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EUROPÄISCHE KOMMISSION
PRESSEMITTEILUNG
Brüssel, den 29. April 2014
Kartellrecht: EU-Kommission entscheidet, dass Motorola
Mobility mit Missbrauch von standardessentiellen
Patenten gegen EU-Wettbewerbsregeln verstoßen hat
Die Europäische Kommission hat heute einen Beschluss angenommen, demzufolge
Motorola Mobility (Motorola) durch die Beantragung und Vollstreckung einer
Unterlassungsverfügung gegen Apple vor einem deutschen Gericht auf der Grundlage
eines standardessentiellen Smartphone-Patents (SEP) wegen der besonderen Umstände,
unter denen die Verfügung verwendet wurde (siehe auch MEMO/14/322), seine
marktbeherrschende Stellung missbraucht und gegen die Wettbewerbsregeln der EU
verstoßen hat. Sie hat Motorola aufgefordert, die nachteiligen Auswirkungen zu beseitigen,
die sich aus der Zuwiderhandlung ergeben. Die Kommission hat ferner
Verpflichtungszusagen in einem gesonderten Prüfverfahren betreffend Samsung
angenommen (siehe IP/14/490).
Joaquín Almunia, der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission,
erklärte: "Die sogenannte Smartphone-Patentkriege dürfen nicht auf Kosten der
Verbraucher ausgetragen werden. Deshalb müssen sich alle Industrie-Beteiligten an die
Wettbewerbsregeln halten. Unser Beschluss zu Motorola, in Verbindung mit dem heutigen
Beschluss, die Verpflichtungszusagen
von Samsung zu akzeptieren, schafft
Rechtssicherheit bezüglich der Umstände, unter denen Unterlassungsklagen zur
Durchsetzung standardessentieller Patente wettbewerbswidrig sein können. Dies trägt
auch zum ordnungsgemäßen Funktionieren der Normung in Europa bei. Patentinhaber
sollten für die Nutzung ihres geistigen Eigentums fair vergütet werden, und Anwender
solcher Normen sollten zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen
Zugang zu standardisierter Technologie erhalten. Die Wahrung dieses Gleichgewichts
gewährleistet, dass Verbrauchern eine breite Auswahl an interoperablen Produkten
geboten wird."
SEP sind Patente, die für die Anwendung einer spezifischen Industrienorm von
wesentlicher Bedeutung sind. Ohne Zugang zu diesen Patenten lassen sich normkonforme
Produkte nicht herstellen. Das kann Unternehmen, die SEP besitzen, beträchtliche
Marktmacht verschaffen. Infolgedessen verlangen Normungsorganisationen in der Regel
von ihren Mitgliedern, dass sie sich verpflichten, SEP-Lizenzen zu fairen, zumutbaren und
diskriminierungsfreien (sogenannten "FRAND"-) Bedingungen zu erteilen. Mit einer solchen
Verpflichtung soll sichergestellt werden, dass alle Marktteilnehmer Zugang zu einer Norm
haben, und eine Blockierung (sogenanntes "Hold-up") durch einen einzelnen SEP-Inhaber
verhindert wird. Dieser Zugang zu FRAND-Bedingungen ermöglicht Verbrauchern eine
größere Auswahl an interoperablen Produkten und stellt gleichzeitig sicher, dass SEPInhaber für ihr geistiges Eigentum eine angemessene Vergütung erhalten.
IP/14/489
Im Fall einer Patentverletzung ist es in der Regel eine legitime Reaktion des
Patentinhabers, bei Gericht eine Verfügung zu beantragen. Die Kommission ist allerdings
der Auffassung, dass die Beantragung einer Unterlassungsverfügung auf der Grundlage
von SEP eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung darstellen
kann, wenn sich ein SEP-Inhaber freiwillig verpflichtet hat, seine SEP-Lizenzen zu FRANDBedingungen zu erteilen, und wenn das Unternehmen, gegen das eine derartige
Verfügung erwirkt wird, bereit ist, eine Lizenzvereinbarung zu diesen FRAND-Bedingungen
zu schließen. Da diese Verfügungen im Allgemeinen ein Verkaufsverbot des Produktes
beinhalten, mit dem das Patent verletzt wird, kann eine Unterlassungsklage gegen einen
verhandlungswilligen Lizenznehmer einen Marktausschluss bedeuten. Das kann zu einer
Verzerrung von Lizenzverhandlungen und zu wettbewerbswidrigen Lizenzbedingungen
führen, die der SEP-Lizenznehmer ohne drohende Unterlassungsverfügung nicht akzeptiert
hätte. Ein solches wettbewerbswidriges Ergebnis würde Innovation beeinträchtigen und
könnte Verbrauchern schaden.
Die fraglichen SEP von Motorola Mobility beziehen sich auf die GPRS-Mobilfunknorm des
Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen (ETSI) als Teil der GSM-Norm, bei
der es sich um eine zentrale Industrienorm für mobile und drahtlose
Telekommunikationsdienste handelt. Bei Einführung dieser Norm in Europa verpflichtete
sich Motorola Mobility, die Lizenzen für die Patente, die der Konzern als für die Norm
unerlässlich erklärt hatte, zu FRAND-Bedingungen zu erteilen.
Im heutigen Beschluss hat die Kommission festgestellt, dass Motorola in Deutschland
gegen Apple missbräuchlich eine Unterlassungsverfügung auf der Grundlage eines SEP
beantragt und vollstreckt hat, zu dem es sich verpflichtet hatte, eine Lizenz zu FRANDBedingungen zu erteilen. Zudem hatte Apple sich bereit erklärt, die Lizenz zu erwerben
und die von dem zuständigen deutschen Gericht festzulegenden FRAND-Gebühren zu
zahlen.
Die Kommission stellte ferner fest, dass es wettbewerbswidrig war, dass Motorola unter
Androhung der Vollstreckung der Unterlassungsverfügung darauf bestand, dass Apple
seine Rechte auf gerichtliche Prüfung der Gültigkeit von Motorola-SEP oder des Verstoßes
gegen diese SEP durch Apple-Mobilgeräte aufgibt. Normenanwender und letztlich auch
Verbraucher sollten für ungültige Patente oder Patente, die nicht verletzt wurden, nicht
zahlen müssen. Deshalb müssen Anwender die Gültigkeit von Patenten prüfen und
mutmaßliche Verstöße anfechten können.
Die Kommission hat beschlossen, Motorola keine Geldbuße aufzuerlegen, da die
Rechtmäßigkeit von Unterlassungsverfügungen auf der Grundlage von SEP anhand von
Artikel 102 AEUV bislang von den Gerichten der Europäischen Union nicht geprüft wurde
und nationale Gerichte in dieser Frage zu abweichenden Schlussfolgerungen gelangt sind.
Weitere Informationen finden sich in MEMO/14/322.
Hintergrund
Nach Artikel 102 AEUV ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung
mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten, sofern dies den Handel zwischen
Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann. Wie diese Bestimmung umzusetzen ist, regelt die
Kartellverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates), die sowohl von der
Kommission als auch von den Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten angewendet
werden kann.
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Die Kommission hat das Prüfverfahren im April 2012 nach Eingang einer Beschwerde von
Apple eingeleitet. Ihr Beschluss erfolgt nach der im Mai 2013 übermittelten Mitteilung der
Beschwerdepunkte (siehe IP/13/406 und MEMO/13/403).
Kontakt:
Antoine Colombani (+32 2 297 45 13), Twitter: @ECspokesAntoine )
Yizhou Ren (+32 2 299 48 89)
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