Weltnovelle – Der Traum vom Raum Vortrag zur Tagung „Poetry meets Science“ ESOF Turin 5.7.2010 Ein internationales Projekt Vom planimetischen Raum zum poetischen Raum. Entwicklung einer „Poesie des Raumes“. Konzentration auf Stadträume. Eigenheiten der Stadt, das Grosse im Kleinen, das Ferne im Nahen. Infrastruktur und Dinge des Alltags - Umsetzung in literarische, poetische Kurztexte. Die Stadt wird Teil in der Weltnovelle – durch Künstler oder Laien. Sie erzeugt wiederum Anstöße für die Stadtplanung. Konzept in Kürze Der Stadtraum ist ein geplanter Raum, durch den man täglich geht, in dem man lebt. In den letzten Jahrzehnten sind wir mit Errungenschaften verwöhnt worden, die wir aus dem Stadtleben nicht mehr wegdenken: – Bahnen, Trams, Strassen, Infrastrukturen, Siedlungen bieten Komfort. – In Masterplänen wird Entwicklung gesteuert, künftige Gestaltungen werden vorbereitet – Stadtpläne sind auf Internet und Handy bequem zugänglich. Das ist nicht alles! Menschen entdecken im Stadtalltag Ungewöhnliches, Einmaliges, Neues im Gewohnten oder Gewohntes im Neuen. Menschen sind nicht nur Macher (poietisch veranlagt) sondern auch Träumer (poetisch gestimmt). Das Projekt leistet einen Beitrag, wie der Stadtraum als poetischer Raum entdeckt, erfunden und erlebt wird. Strategie: Abbild • • • • • • das Stadtimage das Alltagsbild der Bewohner das kulturelle Bild das „synthetische“ Reisebild Räume als „Landschaftsgestalten“ zugleich gesellschaftliche Formationen Die poetische Stadt • reflexive Raumbildung • projektive Raumbildung • imaginäre Raumbildung Weltnovelle: Beispiel SAO PAULO Eine der Weltstädte ist Sao Paulo. Die sechs Impressionen illustrieren einen Beitrag aus den 1920er Jahren. Quelle: Blaise Cendrars, Poésies complètes, Vol 1, Nouvelle édition, édition Denoel, Paris, 2005 Aus: Feuilles de route Sao Paulo, S. 227-233. Die Übertragung ist ein Entwurf, nicht autorisiert. Photos WORLD_DRIVES November 2008 SAO PAULO Debout 1 Impression 1: Soeben aufgestanden Die Nacht macht sich davon Der Tag bricht an Ein Fenster öffnet sich Ein Mann lehnt sich trällernd hinaus Hemdsärmlig schaut er über die ganze Welt Der Wind murmelt sanft wie ein brummender Schädel SAO PAULO La ville se réveille 2 Impression 2: Die Stadt erwacht Ein Werktag – die ersten Trams rattern vorbei Ein Mann verkauft Zeitungen mitten auf einem Platz Er kämpft mit den großen Papierblättern, die schlagen wie Flügel und er führt eine Art Ballet auf ganz für sich allein sich selbst begleitend mit kehligen Lauten STADO...ERCIO...EIO Ein Hupkonzert antwortet ihm Und die ersten Autos flitzen mit Vollgas vorbei SAO PAULO Klaxons électriques 3 Impression 3: Elektrisierendes Hupen Hier gibt es keine Liga für Lärm Wie in allen neuen Ländern Lebensfreude und Unternehmergeist äussern sich im Gehupe und Scheppern der Auspuffrohre SAO PAULO Menu frétien 4 Impression 4: Fisch Friteuse Der Himmel ist tiefblau Die Mauer gegenüber ist stechend weiss Die pralle Sonne brennt mir auf den Kopf Eine Negerin lässt auf einer kleinen Terrasse kleine Fische brutzeln auf einem Rechaud ausgeschnitten aus einer alten Biskuitblechschachtel Zwei Negerlein lutschen an einem Zuckerrohrstengel SAO PAULO Passage 5 Impression 5: Passage Die Mauer in Lack der PENSION MILANESE ragt in mein Fenster Ich blicke in einen Ausschnitt der Avenue SAO JOAO Trams Autos Trams Tram-Trams Trams Trams Gelbe Maultiere zu dritt zusammengebunden ziehen winzige Karren Über Pfeffersträuchern der Avenue ragt riesig das Reklameschild der CASA TOKIO Die Sonne flimmert in Lackfarbe SAO PAULO Saint Paul 6 Impression 6: SAO PAULO Ich bewundere diese Stadt Sao Paulo ist mein Herz Hier gibt’s keine Tradition Kein Vorurteil Weder alt noch modern Einzig zählt ein verrückter Appetit dieses absolute Vertrauen diese Kühnheit diese Arbeit diese Mühe diese Spekulation, die zehn Häuser pro Stunde aus dem Boden schiessen lassen – in allen Stylen: lächerlich grotesk schön gross klein nördlich südlich ägyptisch yankeeartig kubistisch Ohne wenn und aber folgt man den Statistiken, die eine Zukunft vorher sehen – Komfort Nützlichkeit Mehrwert Anziehungskraft für die große Immigration Alle Länder Alle Völker Ich liebe das Die zwei drei alten verbliebenen portugiesischen Häuser glänzen in blauem Porzellan Jede Stadt hat einen Platz im großen Überseekoffer, der Stück um Stück die Weltnovelle beherbergt. Der auf die Reise genommen werden, aber auch für einige Zeit abgestellt und besichtigt werden kann. Eine immer wieder neue Erfindung der Welt Den Apparatschik ablegen Den Körper als Resonanzkörper akvivieren Schmetterling werden, oder Narr Raumpoesie schaffen! Die wichtigsten Wirkungen: Der menschliche Körper als Resonanzkörper für den Stadtraum. Stadt wird „fühlbar“. Die stadtnahe Kommunikation des Verlaufs und des Ergebnisses öffnet die Augen für Überraschendes wie für Erinnerungen. Das ergibt eine produktive Spannung. Phantasie, Tagträume, Gedanken, Erinnerungen, Wissen: Der Homo Poeticus wird aktiv. Ergebnisse als Mosaikstein im Fundus der Weltnovelle. Contacts • is an international network registered at the Chamber of Commerce of Canton Zurich as Non-Profit Association, affiliated Institute of IB-University Berlin. • stimulates cultural projects promoting the image of World Society in cultur1e and arts of specific groups and nations • builds bridges between Science and Culture A special website for the events is under construction: http://www.swo.de/tvrstart.html Address: WORLD_DRIVES association Aff. Institute of IB-University Berlin cultural projects Mühlebachstrasse 35 CH-8008 Zürich www.ib-hochschule.de www.culturprospectiv.ch Projektkonzept und –leitung: Prof. Dr. Hans-Peter Meier-Dallach Prof. Dr. h.c. Uli Rothfuss