anhang 1. Die Lage in den Mitgliedstaaten LAND Geschätzte Zahl der Staatsbürger mit Wohnsitz in einem anderen EU-Land Wahlrechtsentzug nach Bedingungen Dänemark Keine Informationen verfügbar 2 Jahren Dänen dürfen nur im Wählerverzeichnis verbleiben, wenn sie ihre Absicht aktenkundig machen, binnen 2 Jahren zurückzukehren. Irland Keine Informationen verfügbar 18 Monaten Iren dürfen nur im Wählerverzeichnis verbleiben, wenn sie ihre Absicht aktenkundig machen, binnen 18 Monaten zurückzukehren. Vereinigtes Königreich 1 000 000 15 Jahren Malta Keine Informationen verfügbar 18 Monaten Zypern Keine Informationen verfügbar 6 Monaten Bürger des Vereinigten Königreichs verlieren das Wahlrecht, wenn sie 15 Jahre lang nicht mit einer Adresse im Vereinigten Königreich im Wählerverzeichnis eingetragen waren. Malteser verlieren ihr Wahlrecht, wenn sie nicht mindestens sechs Monate lang binnen der achtzehn Monate vor ihrer Registrierung zur Wahl in Zypern gewohnt haben. Zyprer verlieren ihr Wahlrecht, wenn sie in den sechs Monaten unmittelbar vor der nationalen Wahl nicht in Zypern gewohnt haben. 5