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Medienservice Travail.Suisse – Ausgabe vom 22. März 2016
Nein zu einer Initiative «Pro Service Public!»
Die sogenannte «Pro Service Public»-Initiative bewirkt genau das Gegenteil von dem, was sie
verspricht: Sie ist irreführend und verdient daher ein klares Nein, denn die Initiative verbessert
oder vergünstigt den Service Public nicht. Ganz im Gegenteil: Bei einer Annahme der Initiative
würde die Qualität des Service Public leiden und der soziale Zusammenhalt bedroht.
Denis Torche, Leiter Umwelt-, Steuer- und Aussenpolitik Travail.Suisse
Die Initiative wurde vom Nationalrat mit 196:0 und vom Ständerat mit 43:0 Stimmen abgelehnt. Ein
solches Ergebnis lässt vermuten, dass sie auch vor dem Volk chancenlos sein wird und es sich nicht
lohnt, viel in eine Kampagne zu investieren. Doch aufgepasst! Aus mehreren Gründen ist die Initiative
nicht zu unterschätzen:

Sie ist positiv formuliert: Die Initiative lautet «Pro Service Public». Und wer ist schon gegen
einen guten Service Public? Wohl kaum jemand. Die Abstimmenden müssen deshalb Nein
sagen zu einem scheinbar positiven Vorschlag für den Service Public. Darin besteht die erste
Gefahr.

Aufgebauschte Einzelfälle: Das Initiativkomitee, dem die grössten Konsumentenzeitschriften
unter der Federführung des K-Tipp angehören, schafft es meisterhaft, punktuelle Schwächen
bei Post, SBB oder Swisscom auszuschlachten und damit scheinbar zu belegen, dass die
Kundinnen und Kunden generell unzufrieden sind. Stichworte sind die Schliessung gewisser
Poststellen, überfüllte Züge, weniger Schalter an den Bahnhöfen oder nicht schnell genug
sinkende Mobiltelefon- und Internettarife.

Eine simple Lösung? Auf den ersten, unkritischen Blick mag die Lösung des Initiativkomitees
attraktiv erscheinen. Denn sie sieht vor, dass die Gewinne von Post oder Swisscom nicht in die
bereits «prall gefüllten» Taschen von Aktionären oder in die Bundeskasse fliessen, sondern für
Preissenkungen verwendet werden.

Absichtlich vage und reisserisch: Der Initiativtext verwendet schwammige, irreführende
Formulierungen und appelliert ans Bauchgefühl der Bevölkerung. So steht im Initiativtext
nirgends, dass die Saläre des Managements in den vom Bund kontrollierten Unternehmen
gesenkt werden, damit diese nicht mehr als ein Bundesratsmitglied verdienen. Vielmehr steht,
dass die Löhne der Mitarbeitenden in diesen Unternehmen nicht höher sein dürfen als in der
Bundesverwaltung. Dies stösst bei der Bevölkerung auf deutlich weniger Anklang, denn für
Empörung sorgen jeweils die absurd hohen Saläre der Manager von Konzernen, die an der
Schweizer Börse kotiert sind!
Die Initiative ist somit nur ein Köder und hält in keiner Weise, was sie verspricht, nämlich einen
qualitativ besseren Service Public bei geringeren Kosten für die Nutzer. Halb so schlimm, könnte man
sagen, wenn sie nicht allzu viel Schaden anrichtet. Doch dies ist nicht der Fall: Eine Annahme hätte
einerseits eine Qualitätseinbusse bei der Grundversorgung zur Folge. Andererseits würde sie das
eigentliche Fundament des Service Public infrage stellen, das darin besteht, in allen Regionen des
Landes eine qualitativ gleichwertige Grundversorgung zu denselben Preisen anzubieten. Hier stehen
Solidarität und der nationale Zusammenhalt auf dem Spiel.
Die drei irreführenden und gefährlichen Grundsätze der Initiative
Die Strategie beruht auf drei Grundsätzen: Erstens wäre es verboten, mit der Grundversorgung
Gewinn zu erwirtschaften. Konkret bedeutet dies für den Bund und die von ihm kontrollierten
Unternehmen, dass sie mit der Grundversorgung nur noch Gewinn zur Bildung von Rückstellungen
oder zur Tilgung von Verlusten erzielen dürfen. Zweitens ist eine Quersubventionierung verboten.
Somit dürften mit den Leistungen in profitablen Sektoren künftig nicht mehr defizitäre Sektoren der
Grundversorgung subventioniert werden. Schliesslich darf der Bund mit den öffentlichen
Unternehmen, die er direkt oder indirekt kontrolliert, keine fiskalischen Interessen mehr verfolgen. Mit
anderen Worten: Staatliche Unternehmen würden künftig nicht mehr einen Teil ihres Gewinns an die
Bundeskasse überweisen oder Dividenden ausschütten. Werden diese drei Grundsätze dazu
beitragen, die Qualität des Service Public zu verbessern und die Preise zu senken? Ganz im
Gegenteil. Doch der Reihe nach:
Durch die stark beschnittenen Möglichkeiten zur Gewinnerwirtschaftung werden die vom Bund
kontrollierten Unternehmen deutlich weniger in Infrastruktur und Ausrüstung investieren können. Die
Folge: Die Post und die Swisscom, die sich auf offenen Märkten gegen Konkurrenten behaupten
müssen, werden weniger wettbewerbsfähig und innovativ sein. Sie werden auch Mühe haben, mit der
technologischen Entwicklung und neuen Bedürfnissen der Kundschaft Schritt zu halten. Deshalb wird
die Qualität der Leistungen abnehmen, und die Bedürfnisse in der Grundversorgung werden
schwieriger zu erfüllen sein.
Das Verbot der Quersubventionierung wird der Grundversorgung ihr eigentliches Fundament
entziehen. Ein Beispiel: Wenn die Gewinne der SBB aus den grossen Bahnlinien nicht dazu beitragen
dürfen, die Defizite auf Regionalstrecken auszugleichen, bedeutet dies einen Qualitätsverlust für den
Service Public in Randregionen in Form von weniger Zügen, schlechteren Verbindungen usw. Das
wäre das Ende des Solidaritätsgedankens, der im Zentrum der Grundversorgung steht, nämlich mit
rentablen Leistungen und Regionen unrentable Sektoren und Regionen zu finanzieren.
Durch das Verbot, fiskalische Interessen zu verfolgen, entstehen dem Bund Einnahmenausfälle. 2015
brachte dem Bund seine Beteiligung am Gewinn von Swisscom rund 580 Millionen Franken ein. Die
Post überwies rund 200 Millionen Franken an die Bundeskasse. Das Verbot fiskalischer Ziele hätte
Steuereinbussen von rund 940 Millionen Franken für den Bund und von 280 Millionen Franken für die
Kantone zur Folge. Die Folge wären Steuererhöhungen oder Einsparungen bei anderen Leistungen
der Grundversorgung.
Grundversorgung weiter verbessern? Auf politischem, rechtlichem oder
sozialpartnerschaftlichem Weg!
Fazit: Eine genauere Analyse der Grundsätze der «Pro Service Public»-Initiative zeigt, dass diese klar
zum Nachteil des Service Public ist. Sie trägt keinesfalls dazu bei, den Service Public qualitativ zu
verbessern oder zu vergünstigen. Nicht nur das: Mit einer Annahme würden der Umfang und die
Qualität der Leistungen der Grundversorgung sinken. Abschliessend ist auch zu betonen, dass
abgesehen von Einzelfällen und punktuellen Problemen die allgemeine Qualität der Grundversorgung
in der Schweiz anerkanntermassen gut ist. Unser Land hat gemessen an der Bevölkerungszahl und
der Fläche noch immer das dichteste Postnetz der Welt, und die Preise für den Postversand sind im
internationalen Vergleich nach wie vor tief. Die SBB werden regelmässig für ihre Bahninfrastruktur
gelobt und liegen im internationalen Vergleich an der Spitze. Swisscom hält mit einer Mindestleistung
von 2 Mbit/s beim Internet in der Grundversorgung einen europäischen Rekord.
Selbstverständlich sind gewisse Optimierungen immer möglich und nötig. Diese sind jedoch auf
gesetzgeberischem, politischem oder sozialpartnerschaftlichem Weg umzusetzen, keinesfalls aber mit
dieser Initiative.
Travail.Suisse, Hopfenweg 21, 3001 Bern, Tel. 031 370 21 11, [email protected],
www.travailsuisse.ch
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