Arbeitsgruppe „Führung von Unternehmen und gesellschaftliche Organisation (FUGO)“ „Homo interagens. Soziale Interaktion – ein grundlagentheoretischer Diskurs in der Ökonomik“ Dr. Mark Euler Oldenburg, 04.11.09 Stiftungsprofessur Entrepreneurship Homo interagens 1 Gliederung 1) Ausgangssituation 2) Argumentation 3) Weitere Kapitel Stiftungsprofessur Entrepreneurship Homo interagens 2 Ausgangssituation • Die besonders auch durch ökonomische Überlegungen und Entwicklungen beförderte Individuumsidee stellt eine der wichtigsten Entwicklung der letzten ca. 300 Jahre dar und bildet zugleich den Ausgangspunkt einer grundsätzlichen Auseinandersetzung. • Es formierten sich zwei große Strömungen: Taylor bezeichnet die Vertreter dieser beiden Richtungen als Atomisten bzw. Holisten: „Die große, seit mehr als drei Jahrhunderten andauernde Auseinandersetzung auf diesem Gebiet trennt Atomisten von Holisten (...)“ (Taylor 1993: 103) • In der Praxis bedeutete dies eine Doppelbewegung zweier Organisationsprinzipien: „Um zum Kern der Sache zu kommen: Man ist sich einig, daß die um die Verbreitung des Marktsystems bemühte liberale Bewegung auf eine Gegenbewegung stieß, die dieses Marktsystem zum Schutz der Gesellschaft einschränken wollte (...).“ (Polanyi 1977: 185) • Dies warf in westlichen Gesellschaften das Hobbessche Problem auf, wie aus nur am eigenen Nutzen interessierten Individuen ein integriertes, gesellschaftliches Ganzes entstehen kann. Stiftungsprofessur Entrepreneurship Homo interagens 3 Ausgangssituation • Die Auseinandersetzung dieser beiden Strömungen ist trotz verschiedener Ansätze zur Überbrückung der Kluft (u.a. Giddens 1984, Coleman 1990) nie wirklich logisch, sondern nur inhaltlich gelöst worden. • Die Denkfiguren des quasi solipsistischen „homo oeconomicus“ am einen und dem eher holistischen „homo sociologicus“ am anderen Ende des Spektrums stehen sich immer noch gegenüber. • Um dieses Problem zu lösen sollen die beiden Strömungen bzw. Denkfiguren von einer Metaebene aus in ihrer Modellogik betrachtet und gefragt werden, wie von diesen zwei Strömungen als solche Strömungen gedacht werden kann. Stiftungsprofessur Entrepreneurship Homo interagens 4 Argumentation - logische Voraussetzungen • Gemäß u.a. des Interpretationismus (Abel 1995, Lenk 1993) und des NonDualismus (Mitterer 1993) muss, um von „Etwas“ überhaupt denken zu können, dieses „Etwas“ unterschieden werden. • Ohne Unterscheidung gäbe es rein logisch nichts. • Erst durch die Unterscheidung entstehen Begriffe. • Diese können sich somit aber auch nicht selbst generieren, sondern benötigen andere Begriffe, von denen sie unterschieden werden (ohne Schwarz − kein Weiß). • Das Individuum ist also ebenfalls nur als ein in fortgesetzten Unterscheidungsbeziehungen bzw. Interaktionen existierendes Individuum, als „homo interagens“ denkbar. • „Damit es überhaupt eine Perspektive geben kann, muss es viele geben.“ (Abel 1995: 506) oder auch „Einer allein kann nicht individuell sein (…)“ (Abel 1999: 349) Stiftungsprofessur Entrepreneurship Homo interagens 5 Argumentation • Somit kann das ehemals quasi solipsistische, ökonomische Individuumsmodell, nun als speziellere Form des „homo interagens“ rekonstruiert werden. • Die Aufnahme einer Interaktion ist also immer zuerst einmal nutzbringend, da das Wirtschaftssubjekt so eine bestimmte Identität erhält und definiert wird (Distinktionsnutzen Identitätskapital). • Über diese Kontakte erhält es zudem die Chance weitere Ressourcen zu erhalten. • War es im bisherigen Modell des homo oeconomicus fraglich warum ein Individuum eine Tausch-Startleistung erbringen sollte, wo doch das Risiko einer Rückzahlung angesichts der Trittbrettfahreroption, rein modellogisch, ohne die Setzung von ex ante bestehender Normen oder Institutionen, nicht zu überwinden ist, so ist es nun durchaus rational, eine solche Leistung zu erbringen, da das Individuum dadurch ein Merkmal, wie z.B. „Geber der Startleistung“ bekommt und so auch eine gewisse Identität erhält. Stiftungsprofessur Entrepreneurship Homo interagens 6 Argumentation • Es besteht somit auch ein direkter, aus der Logik der Modellkonstruktion heraus ableitbarer Anreiz für ein ökonomisch rational handelndes Individuum, Beiträge zu öffentlichen Gütern zu liefern oder Teil einer Gruppe zu sein. • Das Individuum erhält in jedem Schritt z.B. bei der Erbringung eines Beitrages zu einem öffentlichen Gut, wie beispielsweise einer „Norm“ ein Merkmal, nämlich „Erbringer eines Beitrages zur Norm“ und somit einen Distinktionsnutzen bzw. einen Beitrag zum Identitätskapital. • Die Notwendigkeit lebenslang interagieren zu müssen senkt dabei die Attraktivität der Trittbrettfahreroption. Denn bei häufigem Defektieren muss jedes Mal kostenintensiv ein neuer Interaktionspartner gesucht werden (vgl. Ergebnisse der nicht-kooperativen Spieltheorie bei n-iterierten Spielen). Stiftungsprofessur Entrepreneurship Homo interagens 7 Ergebnis • Für die Ausgangsfrage bedeutet dieser Ansatz, dass die beiden logischen Extreme, „Individuum“ und „Gesellschaft“, nicht mehr antagonistisch gegenüber stehen, sondern sich logisch gegenseitigen bedingen. • Dies heißt für das Individuum, dass es keine Frage ist, ob es sozial interagieren sollte bzw. ob es ökonomisch rational ist, sondern nur wie es diese logisch notwendigen Interaktionen am nutzbringendsten gestaltet. • Umgekehrt ist es für soziale Makrophänomene notwendig, dass selbstbestimmte Individuen existieren, da nur so auch die Makrophänomene als solche Makrophänomene im Unterschied zu den „Teilen der Gesellschaft“ denkbar werden. • Darüber hinaus trägt die präsentierte Lösung aber auch moralisch ethische Implikationen in sich, denn die logische Notwendigkeit der Unterscheidung bedingt geradezu ein Plädoyer für die Toleranz und Akzeptanz anderer, da sie die eigene Existenz durch ihre Andersartigkeit ermöglichen und bereichern. Stiftungsprofessur Entrepreneurship Homo interagens 8 Weitere Artikel des Sammelbandes • Make a difference – Die signal to noise ratio als Instrument zur Bestimmung der USP – Dipl.-Kfm., Dipl. Audio Engineer Christian Horneber/ Dr. Mark Euler • Identitätskapital in der Postmoderne – Dr. Jan Freese • Identitätskapital im Kontext der Kollektivgutproblematik – Dr. Jan Freese • Empirische Arbeiten zum Kontext des Homo Interagens– Dr. Mark Euler • Netzwerkkonstitution und Kommunikation im Entrepreneurship − ein grundlagentheoretischer Erklärungsweg der Erfolgsbedingung eines wesentlichen „Erfolgsfaktors“ – Prof. Dr. Bernhard Vollmar • Strategisches Interaktionsmanagement– M. Sc. Henning Müller/ Dr. Mark Euler • Ausblick: Die Netzwerkgesellschaft – Dr. Mark Euler Stiftungsprofessur Entrepreneurship Homo interagens 9 Vielen Dank! Stiftungsprofessur Entrepreneurship Homo interagens 10