„Money makes the world go round“ Zur Funktion und Entwicklung der Finanzmärkte Inhalt I: Funktion und Wachstum der Finanzmärkte. Was sollten Finanzmärkte sein und was sind sie? II: Wie und warum kam es zur „Globalisierung“ und „Emanzipation“ der Finanzmärkte? III: Krisen und Regulierungsvorschläge Teil I: Funktion und Wachstum der Finanzmärkte Inhaltsübersicht Teil I: 1. Funktion und Gliederung der Finanzmärkte 2. Übersicht gebräuchlicher Finanzmarktprodukte 3. Grundlegende Zusammenhänge und Begriffe (Kurs, Marktkapitalisierung, Index, Derivat,...) 4. Entwicklung von Umsätzen an verschiedenen Teilmärkten 5. Finanzmärkte von der Unternehmensfinanzierung zum reinen Anlegercasino? 1 Was sind Finanzmärkte? Der Begriff „Finanzmarkt“ wird als Überbegriff für Bezeichnungen wie „Kreditmarkt“, „Geldmarkt“, „Kapitalmarkt“, „Devisenmarkt“, „Terminmarkt“, etc.. verwendet. Die zunehmende Verschmelzung dieser Märkte (vgl. Teil II) lassen eine solche übergreifende Bezeichnung als sinnvoll erscheinen. Der „Finanzmarkt“ ist der Bereich, an dem verschiedene Finanzprodukte (Buchgeld, Kredite, Aktien, Anleihen, Optionen, Derivate,...) zum Zweck der Investition in der Realwirtschaft, der Sicherung realwirtschaftlicher Geschäfte oder zur Spekulation aufgenommen und/oder getauscht werden. 1 Funktion der Finanzmärkte Die primäre Aufgabe des Finanzmarkts besteht darin, flüssige finanzielle Mittel, die keine konsumtive Verwendung finden, zu jenen umzuleiten, die Finanzmittel für Investitionen benötigen. Der Finanzmarkt soll „sparen“ und „investieren“ zu einem effizienten Ausgleich führen. Oftmals geäußerte Kritik: Ein großer Anteil der Gesamtumsätze an den Finanzmärkten erfülle diese Aufgabe nicht. 1 Gliederung der Finanzmärkte I •Kreditmärkte •Primärmärkte •Sekundärmärkte •Währungsmarkt (=Devisenmarkt) •Derivatemarkt Aktienmärkte, Anleihenmärkte Aber zahlreiche andere Klassifikationen sind ebenfalls möglich. 1 Gliederung der Finanzmärkte II • Laufzeit der Produkte (z.B.: Geld- und Kapitalmarkt) • Finanzierung bzw. Handel • Produktform (Eigentumstitel, Schuldtitel, Terminprodukt) • Risiko, Rendite der Produkte • Organisationsgrad der Märkte (z.B.: Börsen- vs. OTC-Handel) 2 Übersicht einiger wichtiger Finanzmarktprodukte I • Kredit • Aktien, Anleihen • Optionen, Futures, Swaps Abnahme der Finanzierungsfunktion bzw. Zunahme der Spekulationsfunktion 2 Finanzmarktprodukte und Finanzierung Eigenkapital (Aktien) Erwerb eines Anteils an einem Unternehmen In der Regel keine Rückzahlung; aber Dividende Eingriff des Aktionärs in das Management Fremdkapital (Kredite, Anleihen) Gläubiger erwirbt keinen Anteil am Unternehmen Rückzahlung ist verpflichtend und verzinst Kein Eingriff des Kreditgebers in das Management 2 Motive des Wertpapierhandels • Arbitrage: Ausnutzen von Kursdifferenzen • Hedging: Absicherung gegen Kurs-, Zinsund/oder Währungsschwankungen • Spekulation: Handel mit der Hoffnung auf Gewinne 3 Wie entsteht ein Aktienkurs ? • Über Market-Maker-Systeme • Oder über Auktionärsmärkte Beispiel für das Entstehen eines Eröffnungskurses Käufer Verkäufer Menge Preislimit (max.) Preislimit (min.) Menge 200 156 150 250 250 155 151 400 500 154 152 500 750 153 153 600 1000 152 154 1250 3000 151 155 1700 Quelle: SBF - Pariser Börse; zit. in Valdez 1997, S. 203 3 Theorien über die Entwicklung von Kursen • „Fundamentalisten“ / Purchase Power Parity • „Chartisten“ • Einfluss wichtiger Einzelereignisse • Neuronale Netze • „Aberglaube“ ?! 3 Was bedeutet „Marktkapitalisierung“? Die Marktkapitalisierung gibt an, wie hoch der gesamte Börsenwert eines Unternehmens bzw. einer Aktie ist. Die Marktkapitalisierung einer gehandelten Aktie errechnet sich aus dem Produkt von Kurs und Anzahl der Aktien. Das bedeutet, dass die Höhe eines Aktienkurses, der wiederum vom kumulierten Anlegerverhalten abhängt, den Börsenwert eines Unternehmens bestimmt. 3 Was ist ein Index? Ein Index bezeichnet die durchschnittliche Wertänderung einer Gruppe von Gegenständen in der Zeit. Er gestattet dem Investor die Beurteilung einer Branche oder eines gesamten Marktes in übersichtlicher Weise. Berechungsmethoden für Indizes: • Kursdurchschnitt (DJIA) • Kursindex (ATX) • Performanceindex (DAX) Indizes, die mit unterschiedlichen Methoden berechnet werden, sind kaum miteinander vergleichbar. 3 Derivative Finanzprodukte Derivate sind Finanzprodukte, deren eigener Wert aus dem Marktpreis eines oder mehrerer originärer Basisinstrumente (Aktienkurse, etc.) abgeleitet ist. Derivate gründen auf Termingeschäfte, beziehen sich also auf Ereignisse in der Zukunft. Termingeschäfte werden dann zu Derivaten, wenn die Ansprüche und Verpflichtungen aus diesen Geschäften selbst in Wertpapierform gebracht und gehandelt werden. Es gibt kein Derivat, das direkt der Finanzierung von Investitionen in der Realwirtschaft dient. 3 Swaps I Ist ein für die Zukunft vereinbartes Tauschgeschäft zwischen zwei Handelspartnern. Getauscht werden zumeist Beträge auf unterschiedliche Zinssätze (fix gegen variabel), Währungen, oder Zinsen und Währungen. Wenn die Unternehmen eine unterschiedliche Bonität aufweisen, können beide aus einem Swapgeschäft einen Vorteil ziehen. Ausgangssituation: Unternehmen A kann Kredit zu 7 Prozent fixer Verzinsung aufnehmen oder zu LIBOR, Unternehmen B zu 10 Prozent fix oder LIBOR + 1 Prozent. 3 Swaps II Unternehmen A 7 % fixer Zinssatz Unternehmen B LIBOR + 1% LIBOR 8% Beide Unternehmen erlangen durch das Tauschgeschäft einen Vorteil. 4 Weltweiter Aktienbestand und Aktienhandel (in Bio. $) 30 25 Marktkapitalisierung Aktienumsatz 20 15 10 5 0 1980 1990 1998 Quelle: FIBV, zit. in Huffschmied 2001 4 Aktienmarktkapitalisierung Mitte der 80er Jahre Quelle: Leyshon und Thrift 1997, S. 127 4 Weltweiter Anleihebestand und Anleihehandel (in Bio. $) 30 25 20 Anleihebestand Anleihenumsatz 15 10 5 0 1990 1998 Quelle: FIBV, zit. in Huffschmied 2001 4 Umschlagshäufigkeit heimischer Wertpapiere an den größten Börsen 1995 Quelle: Laulajainen 1998, S. 152 4 Wertpapierhandelsvolumen an der New Yorker und der Londoner Börse nach Herkunftsland 1995 Quelle: Laulajainen 1998, S. 156 4 Gesamte Finanzaktiva 1993 (ohne Derivate) Quelle: Laulajainen 1998, S. 30 4 2000 Entwicklung der Weltwährungsreserven der Zentralbanken und des täglichen Umsatzes im Devisenhandel (in Mrd. $) Weltwährungsreserven 1500 Devisenhandel 1000 500 Quelle: BIZ, zit. in Huffschmied 2001 1998 1995 1992 1989 1979/1980 0 4 Weltweite Bestände an Derivaten in Bill. $ (!!) börsengehandelt davon Zinsbezogen davon Währungsbez. davon Aktienindexbez. außerbörslich davon Zinsswaps davon Währungssw. sonst. Swapbez. Der. 1987 0,70 0,60 0,11 0,05 0,90 0,70 0,20 0,00 1992 4,60 4,30 0,10 0,30 5,30 3,90 0,90 0,60 insgesamt 1,60 10,00 65,50 Quelle: Huffschmied 1999, zit. in Huffschmied 2001 1998 13,50 12,30 0,06 1,20 52,00 22,30 1,80 4,90 4 Jährliche Umsätze mit börsengehandelten Derivaten in Bill. $ 500 400 300 insgesamt dav. kurzfr. Zinsbez. 200 100 0 1990 1995 1998 Quelle: BIZ, 68. und 69. Jahresbericht, zit. in Huffschmied 2001 und in Braasch 1996 4 Außerbörslicher Umsatz mit Zinsderivaten 4 / 1995 5 Die „wahre“ Funktion der Finanzmärkte: Unternehmensfinanzierung oder Anlegercasino? Quellen der Unternehmensfinanzierung (in %) USA Japan Dtl. F Kan. 64 35 59 43 50 81 55 65 72 60 einbehaltene Gewinne 1975 - 1980 1991 - 1995 Ausgabe v. Aktien 1975 - 1980 1991 - 1995 4 1 5 5 2 2 4 18 8 12 Aufnahme v. Anleihen 1975 - 1980 1991 - 1995 13 10 2 4 0 1 0 0 7 -3 Aufnahme v. Krediten 1975 - 1980 1991 - 1995 7 -1 34 40 25 23 13 12 22 17 Quelle: Huffschmied 1999, zit. in Huffschmied 2001 5 Fazit: Die Umsätze an den Sekundärmärkten, den Devisenmärkten und den Märkten für Derivate haben sich in den letzten Jahrzehnten explosionsartig vervielfacht, während die Finanzierung von Investitionen in der Realwirtschaft über Neuaufnahme von Krediten oder Emission von Aktien und Anleihen verhältnismäßig geringfügigen Veränderungen unterworfen war.