Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Leistungspotenziale von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben ausschöpfen – Ausgleichsabgabe erhöhen und Menschen mit Behin-derung fairen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen – Gute Arbeit für Menschen mit Behinderung (Tagesordnungspunkt 14) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Art. 27 der UN-Behindertenrechtskonvention gewährleistet eine gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit Behinderung an einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderung zugänglichen Arbeitsmarkt. Betrachtet man die Entwicklung am deutschen Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren, könnten die Rahmenbedingungen eigentlich nicht besser sein. Mit über 41,5 Millionen waren im vergangenen Jahr so viele Menschen in Deutschland beschäftigt wie nie zuvor. Auch die durchschnittliche Zahl der Erwerbslosen ist mit 2,897 Millionen auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren gefallen. Und blickt man über die Grenzen hinaus, so steht Deutschland im europäischen Vergleich – insbesondere was die geringe Jugendarbeitslosigkeit anbelangt – mit Abstand am besten da. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit ist gesunken, und die Vermittlung in Arbeit verläuft wesentlich zügiger. Um unseren soliden und äußerst robusten Arbeitsmarkt werden wir im gesamten europäischen Ausland beneidet. Doch bei einem genaueren Blick auf die aktuellen Arbeitslosenstatistiken – nämlich im Bereich der Menschen mit Behinderung – wird deutlich, dass bei weitem nicht alle Menschen in unserem Land von dieser erfreulichen Entwicklung profitieren. Für eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt sind weitere Anstrengungen vonnöten. Zwar setzen zunehmend mehr Unternehmen auf Menschen mit Behinderung als hochmotivierte und leistungsfähige Arbeitnehmer und profitieren von ihren Fähigkeiten; dennoch finden viele von ihnen ohne zusätzliche Unterstützung nicht den Weg in den ersten Arbeitsmarkt. Mit dem vorliegenden Koalitionsantrag „Leistungspotenziale von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben ausschöpfen“, der auf Initiative von Maria Michalk, der Beauftragten für Menschen mit Behinderung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in enger Abstimmung mit unserem Koalitionspartner FDP und mit Hubert Hüppe, dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, erarbeitet wurde, wollen wir dieser Gegebenheit wirksam entgegentreten. Der Antrag nimmt Menschen mit Behinderung in den Fokus, formuliert die wichtigsten behindertenpolitischen Akzente, zeigt die bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten für einen erleichterten Zugang zum ersten Arbeitsmarkt auf und unterstützt die Bundesregierung bei ihren bisherigen behindertenpolitischen Aktivitäten. Er zielt insbesondere auf die Vorlage einer differenzierten Datenlage, um zu analysieren, welche Maßnahmen wirksam sind, um sodann passgenaue Fördermaßnahmen zur Steigerung der Teilhabechancen weiterentwickeln zu können. Dazu gehört auch, dass das Wunsch- und Wahlrecht von werkstattberechtigten Menschen zwischen Werkstätten und alternativen Leistungsanbietern bei harmonisierter sozialer Absicherung – auch unter Nutzung des persönlichen Budgets – gestärkt und bestehende Unterstützungsmaßnahmen vereinfacht werden. Im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 25. Februar 2013 haben die Sachverständigen bestätigt, dass der Koalitionsantrag in die richtige Richtung geht. Sehr geehrte Damen und Herren der Fraktion Die Linke und der Fraktion der SPD, mit den in Ihren Anträgen formulierten Forderungen nach einer Erhöhung der Ausgleichsabgabe und neuen Schutzvorschriften sowie der Überregulierung im Behindertenrecht vermitteln Sie nicht nur ein schlechtes Signal an die Betroffenen selbst, sondern sorgen zudem für eine zusätzliche Belastung der Unternehmen und eine zusätzliche Bürokratisierung des Behindertenrechts. Das System von Beschäftigungspflicht und gestaffelter Ausgleichsabgabe hat sich bewährt. So ist die Beschäftigungsquote von 3,8 Prozent im Jahr 2002 immerhin auf 4,5 Prozent im Jahr 2010 gestiegen. Änderungen in diesem Bereich erscheinen nicht angezeigt, zumal eine Dynamisierung der Ausgleichsabgabe gesetzlich bereits vorgesehen ist und mit Wirkung zum 1. Januar 2012 zum Tragen gekommen ist. Der Ansatz der christlich-liberalen Koalition ist es, Arbeitnehmer und Arbeitgeber für einen inklusiven Arbeitsmarkt zu sensibilisieren. Um unserem Auftrag, eine inklusive Arbeitswelt zu gestalten, gerecht zu werden, setzen wir nicht auf eine erhöhte Abgabe, mit der sich die Unternehmen von der Verpflichtung zur Einstellung behinderter Menschen freikaufen können, sondern auf Kooperation und das gezielte Setzen von Anreizen. Insbesondere in Anbetracht des drohenden Fachkräftemangels sowie des demografischen Wandels müssen wir dafür Sorge tragen, die Vorbehalte und Barrieren in den Köpfen der Arbeitgeber und auch der Arbeitnehmer abzubauen, um behinderten Menschen eine bessere Chance zu geben. Qualifizierte Arbeitskraft wird zunehmend zu einem kostbaren Gut. Dennoch sind viele der aktuell arbeitslosen Behinderten in diesem Land trotz ihrer fachlichen Qualifikation und Fähigkeiten zum Teil schon lange arbeitslos. Oftmals mangelt es potenziellen Arbeitgebern an Informationen hinsichtlich der Kompetenzen und Qualifikationen von Arbeitnehmern mit Behinderung; Fördermöglichkeiten zur beruflichen Eingliederung sind ihnen meist nicht hinreichend bekannt. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen müssen bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung informiert, beraten und unterstützt werden. Bedauerlicherweise ist es häufig noch so, dass sich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitskollegen schwertun, sich behinderte Menschen als Mitarbeiter bzw. Kollegen vorzustellen. Es darf nicht sein, dass bei vielen Betrieben erst der Fachkräftemangel dazu führt, sich ernsthaft mit dem Beschäftigungspotenzial behinderter Arbeitnehmer auseinanderzusetzen. Hier benötigen wir dringend einen Mentalitätswechsel. Dies zu ändern, ist jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir können und wollen auf die Qualifikationen von Menschen mit Behinderung nicht verzichten. Es muss ganz selbstverständlich werden, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten. Allerdings kann die Politik hier auch nur die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen – die Unternehmen schaffen die Arbeitsplätze. Unser Antrag „Leistungspotenziale von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben ausschöpfen“ macht unmissverständlich klar, dass Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt gebraucht werden und wir sie auf dem Weg dahin in jeglicher Hinsicht tatkräftig unterstützen werden. Gerne möchte ich neben unseren geplanten Anstrengungen in diesem Zusammenhang auch nochmals die bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen, aus denen sich ein Anspruch auf gesellschaftliche Partizipation und Teilhabe am Arbeitsleben ergibt, in Erinnerung rufen. Mit dem verfassungsrechtlich verankerten Gleichstellungsgebot sollen explizit Benachteiligungen für Menschen mit Behinderung verhindert werden. Des Weiteren möchte ich die Regelungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB III oder dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch nennen, die die selbstbestimmte Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben betreffen und dabei helfen, Hindernisse, die der Chancengleichheit entgegenstehen, zu beseitigen. So enthält beispielsweise das SGB IX verpflichtende Sonderregelungen für Arbeitgeber, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben ist eine der Hauptgrundlagen für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung und Grundvoraussetzung für die Entfaltung der Persönlichkeit – das gilt für behinderte und nichtbehinderte Menschen gleichermaßen. Arbeit zu haben, bedeutet wirtschaftliche Unabhängigkeit und aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Für Menschen mit Behinderung gibt es in vielen Bereichen des ersten Arbeitsmarktes Arbeit – den Wettbewerb können sie jedoch nur dann bestehen, wenn sie gut ausgebildet sind. Wirksame Maßnahmen und Konzepte sind also gefragt, um einerseits behinderte Menschen für den allgemeinen Arbeitsmarkt zu qualifizieren und andererseits potenzielle Arbeitgeber umfassend zu informieren, um die Beschäftigungsfähigkeit fördern zu können. Ein nahtloser Wechsel in die betriebliche Ausbildung und auf den ersten Arbeitsmarkt stellt für viele Menschen mit Behinderung noch die Ausnahme dar. Daher sind für einen erfolgreichen Übergang von der Schule in die Berufsausbildung und die betriebliche Übernahme die Rahmenbedingungen entscheidend. Das Ziel der christlich-liberalen Koalition ist es, die Rahmenbedingungen in allen Lebensbezügen so zu gestalten, dass behinderte Menschen ohne Ausgrenzung in allen Bereichen des Lebens und der Arbeitswelt teilhaben können. Dies setzt ein Umdenken und gezieltes Handeln der Gesellschaft voraus. Menschen mit Behinderung müssen nicht nur bei der Arbeitssuche immer noch gegen Vorurteile ankämpfen. Um eine vollständige Teilhabe an allen Bereichen des Lebens zu ermöglichen, gilt es, diese hartnäckigen Vorbehalte auf lange Sicht endgültig auszuräumen. Daran werden wir auch weiterhin arbeiten. Maria Michalk (CDU/CSU): Uns liegt heute die Beschlussempfehlung aus dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu drei Anträgen vor, die sich allesamt damit auseinandersetzen, wie wir die Chancen von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt besser gestalten können, um ihnen mit ihrem sehr individuellen Leistungspotenzial bessere Chancen für die Teilhabe in der Arbeitswelt einzuräumen. Die SPD fordert die Erhöhung der Ausgleichsabgabe. Das lehnen wir ab. Die Fraktion Die Linke sieht den Weg ebenfalls in der Anhebung der Ausgleichsabgabe und will zusätzlich Assistenzleistungen aus Steuermitteln, entgegen europäischen Bestimmungen die Zurücknahme der Ausschreibungspflicht für die BA und Reha-Träger und noch einiges mehr. Der Antrag der Koalitionsfraktionen geht davon aus, dass für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt weiterhin Anstrengungen notwendig sind, da sie trotz wirtschaftlichen Aufschwungs deutlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind als Menschen ohn e Behinderung. Nach wie vor haben schwerbehinderte Arbeitslose größere Schwierigkeiten, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Unser Grundansatz ist aber nicht die Verschärfung von Sanktionen gegenüber den Arbeitgebern bzw. den Unternehmungen, sondern das Werben um ihre Gunst und das Abbauen von Vorurteilen und Vorbehalten, sowohl bei den Unternehmern, als auch bei den Belegschaften. Notwendig sind flexible Sachleistungen für die Leistungsempfänger, denn gerade hier ist jede Situation sehr individuell. Das gilt nicht nur für den Einstieg bzw. Wiedereinstieg in das Berufsleben, sondern auch für bestehende Arbeitsverhältnisse von Menschen mit einer Behinderung. Oftmals ist der Verbleib am Arbeitsplatz nach einer Krankheit oder einem Unfall mit dauerhaften Beeinträchtigungen sehr differenziert zu entscheiden. Gleichmacherei führt sehr oft in die Arbeitslosigkeit und viel zu oft in die Grundsicherung. Hier haben die Rehabilitationsträger eine große Verantwortung, vor allem in der Eingliederungsphase. Fakt ist, dass aktuell die bereits reduzierten Eingliederungsmittel nicht verbraucht werden; denn die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt haben sich in den letzten Jahren entscheidend verändert. Die Arbeitslosigkeit hat sich seit 2005 zum Beispiel in Sachsen nahezu halbiert. Die Zahl der Beschäftigten stieg und ist auf dem höchsten Stand seit zehn Jahren. Das Stellenangebot bewegt sich auf hohem Niveau. Deshalb werden viele Arbeitnehmer auch ohne Förderleistungen bzw. mit deutlich verringertem Förderbedarf eingestellt. In meinem Wahlkreis hat allein im Dezember letzten Jahres die Zahl der Langzeitleistungsbezieher um acht Prozent abgenommen. Deshalb wird auch das verfügbare Eingliederungsbudget nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen. Was will ich damit sagen? Es fehlt nicht an finanziellen Mitteln zur stärkeren Eingliederung von Menschen mit Behinderung. Was fehlt, ist die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen. Viele Einstellungswillige sind unsicher, was sie zum Beispiel mit Blick auf den stärkeren Kündigungsschutz von Menschen mit Behinderung erwartet. Deshalb sind Beratung und Information notwendig. Auch wird befürchtet, die Belastbarkeitsgrenze nicht zu erkennen. Hier ist ein betriebliches Praktikum oder die zeitweise Arbeit auf einem Außenarbeitsplatz aus der Werkstatt heraus oder die unterstützte Beschäftigung hilfreich. In der Anhörung und in der anschließenden Ausschussberatung zu den vorliegenden Anträgen wurde erneut deutlich, dass es uns auch nicht an Instrumenten fehlt. Was fehlt, ist die individuelle Herangehensweise und das Aufeinanderzugehen. Allerdings muss die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Instrumenten verbessert werden. Wer zum Beispiel zunächst in einer unterstützen Beschäftigung einen Arbeitsplatz findet und später feststellt, dem Leistungsanspruch nicht gerecht zu werden, der muss zum Beispiel die Möglichkeit einer Beschäftigung in einer Werkstatt erhalten und auch umgekehrt. In jedem Fall ist aber das Abstrafen von Unternehmen, die sich diesem Thema nicht stellen, durch eine höhere Ausgleichsabgabe kontraproduktiv. Den inklusiven Arbeitsmarkt werden wir nicht durch mehr und höhere Sanktionen erreichen, sondern allein durch gegenseitiges Verständnis und Mut, sich mit Sachverhalten auseinandersetzten, für die man bisher „kein Ohr“ hatte. Noch etwas ist erneut deutlich geworden: Je früher die Teilhabe am Arbeitsmarkt in den Blick genommen wird, desto größer die Erfolge. Das Ausüben einer qualifizierten Erwerbstätigkeit versetzt Menschen mit Behinderung nämlich in die Lage, Anteil am gesellschaftlichen Leben zu nehmen, eigene Netzwerke aufzubauen, Anerkennung zu erfahren und ein den Lebensunterhalt sicherndes Einkommen zu erzielen. Es ist nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für unsere Gesellschaft wichtig, Jugendliche mit einer Behinderung stärker in die betriebliche Berufsausbildung zu führen. Der Abgang aus der Schule ohne eine Berufsausbildung, und das sind in Deutschland immer noch mehr als 10 Prozent, ist die sichere Fahrkarte in die Langzeitarbeitslosigkeit. Deshalb plädieren wir dafür, stärker als bisher auch Jugendlichen mit einer Behinderung einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu geben. Auch können wir uns allein aus dem drohenden Fachkräftemangel keine unausgeschöpften Potenziale in der Gesellschaft leisten. Junge Menschen mit einer Behinderung vom Arbeitsleben auszugrenzen, ist nicht nur unsozial, sondern auch gesetzeswidrig. Die UN Behindertenrechtskonvention verpflichtet uns alle gemeinsam, die allumfassende Teilhabe zu organisieren und zu leben. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt am Ende uns alle mehr kostet als die Unterstützung zur Teilhabe. Deshalb stehen wir in der Union dafür, den Übergang in die Ausbildung und Beschäftigung durch Hilfestellungen in Form von Integrationsmaßnahmen der Arbeitsagenturen oder berufsvorbereitenden Maßnahmen zu forcieren und die Kompetenzen zu stärken und die Unternehmen für ein Berufsausbildungsverhältnis zu gewinnen. Wir müssen die Ansicht überwinden, dass es hier um Fürsorge geht. Vielmehr haben wir die Notwendigkeit der Verstärkung des Arbeitsmarktangebotes. Das haben viele Fachveranstaltungen gerade in den letzten Monaten sehr deutlich herausgearbeitet. Wir brauchen für jede konkrete Situation, die sich bei jedermann im Lauf des Lebens einstellen kann und erst recht bei Menschen mit einer mehrfachen bzw. dauerhaften Behinderung, ein stärkeres Übergangsmanagement statt Schubladendenken und Polarisierung. In dieser Hinsicht werbe ich noch einmal für unseren Antrag und bitte alle Akteure, an der Umsetzung mitzuwirken. Ich habe nach wie vor die Überzeugung, dass vorausschauende Unternehmen im Rahmen ihrer Unternehmensstrategie die Vorteile des inklusiven Arbeitsmarktes und das Lern- und Weiterbildungspotenzial sowie die Arbeitsbereitschaft der Menschen mit einer Behinderung nutzen werden. Politisch wollen wir die Einstellungsneigung der Betriebe zugunsten schwerbehinderter Menschen stärken. Das ist das Signal, das von unserem Antrag ausgeht. Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD): Aus Anlass dieser Debatte über die Anträge der Fraktionen sowie zum Ausklang der 17. Wahlperiode gilt es, Bilanz darüber zu ziehen, wie sich die Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung entwickelt hat. Es ist begrüßenswert, dass auch die Koalition zum Ende dieser Legislatur Interesse an diesem wichtigen Thema zeigt. Wobei ich an der Ernsthaftigkeit dieses Interesses meine Zweifel habe, wenn ich mir den Inhalt des Antrags anschaue. Die UN-Behindertenrechtskonvention haben wir 2009 in der Großen Koalition gemeinsam unterzeichnet und ratifiziert. Der Anspruch der Konvention war und ist es, dass Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam auf einem inklusiven und durchlässigen Arbeitsmarkt ihren Lebensunterhalt mit selbst gewählter Arbeit verdienen können, dass sie gesunde Arbeitsbedingungen vorfinden und dass sie ihre gewerkschaftlichen Rechte gleichberechtigt ausüben können. Die Konvention fordert auch, dass die Regierungen die Beschäftigung im privaten Sektor fördern und dafür geeignete Anreize setzen. Soweit zu dem, wo wir alle hinwollen. Nun zu dem, wo wir stehen und was wir auf diesem Wege erreicht oder eben nicht erreicht haben. Da muss man leider feststellen, dass die vergangenen Jahre der schwarz-gelben Koalition – gemessen an den genannten Zielen – verlorene Jahre waren. Wohin man auch schaut: Von Ihrer Koalition ist bisher nur Stillstand ausgegangen. Auf den Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention mussten wir bis zum Frühjahr 2012 warten. Gesetzgeberische Konzepte im Bereich Arbeitsmarkt: Fehlanzeige! Da sollen vor allem Arbeitgeber sensibilisiert werden, man will sich einsetzen für mehr Personenzentrierung, und man macht vor allem viele Modellprojekte. Es wurde ein Programm aufgelegt mit dem Titel „Initiative Inklusion“, das vor allem besondere Gruppen – nämlich Schüler, Jugendliche und ältere Schwerbehinderte – fördern soll. Das ist alles nicht falsch, aber schlicht unzureichend. Man muss bei all dem doch festhalten, dass sich die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten in den vergangenen vier Jahren nicht wesentlich verringert hat; sie ist sogar gestiegen. Waren im März 2009 noch circa 171 000 schwerbehinderte Menschen arbeitslos, waren dies im März 2013 180 000 Menschen. Die meisten schwerbehinderten Menschen – mittlerweile über 110 000 – sind mittlerweile langzeitarbeitslos und damit im Bereich des SGB II angekommen. Das ist eine Katastrophe für diese Menschen; denn wir wissen, dass die Jobcenter und optierenden Kommunen nicht das Potenzial für eine dauerhafte Eingliederung dieser besonderen Personengruppe haben. Man muss festhalten: Schwerbehinderte Menschen sind mehr denn je von Arbeitslosigkeit betroffen und erfahren einen Verschiebebahnhof in das SGB II. Viele andere Bereiche, die hier genannt werden müssen, haben Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition, leider vollkommen vernachlässigt. Werkstätten haben ungebremsten Zulauf, es gibt keine Weiterentwicklung der Ausgleichsabgabe, keine zusätzliche Förderung der Beschäftigung in Integrationsunternehmen, keine Weiterentwicklung der betrieblichen Schwerbehindertenvertretungen oder der Mitwirkung in Werkstätten, keine Weiterentwicklung des SGB IX, kein Konzept für die Erwerbsminderungsrente und bis heute keine Erweiterung des sogenannten Rehadeckels der Rentenversicherung. Das ist die rehabilitations- und arbeitsmarktpolitische Bilanz dieser Regierung in Bezug auf behinderte Menschen. Und das, obwohl Ihnen die Opposition und die Fach- und Betroffenenverbände unzählige Vorschläge gemacht haben. Sie bleiben weiterhin untätig und legen hier stattdessen einen Antrag vor, der nur einen Ausschnitt des gesamten vorhandenen Spektrums anreißt; er kratzt an der Oberfläche und lässt wichtige und für den Arbeitsmarkt grundlegende Bereiche außen vor. Er steht damit in guter Tradition zum Nationalen Aktionsplan, der auch nichts weiter als ein Sammelsurium bereits bestehender Maßnahmen und oberflächlich geschönter Problemaufrisse ist. Das haben nicht nur wir, sondern in der Anhörung zum Beispiel auch die Schwerbehindertenvertretungen festgestellt. Das können die interessierten Bürgerinnen und Bürger in der Berichterstattung des Ausschusses nachlesen. Es geht eben nicht nur darum, Arbeitgeber und Arbeitnehmer für einen inklusiven Arbeitsmarkt zu sensibilisieren, sondern wir müssen klare Kriterien einziehen, damit dieser inklusive Arbeitsmarkt entstehen kann. Den Marktkräften hier alles Gestalterische blind zu überlassen, das passt zur FDP und ihrer Klientelpolitik, wird aber unserer Verantwortung nicht gerecht. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, und wir wollen nach der Bundes-tagswahl diese Politik des Stillstands ablösen und -gemeinsam mit den Betroffenen endlich konkrete Verbesserungen erreichen. Menschen mit Behinderung haben ohne Unterstützung keine Chance auf unserem derzeitigen Arbeitsmarkt. Es ist deshalb die Aufgabe des Gesetzgebers, Anreize für Beschäftigung zu setzen und nicht nur gut auf die Arbeitgeber einzureden. Da hilft es keinem weiter, wenn man – wie Sie es mit ihrem Antrag tun – der Regierung einen Merkzettel schreibt, was sie alles noch tun könnte – man muss konkret werden! Nehmen wir einmal die Beschäftigungszahlen: Sie stellen es so dar, als wenn immer mehr Unternehmen Menschen mit Behinderung beschäftigen und das ein Fortschritt sei. Auf die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen bin ich schon eingegangen. Die Beschäftigungsquote in der privaten Wirtschaft hat sich zwischen 2003 und 2010 nur um 0,4 Prozent verbessert. Die öffentlichen Arbeitgeber machen das wett – aber auch hier gibt es noch Potenzial; denn immerhin 5 400 öffentliche Arbeitgeber erfüllten die Pflichtquote von 5 Prozent im Jahr 2010 nicht. Durch die Flexibilisierung am Arbeitsmarkt werden heute viele Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft gar nicht mehr mitgezählt; insofern ist die bereinigte Quote wahrscheinlich noch geringer. Diesem Effekt könnte man mit einer Reform des Berechnungsmodus der Pflichtquote begegnen, zum Beispiel indem man zukünftig Arbeitsverhältnisse unter 18 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit grundsätzlich mitzählt. So könnte man auch den Effekt beseitigen, dass Unternehmen mit im Wesentlichen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern deutliche Vorteile bei der Berechnung ihrer Pflichtarbeitsplätze haben. Dafür müssen wir der Ausgleichsabgabe aber auch zu einer wirksamen Anreizfunktion verhelfen, die sie derzeit nicht hat. Unternehmen nehmen die Abgabe in Kauf, weil sie so gering ist und man damit vermeintlich bequem die Beschäftigungspflicht umgehen kann. Die Zahl der beschäftigten schwerbehinderten Menschen hat sich zwischen 2005 und 2010 sogar verringert. Waren 2005 bundesweit noch 142 700 Schwerbehinderte in Arbeit, waren dies 2010 nur noch 138 300. Der DGB hat in der Anhörung deutlich gemacht, dass eine Arbeitslosenquote von 14 Prozent bei Schwerbehinderten gegenüber 7,9 Prozent allgemeiner Arbeitslosenquote auf eine Benachteiligung dieser Gruppe hinweist. Gleichzeitig hat sich auch die Zahl derjenigen, die als – per Definition – „voll erwerbsgeminderte“ Menschen die Werkstätten besuchen, fast verdoppelt. Darunter sind viele Menschen, die als sogenannte Leistungsträger mit richtiger Förderung durchaus schon heute Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten. Die Zahl der Firmen, die 2 Prozent und weniger schwerbehinderte Menschen beschäftigen, hat sich im selben Zeitraum aber kaum verändert. Das heißt, dass sich die Bereitschaft zur Einstellung behinderter Menschen im privaten Sektor kaum verbessert hat und Alternativen zur Werkstatt offenbar fehlen oder nicht attraktiv genug sind. Ich denke nicht, dass man dieses Gesamtbild als „Fortschritt“ bezeichnen kann, so wie Sie es in Ihrem Antrag tun. Hier müssen endlich konkrete Vorschläge auf den Tisch, und das haben wir mit unserem Antrag „Ausgleichsabgabe erhöhen und Menschen mit Behinderung fairen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen“ getan. Wir fordern eine Wiedererhöhung der Pflichtquote auf 6 Prozent und die Erhöhung der Ausgleichsabgabebeträge, besonders für die Unternehmen, die anhaltend eine geringe Quote unter 2 Prozent aufweisen. Wir fordern für diese Unternehmen eine deutliche Erhöhung der Beträge von 290 auf 750 Euro pro nichtbesetztem Pflichtarbeitsplatz. Noch einmal: Den Arbeitgebern gut zuzureden, hilft nicht weiter. Das muss man nach zehn Jahren einfach einmal feststellen und konsequente Schlüsse daraus ziehen. Deshalb müssen Verstöße gegen die Beschäftigungspflicht auch als Ordnungswidrigkeiten konsequent verfolgt und die Nichterfüllung der Mindestbeschäftigung geahndet werden. In der Anhörung hat die Bundesagentur für Arbeit unseren Vorschlag, die Verfolgung der Beschäftigungspflichtverstöße zu verlagern, begrüßt. Dies würde den Interessenkonflikt lösen, den die derzeitige Regelung hervorruft. Als weitere Maßnahme schlagen wir vor, die institutionelle Förderung in Höhe von derzeit circa 40 Millionen Euro jährlich aus Mitteln der Ausgleichsabgabe zukünftig nicht mehr für Werkstätten und Wohnheime, sondern für die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt zu verwenden. Das ist wichtig; denn nur so bekommen wir eine Trendwende von der alternativlosen Werkstatt zu mehr Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Integrationsunternehmen leiden momentan nicht darunter, dass es zu wenige tragfähige Geschäftsideen oder zu wenig geeignetes Personal gäbe, sondern vor allem darunter, dass das Aufkommen der Ausgleichsabgabe in einigen Ländern enorm begrenzt ist und daraus keine neuen Förderungen erfolgen können. Die Aufteilung des Aufkommens der Ausgleichsabgabe muss deshalb so neu geregelt werden, dass mehr Mittel für die Förderung von Integrationsunternehmen bereitstehen. Auch die Rücklagemittel im Ausgleichsfonds des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales – nach unseren Informationen fast 300 Millionen Euro – sind für eine neue Beschäftigungsinitiative für schwerbehinderte Arbeitslose zu verwenden. Die Integrationsunternehmen könnten in Jahresfrist mehrere Tausend neuer sozialversicherungspflichtiger Jobs auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schaffen. Wir werden im Falle einer Regierungsübernahme die Inklusion am Arbeitsmarkt aktiv und mit Nachdruck fördern und wieder Bewegung hineinbringen, damit die Betroffenen endlich Perspektiven erhalten und wir mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vorankommen. Gabriele Molitor (FDP): Wollen wir Inklusion umsetzen, müssen Menschen mit und ohne Behinderung die Möglichkeit haben, sich zu begegnen. Besonders gut geht das am Arbeitsplatz. Hier verbringen wir einen Großteil unserer Zeit. Hier finden sich Möglichkeiten, inklusive Prozesse voranzubringen und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu fördern. Ein Blick auf die Arbeitslosenstatistik von Menschen mit Schwerbehinderung macht den Handlungsbedarf deutlich. Denn Menschen mit Behinderung sind in Deutschland deutlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als nichtbehinderte Menschen. Dabei haben viele Unternehmen bereits gezeigt, wie erfolgreich die Zusammenarbeit mit behinderten Mitarbeitern verläuft. Globetrotter, Daimler AG, Metro Group oder die Deutsche Telekom stellen Menschen mit Behinderung ein und leisten so einen wertvollen Beitrag für eine inklusive Gesellschaft. Der Effekt, der dabei entsteht, ist elementar für eine tolerante und solidarische Gemeinschaft: Menschen mit Behinderung und ihre Bedürfnisse werden wahrgenommen und ernst genommen. Diese Wahrnehmung wollen wir mit unserem gemein-samen Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP fördern. Inklusion auf dem Arbeitsmarkt ist ein wechselseitiger Prozess. Nicht nur die Arbeitgeberseite, sondern auch Menschen mit Behinderung leisten einen wichtigen Beitrag und zeigen, dass Inklusion, Leistungsfähigkeit und wirtschaftlicher Erfolg sich nicht ausschließen. Sowohl die Unternehmen als auch die Menschen mit Behinderung und die nichtbehinderten Kollegen zeigen, worauf es bei der Inklusion ankommt: eine Win-win-Situation für alle zu schaffen. Dieser Prozess verläuft nicht automatisch. Dafür braucht es Instrumente und Unterstützungssysteme. Diese wurden bereits entwickelt und erfolgreich angewendet. Zum Beispiel ermöglichen technische Hilfen die Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Auch eine Arbeitsassistenz ist hilfreich. Sie führt Handgriffe aus, die der schwer-behinderte Arbeitnehmer selbst nicht ausführen kann. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen profitieren von der „Unterstützten Beschäftigung“, bei der eine Fachkraft den Mensch mit Lernschwierigkeiten anleitet und die Arbeitsaufgaben mit ihm trainiert. Aber auch Integrationsfachdienste und andere Dienstleister sind wichtig. Sie fungieren als Vermittler zwischen dem Menschen mit Behinderung und dem Unternehmen. Sie beraten und helfen bei der Hilfsmittelbeschaffung. Institutionen wie Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke unterstützen Menschen mit Behinderung bei der Eingliederung oder Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Diese beispielhaften Instrumente zeigen, dass wir bereits ein breites Spektrum an Hilfsmöglichkeiten geschaffen haben. Diese gilt es bekannter zu machen. Denn nach wie vor stellen Betriebe Menschen mit Behinderung nicht ein, weil sie viele Nachteile befürchten. Dabei werden die Hilfen, die die Behinderung ausgleichen, vom Integrationsamt finanziert. Daher ist Aufklärung wichtig. Arbeitgebern muss die Inklusion so leicht wie nur möglich gemacht werden. Entgegen den Forderungen der Opposition werden eine erhöhte Ausgleichsabgabe oder zusätzliche Sanktionen nicht zu mehr Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt führen. Kein Arbeitgeber lässt sich zu einer Anstellung zwingen. Wir müssen Unternehmer vom Potenzial von Menschen mit Behinderung überzeugen. Konkret heißt das: ermutigen und Anreize schaffen, statt strafen und mahnen. Seit Jahren wirbt die FDP mit der Botschaft, dass behinderte Menschen, am richtigen Platz in der richtigen Weise eingesetzt, wertvolle Mitarbeiter sind. Auch die UN-Behindertenrechtskonvention betont ausdrücklich den uneingeschränkten Zugang behinderter Menschen zum allgemeinen Arbeitsmarkt (Art. 27). Hierfür setzen wir uns mit unserem gemeinsamen Antrag ein. Mit dem Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und mit der Initiative Inklusion sind wir auf einem guten Weg. Vor allem ältere und junge Menschen mit Behinderung profitieren von der Initiative Inklusion. Die Inklusionskompetenzen bei den Kammern zu fördern, schwerbehinderten Jugendlichen den Zugang zu Ausbildung und Beschäftigung zu erleichtern und ältere Menschen mit Behinderung (über 50 Jahre) wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sind genau die richtigen Schritte. Gerade der Fachkräftemangel und der demografische Wandel stellen den Arbeitsmarkt vor die Herausforderung, Arbeitnehmer zu finden. Den Blick dabei auch auf Menschen mit Handicap zu richten, ist nicht nur lohnenswert, sondern eine reelle Chance auf einen gut qualifizierten Mitarbeiter. Auch Selbstständigkeit muss als weitere Option stärker in den Blick genommen werden. Für viele Menschen mit Behinderung ist die Selbstständigkeit die einzige Möglichkeit der Beschäftigung, da sie sich so flexible und auf ihre Behinderung zugeschnittene Arbeitsbedingungen schaffen können. Auch Menschen mit psychischen und geistigen Einschränkungen müssen in den Fokus der Debatte genommen werden. Viele Menschen mit diesen Behinderungen sind in Werkstätten für Menschen mit Behinderung beschäftigt. Die Zahl dieser Gruppe steigt kontinuierlich an. In den letzten 15 Jahren hat sich die Zahl der Werkstattbeschäftigten fast verdoppelt. Für viele Menschen mit schweren Behinderungen ist die bezahlte Arbeit in Werkstätten der Behindertenhilfe die einzige Möglichkeit, zu arbeiten. Deshalb müssen Werkstätten erhalten bleiben. Jedoch muss hier zukünftig mit mehr Augenmaß vorgegangen werden. Auch das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderung muss stärker berücksichtigt werden. Ich habe mit Menschen mit psychischen Behinderungen gesprochen, die gerne in einer geschützten Werkstatt arbeiten und diese Form der Beschäftigung dringend brauchen. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von Werkstattbeschäftigten, die sich eine Arbeit außerhalb der Werkstatt vorstellen können. Diesen Menschen muss der Zugang zu inklusiver Beschäftigung ermöglicht werden. Zurzeit sind zu viele Leistungen immer noch an eine Werkstatt gekoppelt. Wichtig ist auch, mehr Außenarbeitsplätze zu schaffen. So können Werkstattbeschäftigte, die ein gewisses Maß an Selbstständigkeit besitzen, außerhalb der Werkstatt in Betrieben arbeiten, ohne die Unterstützung der Werkstatt aufzugeben. So kann nach und nach der Weg in den ersten Arbeitsmarkt geebnet werden. Ein Rückkehrrecht in die Werkstatt und die soziale Absicherung fördert den Übergang zum ersten Arbeitsmarkt. Unser gemeinsamer Antrag zielt darauf ab, Sonderwelten abzubauen und den Zugang von Menschen mit Behinderung zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten stärker zu nutzen und an den richtigen Stellen zu verbessern, ist der richtige Weg. Denn dadurch werden Menschen mit Behinderung auch im Arbeitsleben stärker wahrgenommen. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen in Deutschland einen Kollegen mit Behinderung haben. Mit unseren Maßnahmen wollen wir das mehr und mehr selbstverständlich machen. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): So selten wir uns über das Thema Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt hier im Plenum unterhalten, könnte man vielleicht denken, alles sei bestens und es gäbe keinen umfassenden Handlungsbedarf. Das mögen Sie vielleicht glauben, meine Damen und Herren von der Bundesregierung. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Lage von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt ist eines der größten Trauerspiele in Ihrer Regierungszeit, und das kann man Ihnen nicht oft genug sagen. Seit Jahren ändert sich nichts an der hohen Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung. Aktuell sind es in der Statistik über 180 000 schwerbehinderte Menschen; ähnlich sah es in den letzten Jahren aus. Im Vergleich zu 2009 sind es sogar rund 8 Prozent mehr. Auch der jährliche Blick auf die Statistik zur Pflichtquote für die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen ist immer wieder ernüchternd, denn von Jahr zu Jahr werden die 5 Prozent nicht erfüllt. Nun könnte die Regierungskoalition sagen, in den letzten Jahren ist sie zumindest um ein paar Quäntchen gestiegen. Darauf würde ich Ihnen antworten: Dieser minimale Anstieg beruht oft überwiegend nicht auf der gestiegenen Bereitschaft der Arbeitgeber zur Einstellung von Menschen mit Behinderungen, sondern vielmehr darauf, dass bereits Beschäftigten der Status der Schwerbehinderung neu zugesprochen wurde. Verschiedene Studien zeigen auch, dass in manchen Betrieben die Erfüllung der Beschäftigungsquote überwiegend aus den im Laufe einer langjährigen Beschäftigung angefallenen Krankheits- und Unfallfolgen in der Belegschaft resultiert. Zynisch ausgedrückt, könnte man auch sagen: Wer lange genug wartet und keine Menschen mit Behinderung einstellt, erfüllt schon irgendwann die Pflichtquote. Und das kann und darf so nicht länger sein! Und noch ein weiterer Aspekt, der verdeutlicht, wie wenig Chancen für Menschen mit Behinderung auf einen neuen Job bestehen: Nur bei rund jedem sechsten schwerbehinderten Arbeitslosen ist der Grund der Beendigung der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt, bei den nicht schwerbehinderten Arbeitslosen in rund jedem dritten Fall. Vor dem Hintergrund der schlechten Jobchancen von arbeitslosen Menschen mit Behinderung ist es deshalb überhaupt nicht nachvollziehbar, dass bei der Förderung dieser Personengruppe durch arbeitsmarktpolitische Instrumente drastisch gespart wird. In den letzten drei Jahren hat es hier einen Rückgang um 27 Prozent gegeben. Hier werden die geringen Chancen noch einmal zusätzlich geschmälert. Das ist nicht länger hinnehmbar! Die Bundesregierung und Arbeitgeberverbände beklagen alle paar Wochen den vermeintlichen Fachkräftemangel. Doch wie passt das zusammen mit den Daten und Fakten zur schlechten Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Behinderung? Viele wirklich gut qualifizierte und hochmotivierte Menschen mit Behinderung haben mir erzählt, wie schwer bis unmöglich es für sie ist, einen Job zu bekommen. Und das macht einen wirklich betroffen. Damit sich die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben nachhaltig verbessert, möchte die Linke dies nicht dem Zufall und dem freien Spiel der Kräfte überlassen. Dazu haben wir einen Antrag vorgelegt, der entscheidende Weichenstellungen, etwa Erhöhung der Pflichtquote, Erhöhung der Anreize für Unternehmen oder eine bessere Förderung, vornimmt. Damit gute Arbeit für viele Menschen mit Behinderung nicht länger ein unerfüllter Traum bleibt. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor etwas mehr als einem halben Jahr waren hier im Bundestag zwei Tage lang knapp 300 Menschen mit Be-hinderung zu Gast, um mit uns Abgeordneten über die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu sprechen. Eines der vielen Themen, über die wir uns ausgetauscht haben, war selbstverständlich auch die Situation am Arbeitsmarkt. Für Menschen mit Behinderung ist sie wenig befriedigend. Es ist häufig schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden, und auf der Suche nach Unterstützung gibt es häufig Probleme, wenn Anträge gestellt werden müssen und die Kommunikation mit Behörden ansteht. Entsprechend eindeutig waren die Forderungen unserer Gäste: Die Verantwortlichen müssen im Interesse der Menschen mit Behinderung besser zusammenarbeiten, und der Fokus muss dabei weg von den Werkstätten für Menschen mit Behinderung und hin zum allgemeinen Arbeitsmarkt gehen. Die Selbstbestimmungsrechte von Menschen mit Behinderung müssen gestärkt werden. Was heißt das für die Politik? Was können wir tun, um diese Ziele zu erreichen? Ich möchte hier insbesondere auf einen Punkt näher eingehen: auf die Frage nach der Möglichkeit des Übergangs von der Werkstatt für behinderte Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden vom Sozialhilfeträger gegenwärtig nur finanziert, sofern die leistungsberechtigte Person nicht erwerbsfähig ist. In diesem Fall finanziert der Sozialhilfeträger die Tätigkeit im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen. Möchte eine Person aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln, ist der Sozialhilfeträger nicht mehr zuständig. Selbst wenn er im Sinne der leistungsberechtigten Person eine Maßnahme auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finanzieren möchte, kann der Sozialhilfeträger die Leistung nicht erbringen. Zur Finanzierung dieser Leistungen kommen andere Träger in Betracht, unter anderem die Bundesagentur für Arbeit und die Integrationsämter. Deren Interesse, Leistungen für einen immer größeren Personenkreis zu erbringen, der zudem noch dauerhaft auf Unterstützungsleistungen sowie Lohnkostenzuschüsse angewiesen sein wird, ist natürlich nicht besonders ausgeprägt. Insofern sind auch die Bemühungen, hier Angebote für Menschen mit Behinderung zu schaffen, überschaubar. Die Erhöhung der Ausgleichsabgabe ist eine Möglichkeit, zumindest die Budgets der Integrationsämter zu stabilisieren und neue Jobs – etwa in Integrationsunternehmen – zu fördern. Trotzdem sind wir in der sehr unerfreulichen Situation, dass zwar Geld im System ist, aber nicht an den richtigen Stellen. Diese Situation entspricht weder den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung noch der UNBehindertenrechtskonvention. Denn die Konvention formuliert in Art. 27 ganz unmissverständlich das Recht behinderter Menschen, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen und für Menschen mit Behinderung zugänglichen Arbeitsmarkt frei gewählt wird. Auch dem Wunschund Wahlrecht behinderter Menschen wird die Situation gegenwärtig nicht gerecht. Denn wirklich wählen kann man nur, wenn es die entsprechenden Angebote gibt. Wenn wir den Übergang aus der Werkstatt in den ersten Arbeitsmarkt wirklich erleichtern wollen, müssen wir zu besseren Regelungen kommen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich durch den Sozialhilfeträger ein Werkstattplatz finanzieren lässt, nicht aber die nötige Unterstützung im Rahmen einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es ist bisher nur in zwei Bundesländern einigermaßen gelungen, die Leistungsansprüche von der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu übertragen. In Rheinland-Pfalz und in Niedersachsen gibt es das sogenannte Budget für Arbeit. Dort haben wir eine Leistungsform, die sich an den Interessen des behinderten Menschen orientiert und flexibel eingesetzt werden kann. Zu solchen und ähnlichen Lösungen müssen wir endlich auch bundesweit kommen und vor allem das Jobangebot an unterstützter Beschäftigung quantitativ ausweiten, ohne dass die Qualität der Unterstützung auf der Strecke bleibt. Nur wenn alle Träger, die für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben infrage kommen, an einem Strang ziehen, werden wir gute Lösungen finden. Die Reform der Eingliederungshilfe bietet die Möglichkeit zur Veränderung in diese Richtung. Ich hoffe sehr, dass wir bald ein politisches Kräfteverhältnis vorfinden, mit dem wir entscheidende Schritte vorankommen: für eine bessere Zusammenarbeit im Interesse eines starken Selbstbestimmungsrechts behinderter Menschen.