Der Kosmos mit dunkler Materie und dunkler Energie Volker Müller • • • • AIP Wo stehen wir im Universum ? Kalte dunkle Materie (DM) Vakuum mit Energie (DE) Strukturbildung mit DM + DE http:/www.aip.de/groups/cosmology [email protected] 1 AIP Potsdam Schwarzschild-Technologiegebäude Elemente: Gravitationstheorie Galaxien und Strukturen Einstein-Turmteleskop MultiobjektSpektroskopie 2 Lokale Sternsysteme Region des galaktischen Zentrums (60° x 40°) Offener Sternhaufen M50 ca. 100 Sterne (15‘) Galaxie M31 mit Begleitern (Durchmesser 3°) 3 Milchstraße als unsere Heimat Planeten: Erde - Sonne: 150 Mill. Km Astron. Einheit AE 8 Lichtminuten Erde - Saturn: 10 AE ≈ 1 Lh Vergrößerung: 1 : 100 Tausend Fixsterne nahe der Sonne: 1 - Centauri (4.3 Lj entfernt) 2 - proxima Centauri 3 - Sirius Vergrößerung: 1 : 10 Tausend 4 Astronomie vom erdnahen Raum Internationale Raumstation ISS: 340 Km Höhe Wilkinson Anisotropie Map (WMAP) Satellite: Lagrange-Punkt 2 1.5 Mill. km von Sonne weg 5 Welt der Galaxien nahe Fixsterne: einige pc 3.26 Lj = 1 Parsec (pc) Nachbargalaxien: über ein Millionen Parsec (Mpc) Weltradius: 4 500 Mpc Lokale Gruppe 6 Dunkle Materie „Wo ist die dunkle Materie?“ Konzept ähnlich fundamental wie die Expansion des Universums Ohne dunkle Materie halten Galaxien nicht zusammen. Ohne dunkle Materie sind Galaxienhaufen Zufallsprodukte. Ohne dunkle Materie würden wir keine Gravitationslinsen beobachten! 7 Dunkle Materie Titel: „Die Kraft des Sternsystems senkrecht zur Milchstraßenebene und damit verwandte Probleme“ Jan Hendrik Oort (1900 - 1992) 193 2 8 Dunkle Materie Oort bestimmte die Massendichte in der Milchstraßeneben: 0.15 Sonnenmassen pro pc3 und damit vergleichbar mit der Leuchtdichte Damit kaum dunkle Materie in der Milchstraßenebene (max. Anteil 50%) Oortsche Grenze in Galaxien ist Masse pro Leuchtkraft etwa konstant bemerkenswert: leuchtschwächere Sterne in Sonnenumgebung machen % der Masse aus, leuchtkräftigere dagegen ca. 95 % der Leuchtkraft 75 9 Dunkle Materie Oorts Paper von 1932 war erste Bestimmung der Massendichte des Milchstraßensystems 10 Dunkle Materie Messung der Masse von Sternsystemen durch relative Bewegung (viel Masse verursacht schnelle Bewegung): Paper von 1933 “Die Rotverschiebung von extragalaktischen Nebeln” Messung von Radialgeschwindigkeiten in Galaxienhaufen von 700 km/s Fritz Zwicky (1898 - 1974) DM mit einem Faktor 100 über der Leuchtkraft 11 Dunkle Materie in Galaxiencluster der Shapley-Region bei z=0.05, d.h. ca. 100 Mpc Entfernung 12 Dunkle Materie cp. Thesis Martins, Trieste, 2009 13 Dunkle Materie M51 M51: radiale Komponente der Zirkulargeschwindigkeit von Gaswolken Rotationskurven von Spiralgalaxien 14 Dunkle Materie Messung des neutralen Gases Dunkle Materie wichtig für Rotationskurven: steiler Anstieg im Zentrum und flach außen NGC 240 15 Dunkle Materie Röntgengas bildet DM-Verteilung ab Einstein-Satellit Coma-Haufen: Mpc Entfernung (Boehringer) 60 XMM-Newton Gastemperatur ist Maß für die Masse (hydrostatisches Gleichgewicht) 16 Dunkle Materie Sjurn Refsdal (1935-2009) war Pionier in der Forschung von Gravitationslinsen als Dektektoren in der Astronomie, hier 2005 mit der King’s Medal of Merit in Gold Dunkle Materie Verzerrung von Hintergrundgalaxien und Doppelbilder durch dunkle Materie in Galaxienhaufen: Gravitationslinseneffekt benutzt zur Massenbestimmung in Galaxiencluster und damit zur Messung von DM A1689 Broadhurst et al. 18 Dunkle Materie Verstärkung des Lichtes von fernen Galaxien Cl0024 (HST) 19 Dunkle Materie Rätselhafte Vierfachbilder: Weg zur Massenverteilung in Zentrum von Galaxien Vierfachbild des Quasars Q 2237+030 G. Lewis & M. Irvine Einstein-Kreuz in Zw 2237+030 J.Rhoads et al. 20 Dunkle Materie kommt aus der Massenbestimmung von Sternsystemen dunkle Halos um Galaxien: Rotationskurven Gas in Galaxienhaufen: hydrostatisches Gleichgewicht Lichtablenkung durch dichte enge Objekte: Gravitationslinsen Begriff seit etwa 1975 im Gebrauch (zuvor vermisste Materie) heute: kalte dunkle Materie = CDM Kandidaten Neutrinos (vom Beta-Zerfall): nein! häufigste Teilchen im Kosmos, aber nicht kalt Photinos (oder Axionen, Gravitinos) WIMPs über 100 mal so schwer wie Proton Braune Zwerge, Planeten, Schwarze Löcher - MACHOS nicht nachgewiesen, es gibt dafür nicht genug Baryonen 21 Dunkle Energie kommt aus der Messung der Expansionsrate des Universums Begriff 1999 von Michael Turner Ursprung geht auf Einsteins Erweiterung seiner Feldgleichungen 1917 zurück: kosmologische Konstante Einstein bezeichnete dies bald als “größten Plunder seines Lebens” Einstein, Eddington, Ehrenfest, Lorentz, deSitter: Leiden 1920 22 Dunkle Energie Expansion des Universums ist mit der Rotverschiebung gemessen z=1 heißt Halbierung der Abstände zwischen Galaxien Messung mit der Rotverschiebung: z=0.2 Tiefe von Rotverschiebungskatalogen von Galaxien z=1 halbes Weltalter (7 Milliarden Jahre) z=2 Maximum der Quasaraktivität ca. z=6 Rekord für Galaxien (1 Milliarde Jahre) z=1000 Tiefe des sichtbaren Universums (200 Tausend Jahre) 23 Dunkle Energie 24 Dunkle Energie Häufigkeit der Mehrfachbilder: Vakuumenergie notwendig für Lichtweg von über 7 Mrd. Lj bis Rotverschiebung z=1 Anteil der Vakuumenergie über 70%: 1. Nachweis 1992 (Carroll, Press, Turner) Einstein-Kreuz in Zw 2237+030 J.Rhoads et al. seit 2003: Nachweis von DE durch Grad der Verzerrung von Hintergrundgalaxien 25 Dunkle Energie Beobachtung einer Supernova in einer nahen wechselwirkenden Galaxie Typisch eine SN alle 50 Jahre in einer Galaxie Kosmische SN-Projekte: Überwachung einer großen Zahl von Galaxien SN1a sind explodierende Weiße Zwerge: physikalische Modellierung relativ gut möglich 26 Dunkle Energie mit 75% Dunkle Energie Lichtkurve bestimmt absolute Helligkeit: ferne SN sind schwächer als erwartet - Raum größer durch Dunkle Energie Erwartung ohne DE 27 Dunkle Energie = Otto von Guericke erzeugte 1657 Vakuumenergie Vakuum in Magdeburger Halbkugeln: Kugel von 1m Durchmesser trägt Gewicht von 10 Tonnen kein ‘Horror Vacui’ nach Aristoteles 28 Stich von Caspar Schotts Vakuumenergie Hendrik Casimir berechnete 1948 Vakuumenergie zwischen Leiterplatten 1957 gemessen 1998 Leipzig: Symposium zur Vakuumenergie P hc 480d 4 entspricht für d= 0.1 mm das 10-15 fache des Luftdrucks, oder 10-5 N/m2 29 Vakuumenergie 1965 Zeldovich + Sacharov: ‘Steifheit’ des leeren Raumes (aber kein Äther) erste Vakuumenergieberechnung durch Walter Nernst 1926 (Unschärfterelation) beobachtet: erwartet: wenn v 1026 kg/m 3 k 3 h 2 1 97 3 v 2 10 kg/m 2 c 0 2 c 4min h kmax min 1.6 1035 m 30 Dunkle Energie dynamische Messung (Bahnen von astronomischen Objekten)? Beschleunigung = Gravitationsanziehung - Hubble-Expansion2 x Abstand Vakuumenergieeffekt auf Erdbahn um Sonne: 10-22 Galaxie im Cluster: 1% wirklich nur im kosmischen Rahmen zu messen kosmische Beschleunigung: q m 2 0.55 Vakuumenergie 75% Materie 25% 31 Dunkle Energie Materie dominiert Expansion dominiert Materie und Vakuum gleichen Expansionsrate aus 32 Dunkle Energie im 3K-Hintergrund 3K-Photonen erreichen uns von der Zeit der letzten Streuung 33 Dunkle Energie Blick ins frühe Universum: Antennenrauschen COBE-Satellit misst Gravitationsfeld vom Urknall WMAP misst Intensitätsverteilung und (indirekt) Geometrie des Universums 34 Dunkle Energie 1. Messung BoomerangBallon (2002) am Südpol LSS Messung der Größe von tyischen Schwankungen der Temperatur 35 Dunkle Energie Messung der Temperatur auf der ganzen Himmelskugel: Abbild der Zeit der ‘letzten Streuung’ Harmonie der Obertöne vermißt Kosmos 36 Strukturbildung mit DM und DE 37 Strukturbildung mit DM und DE Jarrett et al. (2003): ca. 1 Millionen nahe Galaxien, Struktur naher Superhaufen 38 Strukturbildung mit DM und DE Dichtemaxima markieren 5000 Gruppen: feine Filamentstruktur Irreguläre Strukturen mit 40 Superhaufen 39 Strukturbildung mit DM und DE Kleine Dichteschwankungen vom Frühkosmos wachsen unter eigenen Gravitationsfeld an (Gravitationskollapse), es bilden sich anisotrope Strukturen. Die Strukturbildung verläuft von kleinen zu großen Skalen, typisch für kalte DM. Die Filamentstrukturen sind stark ausgeprägt und stabil, die kosmischen Geschwindigkeitsfelder sind gross gegen unregelmäßige Bewegungen: density field δ(x,t) :displaced mass structure forming gravity field g(x,t) peculiar velocity v(x,t) Beschleunigung der Expansion durch DE. 40 Strukturbildung mit DM und DE ● Kollaps längs einer Achse ● Kollapse längs zweier Achsen ● 3-dimensionaler Kollaps Schicht (pancake) Filament Klumpen (Halo) 41 Strukturbildung mit DM und DE Zur Anzeige wird der QuickTime™ Dekompressor „Microsoft Video 1“ benötigt. Kompakte Gruppe HCG40 (z=0.01, Subaru) simulierte Gruppe in 20 Mpc Box, Zoom auf 1 Mpc 42 Strukturbildung mit DM und DE Zur Anzeige wird der QuickTime™ Dekompressor „Microsoft Video 1“ benötigt. Abell-Cluster A1689 (HST) 43 simulierter Cluster, Faltenbacher Strukturbildung mit DM und DE Zur Anzeige wird der QuickTime™ Dekompressor „Microsoft Video 1“ benötigt. simulierte Void-Region Gottlöber 44 Strukturbildung mit DM und DE typische Galaxien: heute Rotverschiebung z=2 z=3 Hubble Deep Field 45 C. Driver Strukturbildung mit DM und DE = LCDM Leuchtkraft von Modellierung Superhaufen: braucht Leistung auf grossen Skalen (DM + DE) Größe von Leerräumen: braucht Beschleunigung für Bildung BaryonenOszillationen messen Energie des Vakuum 2DFGRS-Analyse (Benda v. Beckmann, Müller) Mare-Nostrum Simulation (Gottlöber, Wagner) 46 Experiment HETDEX Hobby-EberlyTeleskop mit 9.2 m Spiegeldurchmesser (segmentiert) im Primärfokus 20 Virus-Spektrographen mit je 132 Integral Field Units VirusP seit 2007 im Test Spektrographen gebaut am AIP, Software entwickelt in Texas und München Simulationsrechungen am AIP PI: P. Gebhardt 47 Experiment HETDEX Prototyp-Beobachtungen: schwach und rech deutlicher Nachweis 48 Experiment HETDEX Vergleich der erwarteten (schwarz) und der ersten Prototypverteilung Messempfindlichkeit unter 1% 49 Experiment HETDEX Baryonische akustische Oszillationen: Rekonstruktion verbessert Signal um Faktor 2 Oszillationen (5% des Signals) sind Eigenschwingungen des kosmischen Plasmas vor der Rekombination Experiment gefördert durch Mittel im Wettbewerb: Pakt für Exzellenzförderung Simulationen: Wagner, Müller, Steinmetz 50 Strukturen bei grossen z Z-Cosmos Survey 2009: Kovac, Lilly et al. 1.7 deg2 tiefe Strukturen bis einige Tausend Mpc! 51 Strukturbildung mit DM und DE 52 Einladung zur „Langen Nacht der Sterne“ ins AIP: Samstag 4. April 18 - 1 Uhr 53 Strukturbildung mit DM und Dunkle Materie dominiert Strukturbildung DE Dunkle Energie die kosmische Entwicklung - in den ersten Sekundenbruchteilen und in den letzten Milliarden Jahren www.aip.de/groups/cosmology Ich wünsche Ihnen einen guten Heimweg! Wir brauchen Hilfe bei der Theorie der dunklen Energie - und bei der Beobachtung von veränderlichen Quellen! 54