Das Kyoto-Protokoll und Herausforderungen für die Zukunft des globalen Klimaschutzes Germanwatch e.V. Ziel: Strukturen im "Norden" verändern, um Lebensbedingungen der Menschen im "Süden" zu verbessern • • • • 1991 gegründet ca. 500 Mitglieder, Fördermitglieder und Kampagneros 15 MitarbeiterInnen in Büros in Bonn und Berlin Arbeitsschwerpunkte: – RioKonkret: Klimaschutz und -verantwortung, Emissionshandel, Verkehr, nachhaltiges Investment – TradeWatch: Ernährungssicherung, Agrarhandel und Leitsätze für multinationale Unternehmen – Entwicklungspolitik: Informations- und Lobbyarbeit in der "klassischen" Entwicklungszusammenarbeit und globalen Strukturpolitik Das klimapolitische Ziel: Gefährlichen Klimawandel vermeiden Kyoto-Protokoll sollte als Teil einer Langzeitstrategie mit folgenden Eckpunkten verstanden werden: Weltweite Temperaturerhöhung sollte 2°C nicht überschreiten Jahrzehntelange, weltweit zu koordinierende Aufgabe liegt vor uns Mindestziel bis 2050: -50% THG-Emissionen weltweit, -80% in Industrieländern (gegenüber 1990) Ziel bis spätestens 2100: weltweit keine Netto-Emissionen mehr => Sehr ehrgeizige Ziele, (weiteres) Umsteuern darf nicht verzögert werden Treibhausgas-Emissionsziel 1990 2008-12 2020 2050 2100 Wichtigste Bestimmungen des Kyoto-Protokolls Protokoll regelt Ausstoß von 6 Treibhausgasen: CO2,CH4, N2O + drei fluorierte Gase bzw. Gasgruppen Emissionsziele gelten für Zeitraum 2008-2012 (gegenüber 1990) "Gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung": Im 1. Schritt nur rechtlich verbindliche Emissionsziele für Industrieländer EU-Staaten (durchschnittlich) -8%, Japan -6%, Russland +/- 0% (= Stabilisierungsziel) USA hatten sich zu 7% Emissionsreduktion verpflichtet, G.W. Bush lehnte das Protokoll vier Jahre nach Verabschiedung aber ab Ziele für Zeit nach 2012: Verhandlungen ab 2005 vorgesehen Verhandlungen auf UN-Ebene schwierig, wenn USA sowohl verbindliche Ziele als auch die UN als geeignetes Gremium für Fortschritte ablehnt IPCC-Berichte: Wichtigste wissenschaftliche Grundlage der UN-Klimaverhandlungen • • • • • • Belastbare wissenschaftliche Grundlage für problemgerechte Klimapolitik erforderlich 1988 gründen UNEP und WMO das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) Hunderte von Fachleuten arbeiten an IPCC-Berichten (Sachstandsberichte, Sonderberichte etc.) Zusammenstellung und Bewertung der wissenschaftlichen Ergebnisse, keine eigene Forschung Nur Ergebnisse aus "peer-reviewed" Literatur werden verwendet Sachstandsberichte (Assessment Reports): – 1. Bericht (1990): Wissenschaftliche Grundlage für KlimaRahmenkonvention – 2. Bericht (1995): Wiss. Grundlage für Kyoto-Protokoll – 3. Bericht (2001): War wichtige Triebkraft für die Ratifizierung des KyotoProtokolls durch mehr als 130 Staaten – 4. Bericht (voraussichtlich 2007): sollte Grundlage für das Handeln nach 2012 sein. Das Kyoto-Protokoll - Eine Erfolgsgeschichte • Rio de Janeiro 1992: UNCED / UNFCCC • COP1 1995: Berliner Mandat • Kräfteverlagerung der Wirtschaftslobbys: GCC + e5 • Kyoto-Protokoll 1997 • Klimagipfel Bonn+Marrakesch 2001: Konkretisierung des KP Wichtige flankierende Aktivitäten: • Rio+10 2002, Renewables 2004, EU-Emissionshandel • Inkrafttreten 16.2.2005 durch Ratifikation von 141 Ländern einschließlich Russlands Rio de Janeiro 1992: UNCED / UNFCCC • Fokus der Konferenz: Umwelt und Entwicklung • Konventionen und Grundsatztexte: – Klimarahmenkonvention (UNFCCC) – Konvention über Biologische Vielfalt, Wüstenkonvention (1994), Agenda 21, Rio-Deklaration, Walderklärung • Klimarahmenkonvention: – enthält rechtlich nicht verbindlich festgelegtes Stabilisierungsziel (bis 2000) für die Industrieländer in West und Ost. – ist eine Rahmenkonvention, d.h. Konkretisierung durch Protokolle erforderlich COP1 1995: Berliner Mandat • Inkrafttreten der Konvention am 21.3.1994, daraufhin: • 1. Vertragsstaatenkonferenz (= COP 1) in Berlin 1995 • Mandat zum Erarbeiten eines Protokolls mit Emissionszielen bis 1997 an Arbeitsgruppe delegiert Die Pro- und Anti-Klimaschutz-Lobbys der Wirtschaft: e5 und GCC • GCC (Global Climate Coalition): Verband klimaschutzfeindlicher Unternehmen • Bis 1996: Nur diese Lobby fossiler Industrie als "Stimme der Wirtschaft" wahrnehmbar => falscher Eindruck, Klimaschutz schade grundsätzlich der Wirtschaft • Ab 1996 auch in EU eigener Verband progressiver Unternehmen (e5), auf Initiative von Germanwatch (Partnerorganisation US-BCSE in den USA bereits seit 1992) => Seitdem auch "klimafreundliche" Stimme der Wirtschaft bei UN-Verhandlungen wahrnehmbar. Weitere Partnerorganisationen jetzt in UK und Australien • ab 1996: UNEP-Finanzinitiative (große Banken und Versicherer) spielt zunehmend wichtige Rolle • Ab 1997: Vermehrter Austritt von Unternehmen aus GCC (BP macht Anfang) • Januar 2000: Austritt von DaimlerChrysler am Tag einer Pressekonferenz der Kritischen Aktionäre und Germanwatch • 2001: GCC löst sich auf (Mitgliedschaft inzwischen zu rufschädigend) => Politik und Öffentlichkeit sehen Klimaschutz zunehmend als wirtschaftliche Chance Kyoto-Protokoll 1997 • COP3 tagt in Kyoto (Japan) • Protokoll mit Emissionszielen für Industrieländer • Praktisch alle Industriestaaten (auch USA) unterzeichnen Protokoll sehr bald • Ratifizierung durch meiste Staaten bleibt zunächst aus, denn: – Das politische Kyoto-Protokoll muss noch in ein "Gesetzbuch" übersetzt werden, das Details regelt. – Enorme Widerstände der fossilen Industrie (haben gemerkt, dass Einstieg in treibhausgasbegrenzte Zukunft naht) Bonner Klimagipfel 2001: Konkretisierung des Kyoto-Protokolls • 1997-2001: Verhandlungen zur Konkretisierung des Kyoto-Protokolls • Rückzug der USA im März 2001 • Unternehmerinitiative auf Anregung von e5, Germanwatch und WWF 2001: e-mission 55 ("Kyoto into force!") => zeigt, dass große Teile der Wirtschaft in der EU, Japan, Kanada und Russland hinter dem Kyoto-Protokoll stehen • Erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen in Bonn, Juli 2001 • "Feinschliff" auf COP7 (Marrakesch) => "Protokoll jetzt ratifizierbar" EU-Kommissarin M.Wallström auf der Abschlussveranstaltung von e-mission 55. Foto: G.Kier 2001-2004: Warten auf Russland • EU(-Staaten) und Japan ratifizieren Kyoto-Protokoll 2002 • Für Inkrafttreten fehlt Russland (zögert) oder USA (lehnt ab) => Warten auf Russland • Konferenzen: Rio+10 (Johannesburg 2002) und Renewables (Bonn 2004) • Beschlüsse zu EUEmissionshandel Eröffnung des Johannesburg-Gipfels, 26.8.02. Foto: Dörte Bernhardt Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls durch russische Ratifikation • Russland ratifiziert Kyoto 2004 => erstmals verbindliche Klimaschutzziele für Industrieländer => befördert auch Architektur des Emissionshandels weltweit • Klimaschutz-Ziele sind nur Einstieg, viel mehr ist notwendig => Jetzt an weitaus ehrgeizigeren Zielen für Zeit nach 2012 arbeiten! Grafik: Treibhausgasemissionen der Industrieländer 1990. Für das Inkrafttreten von Kyoto mussten 55% davon durch Ratifikationen abgedeckt sein. Herausforderungen für die zukünftige internationale Klimapolitik • Verantwortungsübernahme als Grundlage des Handelns • Aktivitäten der zentralen Akteure USA, EU, China • Angemessene und gerechte Einbeziehung der EL • Anpassung an unvermeidliche Folgen des Klimawandels • Einbezug des Flugverkehrs • Dynamik durch Finanzmärkte und Technologien • Regelungen nach 2012 Verantwortungsübernahme als Grundlage des Handelns Wer anderen Schäden hinzufügt, hat 2 Pflichten (moralisch + juristisch!): – Schädigung einstellen => Treibhausgasausstoß verringern – Schäden kompensieren => Für unvermeidbare Klimaschäden: Präventionsmaßnahmen finanzieren und eintretende Klimaschäden regulieren Kyoto-Protokoll: erster Schritt in diese Richtung Mit der Klima-AUSBADE-Kampagne möchte Germanwatch darauf hinweisen, dass das Prinzip der Verantwortungsübernahme auch im Klimaschutz Gültigkeit hat. Hier: Theaterstück "Haben Sie noch Zeit?". Foto: G.Kier Einbezug der USA in den internationalen Klimaschutz • Keine Ratifizierung von Kyoto durch USA absehbar • Einbezug der USA auf anderem Wege – Progressive Bundesstaaten, Kommunen, Unternehmen – Mittelfristig evtl. auch auf Bundesebene Politikwechsel – UK-Initiative (G8-Gipfel 2005) mit möglichen Technologie-Initiativen Bleibt die EU Zugpferd? • Zugpferd EU für internationalen Klimaschutz essentiell • Emissionsziele und Erneuerbaren-Ziele bis 2020 notwendig • Kann Emissionshandel ab 2008 zielführend umgesetzt werden? U.a.: – Gleiche Wettbewerbsbedingungen => verhindert Zertifikat-Zuteilung nach Bedarf – Abkehr vom brennstoffspezifischen Benchmarking (verhindert derzeit Wechsel zu klimafreundlichen Energieträgern) – Abkehr vom Grandfathering-Prinzip (Bestandschutzmethode) Die Rolle Chinas • • • • China ist weltweit größter Wachstumsmarkt => Schlüsselposition für Technologieentwicklung => Auch Herausforderung für Klimaschutz "Effizienzrevolution" in China angekündigt: BIP bis 2020 vervierfachen, Energieverbrauch nur verdoppeln • China plant Erneuerbare massiv zu fördern • Gesetzgebung für verbrauchsarme Fahrzeuge • Unterstützen auch Deutschland bzw. die EU die positiven Tendenzen durch ein bilaterales Energie- und Klimaabkommen? Einbezug des Flugverkehrs • Klimaschädlichster Verkehrsträger • Emissionen des internationalen Flugverkehrs durch Kyoto unberücksichtigt! • Übernahme von Klimaschutzpflichten notwendig: – Freiwillig bereits jetzt möglich: z.B. Atmosfair – Verbindlich (sollte spätestens ab 2008 erfolgen): z.B. Einbezug in EU-Emissionshandel, Emissionsabgabe etc. Finanzmärkte • Finanzmärkte sehen Klimawandel zunehmend als Risiko: – Mögliche Klimaschäden – Mangelnde Vorbereitung auf Regulierung und deren Konsequenzen – Risiko von Schadenersatzklagen • Carbon Disclosure Project => Offenlegung von Klimarisiken • Wegweisendes Anlageverhalten der Enhanced Analytics Initiative (EAI) • Trotz aller Fortschritte: Klimathema bei Geldanlage noch relativ unbedeutend Technologien • Wirtschaftliche Umstrukturierung muss (z.T. jahrzehntelange) Investitionszyklen berücksichtigen • Energieeffizienz: kurzfristig höchstes Potential für Emissionsverringerung • Erneuerbare: jetzt voranbringen, damit mittelbis langfristig effektiv • Großangelegtes Konzept gegen Entwaldung erforderlich (zusätzlich zu - nicht anstelle von Erneuerbaren + Energieeffizienz!) • CO2-Abscheidung und -Lagerung: – Förderung darf Effizienz + Erneuerbare nicht konterkarieren – Z.T. mit erheblichen Risiken verbunden Solarthermische Anlage auf einem Hausdach in Griechenland - Beispiel für eine schon heute kosteneffiziente Nutzung Erneuerbarer Energien. Foto: G.Kier Die Zukunft internationaler Klimaverhandlungen • USA blockieren UN-Verhandlungen => zusätzliche dynamisierende Wege im internationalen Klimaschutz notwendig: – Internationale Technologieinitiativen – Eigener Konferenzstrang für Erneuerbare Energien (aufbauend auf Renewables 2004) und Energieeffizienz – bilaterale Klima- und Energieabkommen (etwa mit China, Indien, Brasilien) Langfristige Ziele • Gefährlichen Klimawandel vermeiden! • >2°C globaler Temperaturanstieg gegenüber vorindustriellem Niveau nicht tolerierbar (auch offiz. EU-Position) • Jüngste wissenschaftliche Ergebnisse: Klimasensitivität höher als bisher geschätzt => ehrgeizigere Emissionsziele notwendig, um 2°C-Limit einzuhalten Links + Literatur Websites • • • UN-Klimasekretariat www.unfccc.int IPCC www.ipcc.ch Germanwatch-Infos zu Klimaschutz www.germanwatch.org/rio Texte • Kyoto-Protokoll im Volltext www.unfccc.int/resource/docs/convkp/kpger.pdf • Klimarahmenkonvention im Volltext www.unfccc.int/resource/docs/convkp/convger.pdf • Deutsche Umwelt- und Entwicklungsverbände: Klimaschutz in Deutschland bis 2020 www.germanwatch.org/rio/spd2020.htm • Climate Action Network: Klimaschutz nach 2012 www.germanwatch.org/kliko/ks19.htm • Climate Action Network: Gefährlichen Klimawandel verhindern! www.germanwatch.org/kliko/ks10.htm Weitere Informationen zum Thema UN-Klimaverhandlungen: www.germanwatch.org/rio/un.htm Impressum Redaktion: Gerold Kier, Christoph Bals & Dr. Manfred Treber Herausgeber: Germanwatch e.V., Büro Bonn Kaiserstr. 201 D-53113 Bonn Tel: 0228 / 60492-17, Fax: -19 E-Mail: [email protected] Stand: 31.1.2005 Dieses Projekt wird finanziell vom Bundesumweltministerium und vom Umweltbundesamt gefördert. Die Förderer übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen der Förderer übereinstimmen. Sie fanden diesen Foliensatz interessant und hilfreich? Wir haben ihn unentgeltlich zur Verfügung gestellt, sind jedoch für unsere weitere Arbeit auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung! Spendenkonto 32 123 00 Bank für Sozialwirtschaft AG BLZ 100 205 00 Infos zur Mitgliedschaft: www.germanwatch.org