Rechtsformwahl bei der Unternehmensgründung Rechtsanwalt Dr. Mathias Jung Young Economy Partners AG Berlin [email protected] 27. November 2000 I. Übersicht zu den Unternehmensformen Unternehmensformen Einzelunternehmen Alleinunternehmer bzw. Einzelkaufmann (e.Kfm.) GmbH Gesellschaft Kapitalgesellschaft AG KGaA GbR Personengesellschaft KG OHG Stille Gesellschaft II. 1 Personengesellschaften Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR oder Gesellschaftsform BGB-Gesellschaft) Rechtsgrundlage §§ 705 – 740 BGB Gründung Durch konkludentes Handeln oder Vertrag Firma Keine spezielle Firmierung Keine Eintragung in das Handelsregister erforderlich Kein festes Kapital, keine Mindesteinlagen, Einlagen können in Geld, Sachwerten oder Dienstleistungen erbracht werden Handelsregister Kapital Haftung Uneingeschränkte persönliche Haftung aller Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft Haftungsbeschränkung als „GbR mbH“ nicht möglich, nur durch individuelle Vereinbarung mit Geschäftspartnern RechtsfähigKeine eigene Rechtsfähigkeit keit Keine besonderen Gesellschaftsorgane, Vertretung Organe und Geschäftsführung durch jeden einzelnen Gesellschafter Kosten Keine (evtl. Beratungskosten rd. 500 EUR) GbR eignet sich insbesondere für Vorgründungsphase („Gründer-GbR“) bei gleichberechtigten Eignung Partnern, wenn kein auf Dauer ausgerichtetes Gewerbe ausgeübt werden und keine Handelsregistereintragung erfolgen soll. II. 2 Personengesellschaften Gesellschaftsform Offene Handelsgesellschaft (OHG) §§ 105 – 160 HGB, ergänzend §§ 705 – 740 Rechtsgrundlage BGB Durch Gesellschaftsvertrag von mind. 2 GesellGründung schaftern, Außenwirkung mit Aufnahme der Geschäftstätigkeit Personen-, Sach- oder Phantasiefirma mit Zusatz Firma „OHG“ Handelsregister Eintragung erforderlich (HRA) Kein festes Kapital, keine Mindesteinlagen, wie Kapital bei GbR Uneingeschränkte persönliche Haftung aller Haftung Gesellschafter Rechtsfähig- Teilrechtsfähigkeit (z.B. gegenüber Grundbuchamt keit und Gerichten) Organe Kosten Eignung Keine besonderen Organe, wie bei GbR; Bildung eines Verwaltungsrates o.ä. fakultativ möglich Keine (evtl. Beratungskosten rd. 500 EUR) OHG eignet sich für den auf Dauer angelegten Betrieb eines kleineren und überschaubaren kaufmännischen Unternehmens (z.B. EDV-Beratung und –Handel), bei denen alle Gesellschafter aktiv und gleichberechtigt tätig sind. OHG erfordert hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen der Gesellschafter, genießt dafür gegenüber Banken hohe Kreditwürdigkeit. II. 3 Personengesellschaften Gesellschaftsform Kommanditgesellschaft (KG) §§ 161 – 177a HGB, ergänzend OHG- und GbRRechtsgrundlage Vorschriften Gründung Firma Durch Gesellschaftsvertrag mindestens eines voll haftenden Komplementärs mit mindestens einem beschränkt haftenden Kommanditisten Wie bei OHG, jedoch mit Zusatz „KG“ Handelsregister Haftungsbeschränkung des Kommanditisten erst mit Eintragung in das Handelsregister (HRA) wirksam Kapital Kapital und Einlage der Komplementäre wie OHG, Einlage der Kommanditisten kann in Geld oder Sachwerten erfolgen, muß aber stets als Geldbetrag konkret festgelegt werden Haftung Uneingeschränkte persönliche Haftung nur der Komplementäre (Gestaltungsmöglichkeit: GmbH & Co. KGaA), Kommanditisten haften nach Einlageleistung und Handelsregistereintragung nicht weiter RechtsfähigTeilrechtsfähigkeit wie bei OHG keit Keine besonderen Gesellschaftsorgane, GeschäftsOrgane führung und Vertretung erfolgt grundsätzlich allein durch Komplementäre Kosten Keine (evtl. Beratungskosten rd. 500 EUR) KG eignet sich für den auf Dauer angelegten Betrieb eines kaufmännischen Unternehmens, wenn einzelne Eignung Gesellschafter sich lediglich kapitalmäßig beteiligen möchten, aber nicht aktiv in der Gesellschaft tätig sind II. 4 Personengesellschaften Gesellschaftsform Stille Gesellschaft (StG) §§ 230 – 237 HGB, ergänzend Vorschriften über Rechtsgrundlage GbR Gründung Firma Durch mündliche Vereinbarung, konkludentes Handeln oder Gesellschaftsvertrag zwischen Geschäftsinhaber und stillem Gesellschafter Keine Firmierung, da bloße Innengesellschaft Handelsregister Grundsätzlich keine Eintragung in das Handelsregister (lediglich bei Beteiligung an einer AG nach §§ 293 ff. AktG) Kapital Kein festes Kapital, keine Mindesteinlage, Betrag der Einlage des stillen Gesellschafters (auch Sachwerte oder Dienstleistungen) ist konkret festzulegen Haftung Keine Haftung des stillen Gesellschafters über den Betrag seiner Einlage hinaus; Haftung des Geschäftsinhabers richtet sich nach dessen Rechtsform RechtsfähigKeine keit Organe Kosten Eignung Keine Organe, Geschäftsführung und Vertretung obliegen allein dem Geschäftsinhaber Keine (evtl. Beratungskosten rd. 500 EUR) Stille Gesellschaft eignet sich für die bloße Kapitalbeteiligung eines Dritten (z.B. tbg, KfW oder VCGesellschaften, teilweise in Ergänzung direkter Beteiligungen) insbesondere wenn das Beteiligungsverhältnis Dritten nicht bekannt werden soll III. 1 Kapitalgesellschaften Gesellschaftsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Rechtsgrundlage GmbHG Durch einen oder mehrere Gesellschafter, Gründung notarielle Beurkundung erforderlich Personal-, Sach- oder Phantasiefirma mit Zusatz Firma „GmbH“ oder „-gesellschaft mbH“ Handelsregister Kapital Gesellschaft entsteht erst mit Eintragung in das Handelsregister (HRB), vorher Zusatz „i.Gr.“ Stammkapital mind. 25.000 EUR, Einzahlung 25 %, mind. jedoch 12.500 EUR; bei Sacheinlage (z.B. Einbringung eines Unternehmens) gesonderter Gründungsbericht und Werthaltigkeitsnachweis erforderlich Haftung Keine persönliche Haftung (häufig jedoch persönliche Bürgschaften durch Banken gefordert) uneingeschränkte persönliche Haftung bis Eintragung in das Handelsregister RechtsfähigUneingeschränkte eigene Rechtsfähigkeit keit Organe Kosten Eignung Geschäftsführer (Fremd- oder Eigengeschäftsführer) mit umfassender Vertretungsbefugnis Gesellschafterversammlung Beirat oder Aufsichtsrat fakultativ Rd. 1.500 EUR GmbH ist einfachste und am wenigsten aufwendige Kapitalgesellschaft mit geringem Gründungsaufwand. Insbesondere für kleinere Unternehmen geeignet Rechtsform hat allerdings geringeres „Ansehen“ III. 2 Kapitalgesellschaften Gesellschaftsform Aktiengesellschaft (AG) Rechtsgrundlage AktG Gründung Durch einen oder mehrere Gesellschafter, notarielle Beurkundung erforderlich Firma Handelsregister Wie GmbH, aber Zusatz „AG“ Wie GmbH Kapital Grundkapital mind. 50.000 EUR, Mindestnennbetrag je Aktie 1 EUR, Einzahlung mind. 25 %; bei Sacheinlagen umfassende Gründungsprüfung durch Wirtschaftsprüfer erforderlich Haftung Keine persönliche Haftung uneingeschränkte persönliche Haftung bis Eintragung in das Handelsregister RechtsfähigUneingeschränkte eigene Rechtsfähigkeit keit Vorstand mit alleiniger Vertretungsbefugnis Organe Aufsichtrat als Kontrollorgan (mind. 3 Personen) Hauptversammlung Kosten Mind. 2.500 EUR AG ist typische Rechtsform für größere Unternehmen, die über den Kapitalmarkt Geld Eignung aufnehmen wollen und deren Anteile an der Börse gehandelt werden sollen; strenge Formerfordernisse (Erleichterung bei der „kleinen AG“) III. 3 Kapitalgesellschaften Gesellschaftsform Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) Rechtsgrundlage §§ 278 -290 AktG Gründung Firma Handelsregister Kapital Durch Komplementärin und zumindest einen Kommanditaktionär; grundsätzlich wie AG Wie AG, jedoch mit Zusatz „KGaA“ Wie AG Grundkapital wie AG; Komplementäre müssen nicht notwendig eigene Einlage erbringen Haftung Keine persönliche Haftung für Kommanditaktionäre; Komplementäre haften persönlich uneingeschränkt „kapitalistische“ KGaA zulässig RechtsfähigUneingeschränkte eigene Rechtsfähigkeit keit Komplementäre als Geschäftsführer mit alleiniger Vertretungsbefugnis Organe Aufsichtsrat mit geringerer Kontrollbefugnis Hauptversammlung mit eingeschränkter Kompetenz Kosten Rd. 2.500 EUR KGaA ist eher selten gewählte Rechtsform mit starker Stellung der Komplementäre. Grundsätzlich Eignung börsenfähig, insbesondere durch „kapitalistische KGaA“ in jüngster Zeit mit größerer praktischer Bedeutung IV. Steuerliche Wesensmerkmale Rechtsform GbR OHG KG Stille Gesellschaft Besteuerung der Gesellschaft Gewinn-/Verlustermittlung nach §§ 179, 180 AO auf der Ebene der Gesellschaft, aber lediglich anteilige Zurechnung an die Gesellschafter; keine eigene Einkommensbesteuerung (da Personengesellschaften keine eigene Rechtsperson); aber Gewerbe- und Umsatzsteuerpflicht Besteuerung der Gesellschafter IV. Steuerliche Wesensmerkmale Rechtsform GbR OHG KG Stille Gesellschaft Besteuerung der Gesellschaft Besteuerung der Gesellschafter Gewinn-/Verlustermittlung nach §§ 179, 180 AO auf der Ebene der Gesellschaft, aber lediglich anteilige Zurechnung an die Gesellschafter; keine eigene Einkommensbesteuerung (da Personengesellschaften keine eigene Rechtsperson); aber Gewerbe- und Umsatzsteuerpflicht Zurechnung der anteiligen Einkünfte, Versteuerung i.d.R. als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Steuerprogression (max. 47 %); Veräußerungsgewinn nach § 34 EStG begünstigt (Verteilung über fünf Jahre) IV. Steuerliche Wesensmerkmale Rechtsform GmbH AG KGaA Besteuerung der Gesellschaft Besteuerung der Gesellschaft als eigene Rechtsperson nach Körperschaftsteuergesetz (KStG) progressionsunabhängig mit 40 %. Für ausgeschüttete Gewinne gilt ein Steuersatz von 30 %. Vergütung des Geschäftsführers/Vorstandes (inkl. Pensionsrückstellung) gewinnmindernd vGA-Problematik Gewerbe- und Umsatzsteuer -pflicht Besteuerung der Gesellschafter IV. Steuerliche Wesensmerkmale Rechtsform GmbH AG KGaA Besteuerung der Gesellschaft Besteuerung der Gesellschafter Besteuerung der Gesellschaft als eigene Rechtsperson nach Körperschaftsteuergesetz (KStG) progressionsunabhängig mit 40 %. Für ausgeschüttete Gewinne gilt ein Steuersatz von 30 %. Vergütung des Geschäftsführers/Vorstandes (inkl. Pensionsrückstellung) gewinnmindernd vGA-Problematik Gewerbe- und Umsatzsteuer -pflicht Als Geschäftsführer/Vorstand Bezüge als Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit. Steuerbelastung des ausgeschütteten Gewinns i.H.v. 30 % wird bei persönlicher Versteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen angerechnet. Veräußerungsgewinne werden bei einer wesentlichen Beteiligung (derzeit 10 %, ab 01.01.2001 1%) voll besteuert V. Rechtsformwechsel - Umwandlung 1. Umwandlungsgesetz ermöglicht steuerneutralen Wechsel der Rechtsform (d.h. ohne Aufdeckung stiller Reserven oder eines Firmenwertes) Umwandlung GbR oder OHG/KG in GmbH bzw. AG Umwandlung GmbH in AG Alternativ: Einbringung eines Unternehmens als Sacheinlage im Rahmen einer Kapitalerhöhung (zur Vermeidung der Problematik der „verdeckten“ Sacheinlage) 2. Umwandlung ist mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden: Umwandlungsprüfung durch gerichtlich bestellten Wirtschaftsprüfer (eingeschränkte) Werthaltigkeitsprüfung durch Registergericht Zeitliche Verzögerung und Kostenrisiken (mind. 5.000 – 10.000 EUR) sind nicht zu unterschätzen VI. Zur „kleinen AG“ Keine eigene Rechtsform, sondern lediglich Synonym für nicht-börsennotierte AG nach Inkrafttreten des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften“ von 1994 Formelle Erleichterungen haben zu einer „Renaissance“ der AG geführt: Ein-Personen-Gründung möglich Einberufung der HV durch eingeschriebenen Brief und Universalversammlung möglich Notarielle Beurkundung der HV-Niederschrift nur bei Satzungsänderungen Nichtigkeitsgründe von Beschlüssen „entschärft“ Folge: Erwerb von Vorrats-AG (nicht: Mantelkauf) kostengünstig möglich (z.B. über FORIS AG) VII. Besondere Aspekte bei start-up-Unternehmen 1. Kapitalgesellschaft als Grundform Ziel-Rechtsform ist aus Kapitalmarktsicht die AG 2. Beteiligungsvertrag eines VC-Gebers: umfassende Gesellschafter-/Konsortialvereinbarung Kombination aus direkter und indirekter (z.B. stiller) Beteiligung finanzielle Zusage häufig abhängig von vertraglich definierten Milestones in Kombination mit lock-up-Regelungen Bestimmung von Exit-Zielen (IPO, trade sale, buy back o.ä.) 3. Stock-option-Modell grundsätzlich nur bei AG möglich Vorteil: Bindung und Motivation von Mitarbeitern Wichtig: Definition der Optionsbedingungen und -preise Durchführung: Bedingte Kapitalerhöhung von max. 10 % des Grundkapitals Steuerfolgen: Sollten erst bei Optionsausübung anfallen 4. Nachgründungsproblematik Sonderprüfung nach § 72 AktG, wenn in den ersten zwei Jahren nach Gründung mehr als 10 % des Grundkapitals investiert werden, sofern dieses nicht der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks dient derzeit in Überprüfung durch den Gesetzgeber VIII. Voraussetzungen des Börsengangs am Neuen Markt Tätigkeitsschwerpunkte in den Branchen der „New Economy“ und starke Wachstumsorientierung Gründung des Unternehmens mind. 1 Jahr zuvor (besser 3 Jahre) Kurswert der Emission mind. 5 Mio. EUR; Nennbetrag mind. 250.000 EUR (Stückzahl der Aktien mind. 100.000) Mind. 25 % Streuung der Aktien Erstellung eines umfassenden Emissionsprospektes in Deutsch und Englisch Veröffentlichung von Quartalsberichten nach Börsengang IX. Vereinfachter „Lebenszyklus“ eines start-up-Unternehmens 1. „Gründer-GbR“: „Jack and Joe try and error GbR“ seed-Phase (Projektentwicklung) 2. GmbH-Gründung: „JaJ labvision GmbH“ 2.1 Kapitalerhöhung I start-up-Phase (Produktentwicklung) 2.2 Kapitalerhöhung II to-market-Phase (Produkteinführung) 3. Umwandlung in AG: „L@bV AG“ 3.1 Kapitalerhöhung III expansion financing (Markterschließung) 3.2 Börsengang exit-Phase (Markterweiterung und Internationalisierung) X. Inkubatorenmodelle Vor dem Börsengang steht immer erst der Anfang. „Inkubatoren“ bieten qualifizierten Teams in der Seed-Phase (für sechs bis neun Monate) die Möglichkeit, ihre Geschäftsmodelle unter Nutzung der vorhandenen technischen, organisatorischen, Consulting- und NetzwerkInfrastrukturen auszuarbeiten. Hierfür sind jedoch häufig Beteiligungen bis über 50 % abzugeben. Technologie- und Gründerzentren (weniger geeignet) Econa AG (erster Berliner Inkubator, zwischenzeitlich Änderung des Geschäftsmodells Berlincubate (wird derzeit „aufgefüllt“) Young-Economy-Campus (demnächst größter Berliner Inkubator, bietet zudem „DeveLab“)