Pressemitteilung 9.12.2014 Embargo 8.12.2014 bis 23:30 Uhr Unsere beliebtesten Märchen Unser Land steht zurzeit vor einer Reihe schwieriger Entscheidungen, weil es nach Jahren außergewöhnlichen Wachstums versäumt hat, die Konsequenzen aus der Krise nach 2008 zu ziehen. Die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme, die sich daraus ergaben, wurden durch eine übermäßige Verschuldung verschleiert. Unverzichtbare Anpassungen wurden aufgeschoben, und die nationale Debatte ist nach wie vor durch eine Reihe von Aussagen getrübt, die objektiv falsch sind, aber Zweifel säen und uns weismachen, man könne unbequeme Wahrheiten ignorieren. Wenn wir jedoch rechtzeitig die Augen öffnen, müssen wir das Wohlstandsniveau, an das wir uns gewöhnt haben, nicht unbedingt aufgeben. Die UEL und die ihr angehörenden Arbeitgeberverbände vertreten die 34.000 Unternehmen des Landes, von denen über 95 % weniger als 50 Beschäftigte haben. Diese Unternehmen und ihre Arbeitnehmer sind die treibenden Kräfte Luxemburgs, und sie machen sich Sorgen. Es bleibt durchaus noch Zeit zum Reagieren und deswegen weigern sie sich, sich unseren beliebtesten Märchen hinzugeben, die gleichermaßen verlockend und falsch sind: 1. Märchen: Die Verschuldung Luxemburgs ist gering Es stimmt, dass die Verschuldung Luxemburgs sich noch in einem vernünftigen Rahmen bewegt, aber die Geschwindigkeit der Neuverschuldung ist atemberaubend. Die Schulden der öffentlichen Hand des Landes sind von 2007 bis 2013 von 2,5 auf 10,7 Milliarden Euro gestiegen, was einem Zuwachs von 328 % in sechs Jahren entspricht. Bei unveränderter Politik werden die Schulden jedes Jahr die Finanzierungskosten erhöhen und drohen, mittelfristig den Finanzplatz zu destabilisieren, der nach wie vor den bedeutendsten Teil der Haushaltseinnahmen beisteuert. Ein solcher Trend könnte das Land schnell an seine finanziellen Grenzen bringen und müsste dann zwangsläufig durch eine für unser Wirtschafts- und Sozialsystem verheerende Sparpolitik gestoppt werden. In Wirklichkeit muss die Verschuldung unseres Landes ab sofort verlangsamt werden, um unseren Wohlfahrtsstaat zu erhalten. 2. Märchen: Der Gesamtstaat hat kein Defizit Es stimmt, dass der Einnahmenüberschuss der Pensionskasse so hoch ist wie die Verschuldung des Zentralstaates, aber eine „Kompensierung“ der Pensionsbeiträge mit den Schulden des Zentralstaates ist nichts Anderes als ein Diebstahl an den Sozialbeiträgen, um laufende Ausgaben des Staates zu decken. In Wirklichkeit muss die Regierung seit 2010 jedes Jahr durchschnittlich 808 Millionen Euro Neuschulden machen, um das Defizit des Zentralstaates zu finanzieren. 3. Märchen: Unser Rentensystem ist solide finanziert Nein, davon ist es weit entfernt. In Wirklichkeit sind die Reserven deutlich unzureichend um unsere Renten garantieren zu können, denn unser Rentensystem ist seit Langem kein durch Umlage finanziertes System mehr, sondern ein System, das durch exponentielles Wachstum gespeist wird. Es wird - wie alle Schneeballsysteme unausweichlich an seine finanziellen Grenzen stoßen. Zur Veranschaulichung: Bei unveränderter Politik und unter der Annahme eines Wachstums von 3 % werden in rund 10 Jahren die Ausgaben die Einnahmen übersteigen, und in rund 20 Jahren werden die Reserven erschöpft sein. Im Klartext: Alle, die heute unter 45 Jahre alt sind, werden zusehen wie sich ihre Reserven auflösen. Schlimmer noch! Seit 2009 erreichen wir nicht mehr das erforderliche Wachstum und Prognosen zufolge wird sich das auch so bald nicht ändern. Unser Rentensystem, das angeblich Überschüsse erzielt, ist selbst die größte finanzielle Bedrohung, die auf dem Land lastet. 4. Märchen: Die Regierung betreibt eine Austeritätspolitik Es stimmt, dass einige Staaten der Europäischen Union für ihre finanziellen Exzesse der Vergangenheit einen hohen Tribut zahlen und nicht mehr über die finanziellen Mittel verfügen, um die Wirtschaft aus eigener Kraft wieder anzukurbeln. Das ist wirtschaftlich und sozial bedauerlich. Aber Luxemburg hat niemals zu diesen Staaten gehört. In Wirklichkeit sind die luxemburgischen Staatsausgaben seit der Krise fast immer schneller gestiegen als die Einnahmen. Heute steigen diese Ausgaben weiterhin schneller als die Wirtschaft wächst, sodass es unaufrichtig ist, von Austerität zu sprechen. Es ist gerade einmal die Rückkehr zur Vernunft nach den Exzessen der Vergangenheit. 5. Märchen: Der Staat hat bei sich selbst gespart Im Gegenteil, der Staat und seine Organisationen sind immer übermächtiger geworden. So haben sich die Kosten für die Bezüge im öffentlichen Dienst in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, und der halbstaatliche Sektor Gesundheit und Soziales hat heute 40.000 Beschäftigte und damit mehr, als die Stahlindustrie in ihrer Blütezeit jemals hatte. In Wirklichkeit wird dieses Wachstum des öffentlichen Sektors durch die Verschuldung des Landes finanziert, da sein Reichtum nicht im selben (Über)Maß gewachsen ist. 6. Märchen: Die Unternehmen leisten keinen Beitrag zu den nationalen Anstrengungen Es stimmt, dass die Regierung mit neuen Abgaben Anstrengungen von allen verlangt, insbesondere von den besser gestellten Privathaushalten. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Unternehmen nicht auch ihren Beitrag leisten. In Wirklichkeit enthält das von der Regierung angekündigte Zukunftspaket Maßnahmen, die die Unternehmen dauerhaft mit 200 bis 250 Millionen Euro pro Jahr belasten werden, während diese mit einer Wirtschaftskrise konfrontiert sind, die sinkende Umsätze und Margen nach sich zieht. Es sind die Unternehmen, die an vorderster Front die Auswirkungen der Krise einstecken müssen, 2 während die aufeinander folgenden Regierungen alles getan haben, um die Privathaushalte zu schonen. 7. Märchen: Die Unternehmen werden zulasten von Privatpersonen steuerlich bevorzugt Immer wieder hört man, dass die Unternehmen letztendlich auch mehr Steuern zahlen sollen, um die Privatpersonen zu schonen. In Wirklichkeit verhält es sich so, dass der Anteil der Unternehmen an den Einnahmen direkter Steuern zwar tendenziell zurückgegangen und der der Privathaushalte gestiegen ist, dass dies aber auf einen Einbruch der Einnahmen der Unternehmen zurückzuführen ist, während die Einkommen der Privathaushalte stabil geblieben oder sogar gestiegen sind. Bei den indirekten Steuern trifft die Mehrwertsteuererhöhung direkt einen großen Teil der Unternehmen, weil sie entweder die MwSt. zahlen (Banken) oder weil ihre Branche besonders stark von der Erhöhung betroffen ist (Bauwesen, Cafés, Restaurants) oder weil sie einen Teil der MwSt. von ihren Margen abziehen. Doch vor allem stellt die Indexierung der von den Unternehmen gezahlten Löhne die Kaufkraft der Verbraucher wieder her, die ihnen durch Erhöhungen der MwSt. verloren zu gehen drohte. 8. Märchen: Luxemburg hat kein Wettbewerbsproblem Es stimmt, dass Luxemburg eine sehr wettbewerbsfähige Wirtschaft hat, aber man sollte sich nicht durch einen trügerischen Vergleich mit unseren Nachbarn in Sicherheit wiegen. Unsere außerordentlich großzügigen Sozialsysteme brauchen eine ebenso außerordentlich hohe Wettbewerbsfähigkeit. In Wirklichkeit verliert Luxemburg seit Jahren in großen Schritten an Boden: eine strukturell höhere Inflation als in den Nachbarländern, steigende Produktionskosten, anhaltender Anstieg der Arbeitslosigkeit usw. Doch für das Erreichen der ehrgeizigen Wachstumsziele, die als Grundlagen für den Haushaltsentwurf 2015 herangezogen werden, und ganz allgemein für die Stabilität der Staatsfinanzen ist die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen eine Voraussetzung sine qua non. Appell der UEL: Lassen Sie nicht zu, dass Märchen die Debatte bestimmen! Die genannten Märchen sind allesamt Unwahrheiten, die in der öffentlichen Diskussion in Luxemburg immer wieder angeführt werden. Man sollte nicht blauäugig an sie glauben, denn sie verbergen unbequeme Wahrheiten, die uns dennoch unausweichlich einholen werden. Nur wenn wir uns den Herausforderungen stellen, können wir die notwendigen Entscheidungen treffen und die Probleme lösen. Die Zukunft gehört uns! Die 34.000 Unternehmen die in Luxemburg verwurzelt sind, stehlen sich nicht aus ihrer Hauptverantwortung, nämlich alles Notwendige zu tun, um ein möglichst starkes Wachstum zu erhalten, durch das Beschäftigung und Staatsfinanzen getragen werden. Luxemburg, den 9. Dezember 2014 Union des Entreprises Luxembourgeoises Tel. 260091 oder [email protected] 3