5 K 491/98

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NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT
URTEIL
vom
15.06.2000
Az.: 5 K 491/98
Orientierungssatz:
Einkommensteuer 1995
Im Ausland gezahlte Trinkgelder anläßlich einer Kurbehandlung
sind auch dann als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig,
wenn der Empfänger des Trinkgeldes nicht namentlich genannt
wird.
Revision eingelegt - BFH-Az. III R 32/01
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt - BFH-Az.: III B 82/00
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Tatbestand
Die Kläger sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Zunächst waren zwischen den Beteiligten mehrere Punkte streitig (Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung, Anerkennung eines orthopädischen Autositzes sowie Kuren in
Abano/Italien als außergewöhnliche Belastung).
Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte – einem gerichtlichen Hinweis folgend – einige der Streitpunkte unstreitig gestellt; einige andere Streitpunkte werden von den
Klägern nicht mehr verfolgt. Diesbezüglich wird auf den richterlichen Hinweis vom 30. Juni 1999 sowie auf das Schreiben des Beklagten vom 23. Juli 1999 und das der Kläger vom
5. August 1999 Bezug genommen.
Streitig sind nunmehr noch drei Punkte:
1) Trinkgelder (255,79)
Hier ist zu klären, ob die in der Kur von den Klägern gezahlten Trinkgelder als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind.
Die Kläger tragen vor, dass Trinkgelder, die im Zusammenhang mit einer ärztlich verordneten Leistung hingegeben werden, Krankheitskosten darstellen und als außergewöhnliche Belastung abzuziehen seien, sofern sie den Rahmen des Angemessenen und Üblichen nicht
überschreiten.
Der Kurarzt vor Ort habe für die Ehefrau folgende Leistungen verordnet: Morgenmassage
auf dem Zimmer, Schlammpackung, Ozonbad, Inhalation, Fangomaske und Gemeinschaftsgymnastik. Für den Ehemann seien als Leistungen die Morgenmassage auf dem Zimmer,
Schlammpackung, Ozonbad, Spezialmassage und Gemeinschaftsgymnastik verordnet worden. Für die Einzelanwendungen sei jeweils Trinkgeld gegeben worden. Gerade in mediterranen Ländern wie Italien würde von medizinischen Hilfskräften ein Trinkgeld erwartet.
Gezahlt worden seien höchstens 5.000 Lire pro Anwendung, was etwa 4,70 DM entspreche.
Die Kläger haben eine Aufstellung über die Trinkgelder vorgelegt, die von ihnen anlässlich
der Einzelbehandlungen an die jeweiligen Pflege- und Behandlungskräfte gezahlt worden
sind. Die Empfänger der Trinkgelder sind aus der Aufstellung nicht zu ersehen.
2) Reisetasche (369,00 DM) und Kurzreisekoffer (479,00 DM)
Die Kläger tragen vor, dass diese beiden Gegenstände ausschließlich beruflich genutzt worden seien. Der Koffer und die Tasche würden im Rahmen der beruflich bedingten doppelten
Haushaltsführung zum Transport von Bettwäsche, Handtüchern sowie Haushalts- und Sanitärutensilien benötigt.
Bei der Anschaffung des Kurzreisekoffers handele es sich darüber hinaus um eine Ersatzbeschaffung, weil der ursprüngliche Koffer im Zuge eines Schadensfalles im September
1995 auf der Arbeitsstelle überfahren und nicht mehr reparabel gewesen sei.
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3) Kostenerstattung der Krankenkasse (660,00 DM)
Die Kur wurde vom 22.12.1995 bis zum 12.01.1996 durchgeführt. Die (für beide Kläger) geltend gemachten Kurkosten erkannte der Beklagte in Höhe von insgesamt 5.797,19 DM als
außergewöhnliche Belastung an. Streitig ist, ob die im Folgejahr (1996) gezahlte Erstattung
der Krankenkasse in Höhe von insgesamt 660,00 DM (22 Tage mal 15,00 DM mal 2 Personen) bereits im Streitjahr oder erst in 1996 zu berücksichtigen ist. Der Beklagte hat die Erstattung im Streitjahr berücksichtigt. Hiergegen wenden sich die Kläger. Sie tragen vor, dass
die Berücksichtigung der Kostenerstattung im Streitjahr das im Steuerrecht geltende Zu- und
Abflussprinzip sowie den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung verletze. Zumindest die Erstattungen der Krankenkasse, die den Zeitraum vom 01.01. bis zum 12.01.1996 beträfen,
seien nicht im Streitjahr zu berücksichtigen.
Die Kläger beantragen,
die Aufwendungen für den Koffer und die Tasche in Höhe von insgesamt
848,00 DM zum Werbungskostenabzug zuzulassen und die als außergewöhnliche Belastung anzuerkennenden Aufwendungen durch Kürzung der Krankenkassenerstattung in Höhe von 660,00 DM und Anerkennung der Trinkgelder in
Höhe von 255,79 zu erhöhen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass die Aufwendungen für die Tasche und den Koffer ebenso wie die gezahlten
Trinkgelder als Kosten der privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig
seien.
Wegen der Berücksichtigung der Krankenkassenerstattung im Streitjahr verweist der Beklagte auf das Urteil des BFH vom 21. August 1974 (BStBl II 1975, 14). Danach sei eine Erstattung in späteren Jahren bereits in früheren Jahren gegenzurechnen sei, wenn der Steuerpflichtige mit der Erstattung rechnen konnte. Dies sei vorliegend der Fall.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte Bezug
genommen. Dem Gericht hat die Einkommensteuerakte der Kläger zu Steuernummer XXX
vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die Trinkgelder sind als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zuzulassen; im Übrigen ist
die Klage unbegründet.
1) Trinkgelder, die im Zusammenhang mit einer ärztlich angeordneten Behandlung einer
Krankheit hingegeben werden, gehören ihrer Art nach zu den unmittelbaren Krankheitskosten (BFH, Urteil vom 22. Oktober 1996 III R 240/94, BStBl II 1997, 346). Dies gilt aber nur
dann, wenn die Trinkgelder dem Grunde und der Höhe nach angemessen sind und nicht
außerhalb des Rahmens des Üblichen liegen. Weitere Voraussetzung für die Berücksichti-4-
gung von Trinkgeldern ist, dass substantiierte Angaben über die einzelnen Empfänger und
die Höhe des ihnen zugewandten Trinkgeldes vorliegen (BFH, a.a.O.).
Die Kläger haben dem Gericht mitgeteilt, dass der Kurarzt vor Ort (Italien) die jeweiligen Behandlungen (Massage, Ozonbad, etc.) angeordnet habe. Die Zahl der verordneten Leistungen sind auch aus den vorgelegten Abrechnungen der Kurverwaltung zu ersehen. Die Kläger
haben ihrem Schreiben vom 5. August 1999 auch eine Aufstellung beigefügt, aus der die Höhe der gewährten Trinkgelder - aufgeschlüsselt nach den verschiedenen Behandlungen – zu
erkennen ist. So wurden für die Massage auf dem Zimmer 5.000 Lire, für die Schlammpackung 3.000 Lire, für das Ozon-Bad 3.000 Lire, die Spezialmassage 5.000 Lire und die
Inhalation 2.000 Lire Trinkgeld gegeben.
Die Empfänger der Trinkgelder haben die Kläger zwar nicht benannt. Dieser Umstand führt
nach der Auffassung des Senats jedoch nicht zur Versagung der Abzugsfähigkeit. Der Bundesfinanzhof hat in dem angeführten Urteil die namentliche Nennung der Empfänger des
Trinkgeldes mit einem Hinweis auf § 160 Abgabenordnung (AO) begründet. § 160 AO fordert
die Benennung der Zahlungsempfänger, um sicherzustellen, dass diese den Bezug der Gelder versteuern. Sinn und Zweck des Benennungsverlangens ist die Verhinderung des „Steuerausfalls“ beim Geschäftspartner, wobei die Rechtsprechung den „Steuerausfall“ zu Recht
auf die deutsche Steuer bezogen hat (BFH, Urteil vom 9. August 1989 I R 66/86, BStBl II
1989, 995; ebenso Tipke/Kruse, AO, § 160, Rz. 3, 10).
Daraus folgt, dass § 160 AO in Fällen wie dem vorliegenden, wo kein „Steuerausfall“ für den
deutschen Fiskus zu befürchten ist, nicht anwendbar ist. Dann aber kann die Anerkennung
der außergewöhnlichen Belastung auch nicht mit der Begründung versagt werden, dass die
Empfänger der Trinkgelder nicht namentlich benannt worden sind. Ausreichend ist vielmehr,
dass die Trinkgelder den jeweiligen Behandlungen konkret zugerechnet worden sind.
Für die einzelnen Behandlungen gewährten die Kläger Trinkgelder in Höhe von 2.000 bis
5.000 Lire (ca. 2,20 bis 4,70 DM). Der Senat hält die gewährten Trinkgelder - sowohl dem
Grunde als auch der Höhe nach - bei medizinischen Behandlungskräften in Italien für angemessen.
2) Die Aufwendungen für Reisetasche und den Kurzreisekoffer sind als gemischte Aufwendungen im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht abzugsfähig. § 12 Abs. 1 Satz 2 EStG
enthält ein Aufteilungs- und Abzugsverbot für solche Aufwendungen, die sowohl beruflich als
auch durch die Lebensführung veranlasst sind (sog. gemischte Aufwendungen), mit der
Folge, dass auch der Teil der Aufwendungen nicht abzugsfähig ist, der beruflich veranlasst
ist. Der Senat geht unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung davon aus,
dass die Kläger die Reisetasche und den Koffer nicht ausschließlich für berufliche Zwecke
sondern auch für private Reisen und zum Transport von Privatsachen benutzt haben. Damit
scheidet – trotz der (auch) beruflichen Nutzung – ein Abzug der Aufwendungen aus.
Dass der Kurzreisekoffer eine Ersatzbeschaffung für einen bei der Arbeit zerstörten Koffer
gewesen ist, führt zu keiner anderen Beurteilung.
3) Die Erstattungen der Krankenkasse in 1996 sind vom Beklagten zu Recht im Streitjahr
berücksichtigt worden.
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Bei der außergewöhnlichen Belastung i.S.d. § 33 EStG gilt das Belastungsprinzip. Danach
sind nur solche Aufwendungen abzugsfähig, die eine endgültige Belastung des Steuerpflichtigen bedeuten. Legt ein Steuerpflichtiger eine Ausgabe lediglich vor bzw. aus und erhält er
anschließend von dritter Seite – z.B. Krankenversicherung – Kostenerstattung, so stellt sich
die Aufwendung nur als vorübergehende Belastung dar. Dabei ist eine Vorteilsanrechnung
auch dann vorzunehmen, wenn der Ersatz der Aufwendungen erst in einem späteren Veranlagungszeitraum geleistet wird. Insofern ist das Zu- und Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG
durch das in § 33 EStG geltende Belastungsprinzip ausgeschaltet (BFH, Urteil vom 21. August 1974, BStBl II 1975, 14).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall sind die Erstattungen der
Krankenkasse in 1996 auf die Kuraufwendungen der Kläger in 1995 anzurechnen. Dies gilt
auch für Erstattungen, die die Zeit vom 01.01. – 12.01.1996 betreffen, weil die Kläger auch
umfangreiche Aufwendungen für diesen Zeitraum (z.B. Hin- und Rückfahrt sowie Unterkunft
und Verpflegung) bereits in 1995 gezahlt und als Aufwendungen geltend gemacht haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Nachdem der Beklagte die Kläger im Laufe des Verfahrens hinsichtlich mehrerer Streitpunkte
klaglos gestellt hat und die Kläger mehrere Streitpunkte nicht weiter verfolgen und Kläger
und Beklagte im gerichtlichen Verfahren teils obsiegen und teils unterliegen, hält es der Senat für sachgerecht, die Kosten gegeneinander aufzuheben.
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