Petra Bauer Ideologie und politische Beteiligung in der Bundesrepublik Deutschland Beitdige zur sozialwissenschaftlichen Forschung Band 123 Petra Bauer Ideologie und politische Beteiligung in der Bundesrepublik Deu tschland Eine empirische Untersuchung politischer Oberzeugungssysteme Westdeutscher Verlag Aile Rechte vorbehalten © 1993 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe BerteIsmann International. Das Werk einschlieBIich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Christine Niisser, Wiesbaden Gedruckt auf saurefreiem Papier ISBN-13: 978-3-531-12482-7 e-ISBN: 978-3-322-85087-4 DOl: 10.1007/978-3-322-85087-4 INHALT VORWORT 5 I THEORETISCHB ANSXTZE UND DATENGRQNDLAGE o. EINLEITtlNG 7 1. POLITISCHE IDEOLOGIE: EIN UBERBLICK 9 2. DAS THEORETISCHE KONZEPT POLITISCHER UBERZEUGUNGSSYSTEME 11 2.1. Die Struktur poli tischer Uberz,eugungssysteme 11 2.2. Funktionen und Determinanten ideologischer Denkweise Inhalte politischer Uberzeugungssysteme 14 2.3. 2.4. Operationalisierung und Messung politi scher 21 17 Uberzeugungssyteme 2.4.1. Die aktive Verwendung ideologischer Konzepte 21 2.4.2. Die passive 24 2.4.3. Die Stufen ideologischer Konzeptualisierung 25 2.4.4. Schulbildung und politische Motivation als Determinanten politischer Uberzeugungssysteme 27 3. POLITISCHE PARTIZIPATION: EIN UBERBLICK 29 3.1. Vorbemerkung 3.2. Demokratietheoretische 29 32 Verwendung ideologischer Konzepte Positionen 3.3. Was ist politische Partizipation? 37 3.3.1. Die Dimensionalitat politischer Partizipation 39 3.4. Die Political Action-Studie 41 3.4.1. Operationalisierung verschiedener Formen politischer 3.5. Partizipation 42 Politische Partizipation und politische Ideologie 43 2 4. BESCHREIBUNG DER DATENGRUNDLAGE 47 4.1. Qualitatives Panel 49 4.1.1. Stichprobeneffekte 52 II IDEOLOGISCHE UBERZEUGQNGSSYSTEME: ELEMENTE UND STRUKTUREN 5. POLITISCHE FREIHEIT UND POLITISCHE GLEICHHEIT 56 5.1. Was ist Freiheit? 60 5.2. Empirische Befunde der Rezeption des Freiheitsund Gleichheitsbegriffs 62 5.2.1. Freiheit 62 5.2.2. Gleichheit 69 5.2.3. Was solI sein? - Was ist? Freiheit und Gleichheit als Ideale eines demokratischen Systems und deren Verwirklichung in der Bundesrepublik Deutschland 84 6. DEMOKRATIEZUFRIEDENHEIT UND SYSTEMAKZEPTANZ 89 6.1. Empirische Befunde zum Demokratieverstandnis 97 6.2. Elemente einer guten Demokratie 6.2.1. Die Bedeutung von Wahlen 108 6.3. Aspekte politi scher Sozialisation 113 6.3.1 Die Jugendzeit der Befragten: Der Versuch einer Kohortenbildung 6.3.2 6.4. 99 117 Die Einschatzung der politischen Einstellung der heutigen Jugend aus dem Blickwinkel dar Befragten 123 Zusammenfassung 132 3 III WERTORIENTIERQNGEN. IDEOLQGIE UNO PQLITISCHE PARTIZIPATION 7. THEORIE UNO EMPIRIE GESELLSCHAFTLICHEN WERTEWANDELS 133 7.1. 134 136 7.4.2. 7.4.3. Zum Wertbegriff wertewandel a la Inglehart Die beiden Ausgangshypothesen der Inglehartschen Wertewandeltheorie Der Materialismus/Postmaterialismus-Index Determinanten postmaterialistischer Werthaltungen Generationen-, Perioden- oder Lebenszykluseffekt? Zur Dimensionalitat von Wertorientierungen: alternative Ansatze der Wertewandelforschung Versuch einer Weltbildanalyse von Postmaterialisten und Materialisten Die Wahrnehmung politischer Probleme in der Bundesrepublik Deutschland Politische Gewalt: ein diffuser Begriff? Politische Werte und Demokratie 161 167 8. DETERMINANTEN POLITI SCHER PARTIZIPATION 173 8.1. Konventionelle und unkonventionelle Partizipation sowie Einstellung zu staatlicher Repression Skalenkonstruktion Empirische Befunde Wertorientierungen und Ideologie als zentrale BestimmungsgroBen politischer Partizipation Wertorientierungen, Ideologie und Repressionspotential 7.2. 7.2.1. 7.2.2. 7.3. 7.3.1. 7.3.2. 7.4. 7.4.1. 8.1.1. 8.2. 8.2.1. 8.2.2. 9. POLITISCHE UBERZEUGUNGSSYSTEME UNO POLITISCHE BETEILIGUNG: ZUSAMMENPASSUNG UNO AUSBLICK ANHANG: Gesprachsleitfaden der qualitativen Studie LlTERATUR 138 141 142 142 146 155 156 174 174 178 186 194 197 205 212 VORWORT Daniel Bell hat 1973 in seinem Buch tiber die 'Postindustrielle Gesellschaft' die politische Partizipation als eines der 'axialen Prinzipien' der Strukturierung dieses sich in der Entwicklung befindlichen Gesellschaftstypus bezeichnet. Wie immer man zum theoretischen und analytischen status dieser Gesellschaftsbetrachtung stehen mag, fast zwanzig Jahre nach dem Entstehen des genannten Buches hat sich auch empirisch bestatigt, dan Partizipation einer der Brennpunkte des zeitgenossischen politischen Diskurses in den westlichen Demokratien ist. Die vorliegende Arbeit versucht, in ihrer Verbindung qualifizie- render und quantifizierender Betrachtungsweisen dem Wissen urn die Dimensionen und Hintergrtinde politi scher Beteiligung Gesichtspunkte hinzuzuftigen. Arbeit einige neue Es liegt in der Natur der in dieser hauptsachlich verwendeten Daten, dan viele Beztige zu der international vergleichenden Untersuchung hergestellt werden, die in den siebziger Jahren erstmals die Einstellungen auch zu direkten Formen der politischen Beteiligung in den Political Action-Studie (Barnes, verpflichtet Kaase ist die Verfasserin der Blick et al. nahm: 1979). Zu die Dank deutschen Wissenschaftler- gruppe (Klaus R. Allerbeck, Max Kaase, Hans-Dieter Klingemann) fur deren Bereitschaft, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgewerteten Daten des qualitativen Panels des deutschen Studienteils einschlienlich der Befragungsvolltexte ftir die maschinenlesbaren aufbereiteten vorliegende Arbeit zur Verftigung zu stellen. Dank gebtihrt vor allem auch dem Betreuer Professor Rudolf Wildenmann, der und dieser Arbeit, allen Kolleginnen und Kollegen Lehrsttihle Politische Wissenschaft I und Politische schaft Herrn Wissen- und International Vergleichende Sozialforschung der Uni- versitat Mannheim ftir ihre Bereitschaft, in Kolloquien und vielen Einzelgesprachen mit der Verfasserin tiber ihre theoretischen Konzepte und empirischen Analyseergebnisse zu diskutieren. 6 Die Arbeit ist im Rahmen eines Stipendiums nach dem Landesgraduiertenforderungsgesetz (LGFG) Baden-Wurttemberg entstanden. Als besonders hilfreich hat sich die Bewilligung von Sondermitteln fur die inhaltsanalytische Codierung einer Reihe von Befragtenangaben sowie fur die Teilnahme an einem internen Arbeitstreffen der Political Action-Gruppe im Februar 1987 in Santa Barbara, USA, erwiesen. I THEORETISCHE ANSATZE UND DATENGRUNDLAGE O. EINLElTUNG Die These vom "Ende der Ideologie", fruhen 60er Jahren in den die in den westlichen splten 50er und demokratischen Industrie- gesellschaften diskutiert wurde, fuhrte dazu, daB das Forschungsinteresse an ideologischen Stromungen in Politikwissenschaft und Soziologie stark belebt wurde (z.B. Shils 1955; Bell 1960; Marcuse 1964; Aron 1967). Diese Debatte blieb jedoch wegen geschichtsphilosophisch-makrosoziologischen Ausrichtung fur empirische Erforschung von Ideologien weitgehend folgenlos. ihrer die Erst die bahnbrechende Untersuchung von Philip E. Converse (1964) zur "Nature nahm Anregungen aus of Belief Systems in Mass Publics" dieser Debatte auf und versuchte, daraus Gewinn fur die empiri- sche Forschung zu ziehen. Die Proklamation des Behauptungen aus, Endes der Ideologie ging daB die im Kern von den Gesellschaftskritik des Marxismus und Sozialismus, d.h. jene politische Theorie und Praxis, die auf gesellschaftliche und politische Umgestaltung abziele, ihre pragende Kraft in den westlichen Demokratien verI oren habe, und daB systemgeflhrdende Klassenkonflikte, die auf dem Boden von Klassenkampfideologien entstanden seien, Mit diesen westlichen Vorstellungen ist Gesellschaften in nicht meist ein der mehr auftreten wurden. Selbstverstlndnis der Art verbunden, daB in ihnen nicht mehr mit grundlegenden, die Menschen auf lange Zeit polarisierenden Problemen zu rechnen sei. Entscheidende soziale Fragen seien durch den Wohlfahrtsstaat gelost worden. Gegen diese Vor- stellung wandte sich Lipset: " ... one wonders whether those intellectuals are not mistaking the decline of ideology in the domestic politics of western society with the ending of the class conflict which has sustained domestic controversy. As the abundant evidence on the voting patterns in the United States and other countries indicates, the electorate as a whole does not see the end of domestic class' struggle envisioned by so many intellec- 8 tuals .... The predictions of the end of class politics in the 'affluent society' ignore the relative character of any class system." (Lipset 1962: 20). In dieser "End schiedlich of die waren und wie wenig teresse war. Bereitschaft, blenden und Ideology"-Debatte wird jeweiligen Die inhaltlichen deutlich, wie unter- Ideologieverstandnisse deren empirische Umsetzung uberhaupt von Inmeisten Kritiker zeigten Heine offensichtliche die empirische Bedeutung dieser sich statt dessen Hypothese auszu- semantischer Rechtfertigungen zu bedienen" (Rejai 1971: 274-275, meine Ubersetzung, P.B.). Gerade angesichts dieses Umstandes ist es fur eine empirisch ausgerichtete Arbeit unverzichtbar, ten Optionen fur Ideologiekonzept zu vergewissern. schehen. sich der theoretisch vorgedach- einen sinnvollen analytischen Umgang mit dem Das solI im folgenden kurz ge- 9 1. POLITISCHE IDEOLOGIE: EIN tiBERBLICK In einem allgemeinen Sinne kennzeichnet der Begriff der Ideologie politische Einstellungsmuster, oder formalen Merkmalen lichen Diskussion haben sich nutzlich erwiesen: Systemcharakter hangenden und die bestimmt entweder werden. nach inhaltlichen In der wissenschaft- folgende Definitionskriterien Shils (1955) und Converse (1964) ideologischer Einstellungsmuster: aufeinander bezogenen Uberzeugungssystems eines Individuums. als betonen den die zusammen- Elemente des politischen Ideologie wird als System von Meinungen und Uberzeugungen verstanden. Damit werden Koharenz oder Konsistenz als Bedingung fur einen Ideenkorpus damit er zur Ideologie werden kann. eine isolierte Idee oder Haltung. angenommen, Ideologie ist somit mehr als Werte, die unter diesen Ein- stellungsmustern eine dominierende Position einnehmen, haben eine integrative Funktion. der Reichweite 1955, 1968; Neben ideologischer Bell 1960; Prinzipien bzw. Werte der Gesamtgesellschaft dem Systemcharakter ist der Aspekt Einstellungen betont worden (Shils Converse 1964; Lipset 1964). Dominante nehmen Bezug auf viele politische Objekte oder von Teilbereichen der Gesellschaft. die einen hohen Damit handelt es sich urn Weltanschauungen, Ver- bindlichkeitsgrad fur das Individuum besitzen. teristisch und fur die Zielsetzung deutung ist dabei Besonders charakArbeit von groBer Be- dieser als Handlungsimplikation das konsequente Ver- fOlgen der Ziele, die sich aus den Werten ergeben. Auf diese emotionale Qualitat weisen besonders Bell (1960) sowie Lane (1962) hin. Die Stabilit3t der Einstellungsmuster des Individuums uber Zeit im Gegensatz weiteres Merkmal von Ideologien. nach 1964). Zentralitat der z.B. zu Meinungen, ist ein Der Grad der Stabilitat kann je Ideologienelemente variieren (Converse Stabilitat kann allerdings auch negativ als Rigiditat und Dogmatismus interpretiert Desweiteren impliziert eine und Sartori (1969) groBere Gruppe von werden (Rokeach 1960; das Sartori 1969). Vorhandensein einer Ideologie, daB Individuen die jeweiligen Weltanschau- ungen teilt; damit haben ideologische Einstellungsmuster Gruppen- 10 charakter (Bell 1960; Lipset 1964; Lane 1966). Die wichtigsten Trager dieser Wertgemeinschaften und Tradierungsagenten von politischen Ideologien gen. sind politische Parteien und soziale Bewegun- Ein weiteres Kriterium ist die Gerichtetheit von Ideologie, die Wandel oder auch am status quo orientiert sein kann (Merelman 1969). Mannheim (1969) bezieht sich auf den Verzerrungs- und Vereinfachungscharakter ideologischer Einstellungsmuster damit deren Realitatsdimension. der 'Wirklichkeit' abweichen, Rationalisierung und betont Ideologische Aussagen wlirden von weil sie nichts anderes von Interessenpositionen darstellen, als eine die einer Legitimation bedtirfen. In dieser klassischen Konzeption des Ideologiebegriffs gibt es nur eine objektive, in der Undurchsichtig- keit der gesellschaftlichen Verhaltnisse verankerte Notigung zu falschem BewuBtsein. Seliger (1975) Aktionsorientiertheit politi scher Easton (1965) und Barnes hebt besonders Ideologien ab, Bell auf die (1960), (1966) betonen die Mobilisierungsfunk- tion ideologischer Denkweisen. Diese knappe Vbersicht unter denen der veranschaulicht die Begriff der zahlreichen Aspekte, Ideologie zu fassen versucht wurde. Die Unterschiede ergeben sich vor allem aus der Betonung entweder inhaltlicher oder formaler Merkmale von Ideologie. Die formale Definition von Ideologie besitzt den Vorteil, neutral als einen Typ Ideologie inhalts- von politischem Vberzeugungssystem zu be- stimmen, dessen Struktur bestimmten Kriterien entspricht (Rokeach 1960; Converse 1964). Frage nach dem untereinander Mit dieser Konzeptualisierung konkurrierender Aussagen die zunachst ausgeklammert. Solche Fragestellungen bleiben aber auch mit dieser sierung der empirischen Analyse zuganglich, zu umgekehrt wird Wirklichkeits- oder Wahrheitsgehalt verschiedener formulieren, tiberprtifbar werden. daB sie Konzeptuali- ja man konnte gerade- so tiberhaupt erst empirisch Insgesamt erscheint dabei die Art der Unter- suchung ideologischer Einstellungsmuster, wie sie schon von Con- verse in den 60er Jahren vorgeschlagen wurde, einen bewahrten und tragfahigen 1986). Zugang darzustellen (Klingemann 1979a; Sainsbury 11 2. DAS THEORETISCHE KONZEPT POLITI SCHER UBERZEUGUNGSSYSTEME 2.1. Die Struktur politischer tlberzeugungssysteme Mit dem theoretischen Konzept politischer postuliert Converse (1964: in den individuellen, nal worlds" 206), dall es qualitative Unterschiede auf politische Inhalte bezogenen "ideatio- gibt und dall individuellen Verhalten diese wiederum fur die Unterschiede im von Bedeutung sind. versucht diese "ideational worlds" unter ven Struktur "ideas" analytisch zu fassen sind nach Uberzeugungssysteme Converse Converse' Konzept dem Aspekt der kogniti- und zu unterscheiden. kognitive, allgemeine Unter politische Orientierungen zu verstehen, wahrend "attitudes" neben der kognitiven zusatzlich spezieller eine affektive und evaluative politischer Sachverhalte beinhalten Ebene bezuglich (Converse 1975: 78) • In seiner Definition politischer Uberzeugungssysteme betont er deren Strukturcharakter, indem er die Relation zwischen den ein- zelnen Ideenelementen heraushebt. "We define a belief system as a configuration of ideas and attitudes in which the elements are bound together by some form of constraint or functional interdependence." (Converse 1964: 207). Mit "constraint or functional interdependence" bezeichnet Converse die Strukturierung von Attituden im Konzeptes. Rahmen eines bestimmten sozial oder politisch gepragten Unter Attituden einer 'constraint' versteht Person gegenuber man die Konsistenz von verschiedenen Issues. 'Con- straint' als 'ideologisches' Ordnungskriterium betrachtet aus der Vielzahl politischer Issues nicht jedes einzelne Issue quasi- phanomenologisch fur sich, sondern geht unter dem Aspekt des Ordnens komplizierter und uniiberschaubarer Sachverhalte vor. Verfahren kann durchaus 'constraint' stammt aus funktionalen der Wert haben. Informationstheorie und engem Zusammenhang zum Begriff der Entropie. systematische Reduktion von Variation. Dieses Der Begriff steht in 'Constraint' ist die 12 Fur das Zustandekommen funktionaler Interdependenzen unterschei- det psychologischen und sozialen Converse zwischen Quellen (Converse 1964: straint' politischer logischen, 209-213). Selten bezieht sich der 'con- Uberzeugungssysteme auf Sachverhalte rein logischer Art, wie z.B. der Zusammenhang zwischen Staatseinnahmen bzw. -ausgaben und einem ausgeglichenen Staatshaushalt (Converse 1964: 209). Vielmehr und wird quasi-Iogisch basiert er auf psychologischen Ursprungen begrundet, oder Einstellungen gegenuber der stellungen von Naturgesetze, sozialer Gerechtigkeit, beeinflufit wird, Einbettung 'constraint', des Individuums und in Quelle des 'constraint' auf eine soziale Umwelt. duen in der Lage sind, Da nur wenige Indivi- logische Uberzeugungssysteme zu schaffen, eine grofiere Anzahl von Individuen glaubhaft sind, das Produkt Der rekurriert im wesentlichen auf die Schaffung Verbreitung von Uberzeugungssystemen. die fur 211). Neben diesen der von individuellen Motiven beruht die soziale 'social constraint' auf Vor- sozialem Wandel oder auf verwiesen wird (Converse 1964: beiden Aspekten des der indem auf ubergeordnete Werte Gesellschaft wie z.B. dieser wird kreativen Synthese den breiten Bevolkerungs- schichten als eine quasi "naturliche" Einheit (bundles of issues) vermittelt und als solche angenommen (Converse 1964: 211), ohne notwendigerweise die ideologische Dimension zu kennen. der Vermittlung basiert lediglich tionsform, auf Diese Art der einfachsten Informa- dem "what goes with what". Die wesentlich abstraktere und komplexere Art der Information uber den Kontext der Zusammenhinge, dem "what goes with what and why", erreicht den Grofiteil der Bevolkerung nicht (Converse 1964: 212). Die Conversesche Darstellung des 'social constraint' bildet die Grundlage fur die Betrachtung der Elite-Masse Beziehung unter dem Aspekt kognitiver Fihigkeiten und politi scher letztgenannte Ursache oder ,Eli ten, welche von die Motivation. Diese impliziert mit Einschrinkung a) eine Elite politische Uberzeugungssysteme produzieren, Teilen der Bevolkerung rezipiert werden und qualitativen Unterschied in den b) einen politischen Uberzeugungssytemen 13 der Eliten und der Bevolkerung in Converse betrachtet besonders me, deren Interdependenzen 1964: 212). bezug auf deren Komplexitat. die politischen tlberzeugungssystesozial determiniert sind (Converse Politische tlberzeugungssysteme werden innerhalb des theoretischen Konzeptes zunachst nach dem Grad der Interdependenzen bzw. 1964: der Hohe 207f.). ihres 'constraints' 1m statischen Fall unterschieden (Converse bestirnrnrnt 'constraint' nach der Wahrscheinlichkeit, lage der Kenntnis einer bestirnrnten Attitude Attituden eines Indivuums vorhergesagt man das AusmaB an mit der auf der Grundweitere Ideen oder werden konnen. In einer dynamischen Betrachtungsweise bezieht sich die Interdependenz auf die Wahrscheinlichkeit, mit der sich Ideenelemente eines tlberzeugungssystems andern, nachdem sich ein anderes Ideenelement gean- dert hat. Neben dem AusmaB an 'constraint' arbeitet Converse eine zweite Unterscheidungsdimension heraus, der Ideenelemente betont (Converse 1964: welche die Zentralitat 208). Die Ideenelemente unterscheiden sich entsprechend ihrer relativen Bedeutung fur das Individuum im Rahmen traler der des gesamten tlberzeugungsssystems. Stellenwert eines Je zen- Ideenelementes fur ein Individuum innerhalb seines tlberzeugungssystems ist, desto mehr wird die Bereitschaft abnehmen, dieses zu andern. Hierbei ist fur seine In- formationskapazitat der Abstraktionsgrad des oder der zentralen Ideenelemente des tiberzeugungssystems von groBer Bedeutung (Converse 1964: 213). Je hoher der Abstraktionsgrad, desto mehr Elemente konnen in ihrer relativen Konkretheit sinnvoll miteinander verbunden werden. Die dritte und letzte Unterscheidungsdimension fur politische tlberzeugungssysteme ist die Reichweite: der "range of belief systems". Die Reichweite politi scher tlberzeugungs- systeme bestirnrnt den Grad der Anwendbarkeit politische Objekte, d.h. auf unterschiedliche die GroBe des Objektbereichs, auf den sich Ideen und Attituden eines tlberzeugungssystems beziehen (Converse 1964: 208). Auf der Grundlage dieser genannten drei Dimensionen konnen ver- schiedene Qualitatsdimensionen politischer tlberzeugungsysteme abgebildet werden. Converse entwickelte darauf aufbauend eine Hie- 14 An hochster Stelle rarchie politischer tlberzeugungssysteme. dieser Hierarchie stehen tlberzeugungssysteme, die eine groBe Interdependenz und eine groBe Reichweite besitzen; zumindest ein zentrales abstraktes Element muE vorhanden seine Sind tlberzeugungssysteme durch diese Merkmale gekennzeichnet, so spricht Converse von 'Ideologien'. Ideologien sind damit im strukturellen Sinn Teilmengen politischer tlberzeugungssysteme. Je weiter man in dieser Hierarchie nach unten geht, desto 'enger', konkreter und einfacher wird die Sichtweise eines Individuums (Converse 1964: 213). Am Ende stehen also tlberzeugungssysteme mit geringer Interdependenz, geringer Reichweite und ausschlieBlich konkreten zentralen Elementen. Naturlich ist zu fragen, ob in solchen Fallen uberhaupt noch sinnvoll von tlberzeugungssystemen gesprochen werden kann. 2.2. Funktionen und Determinanten ideo!ogischer Denkweise "Die Funktion der politischen Ideologie als Handlungsorientierung verweist auf die dominanten Werte oder Prinzipien ideologischer Einstellungsmuster und die Implikationen, die sich daraus fur die wunschenswerte Organisation der Gesellschaft ergeben." (Klingemann 1983: 327f.). Eine ideo!ogische Denkweise hilft politische Informationen zu verstehen, sie in einen Bezugsrahmen einzuordnen und zu behalten. Neue Sachverhalte konnen im Kontext gesehen werden und dadurch an zusatzlicher Bedeutung gewinnen (Lane 1962: 353; Converse 1964: 214). Die zentralen Prinzipien der Ideologie bieten ein implizites Erklarungspotential, das dem Individuum ermoglicht, Einzelfalle als 'pars pro toto' zu sehen (Lane 1962). Damit ist die ideologische Denkweise ein effizienter Bezugsrahmen fur Politik. Je mehr ein Individuum informiert ist, desto weniger Aufwand muB erbracht werden, urn neue Informationen hinzuzuerwerben und zu behalten (Converse 1975: 97). Diese Orientierungsfunktion von Ideologie hilft dem Individuum, politische Sachverhalte nicht nur als gut oder schlecht zu bewerten. Man ist nicht nur 15 informiert, sondern man weiB auch, was sein sollte und in welche Richtung sich eine Situation vor dem Hintergrund der eigenen Werturteile entwickeln sollte (Sapiro 1983: 2). Man weiB, welche Mittel man wahlen muB, urn bestimmte Ziele zu erreichen und wie man sein eigenes politisches Handeln legitimieren muB. Dieser Aspekt ist fur die vorliegende Untersuchung von besonderer Bedeutung, da man annehmen muB, daB Ideologen ein brei teres Wissen uber ihre Handlungsmoglichkeiten haben und ihr Aktionsrepertoire bewuBter einsetzen konnen. "Thus, we expect people having high levels of ideological conceptualization to be politically knowledgeable. And this should be true for knowledge about modes of political action, too." (Inglehart, Klingemann 1979: 207). AuBerdem hilft die Kritik- und Legitimationsfahigkeit unter Bezugnahme verfugbarer zentraler Werte oder Prinzipien den Ideologen, andere Burger fur ihre Ziele zu interessieren und moglicherweise zu mobilisieren. Eine mogliche Diskrepanz zwischen 'Sein' und 'Sollen' kann eine wesentliche Quelle der politischen Motivation sein (Inglehart, Klingemann 1979: 207; Klingemann 1983: 328). In diesem Zusammenhang gewinnt die Frage, welche Faktoren die Ausbildung unterschiedlicher Uberzeugungssysteme beeinflussen, erhebliche Bedeutung. Zwei Determinanten sind fur die Entstehung verschiedener politischer Uberzeugungssysteme verantwortlich: kognitiye Fahigkeiten, insbesondere Abstraktionsfahigkeit, und politische Motivation (Campbell et al. 1960: 250f.). Das Bildungssystem ist die hauptsachliche Vermittlungsinstanz fur kognitive Fahigkeiten. Die Wissensinhalte, die in den einzelnen Schultypen vermittelt werden, pragen die Art der individuellen Informationsverarbeitung. So liegt die Annahme nahe, daB mit der Zunahme der formalen Bildung die Fahigkeit zu abstraktem und konsistenten Denken und in der Regel auch die Menge an Wissen steigt. Verschiedene Schultypen eines Schul systems befordern diese individuellen Fahigkeiten in unterschiedlicher Weise, wobei Mechanismen wie Selektion, Entwicklung der intellektuellen Anlagen und Indoktrination eine entscheidende Rolle spielen. Nach diesem idealtypisch angedeuteten BildungsprozeB wtirde eine Zunahme an 16 Bildung auch die Chance, ein ideologisches tiberzeugungssystem auszubilden, erhehen (Roller 1983: 12). Die politische Motivation bestimmt den Grad der Beschaftigung mit Politik. Mit der Zunahme an politischem Interesse ist auch eine Zunahme an Kenntnis politischer Inhalte und ein koharenteres, facettenreicheres und informationshaltigeres politisches BewuBtsein zu erwarten. Unter mittelfristig bis langfristiger Perspektive kann man politisches Interesse oder politische Motivation als eine relativ stabile individuelle Pradisposition auffassen. Beiden Determinanten, den kognitiven Fahigkeiten und dem Grad der politischen Motiviertheit, schrieben werden. Je kann ein unabhangiger EinfluB zuge- nach spezifischer Unterscheidungsdimension politischer tiberzeugungssysteme kommt unterschiedliches Gewicht zu. nur interdependent und weitreichend Organisation Ergebnis der den beiden Variablen ein "SolI ein tiberzeugungssystem nicht bewuBten sein, sondern Anwendung solI diese eines abstrakten MaBstabs (Wissen urn "why") sein, dann sind kognitive Kompetenzen, die Fahigkeit zum abstrakten Denken, von groBer Bedeutung." (Roller 1983: 13). Ein hoher 'constraint' kann namlich auch durch bloBes Anlernen politischer Inhalte - indem man z.B. eine politische Diskussion aufmerksam verfolgt sowie das Wissen liber Zu- sammenhange zwischen diesen erreicht werden. Doch diese Interde- pendenz basiert nur auf dem "what goes with what". In diesem Zusammenhang ist tig, wie z.B. die Bedeutung von Bezugsgruppen wich- den politischen Parteien, deren Positionen leicht libernommen werden kennen (Converse 1975: 106). Trotz hoher Interdependenz waren solche tiberzeugungssysteme zu bezeichnen, abstrakten libernommen konnen. da die wurden und nicht Prinzipien eigenstandig Gerade dieses Kriterium der bewuBten groBer Wichtigkeit, wenn man nicht als Ideologien ideologische nur unreflektiert angewendet Anwendung werden ist von tiberzeugungssysteme definiert: "Conscious application of such concepts by individuals 17 leads to a relatively high degree of consistency and is a characteristic of an ideological mode of thought. It must be borne in mind, however, that consistency can be produced by forces other than consciously held ideologies." (Inglehart, Klingemann 1979: 206). Zwar produziert das Individuum konsistente Aussagen, es kann aber die Frage nach dem Prinzip, das die Konsistenz bewirkt hat, nicht beantworten. Kognitive Begrenzungen (limitations) lassen sich bei der Ausbildung ideologischer Oberzeugungssysteme nur schwerlich uberwinden (Campbell et al. 1960: 253ff.). Fur eine dynamische Makroperspektive liegt die Annahme nahe, daB nur eine Zunahme des Bildungsniveaus zur veranderung politi scher Oberzeugungssysteme im Sinne einer Oberwindung bestehender struktureller Grenzen fuhren kann. Damit bleiben solche Aspekte politischer Oberzeugungssysteme, die von kognitiven Fahigkeiten bestimmt werden, zumindest kurzfristig konstant (Campbell et al. 1960: 225). Politische Motivation ist im Gegensatz dazu stark von situationalen Faktoren bestimmti somit ist ihre potentielle Variabilitat groBer (Campbell et al. 1960: 225). 2.3. Inhalte politischer Oberzeugungssysteme Von der Frage, wie politische Information innerhalb eines Uberzeugungssystems organisiert ist und wird, d.h. der strukturellen Dimension politi scher Oberzeugungssysteme, muB eine inhaltliche Dimension unterschieden werden. Besondere Bedeutung kommt dabei dem formalen Abstraktionsgrad des im Mittelpunkt stehenden inhaltlichen Ideenelementes zu. "Zentrale inhaltliche MaBstabe mit demselben Abstraktionsgrad sind deshalb als funktional aquivalent zu betrachten." (Roller 1983: 10). Diese inhaltlichen MaBstabe sind als kulturelle Produkte 'uberliefert' und haben sich in der politischen Geschichte der jeweiligen Nation herausgebildet. Das Verwenden ideologischer Etiketten zur empirischen Erforschung