Theorien über Krieg und Frieden

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Klassische Formen der
Konfliktbearbeitung
Gleichgewichtspolitik
Das Westfälische Staatensystem
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Ausgangspunkt:
Nullsummenspielartig organisiertes
Staatensystem
• Das Staatensystem besteht aus unabhängigen,
souveränen Staaten. Über ihnen gibt es keine
andere Autorität oder Macht. Die Staaten bestimmen selbst über ihr Zusammenwirken oder ihre
Konflikte, freiwillig oder unter dem Druck äußerer
oder innerer Umstände.  Anarchie
• Jeder Staat setzt sich seine Ziele selbst. Die Beziehungen der Staaten untereinander beruhen auf
dem Prinzip der Selbsthilfe. Selbsthilfe be-deutet
den Einsatz von Macht. Von ihr hängen das
Bestehen des Staates und die Erreichung seiner
Ziele ab. Die Staatengesellschaft ist folglich
anarchisch. Daraus folgt die Unsicher-heit des
einzelnen Staates als dauerndes Merk-mal seiner
Existenz.
 Self-Help-System  Sicherheitsdilemma
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Kennlinien des klassischen Realismus
Historischer Hintergrund:


Radizierung von Herrschaft
Genese der friedens- und
sicherheitsstiftenden
Funktion des Territorialstaats
 Trennung von Innen und
Aussen
 Entstehung des europäischen Staatensystems seit
1648/1713
Ideengeschichtliche Quellen:
Machiavelli
Entwicklung des
Staatsräsongedankes als
legitimatorischer Bezugspunkt für
die Selbstbehauptung des
modernen Territorialstaats.
Hobbes
Überwindung des innergesellschaftlichen Naturzustands durch
gesellschaftsvertragliche
Begründung des Leviathan;
Legitimation von Herrschaft als Garant einer
territorial abgegrenzten
sicherheitsgemeinschaftlichen Schutzzone: Basis
der Souveränitätsanspruchs; Freisetzung des
Naturzustands-Konzepts zur Charakterisierung der
Beziehung zwischen solchen Schutzzonen (d.h.
souveränen Staaten)
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Idealtypisch-metaphorische Charakteristika
der internationalen Politik
Idealtypisch-metaphorische
Charakteristika der internationalen Politik
Sytemebene
 anarchische Struktur
 Sicherheitsdilemma:
Erhöhung der eigenen
Sicherheit durch Stärkung
militärischer Fähigkeiten
verringert die Sicherheit
anderer; Folge:
spiralenförmiger
Rüstungswettlauf
 Gleichgewicht der Mächte
durch Abschreckung
 Internationale Politik als
Nullsummenspiel staatlicher
Akteure um Macht, Ressourcen,
Einfluss
Akteursebene
 exklusiver Handlungsanspruch
der Akteure im Bereich der „high
politics“
 Territorialität: Schutzfunktion
der harten Schale
 zweckrationales,
nutzenmaximierendes /nutzenoptimierendes Handeln
 Prinzip der (notfalls
militärischen) Selbsthilfe bei der
Durchsetzung von Interessen
Grundsätze des klassischen
Staatensystems
• Rex est imperator in regno suo – Souveräne sind
keiner höheren Gewalt unterworfen, sondern
unabhängig und anderen Souveränen gleich
• Cuius regio, eius religio – Der Herrscher
bestimmt die Religion der Untertanen, Fremde
haben kein Recht, aus religiösen Gründen in eine
souveräne Jurisdiktion zu intervenieren
• Balance of Power – Gleichgewichtspolitik soll
durch Bildung von Koalitionen und den jederzeit
möglichen Wechsel der Partner verhindern, dass
sich ein Staat zur Vormacht über alle anderen
aufschwingt
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Konsequenz I
• Ausbildung einer durch rechtsförmige Verfahren
regulierten, labilen, als Ganzes aber dennoch
dauerhaften Staatengesellschaft, die durch die Idee
des Gleichgewichts überwölbt wird und
Selbstbehauptung und Überleben der Staaten
dadurch sichern, dass die großen Mächte sich
gegenseitig in der Balance halten.
• Beziehungen der Staaten zueinander gebunden
durch einen gemeinsamen Wertekanon:
gemeinsame Interessen, gemeinsame
Rechtsordnung, gemeinsame philosophische &
politische Werte, gemeinsamer Zivilisationsstandard.
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Konsequenz II
• Vergesellschaftung zwischenstaatlicher
Beziehungen im Rahmen gemeinschaftlich
anerkannter Verhaltensregeln und über Zeit
ausgebildeter formeller wie informeller
Institutionen.
• Motivation durch das aufgeklärte, rationale
Selbst-Interesse der Staaten an der durch
Eigenbindung garantierten
Erwartungsverlässlichkeit künftigen
Akteurshandelns.
• „a civil order even in the context of anarchy“8
(Linklater)
Konsequenz III
Ausbildung eines Minimalkonsens der Staaten über
individuell wie gemeinschaftlich zu verfolgende Ziele:
1.Erhaltung und Schutz der Staatengesellschaft selber
# universalistische und transnational- revolutionäre
Akteure
2.Erhaltung der Unabhängigkeit und Souveränität
ihrer Mitglieder
3.Erhaltung des negativen Friedens als Normalzustand zwischenstaatlicher Beziehungen
4.Einhegung tödlicher Gewalt, Einhaltung von
Verpflichtungen [pacta sunt servanda], Garantie der
Verfügungsgewalt über das Eigentum durch
wechselseitig anerkannte Rechtsnormen
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Konsequenz IV
• Regulierung der Anarchie im Binnenverhältnis der
(zunächst europäischen, dann europäischatlantischen) Staatengesellschaft verknüpft sich mit
der Expansion nach aussen, vorangetrieben vom
Prozess der technologischen, sozioökono-mischen
und politischen Modernisierung
 Kreuzzüge des Mittelalters
 Streben nach überseeischen Kolonialreichen des 16.
– 18. Jhs. bei gleichzeitigem Ausbau der BofP
 Ausweitung des europazentrischen Staaten-systems
auf einen europazentrischen Welt-zusammenhang
(Imperialismus, 19.Jh.)
 Ausweitung des Gleichgewichtsrahmens auf die
Flügelmächte USA und UdSSR nach 1917; Übergang10
zur bipolaren Systemstruktur nach 1945
Literaturtipp
• Edward L. Morse: Modernization and the
Transformation of International Relations.
New York 1976.
• Adam Watson: The Evolution of International
Society. A comparative historical analysis.
London 1992.
• William Brown / Simon Bromley / Suma
Athreye (Hrsg.): Ordering the International.
History, Change, and Transformation.
London 2004.
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Sehr nützliche Website:
• http://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/
• Einführung in die Frühe Neuzeit
Erklärungsversuche:
Sicherheitsdilemma
• John H. Herz: Weltpolitik im
Atomzeitalter. Stuttgart 1961
• Ders.: Staatenwelt und Weltpolitik.
Aufsätze zur internationalen Politik im
Nuklearzeitalter. Hamburg 1974
Was ist das Sicherheitsdilemma ?
Definition nach Herz 1961
Das Sicherheits- oder Machtdilemma ist „…diejenige
Sozialkonstellation, die sich ergibt, wenn
(a) Machteinheiten (wie z.B. Staaten und Nationen in
ihren außenpolitischen Beziehungen) nebeneinander
bestehen,
(b) ohne Normen unterworfen zu sein,
(c) die von einer höheren Stelle gesetzt wären und sie
hindern würden, sich gegenseitig anzugreifen.
In einem derartigen Zustand treibt ein aus gegenseitiger Furcht und gegenseitigem Misstrauen geborenes Unsicherheitsgefühl die Einheiten in einem
Wettstreit um Macht dazu, ihrer Sicherheit halber
immer mehr Macht anzuhäufen, ein Streben, das
unerfüllbar bleibt, weil sich vollkommene Sicherheit
nie erreichen läßt.“ (Herz 1961: 130f.)
Die Struktur des Sicherheitsdilemma-Theorems
Anarchisches internationales Selbsthilfesystem
Unsicherheit des einzelnen Akteurs
Sicherheit begriffen als militärische Überlegenheit
Militärischer Schutz durch Rüstung
A rüstet
A fühlt sich bedroht
A rüstet marginal
stärker als B
B fühlt sich bedroht
B rüstet marginal stärker als A
B fühlt sich bedroht
usw.
Erklärungsversuche:
Gleichgewichtspolitik
• Richard Little: The Balance of Power in
International Relations. Metaphors, Myths
and Models. Cambridge 2007
http://www.uni-muenster.de/FNZOnline/politstrukturen/rahmenbedingungen/
unterpunkte/leitbegriffeBalance.htm
Erklärungsversuche:
Gleichgewichtspolitik - Pentarchie
Literaturtipp
:
• Handbuch der Geschichte der
Internationalen Beziehungen Bd. 4: Heinz
Duchardt, Balance of Power und Pentarchie.
Internationale Beziehungen 1700-1785.
Paderborn, München, Wien,Zürich 1997
• Reiner Pommerin, Das europäische
Staatensystem zwischen Kooperation und
Konfrontation 1739-1856, in: Helmut Neuhaus
(Hrsg.), Aufbruch aus dem Ancien règime.
Beiträge zur Geschichte des 18.
Jahrhunderts, Köln 1993, S. 79-99
Internationale Systeme Polaritäten
Weitere Erklärungsversuche:
Abschreckungspolitik
Klassiker:
• Dieter Senghaas: Abschreckung und
Frieden. Studien zur Kritik organisierter
Friedlosigkeit. Überarb.u.erg.Aufl.
Frankfurt/Main 1981
• Thomas C. Schelling: Arms and
Influence. New Haven/Conn. 1966
ABSCHRECKUNG
Bemühen, den Willen eines potentiellen Gegenspielers so zu
beeinflussen, dass er auf eine mögliche Handlung verzichtet, weil deren
Risiko kalkuliert untragbar ist
Abschreckung durch Verweigerung
(„deterrence by denial“) dem
Gegenspieler wird damit gedroht,
durch geeignete eigene Massnahmen
den möglichen Erfolg der von ihm
beabsichtigten Handlung zu
unterbinden
Anwendung vor
Abschreckung durch Vergeltung
(„deterrence by retaliation/punishment“)
dem Gegenspieler wird im Falle seines
Handelns mit Vergeltungsmassnahmen
gedroht, deren Kosten für ihn untragbar
sind
Konfliktbeginn
Anwendung nach
Prämisse :
Rationalitätsvorbehalt – beide Seiten einer
Abschreckungsbeziehung handeln auf der Grundlage
eines rationalen Kosten-Nutzen-Kalküls und nehmen von
einer beabsichtigten Handlung Abstand, falls deren
Kosten deren Nutzen übersteigen
Erfolgsbedingungen :

Fähigkeit des Abschreckers, dem Gegenspieler einen
untragbaren Schaden zuzufügen („capability“)

Möglichkeit des Abschreckens, dem Gegenspieler eine
solche Drohung zu übermitteln („communication“)

Geschick des Abschreckers, den Gegenspieler eine
solche Drohung glauben zu machen
(„credibility“/Glaubhaftigkeit)
Problem:
Abschreckung ist das Produkt, nicht die Summe
ihrer Erfolgsbedingungen A = (Cap. X Cred. )
Comm. Fällt eine der drei Bedingungen aus, muss
Abschreckung versagen!
ABHALTUNG
Bemühen, dem Gegenspieler
deutlichen, dass der
zu
ver-
„Eintrittspreis“
für eine Invasion (und ggfs. Besetzung) des
eigenen Territoriums so hoch ist, dass er die
aus einer solchen Aggressionshandlung
entstehenden Gewinne überschreitet
Literaturtip
• Lawrence Freedman: The Evolution of
Nuclear Strategy. 2nd ed. London 1989
• Lawrence Freedman (ed.): Strategic
Coercion. Concepts and Cases. Oxford 1998
• Henry A. Kissinger: Kernwaffen und
auswärtige Politik. 2.Aufl. München 1974
• Henry A. Kissinger: Die Vernunft der
Nationen. Über das Wesen der Aussenpolitik.
Berlin 1994
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