Continuing Dental Education Ein Baustein zum Erfolg Individuelle Beratung im Rahmen der restaurativen Therapie Im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung ist die Beratung des Patienten ein wichtiger Baustein zum Erfolg. Im nachfolgenden Beitrag wird eine Möglichkeit geschildert, wie auf der Basis des individuellen Befundes verschiedene Behandlungsoptionen so visualisiert werden können, dass der Patient besser als bisher in die Lage versetzt wird, sich seine eigene Meinung zu bilden. Möglich wird dies durch die elektronische Datenverarbeitung, die auch auf diesem Sektor in der Zahnheilkunde zukunftweisende Verfahren eröffnet. Indizes: Prothetische Planung, Planungsprogramm, Patientenberatung Ein Beitrag von Ztm. W. Kohlbach, Kronberg i. T. und Prof. Dr. K. M. Lehmann, Marburg Nutzen eines Planungs- und Beratungsprogramms Patienten haben die Möglichkeit, sich in zahlreichen Internetportalen oder in Patientenbroschüren über zahnmedizinische Sachverhalte zu informieren. Dabei bleibt aber das Problem bestehen, dass in den meisten Fällen der Patient weder seinen eigenen Befund noch eventuelle Therapieoptionen realistisch einschätzen kann. Daher ist die individuelle Beratung durch den Zahnarzt nach wie vor unersetzbar und von größter Wichtigkeit. Im Falle einer prothetischen Therapie können dazu Modelle mit vergleichbarem Zahnersatz oder auch Abbildungen in Planungsbroschüren hilfreich sein. Derartige Lösungsvorschläge entsprechen aber nur selten exakt der beim Patienten tatsächlich vorliegenden Situation. Hier ist ein Planungsprogramm, wie es von W. Kohlbach [1] entwickelt wurde, sehr hilfreich. Der Patient, dem heute eine prothetische Versorgung vorgeschlagen wird, möchte seine Entscheidung verstehen. Das wird erleichtert, wenn ihm verschiedene Versorgungsvarianten vorgestellt 86 teamwork J Cont Dent Educ werden. Mit dem hier beschriebenen Planungsprogramm können auf der Basis des individuellen Befundes verschiedene Lösungsmöglichkeiten erarbeitet und als Realbilder so visualisiert werden, dass der Patient eine Vorstellung von seinem künftigen Zahnersatz oder von Alternativlösungen bekommt. Das Beratungsgespräch kann somit befund- und indikationsorientiert geführt werden und der Patient wird vertrauensbildend in die Entscheidung eingebunden. Der Stand der Technik lässt es zu, dass per Mausklick zwischen der 2DDarstellung (Abb. 1a) und der 3D-Darstellung (Abb. 1b) gewechselt werden kann. Videoclips zu verschiedenen Themen ergänzen das Programm (siehe Abb. 9 und 10). Wenn der Zahnbefund im Praxiscomputer abgespeichert war, kann er über eine Schnittstelle in das Planungsprogramm exportiert werden, so dass die separate Eingabe des Befundes entfällt. Auf der Basis des individuellen Befundes können der Continuing Dental Education Abb. 1a Hauptfenster des Programms mit 2D-Darstellung des nachfolgend geschilderten Befundes im Oberkiefer von frontal Abb. 2 Der Fallbeschreibung entnommener Zahnbefund: f = fehlender Zahn; w = Zahn erkrankt, aber erhaltungswürdig; k = Zahn überkront; L = Lockerungsgrad 0 bis III; V = Vitalität; WK = Wurzelfüllung L0 Abb. 1b Hauptfenster des Programms mit 3D-Darstellung des nachfolgend geschilderten Befundes in beiden Kiefern von frontal V+ LI WK V- f f f f f w k f k f f w f w f f 18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28 48 47 46 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38 f f f f w w w w w f f f f V+ VWK L0 VWK L0 L0 LI WK V- L0 V+ V+ V+ V+ V+ V+ LII L0 L0 L0 L0 Behandlungsplan und Behandlungsalternativen entwickelt werden. Die Planungsdaten können dann über eine Schnittstelle an die Abrechnungssoftware übermittelt werden. Der Zahnarzt kann dem Zahntechniker den Patientenstatus per E-mail oder über das Netzwerk zukommen lassen. Das Labor kann mehrere Versorgungsvarianten vorbereiten, die gemeinsam mit dem Patienten besprochen werden. Für seine Entscheidung können dem Patienten Ausdrucke der Versorgungsvarianten mitgegeben werden, die er in Ruhe studieren oder im Familen- beziehungsweise Freundeskreis vorstellen kann. In der Regel ist es möglich, dem Patienten für seine individuelle Situation, neben der Versorgung von Einzelzähnen mit verschiedenen Füllungs- oder Überkronungsarten, folgende Zahnersatzvarianten aufzuzeigen, natürlich unter der Einschränkung, dass die individuelle Situation unter fachlichem Aspekt eine solche Lösung zulässt [2]: q Zahn- oder implantatgestützte Kronen und Brücken mit Metall- oder Keramikgerüst, voll- oder teilverblendet, L0 V+ q partieller Zahnersatz, der über Gussklammern beziehungsweise Geschiebe, Riegel oder Doppelkronen an natürlichen Pfeilern oder an Implantaten verankert ist, q totaler Zahnersatz, der in Form von Deckprothesen auf natürlichen Zähnen oder Implantaten gelagert ist, aber auch Totalprothesen. Beispiel der Computersimulation einer konkreten Behandlung Um bei der Erklärung der Vielfalt des Systems so nahe wie möglich an der Realität zu bleiben, orientierten wir uns an der Fallbeschreibung und der befundorientierten Therapie von Frau Dr. Schnabl, die in diesem Heft veröffentlicht ist. Dadurch soll dem Leser nach der Lektüre beider Artikel der Vergleich von Realität und Simulation ermöglicht werden. Aus der Falldokumentation, in welcher Dr. Schnabl die von ihr durchgeführte Versorgungsform genau beschreibt und begründet, leiteten wir den nachfolgend dargestellten Befund ab, wie er vergleichsweise konventionell in einer Patientenakte zu finden sein könnte (Abb. 2). www.teamwork-media.de © 13. Jahrgang, 2/2010 teamwork 87 Continuing Dental Education Abb. 3a und 3b Befund im Oberkiefer (doppelseitig verkürzte und mehrfach unterbrochene Zahnreihe, alle Zähne sind überkronungsbedürftig) und im Unterkiefer (doppelseitig verkürzte Zahnreihe, die Zähne 34, 33, 42, 43, 44 sind überkronungsbedürftig). 3D-Darstellung siehe Abbildung 1b – 18 E 17 E 16 E 15 E 14 TK 13 TK 12 E 11 TK 21 E 22 E 23 TK 24 E 25 TK 26 E 27 – 28 48 – 47 E 46 E 45 E 44 KV H 43 KV 42 KV 41 31 32 33 KV 34 KV H 35 E 36 E 37 E 38 – Ein derartiger Befund in Form eines Zahnschemas erschließt sich ohne Zweifel dem Fachmann. Er ist zwar individuell, aber für den Patienten ist er unverständlich und somit für ein Beratungsgespräch unbrauchbar. Wird aber der individuelle Zahnbestand realistischer dargestellt (Abb. 3a und b), versteht dies der Patient besser als ein mit Zeichen ausgefülltes Formblatt. Im vorliegenden Fall haben wir der oben angeführten Fallbeschreibung auch den Behandlungsplan entnommen (Abb. 4). Legt man dem Patienten einen Heil- und Kostenplan mit einem derartigen Zahnschema zur Unterschrift vor, wird er mit einem Formblatt konfrontiert, das für ihn nicht oder nur schwer verständlich ist. Er hat keine Möglichkeit, den Behandlungsplan anhand verständlicher Darstellungen zu rekapitulieren. Mit der geschilderten Software kann aber ein Behandlungsplan sehr gut in verständliche Bilder umgesetzt werden, so dass der Patient besser nachvollziehen kann, welche Zähne überkront werden müssen, wie der Zahnersatz verankert wird und wie er aussehen wird. Die Abbildungen 5a bis 5c und 6a bis 6c zeigen die Computersimulation der von Dr. Schnabl durchgeführten Behandlung. Natürlich sind die meisten Patienten an der ästhetischen Wirkung des geplanten Zahnersatzes interessiert. Auch dieser Aspekt kann dem Patienten 88 teamwork J Cont Dent Educ auf seine spezielle Situation bezogen vermittelt werden (Abb. 7). Die Bilder stellen die Sachverhalte eindeutig dar, zeigen aber nicht direkt die Situation im Mund, die manche Patienten als zu realistisch empfinden. Vergleicht man die Computersimulation mit der tatsächlich angefertigten Versorgung erkennt man unschwer, dass die Simulation dem Patienten eine realistische Vorstellung von seinem künftigen Zahnersatz geben kann. Natürlich erlaubt das vorgestellte Programm ebenso die Darstellung von Behandlungsalternativen. Die Bandbreite reicht im vorliegenden Fall von der klammerverankerten Modellgussprothese bis zum festsitzenden Zahnersatz, der von Zähnen und zusätzlichen Implantaten getragen wird. Exemplarisch haben wir daher diese beiden Versorgungsformen darstellt. Behandlungsalternative 1: Klammerverankerte Modellgussprothesen Diese Behandlungsoption zeigen die Abbildungen 8a bis 8c. Sie verdeutlichen, dass im Oberkiefer eine klammerverankerte Modellgussprothese ästhetisch ungünstig wäre. Zusätzlich wäre sie bei dem vorhandenen Zahnbestand auch dem realen, über Doppelkronen verankerten Zahnersatz, funk- Abb. 4 Der Fallbeschreibung entnommener Behandlungsplan: E = zu ersetzender Zahn; K = zu überkronender Zahn; (TK = Doppelkrone; KV = Keramikverblendkrone); H = Verankerungselement (Geschiebe) Continuing Dental Education Abb. 5a bis 5c Die im Beitrag Schnabl durchgeführte Behandlung im Oberkiefer: Alle Zähne präpariert, mit Primärkronen versehen sowie Aufsicht auf die teleskopierende Deckprothese Abb. 6a bis 6c Die im Beitrag Schnabl durchgeführte Behandlung im Unterkiefer: Zähne 34, 33, 42, 43 und 44 präpariert, überkront mit Stabgeschiebe distal an 34/44 sowie Aufsicht auf die geschiebeverankerte, doppelseitige Freiendprothese Abb. 7 Frontalansicht der simulierten prothetischen Versorgung bei leichter Mundöffnung, um auch den Effekt der verblendeten Kronen im Unterkiefer zu demonstrieren Abb. 8a bis 8c Lösung des Falles mittels klammerverankerter Modellgussprothesen www.teamwork-media.de © 13. Jahrgang, 2/2010 Continuing Dental Education Abb. 9a Hauptfenster mit 3D-Darstellung des Oberkiefers. Eingeblendet ist ein Einzelbild aus einer 3D-Animation zur Erklärung der Ausdehnung der Kieferhöhle bei der präimplantologischen Beratung Abb. 9b Einzelbild aus einer 3D-Animation zur Erklärung des Verlaufs des N. alveolaris inferior, im Hinblick auf eine geplante Implantation Abb. 10a bis 10c Mögliches Vorgehen beim sog. Sinuslift mit Insertion eines Implantats (Bilder aus einer 3D-Animation des benutzten Planungsprogramms) tionell und hinsichtlich der Ausbaufähigkeit unterlegen. Im Unterkiefer könnte eine klammerverankerte Modellgussprothese die Funktion der tatsächlich gefertigten Versorgung erfüllen, aber auch sie hätte deutliche ästhetische Nachteile. Der Patient würde dies anhand der Bilder unschwer erkennen. Zudem legt die im Unterkiefer ohnehin erforderliche Überkronung der „Klammerzähne“ die Verankerung der Teilprothese über zwei Geschiebe nahe, was der tatsächlichen Behandlung entspricht. Behandlungsalternative 2: festsitzender Zahnersatz nach Pfeilervermehrung durch Implantate Im vorliegenden Fall kam, wie in der Fallbeschreibung dargelegt, eine Pfeilervermehrung durch Implantate nicht infrage. Die damit erreichbare festsitzende Rehabilitation soll aber dennoch 90 teamwork J Cont Dent Educ demonstriert werden, um die Möglichkeiten des Programms aufzuzeigen. Mit diesem kann man dem Patienten zum Beispiel die anatomischen Voraussetzungen für eine Implantation (Abb. 9a und 9b) und das Vorgehen bei einer möglicherweise erforderlichen operativen Anhebung des Kieferhöhlenbodens (Abb. 10a bis 10c) erklären. Bei der gegebenen Topografie der Zähne könnten Implantate im Oberkiefer und im Unterkiefer festsitzenden Zahnersatz unter der Voraussetzung ermöglichen, dass die allgemeinmedizinischen und finanziellen Faktoren gegeben sind. Zusätzlich müssten die anatomischen Anforderungen vorhanden sein oder gegebenenfalls durch augmentative Verfahren geschaffen werden können. Weiterhin sollten die noch vorhandenen Zähne eine gute Langzeitprognose aufweisen. Diese Behandlungsvariante wird in den Abbildungen 11 und 12 dargestellt. Die Zahl und die Position der Implantate sind Continuing Dental Education Abb. 11a bis 11c Simulierte Pfeilervermehrung durch Implantate und festsitzende Versorgung im Oberkiefer Abb. 12a bis 12c Simulierte Pfeilervermehrung durch Implantate und festsitzende Versorgung im Unterkiefer www.teamwork-media.de © 13. Jahrgang, 2/2010 teamwork 91 Continuing Dental Education Abb. 13 Die Frontalansicht demonstriert das mögliche ästhetische Ergebnis der prothetischen Behandlung nach Pfeilervermehrung mit Implantaten exemplarisch. Auch hier erlaubt eine Frontalansicht die Simulation des möglichen ästhetischen Ergebnisses (Abb. 13). Im geeigneten Fall wäre es leicht möglich, dem Patienten anhand derartiger Bilder die Vorteile dieser, auf seinen individuellen Zahnbefund bezogenen Therapie darzulegen. Fazit Das geschilderte Programm erlaubt die Simulation eines jeden Zahnbestandes und der entsprechenden Versorgungsformen. Das Programm ist einfach zu bedienen und kann nach Vorgabe des Zahnarztes vom zahnärztlichen Praxispersonal sowie vom Zahntechniker benutzt werden. Es stellt ein wichtiges Hilfsmittel zur Kommunikation zwischen Zahnarzt, Zahntechniker und Patient dar und kann das Beratungsprofil einer Praxis beziehungsweise eines Labors und damit deren Dienstleistungsangebot deutlich verbessern. Eine intelligente und professionelle Beratung spart außerdem Zeit und führt zu einer koordinierten Planung des Behandlungsablaufs und in vielen Fällen zur Wahl der höherwertigen prothetischen Lösung. Das praxisübergreifende Konzept bietet auch dem zahntechnischen Labor Möglichkeiten, stärker in das Praxismanagement eingebunden zu werden und sich dadurch der Zahnarztpraxis als Systempartner zu empfehlen. Es ermöglicht Praxis und Labor zu einer kompetenten Informationszentrale zu verbinden, was neben hoher Qualifikation und umfangreichem Leistungsspektrum entscheidend zum Erfolg beitragen kann. Weitere, darüber hinaus gehende Einsatzmöglichkeiten des Programms sind in der innerbetrieblichen Ausbildung, der Weiterbildung sowie im Unterricht an Meisterschulen oder Universitäten zu sehen. Diesen Beitrag widmen wir dem Andenken von Ztm. Hans H. Caesar, einer herausragenden Persönlichkeit in der Zahntechnik, der beide Autoren viel verdanken. q Sämtliche 2D-Abbildungen wurden für diese Dokumentation von W. Kohlbach nachbearbeitet. Korrespondenzadresse Über die Autoren Ztm. Wolfgang Kohlbach Kohlbach Dental Frankfurter Straße 15 61476 Kronberg [email protected] www.kohlbach-dental Wolfgang Kohlbach absolvierte seine Lehre als Zahntechniker im Dentallabor Netzel und Steltzner in Frankfurt a. M. Im Jahre 1994 legte er die Meisterprüfung ab und im Jahr 2000 eröffnete er sein Dentallabor in Kronberg i. T. Sein beruflicher Werdegang wurde entscheidend von ZTM Hans H. Caesar und Dr. Jürgen Schmidt geprägt, in deren Laboren er tätig war. Neben Referenten- und Schulungstätigkeiten ist er Autor von zwei Lehrbüchern über die Anatomie der Zähne und des kraniofazialen Systems und Autor des multimedialen Patientenberatungsprogramms Dental Explorer. Wolfgang Kohlbach ist Mitglied des Beirates des „Kuratorium perfekter Zahnersatz“. Literatur Prof. Dr. K. M. Lehmann war nach dem Studium der Zahnheilkunde in Tübingen (1959 bis 1964) sowie Assistenten- und Oberarzttätigkeit an der prothetischen Abteilung der Tübinger Zahnklinik von 1974 bis 2004 Direktor der Abteilung für Zahnärztliche Propädeutik und Kiefer- Gesichtsprothetik an der Universität Marburg. Eines seiner Arbeits- und Forschungsgebiete war und ist die prothetische Versorgung des Lückengebisses und die Planung von Zahnersatz. Von 1989 bis 2008 war er wissenschaftlicher Leiter des „Kuratorium perfekter Zahnersatz“. [1] Kohlbach, W.: Eine Innovation in der Patientenberatung. Quintess Zahntech 35 (6), 746-755 (2009) [2] Lehmann, K. M.: Systematik einer befundbezogenen Gesamtbehandlung aus prothetischer Sicht. Interdiszipl J Proth Zahnheilkd (Teamwork) 2, 60-61 (1999) Bei Frau Dr. Schnabl bedanken wir uns für die freundliche Kooperation. 92 teamwork J Cont Dent Educ