Von der „Welt der vernachlässigten Dimensionen“ zur Nanowelt „Die Welt der vernachlässigten Dimensionen“ ist der Titel eines Buches von Wolfgang Ostwald (1883-1943) Das ist der Titel einer Sondernummer von „Spektrum Spezial 2/2001 Das Werkzeug, das der Auslöser des Nanobooms war. Der Fokus der Erwartungen Fact and Fiktions Nanowelt Der Weg in die Nanotechnik zeichnet sich ab seit Mitte der 80er Jahre. Schlüsselereignisse: Stetige Verkleinerung der elektronischen Bauelemente (erster integrierter Schaltkreis, Kilby 1958) führt zum Vorstoß der Halbleitertechnologie in den Nanobereich Physik der artifiziellen Nanostrukturen (Klitzing): Quanten-Hall-Effekt Rastertunnelmikrosokop (Binnig und Rohrer): Manipulatiuon einzelner Atome Chemie entdeckt die supramolekularen Strukturen (Kuhn, Lehn, Cram, Pederson) R. Feynman: Visionär der Nanoelektronik Richtungweisender Vortrag „It is plenty of room at the bottom“ 1959 Halbleiter Transistoren/Integrierte Schaltkreise Raster‐Tunnel‐Mikroskop Kolloide oder Nano‐..... κoλλα Leim ⇒ Eigenschaften νανοσ Zwerg ⇒ Größenangabe ⇒ spezielle Quantenphänomene 8 nm Assoziationskolloide Dispersionskolloide Haar: Ø 70 µm 8nm : 70 µm = ~1 : 10000 Einteilung und Bezeichnungen Dispersionsmittel Dispergierte Phase Gas Flüssigkeit Festkörper Gas - Schaum Aerogel Cellular solids Flüssigkeit Nebel Dunst Emulsion Gel Festkörper Aerosole Rauch, Staub Dispersion Block-Copolymere Legierungen Milch: Nano‐Produkt pur! Woher kommt die weiße Farbe? Lichtstreuung an Teilchen der Nanometerskala (Tyndal-Effekt) Milch: Nano‐Produkt pur! Woher kommt die weiße Farbe? Milch: Nano‐Produkt pur! Woher kommt die weiße Farbe? Lichtstreuung an Teilchen der Nanometerskala (TyndalEffekt) Was sind das für Stoffe? Fette Milch: Nano‐Produkt pur! Woher kommt die weiße Farbe? Lichtstreuung an Teilchen der Nanometerskala (TyndalEffekt) Was sind das für Stoffe? Fette Proteine Milch: Nano‐Produkt pur! Woher kommt die weiße Farbe? Lichtstreuung an Teilchen der Nanometerskala (TyndalEffekt) Was sind das für Stoffe? Fette Warum schwimmen diese mit der Zeit auf? Proteine Milch: Nano‐Produkt pur! Woher kommt die weiße Farbe? Lichtstreuung an Teilchen der Nanometerskala (TyndalEffekt) Was sind das für Stoffe? Fette Warum schwimmen diese mit auf? Entmischung (OstwaldReifung, Dichte; Gegenmaßnahme? Proteine Milch: Nano‐Produkt pur! Woher kommt die weiße Farbe? Lichtstreuung an Teilchen der Nanometerskala (TyndalEffekt) Was sind das für Stoffe? Fette Warum schwimmen diese mit auf? Entmischung (OstwaldReifung, Dichte; Gegenmaßnahme? Proteine Kaseine Albumine Proteine in der Milch Was entsteht daraus? Proteine in der Milch Was entsteht daraus: Käse Kaseinleim, Klebstoffe Galalith Proteine in der Milch Was entsteht daraus: Käse Kaseinleim, Klebstoffe Galalith Beispiele Dispersionsmittel Dispergierte Phase Gas Flüssigkeit Festkörper Gas - Schampoo Schlagsahne Feste Schäume Flüssigkeit Sprays Milch Kosmetika Haargel Babywindel Festkörper Aerosole Farben, Lacke Rauch, Staub Holz Homogenisierung Sprays: Körperpflegemittel, Pestizide und Insektizide, Pharmaprodukte, Möbelpflegemittel, Farben usw. Veränderung der Geschmacksempfindung Beispiele für „klassische“ Kolloide: Aerosole Smog (London 19. Jhdt) Photochemischer Smog (Los Angeles nach dem 2. Weltkrieg) Komplizierte Chemie in verschmutzter Atmosphäre (fließende Übergänge fest ↔ flüssig: Feinstaub, Russ, als Kondensationskeime, Anlagerung von Säuren, Basen, Aromaten usw.....) Eiswolken über der Arktis bei extrem niedrigen Temperaturen in großen Höhen (teilweise mit Salpetersäure angereichert) katalytisch aktive Oberflächen die zur Ozonzersetzung beitragen Einfluss auf Klima! Atemwegserkrankungen Berufskrankheiten (Silikose, Asbestose) Aerogele Oberflächenspannung des Wassers führt beim Entwässern zum Kollaps der Strukturen (Silikalgel) ⇒ Entwässern unter überkritischen Bedingungen Dichte: 0.03 g/cm3 Beispiele für „klassische“ Kolloide: Dispersionen, Gele AgBr in Filmen für die Photographie Farbkörper (Pigmente) in Lacken Kolloidale Metalle als Fermentmodelle (Bredig 1901; Schwab 1942) Kolloidal gelöstes Gold in der Glasmasse Gold-Rubinglas Beispiele für „klassische“ Kolloide: Dispersionen, Gele Struktur der Tonminerale Tonminerale sind überall: c Sedimente, Böden b Stark anisotrop Negative Überschussladung Na+/Wasser 10-20 nm x 1 µm Si+4 O-2 Al+3 Na+1 O+0 O+0 Tonminerale sind ein wichtiger Bestandteil der Tone (verantwortlich für ihre Plastizität) Tone sind Rohmaterial für Keramik, Ziegel......... Beispiele für „klassische“ Kolloide: Dispersionen, Gele Kartenhaus -Struktur Quicktone Tixotropie Bohrspülungen, Spundwände Beispiele für „klassische“ Kolloide: Öle auf Wasser Spreitung des Öls auf Wasser (Plinius d.Ä., Plutarch: beruhigende Wirkung von Öl auf Wasser B. Franklin: Versuche zum Verhalten von Öl auf Wasser (1774) Lord Rayleigh 1890: Filmbildung von Olivenöl auf Wasser, Reduktion der Oberflächenspannung, Abschätzung der Dicke des Ölfilms. Agnes Pockels schreibt an ihn und legt ihre Ergebnisse dar.Rayleigh setzt sich für eine Veröffentlichung in „nature“ ein. Agnes Pockels 1882 Sie entwickelte als erste eine Apparatur mit der es gelang: • eine reine Wasseroberfläche herzustellen • die Oberfläche mit einem Schieber beliebig zu verkleinern • die Änderung der Oberflächenspannung durch eine Art Waagenkonstruktion präzise zu messen Beispiele für „klassische“ Kolloide: Öle in Wasser Micellbildung oberhalb einer kritischen Konzentration Mizellare Strukturen in Tensid/Wasser‐ Mischungen Temperatur und Ausdehnung der Existenzbereiche hängen vom Tensid ab, insbesondere von der Länge der CKette und der Größe der Kopfgruppe Schematisches Phasendiagramm für ein Tensid/Wasser-System Zwischenbilanz • Heterogene Systeme (mindestens 2) • Wechselwirkung zwischen den Komponenten entscheidend (völlige Ähnlichkeit führt zu homogenen Phasen; völlige Unverträglichkeit nur ein nebeneinander; im Zwischenbereich wird’s spannend, da passiert was, hier ist „Organisation“ im Nanobereich nahezu zwingend • >90% der Produkte des Alltags sind Zubereitungen aus mehreren Stoffen → kolloide Systeme praktisch überall • Lebende Systeme sind Nanosysteme par excellence • Umgang mit Nanosystemen seit Beginn der technischen Entwicklung vor 10.000 Jahren • Essenszubereitung ist Nanotechnologie pur! HTS‐Josephson‐Kontakte mit Nanometerabmessungen 10 mm 130 nm STO substrate YBCO • Transporteigenschaften von extrem dünnen und extrem schmalen Josephson-Kontakten • 1/f-Rauschen: Spekroskopie an einzelnen Fluktuatoren H. Kuhn, Visinonär der Selbstorganisation d) R H C R N+ N C18H37 C18H37 R=O R=S Selbstorganisation organischer Materie „Die im folgenden zu beschreibenden Versuche gehen von der Zielsetzung aus, einfachste organisierte Systeme von Molekülen zu bauen, das heißt Anordnungen einzelner Moleküle, welche Eigenschaften haben, die durch die Besonderheit der Anordnung bedingt sind. Während die Moleküle schon in einfachsten biologischen Strukturen in hoch organisierter Weise assoziiert sind, fehlt es dem Chemiker an Methoden, um Moleküle in vorausgeplanter Weise aneinander zu fügen. Er kann sehr komplizierte Moleküle synthetisieren, aber er kann nicht wie die Natur Aggregate von verschiedenen Molekülen in geplanter Ordnung bauen. Man kann das ferne Ziel der Herstellung größerer organisierter Assoziate von Molekülen in zwei Aspekten sehen. Einerseits wird man bestrebt sein, einfache biologische Strukturen nachzuahmen; andererseits wird man sich bemühen, ganz unabhängig vom Vorbild der Natur irgendwelche der Phantasie entspringende Anordnungen von Molekülen herzustellen, die nützliche, von der genauen Anordnung der Moleküle im Aggregat abhängige Eigenschaften haben und die somit Werkzeuge mit molekular dimensionierten Bauelementen darstellen.“ H. Kuhn, Pure Appl. Chem. 11(1965)435 Lyotrope Mesophasen Vielfalt der auftretenden Phasen vermehren sich stark, wenn ein Co-Tensid zugefügt wird, das selbst keine Micellen bildet. Ausschnitt aus dem Phasendiagramm für das System Wasser/Heptanol/Tetradecyldimethylaminoxid TEM-Aufnahme einer L3-Phase im System C14DMAO/C6OH Schillerfarben solcher Mischungen, bedingt durch den Abstand der Lamellen in der Größenordnung der Lichtwellenlänge Vesikel Biologische Membranen bestehen aus Phospholipiden Phagozytose Vesikel bestehen aus Doppellagen solcher Tenside; in der Regel aus Phospholipiden Pharmazeutisch interessant! Vesikel sind die Transport- und Speichersysteme in lebenden Organismen Biomimetische Materialsynthese Mit anderen Templaten (Kugelhaufen Biomineralisation Obere Reihe von l. nach r.: Ceratolithus cristatus und Umbilicosphaera hulburtiana (Coccolithophoride CaCO3) Silicoflagellat (nicht identifizierte Spezies, SiO2) Thalassiosira eccentrica (Diatomee, SiO2) Untere Reihe von l. nach r.: Odontells aurita (Diatomee, SiO2) aus: D. Volkmer, ChiuZ 33(1999)6 Helicosphaera carteri und Umbellosphera tenuis (Coccolithophoride CaCO3) Paralia sulcata (Diatomee, SiO2) Nanopartikel „Kompass“ eines Bakteriums: Magnetitkristalle gerade so groß, dass eine magnetische Domäne darin Platz hat Katalysatoren (auf Träger) Autoabgase (Pt) Lichtabsorption und Fluoreszenz abhängig von der Teilchengröße Dekontamination (TiO2) Elektroden für Brennstoffzellen (Pt) Permuttglanz‐Pigmente Lotuseffekt Funktionales Gel Durch Anlegen eines Stroms zieht sich das Gel zusammen, Unkehrung der Polarität führt zur Streckung Gel hangelt sich entlang des Sägezahnprofils nach rechts „Nanomaschinen“ K. E. Drexler Der große Visionär der „Nanomaschi nen“ Nanomaschinen als UBoote, die im Organismus Reparaturen ausführen Nanoassembler Was ist eine Maschine? Macht der Begriff auf der atomaren Basis noch einen Sinn? Was es gibt sind Mikromaschinen! ⇒ Nanolithographie (Pumpen, Chromatographen, Mikroreaktoren) Drexler‘s Assembler Drexler‘s Assembler Mikroreaktoren Neues Analyse-Instrument! Mikrokanäle: < 1mm Besonders geeignet für die Untersuchung von schnellen Reaktionen 1ml (1cm3) entspricht dem Volumen eines Würfels mit 1cm Kantenlänge (1mm3) entspricht Volumen eines 1µl Würfels mit 1mm Kantenlänge Idealer Wärmeübergang (keine hot spots) Sehr kurze Verweilzeiten Hohe Selektivitäten Mikroreaktoren 1dm3 = 10 x 10 x 10 cm3 1l 1cm3 1ml 1mm3 1µl 100 µm3 1nl 1µm3 = 1000x1000x1000 nm3 1fl = 10-15l 1fl Wasser entspräche 1fg Wasser, dies 1/18 fmol Jenseits aller chemischen Vorstellung Begriff Lösung macht keinen Sinn mehr Probenahme? Adsorption an den Wänden? Mikroreaktoren, Gaschromatographen Obergrenze des Nanobereiches 1/18 fmol sind gerade mal 3x107 Moleküle (1 Mol ≅ 6 x 1023 Molekülen Nachweisgrenze für Dioxin 1011 Moleküle Nanoengineering? Auto: Länge 4m Verkleinerung in den Nanobereich: 400nm Faktor 10-7 Karosserie: 1mm Wandstärke: 0.1 nm (weniger wie der Durchmesser eines Atoms!) Wie dick müssen die Bauteile sein, damit die Strukturen noch stabil sein können? Wie verändert die Adsorption kursierender Stoffe die Stabilität? Wie bekommt man zusammengebaute Teile wieder von den Oberflächen los? Die Konstruktionsprinzipien des Maschinenbaus versagen hier! „Nanomaschinen“: Photo‐synthesezentrum der Pflanzen 5 µm 10-100 Tylakoi de/Chl oroplas ten Zusammengefaltetes Vesikel 50 nm funktionierende „Nanomaschinen“: komplexe Aggregate aus verschiedenen Biopolymeren, manchmal auch eingebaut in selbstaggregierende Membranen, die im Grenzbereich zwischen Gel- und Kristallzustand arbeiten. „Nanomaschinen“: Ribosomen, die „Synthesefabriken“ für Proteine E. coli Ribosom Masse: 2.5 x 106 D Sedimentationskoeffizient: 70 S Durchmesser: 25 nm (größte Ausdehnung) 2 Untereinheiten kleine 30S Einheit bestehend aus einer 16S r-RNS (1546 Nukleotide) und 21 Polypeptiden große 50S Einheit bestehend aus einer 5S rRNA (120 Nukleotide) und einer 23S rRNA (2904 Nukleotide) und 32 Polypeptiden Hier wird die vorprozessierte m-RNA abgelesen und in ein Polypeptid umgesetzt Fazit • Kontinuierliche Weiterentwicklung der eingangs geschilderten Kolloidchemie („Nanotechnologie“); das ist schon harte Arbeit kontrollierte Herstellung von Nanopartikeln verbessertes Design von Katalysatoren Fortschritte bei der Stabilisierung von Nanosystemen, und und ..... • • Das meiste, was heute in den Forschungslabors als zukünftige „Nanotechnologie“ angesehen wird, sind nette und auch faszi‐nierende Spielereien; irritierend ist die Unbedarftheit mancher Spielereien, und zwar in historischer wie in chemischer Hinsicht Der Fortschritt wird langsam sein: die grundlegenden chemischen und physikalischen Gesetzmäßigkeiten sind bekannt; bei der Stabilisierung heterogener, komplexer Nichtgleichgewichtssysteme – und dazu gehören die derzeit diskutierten Nanosysteme – stehen wir erst am Anfang! • Das meiste wird wohl als neue „Werkzeuge“ in Forschungslabors Verwendung finden; was kommt in den Alltag????????