Prüfung in Textverarbeitung der IHK Nürnberg 2009 Prüfungsteil: Autorenkorrektur Fehlerpunkte: Note: Kenn-Nr. Unterschriften: Biotherapie Heilen mit Maden und Egeln Maden reinigen Wunden, Egel saugen zu Therapiezwecken Blut, Knabberfische lindern Schuppenflechte. Therapeuten aus dem Tierreich sind hilfreich – aber mitunter gewöhnungsbedürftig. Von FOCUS-Online-Redakteurin Helwi Braunmiller Manchmal stehen die Errungenschaften der Medizin der Therapie im Weg. Penicillin und Antibiotika haben unzähligen Menschen das Leben gerettet. Anderen jedoch machen die Folgen ihres Einsatzes das Leben schwer: Patienten beispielsweise, die sich mit antibiotikaresistenten Erregern infiziert haben. Oder Kranken, bei denen keine der gängigen Therapien mehr hilft und deren Ärzte mit dem Rücken zur Wand stehen. Einige Mediziner denken deswegen inzwischen um und besinnen sich auf Heilmethoden unserer Vorfahren. Schon in der Antike baten Heiler ihre Patienten zum Aderlass – und zogen nicht selten auch medizinischen Beistand in Form von Blutegeln dafür hinzu. Die Maya und die Aborigines schworen bereits auf die Wundheilungskünste von Maden. Und in den warmen Thermen des zentralanatolischen Kangal-Gebietes knabberten schon vor Hunderten von Jahren Legenden zufolge Fische erkrankte Haut gesund. Aus dem Labor zum Patienten Heute sammeln weder Krankenschwestern Blutegel aus Bächen noch fischen Ärzte Fliegenmaden aus der Biotonne. „Dr. Made“ und „Dr. Blutegel“ werden auf Bestellung aus keimfreier Aufzucht in speziellen Labors direkt in die Klinik oder Praxis geliefert. Ihre therapeutischen Möglichkeiten bestehen aus einem ganzen Arsenal von Maßnahmen. Sie reinigen und desinfizieren Wunden, lindern Schmerzen, befreien von chronischen Leiden oder rücken das Immunsystem wieder zurecht. Und dennoch kommen sie nach wie vor in vielen Fällen gar nicht oder erst dann zum Einsatz, wenn die gesundheitlichen Probleme viel größer sind als die Überwindung, die ihr Anblick Patienten, aber meist vor allem Ärzte und Pflegepersonal kostet. Wundpflege ohne Nebenwirkungen Für Wim Fleischmann von der unfallchirurgischen Abteilung des Krankenhauses Bietigheim begann alles mit einem Patienten, dessen wunder Fuß nicht heilte. Neueste Verbände, ständige Überwachung, professionelle Reinigung der Wunde – nichts führte eine Besserung herbei. Mit der drohenden Amputation wollte sich die Tochter des Patienten jedoch nicht abfinden. Sie recherchierte, fragte nach und brachte schließlich das Thema Madentherapie zur Sprache. „Meine erste derartige Behandlung war eine Konzession an die Patienten“, sagt der Unfallchirurg heute. Er ließ sich auf den Versuch ein, importierte Maden der Goldfliegenart Lucilia sericata aus einem englischen Labor, siedelte sie in die offene Wunde seines Prüfung in Textverarbeitung der IHK Nürnberg 2009 Prüfungsteil: Autorenkorrektur Kenn-Nr. Patienten um – und ließ sie das Bein des Mannes retten. „Seitdem bin ich von der Methode überzeugt“, sagt Wim Fleischmann. Pro Jahr verarztet er seitdem 250 Patienten, die vor allem an offenen Diabetikerfüßen oder Bettgeschwüren leiden, mit insgesamt 1 000 Madenverbänden. In der Regel sind sie nach fünf Behandlungen auf dem Weg der Genesung. Speziell bei Wundsprechstunden für Diabetiker gilt: Ärzte, die verantwortungsbewusst mit diesen Folgeerkrankungen umgehen, schließen eine Madenbehandlung nicht aus. Viele Krankenhäuser haben aus logistischen Gründen feste „Madentage“ eingerichtet. An solchen Tagen dürfen die Maden ohne Verpackung ans Werk gehen, wenn die Wunden eher klein und tief sind. Sind die offenen Stellen großflächig, werden die Maden in sogenannten Bio-Bags verpackt auf die Wunde gelegt. Durch das Gewebe des Säckchens gelangen ihr Speichel und ihre ammoniakhaltigen Ausscheidungen einerseits in die Wunde und töten dort Erreger ab – auch multiresistente, gegen die Ärzte sonst machtlos sind. Andererseits fressen sie totes Gewebe – das gesunde lassen sie unberührt. In 80 bis 95 Prozent aller Fälle ist das Gewebe danach komplett von abgestorbenem befreit. Das kann Patienten in vielen Fällen eine Amputation ersparen. Blutsaugen gegen Arthrose Ein satter Blutegel braucht bis zu zwei Jahre keine Nahrung! Kniegelenksarthrosen sind ein Leiden, das jeden Schritt zur Qual macht. Weil das Gelenk aufgrund seiner Beweglichkeit sehr komplex ist, sind Gelenksprothesen erst dann sinnvoll, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Eine gute Alternative ist der Einsatz von Blutegeln. „Nach meinem Dafürhalten handelt es sich dabei um die wirksamste Therapie von Schmerzen bei Kniegelenksarthrose“, sagt Gustav Dobos vom Lehrstuhl für Naturheilkunde und traditionelle chinesische Medizin der Uni DuisburgEssen. „Eine einzige Behandlung mit vier bis sechs Blutegeln hilft 70 bis 80 Prozent aller Patienten. Der Erfolg hält dann zwischen drei und sechs Monate an.“ Das zeigte auch eine Studie mit Patienten, die an Arthritis im Daumengelenk litten. Bereits nach einer einzigen Behandlung mit zwei bis drei Blutegeln profitierten sie stärker als eine Vergleichsgruppe nach einer 30-tägigen herkömmlichen Behandlung mit Diclofenac-Gel. Der Effekt dauerte auch länger an – zwei Monate lang spürten die Studienteilnehmer eine Besserung.