Familie und finanzielle Situation Bezugnehmend auf junge Flüchtlinge, die mit ihrer Familie nach Deutschland kommen, ist zu unterstreichen, dass diese wiederrum nicht dem Kinder und – Jugendhilfegesetz unterstellt sind (anders als Jugendliche, die auf sich alleine gestellt sind). Familien haben daher nur einen beschränkten Zugang zu einer Grundversorgung. Diese Einschränkungen spiegeln sich im Zugang zu medizinischer Versorgung, dem Zugang zu Wohnraum, dem Zugang zur Bildung und dem Recht auf Freizügigkeit wider (wie wir auf den folgenden Folien darstellen werden). Besonders prekär ist der Satz der Grundsicherung für diese Familien zu bewerten. Asylbewerber sind nämlich wesentlich schlechter gestellt als deutsche Grundsicherungsempfänger und erhalten lediglich zwischen 158€ und 184€; deutsche Empfänger erhalten in etwa doppelt so viel. Dass dieser Satz aktuelle Bedürfnisse nicht mehr erfüllen kann zeigt sich schon allein darin, dass der Satz seit 1993 nicht mehr verändert wurde. Die Folgen für die Jugendlichen sind drastisch: Wünsche nach Unternehmungen, Freizeitaktivitäten oder Hobbies, Anschaffungen (wie z.B. Kleidung) und jugendtypische Bedürfnisse können nahezu nicht erfüllt werden. Häufig erhalten die Familien oder alleinstehenden jugendlichen Flüchtlinge über 18 Jahren diese Grundsicherung auch nur in Form von Gutscheinen oder Sachleistungen. Zur Grundsicherung: Diese Form der Diskriminierung von Familien, die die jungen Familienmitglieder massiv benachteiligt, erscheint paradox und veraltet. Die Anwesenheit der Familie ist es schließlich, die sicherstellt, dass die jungen Menschen in einer solch schwierigen Situation nicht völlig auf sich alleine gestellt sind. Bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen haben Personen, die seit mehr als vier Jahren in Deutschland leben einen Anspruch auf den vollen Grundsicherungssatz. Zu Sachleistungen und Gutscheinen: Diese Form der Vergütung war ursprünglich als Abschreckungsmaßnahme gedacht. Dies war zu Zeiten in denen die Zahl der Asylbewerber schnell anstieg. „Heute erreichen immer weniger Flüchtlinge die deutschen Grenzen, die Regelung der Sachleistungen ist aber nach wie vor geblieben.“ (Weiss, 62) Wohnsituation Die Wohnsituation ist vor allem für Familien, aber auch für unbegleitete Jugendliche besonders belastend. Die Mehrheit dieser Menschen wird in Gemeinschaftsunterkünften mit überwiegend niedrigen Mindeststandards untergebracht. Familien werden dabei oft in Ein- bis Zwei-ZimmerWohnungen untergebracht, sodass Familienmitglieder unabhängig vom Geschlecht in einem Raum nächtigen müssen. Bad und Küche müssen Familien sich teilen und insgesamt finden sich in diesen Unterbringungen Menschen mit sehr heterogenen (kulturellen und religiösen) Backgrounds. Viele Gemeinschaftsunterbringen sind außerdem weit von anderen Ortschaften gelegen und weitestgehend isoliert. Dies erschwert neben dem Grundsicherungssatz den Zugang zu Sportund Bildungseinrichtungen abermals. Einschränkend wirkt darüber hinaus die sogenannte Residenzpflicht; Flüchtlinge dürfen den Landkreis oder die Gemeinde in der die Unterbringungen liegt nur mit Genehmigung verlassen. Die Bedingungen der Unterbringung und die soziale Isolierung schränken das Leben des Jugendlichen folglich stark ein und können mitunter psychische Störungen verursachen. Zusammenfassend kann die Wohnsituation und soziale Isolierung zu psychischen Störungen und Traumatisierungen führen und wirkt einer erfolgreichen, wohl durchdachten Integration entgegen. Medizinische Versorgung Verwiesen sei hier auf den Artikel 24 der UN-Kinderrechtskonvention, der besagt, dass Kinder ein Recht auf ein Höchstmaß an Gesundheit haben. Eben dieser Anspruch wird in Deutschland aber nicht erfüllt. Jungen Flüchtlingen ohne Bleiberecht wird medizinische Versorgung nur in Notfällen gewährt. Somit sind Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge und die Behandlungen von Dauererkrankungen nicht inbegriffen. Besonders Flüchtlinge, die häufig unter Traumatisierungen und psychischen Krankheiten aufgrund ihrer Fluchterfahrungen oder Erfahrungen in ihrem Heimatland leiden, hätten aber großen Bedarf nach einer gründlichen und wohl durchdachten medizinischen und psychologischen Versorgung. Das Hessische Sozialministerium stellte 2008 fest, dass „vermehrt hochproblematisches, auch schwerstkrankes Klintel“ (Hessisches Sozialministerium 2008) Deutschland als Fluchtziel hat. Diese Erkenntnis steht im Gegensatz zu den ergriffen Maßnahmen. Nur wenige Bundesländer verfügen über psychologische Behandlungszentren, welche jedoch überfüllt sind. Häufig werden traumatische Störungen aber auch gar nicht erst erkannt. Hinzu kommt „Resettlementstress“. Junge Flüchtlinge haben auch im scheinbar sichereren Gastland Ängste und Bedrohungsgefühle. Hierzu zählen beispielsweise die ungewohnte kulturelle Umgebung, die unsichere Zukunftsaussicht, behördlicher Druck und Identitätsverlust. Die Altfallregelung „Mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz 2007, das EU-Vorgaben in Landesrecht umsetzte, wurde eine sogenannte „Altfallregelung“ eingeführt“ (Weiss, 65) Dieses besagt, dass Personen, die schon mehrere Jahre in Deutschland leben und geduldet sind (bei Einzelpersonen acht Jahre, bei Familien sechs Jahre), können bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (keine Straftaten, Sprachkenntnisse, Selbstversorgung) ein permamentes Bleiberecht erhalten. Davon profitieren alle und vor allem die jugendlichen Flüchtlinge! Insgesamt ist die Regelung begrüßenswert. Hierbei gibt es jedoch zwei Einschränkungen, die stark zu kritisieren sind. Namentlich Paragraf 104a und 104b im Aufenthaltsgesetz. Paragraf 104a besagt, dass das Bleiberecht einer Familie bereits dann verfällt, wenn ein Familienmitglied eine Voraussetzung nicht erfüllt. Hier wird den jugendlichen eine Mündigkeit zugesprochen, die diese nicht erfüllen. Es existiert eine „unzumutbare Verantwortung von Jugendlichen für die gesamte Familie“ (Weiss, 65). Auch diskriminiert diese Regelung Jugendliche, die selber alle Voraussetzungen erfülllen können, aufgrund des Verhaltens ihrer Geschwister womöglich kein Bleiberecht erhalten. Paragraf 104b legt fest, dass Jugendliche ein Bleiberecht erhalten, wenn sich ihre Eltern, die nicht die Bedingungen erfüllen, sich entscheiden das Land freiwillig zu verlassen. Kinder werden hier vor die Wahl gestellt, ob sie ihre Eltern verlassen wollen oder ihren Eltern zurück ins Herkunftsland begleiten. Eine solch fundamentale Entscheidung ist Kindern, die sich selbst noch in der Entwicklung befinden nicht zuzumuten. Weiss weist darauf hin „welche Haltung gegenüber einem Staat, der diese Entscheidung von Kindern verlangt, [...] man von einem davon betroffenen Jugendlichen erwarten“ kann (Weiss, 66). Zugang zu Bildung Abschließend möchte ich den Aspekt des Bildungszugangs diskutieren. Auch hier wird Deutschland dem Anspruch der Kinderrechtskonvention (Recht auf Bildung und Chancengleichheit) nicht gerecht. Positiv ist lediglich zu erwähnen, dass mittlerweile alle Bundesländer ein Recht auf Beschulung für alle Kinder und Jugendlichen eingeführt haben. Es gibt nur wenige Förderangebote (auch der sprachlichen Bildung in Bezug auf das Herkunftsland), der Besuch einer Regelschule ist nicht selbstverständlich und oft müssen weite Entfernungen für den Schulbesuch zurückgelegt werden. Die Residenzpflicht, die eingeschränkten finanziellen und materiellen Mittel und das Leben in Gemeinschaftsunterkünften erschweren das Aufarbeiten von schulischen und sprachlichen Lücken ohnehin. Die Mehrheit der jugendlichen Flüchtlinge erwirbt daher keinen qualifizierenden Abschluss. Auch nach der Schule ist es für junge Flüchtlinge aufgrund der ungewissen Zukunftsperspektive schwierig einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden. Auch der Zugang zur Berufswelt ist stark beschränkt. Erst nach mindestens vierjährigem Aufenthalt erhalten jugendliche Flüchtlinge die Möglichkeit eine Arbeit anzutreten oder eine Ausbildung zu beginnen. Darüber hinaus erschwert die unsichere Zukunftsperspektive ohnehin die Chance eine Arbeitsstelle zu erhalten. Hier Bedarf es Anreize, die das Engagement von Arbeitgebern, die bereits sind das Risiko einzugehen, belohnen. Nicht zu übersehen ist bei dieser Diskussion auch der Aspekt der Sprache. Sprachliche Barrieren wirken ebenfalls erschwerend. Welches Potential junge Flüchtlinge aber gerade hier mitbringen, wird Gegenstand eines späteren Kapitels dieser Präsentation sein. Im Plenum zu diskutieren: In welchem der fünf vorgestellten Lebensbereiche sehen Sie den größten (politischen) Handlungsbedarf?