Nur wer sich ändert, bleibt sich treu - Gemeinden auf dem Weg einer zukunftsfähigen Entwicklung 1. Eine Kirchengemeinde vor Ort ist ein Sozialsystem im Wandel und wird anfangs des 21. Jahrhunderts mit tiefgreifenden Veränderungen konfrontiert: in den Großkirchen mit einer Mitglieder-, Mitarbeitenden-, Finanz-, Orientierungskrise, in der Gesellschaft mit wachsender Individualität, Pluralität, Mobilität und Wertewandel, Traditionsabbrüche, Globalisierung im ökologischen Bereich mit einem Klimawandel und langfristig unübersehbaren Auswirkungen. 2. Veränderungen gab es zu allen Zeiten. Doch das Tempo hat sich beschleunigt. Der Prozess der Säkularisierung in den westlichen Gesellschaften geht Hand in Hand mit Pluralisierungs-bestrebungen im Bereich der Religion. Gesellschaftlicher Wertewandel und ein selektiver Umgang mit der Tradition fordert kirchliches Handeln insgesamt und vor Ort heraus. 3. Es kristallisieren sich unterschiedliche Möglichkeiten heraus, der veränderten Situation zu begegnen: Klage über die Lage und das Warten auf bessere Zeiten Weiterarbeit mit noch mehr Engagement bis zum "Burn out" Die Kraft aufzubringen, einen Schritt zurückzutreten, um den Wandel zu verstehen und daraus Konsequenzen zu ziehen für eine konzeptionelle Gemeindeentwicklung 4. Gemeindeentwicklung geschieht an der Basis. Strukturen im Kirchenbezirk und in der Landeskirche haben Rahmenbedingungen zu schaffen, die Reformen fördern. Die jeweilige Zukunft einer Gemeinde ereignet sich vor Ort. Kein Patentrezept oder fertiges Modell wird vermittelt, sondern konzeptionelle Impulse durch begleitende Beratungsgespräche initiieren und unterstützen den Veränderungsprozess. Das paulinische Bild der Gemeinde als vielfältig begabter Leib Christi wird neu entdeckt. Beispielsweise die Entwicklung eines Leitbildes bzw. die Vorbereitung einer Fragebogenaktion 5. Ausgangspunkt ist die jeweilige konkrete Gemeinde mit ihrer jeweiligen Geschichte. Gemeindeentwicklung fängt nicht beim Punkt Null an. Der erste Schritt ist eine Bestandaufnahme im zweifachen Sinn: im Blick auf die Stärken und Schwächen und im Blick auf die Ressourcen. Gesprächsimpulse beispielsweise unter MitarbeiterInnen: Wo sehe ich die Stärken in unserer Kirchengemeinde? / Wo sehe ich die Schwächen? Zur Vertiefung: Ich möchte eine Gemeinde, von der man/frau sagen kann, dass .... Ich möchte eine Gemeinde, von der mein/e Nachbar/Nachbarin sagen kann,dass ... Ich möchte eine Gemeinde, von der Jesus sagen kann, dass ... 6. Die Bestandsaufnahme umfasst verschiede Ebenen: leitende Ziele und biblische Leitbilder: z.B. Herde/Hirte (1.Petr. 2f), Leib Christi (1.Kor.12,10), Ackerfeld Gottes (1.Kor.3,9), Netz (Mk.1,16ff), Brief Christi (2.Kor.3,3), Menschen des neuen Weges (Apg. 9,2) Strukturen und Arbeitsbedingungen Beziehungen und Kommunikation 7. Es wird geklärt, welche Strategie der Arbeit zugrunde liegen soll. Wichtig ist eine Balance zwischen der Arbeit an Zieldiskussionen, Arbeit an Strukturen und Beziehungspflege. Sonst kann es vorkommen, dass Ziele ins Auge gefasst werden, aber die Kommunikation unter den MitarbeiterInnen nicht funktioniert bzw. Strukturen werden so gestaltet, dass gemeinsames Arbeiten erschwert wird. Die Ideen und Vorschläge sollen in einem Ergebnisprotokoll festgehalten werden. 8. Um zu klären, wohin sich eine Gemeinde entwickeln soll, spielen Visionen eine entscheidende Rolle. Sie setzen Kräfte frei, sich für Veränderungen einzusetzen. Antoine de Saint-Exupery erinnert daran: "Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Leute zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen; sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer." (EG S. 756) Welch ein Traum von Kirche träume ich/ träumen wir? 9. "Visionen brauchen Fahrpläne." (Ernst Bloch) Sonst verpuffen sie. Um Visionen realisieren zu können, sind Zielvereinbarungen notwendig, die realistisch und messbar sind. Welche Ziele resultieren aus meinem Traum von Kirche? 10. Wenn es nicht möglich ist, alle genannten Ziele zu verfolgen, gilt es die Themen zu gewichten. Die Beteiligen haben drei Punkte und bringen ihre Entscheidung zum Ausdruck, was zuerst gemacht werden soll. Was hat Priorität? Wie können wir unser Thema konkretisieren? Was spricht dafür, es zu bearbeiten? Mit welchen Widerständen müssen wir rechnen? Welche Lösungsvorschläge fallen uns ein? 11. Es werden Maßnahmen vereinbart, um die jeweiligen Ziele umzusetzen. Was kann getan werden, um das jeweilige Ziel zu realisieren? Wenn beispielsweise das Ziel ist, Miteinander der Generationen zu fördern, wäre eine mögliche Maßnahme Gottesdienst für Jung und Alt zu feiern, wobei Kinder der Jungscharen, der Kinderkirche, Jugendliche und junge Erwachsene den Gottesdienst mitgestalten. Nach dem Gottesdienst wird zu einem geselligen Beisammensein eingeladen. Bei der Einladung von Geschwistern, Eltern und Großeltern wird das verfolgte Ziel ausdrücklich benannt. 12. Konkrete Vereinbarungen über den Zeitablauf der Aktion und die Verantwortlichen strukturieren die Maßnahme. Was muss getan werden? Wer muss mit wem etwas tun? Was wird dazu gebraucht? Bis wann kann das getan werden? 13. Rückmeldung: Es wird im Kreis der jeweils Beteiligten besprochen, was gelungen ist und was weniger. Ein gemeinsamer Imbiss zum Schluss einer Aktion ist ein kleines Zeichen des Dankes für das geleistete Engagement. Im Rückblick auf die Aktion freut mich am meisten ... Im Rückblick auf die Aktion tat ich mich schwer mit ... 14. Projektbuch: Es werden die Aktionen dokumentiert und der Öffentlichkeit präsentiert. Die konkreten Aufbrüche beschreiben die einzelnen Schritte auf dem Weg zu einer "Kirche mit Zukunft", die sich auf die Fahnen geschrieben hat: mehr Wertschätzung der Mitglieder und Förderung von Menschen, die sich in der Kirche engagieren. Motivierende Anstöße auf dem Veränderungsprozess gibt mir das Lied von Klaus Peter Hertzsch: "Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist, weil Leben heißt sich regen, weil Leben wandern heißt. Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand, sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land." ( EG: 395) Pfarrer Volker Weiß und Pfarrerin Margret Ehni / Ortsstr. 2 75365 Calw-Holzbronn Tel. 07053/ 7521