Geschichte des Hellenismus Jan Bruners Inhaltsverzeichnis 1 Philipp II. 2 2 Alexander der Große 2.1 Jugend und Herrschaftsantritt . . . . 2.2 Krieg in Kleinasien . . . . . . . . . . 2.3 Die Eroberung des Persischen Reiches 2.4 Die Grenzen des Reiches . . . . . . . 3 3 4 4 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Das Zeitalter der Diadochen (323 - 272 v. Chr.) 4 Die hellenistischen Reiche 4.1 Das Reich der Ptolemäer (321 - 30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Das Seleukidenreich (312 - 63) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Makedonien unter den Antigoniden (272 - 167) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 9 10 10 11 1 Philipp II. 2 Der Hellenimus ist, anders als viele Epochenbezeichnungen, ein eindeutig begrenzbares zeitliches Kontinuum: er beginnt mit der Eroberung des persischen Reiches durch Alexander den Großen, endet mit der Einverleibung des letzten hellenistischen Großreichs in das Imperium Romanum 30 v. Chr. (Einnahme von Alexandrien) und ist charakterisiert durch die Ausbreitung der griechischen Kultur im Orient. Gefördert von den militärischen Erfolgen Makedoniens entstand eine politische und kulturelle Symbiose, die später über das römische Reich die gesamte europäische Geschichte nachhaltig prägte. Der gewaltige Erfolg Alexanders wurde wesentlich durch seinen Vater Philipp II. vorbereitet. 1 Philipp II. Im Vergleich zu Griechenland war Makedonien zum Zeitpunkt der Ermordung Philipps II. im Oktober 336 ein archaisches Gebiet: der König herrschte kraft seiner Abstammung und seiner persönlichen Autorität über mehrere Stammesfürsten. Poleis nach griechischem Vorbild gab es nicht, Viehzucht und Jagd waren die Haupteinnahmequellen. Während das Königsgeschlecht der Argeaden als griechisch anerkannt war, galt die makedonische Bevölkerung als barbarisch. Trotzdem erreichte Makedonien seit dem Herrschaftsantritt Philipps 359 (zunächst als Regent seines Neffen) den Status einer Großmacht und bezog ganz Griechenland in den Bereich seiner Hegemonie ein, was weder Athen noch Sparta oder Theben gelungen war. Die Gründe dafür waren wahrscheinlich die sehr lebenskräftige Bevölkerung, die Schwäche Griechenlands nach mehreren Kriegen und das politisch-militärische Talent des Königs. Ihm gelang innerhalb kürzester Zeit die Konsolidierung Makedoniens. Zunächst hatte Philipp die „Infrastrukturpolitik“ des Königs Archelaos (413 - 399) wieder aufgenommen, Städte gegründet, Straßen gebaut und die Ressourcen besser genutzt. Er verbesserte besonders die politisch-soziale Organisation Makedoniens, indem er den Adel stärker an den König als Person und Institution band, was vor allem wegen der athenischen Hegemonie im Süden ein langsamer und schwieriger Prozeß war. Das Heer wurde reformiert: neben den adeligen Hetairoi (Gefährten), die zu Pferd kämpften, schuf Philipp ein stehendes Infanterieheer aus Pezhetairoi (Gefährten zu Fuß), das in der griechischen Phalanxtaktik geschult wurde. Aber der Erfolg der makedonischen Expansion war hauptsächlich dem politischen Geschick des Königs zu verdanken: er erkannte - offenbar klarer als die Griechen selbst - die politischen Konstellationen in Griechenland und setzte sich an den richtigen Stellen militärisch ein. In Nordgriechenland beschritt Philipp den Weg der Annexion: 357 eroberte er Amphipolis, übergab es aber nicht wie vereinbart im Austausch gegen Pydna an Athen, worauf dieses ihm den Krieg erklärte. Mit Pydna, Poteidaia (356) und Methone (355) beseitigte er die letzten Enklaven auf makedonischem Gebiet. Mit dem Chalkidischen Bund schloß er zunächst ein Bündnis, erklärte ihm aber 349 den Krieg (Olynthischer Krieg) der 348 mit der Eroberung Olynths endet. Damit war ganz Nordgriechenland in makedonischer Hand. Die thrakischen Fürstentümer wurden bis 342 nach und nach eingegliedert, 341 wird Thrakien makedonische Strategie. 2 Alexander der Große 3 Im 3. Heiligen Krieg (356-346) zwischen Phokis (unterstützt von Athen und Sparta) und Theben (mit Lokris, Doris und Thessalien) griff er auf thebanischer Seite ein, ließ sich zum Oberhaupt (archon) des thessalischen Bundes wählen und konnte so in Mittelgriechenland Fuß fassen. Der Krieg endete 346 mit dem Frieden des Philokrates. Philipp erhielt den phokischen Sitz in der Amphiktyonie (kultisch-politischer Verband von griechischen Stämmen). In Athen sah Isokrates in Philipp den Einiger Griechenlands, während für Demosthenes die Unabhängigkeit der griechischen Städte durch Makedonien bedroht war. 340 begann schließlich die endgültige Eroberung Griechenlands: makedonische Truppen rückten bis zum Bosporus, worauf sich ein hellenischer Bund gegen Philipp bildete. Mit seinem Sieg 338 bei Chaironeia endete Griechenlands Rolle als politisch maßgeblich handelndes Subjekt der Geschichte. Theben wurde besetzt, der Seebund wurde aufgelöst (Athen selbst blieb frei), alle anderen Staaten außer Sparta wurden politisch angeschlossen. Der Korinthische Bund von 337 auf der Grundlage des koiné eirène (allgemeiner Frieden) schonte das griechische Selbstwertgefühl: Philipp hatte im Bundesrat der Städte keine Stimme, sondern war formal nur Feldherr des Bundes. Er veranlaßte den Bund, ihn 336 mit einem Krieg gegen Persien (als angebliche Rache für die Perserkriege) zu beauftragen, um seine Hegemonie zu festigen und zu legitimieren. 2 Alexander der Große 2.1 Jugend und Herrschaftsantritt Zu Philipps Maßnahmen gehörte auch die sorgfältige Erziehung und Ausbildung seines Thronfolgers, Alexander III. (geb. 356). Außer der militärischen Ausbildung legte er vor allem Wert auf eine griechische Erziehung durch griechische Pädagogen. Vor allem die Ilias, deren Atmosphäre in Makedonien viel lebendiger war als im zivilisierten Griechenland, machte großen Eindruck auf den Prinzen: das Streben nach militärischer Tüchtigkeit und kriegerischem Ruhm wurde eine seiner Grundmaximen. Schon mit 16 Jahren amtierte er in Abwesenheit seines Vaters als Herrscher in Makedonien, in der Schlacht von Chaironeia befehligte er die Reiterei. Wegen einer neuen Ehe Philipps war Alexanders Position nicht unumstritten, als sein Vater ermordet wurde. Um Zweifel an seinen Ansprüchen auszuräumen und seine Position zu festigen, ließ er jeden denkbaren Thronprätendenten ermorden. Antipatros und Parmenion, zwei wichtige Vasallen Philipps, stellten sich loyal hinter den neuen König. Sofort nach seiner Thronbesteigung zog er nach Griechenland und ließ sich als Archon des Thessalischen Bundes und Hegemon des Korinthischen Bundes bestätigen. Ein Feldzug nach Thrakien und Illyrien brachte durchschlagenden Erfolg, aber während Alexanders Abwesenheit brach 335 mit persischer Unterstützung ein Aufstand Thebens aus, der einige Untersützung fand. Sofort wurde Theben belagert und zerstört, seine Bevölkerung getötet oder versklavt. Die griechischen Städte bestätigten Alexander erneut als Hegemon. 2 Alexander der Große 4 2.2 Krieg in Kleinasien Philipp II. hatte Persien zum gemeingriechischen Gegner stilisiert und damit den Korinthischen Bund (und die makedonische Vormachtstellung) legitimiert. Die Begründung für einen Krieg gegen Persien war im Grunde ziemlich gewagt: weil die Durchsetzung von Demokratie (ein möglicher Grund) von den Makedonen in Griechenland selbst behindert wurde und keine aktuelle Gefahr bestand, griff man auf die Zerstörungen durch Xerxes in den Perserkriegen zurück. Zunächst war von Alexander und seinem Vater wahrscheinlich nur die Eroberung Kleinasiens geplant. Im Frühjahr 334 brach Alexander mit einem Heer von etwa 32.000 Mann auf, das aus makedonischen Soldaten, Hopliten und griechischen Söldnern zusammengesetzt war. Die Verbindung mehrerer Waffengattungen (Infanterie, Reiterei, Flotte) war die Grundlage des Erfolges. Neben dem eigentlichen Heer führte Alexander auch Ingenieure, Wegevermesser und Intellektuelle seines Hofes mit. Während Antipatros als Reichsverweser in Europa zurückgeblieben war, teilte Parmenion das Kommando mit Alexander. Beim Übergang nach Asien in Abydos wurden mehrere Rituale abgehalten, die das hellenische Programm des Feldzugs unterstreichen sollten. Das Persische Reich war im 4. Jahrhundert durch ständige Auflösungstendenzen stark geschwächt. Artaxerxes III. Ochos gelang die Rückgewinnung Ägyptens und 356 die Unterdrückung der Satrapenaufstände, aber die relativ eigenständige Politik einzelner Reichsteile blieb bestehen. Seit 336 regierte Dareios III., der den Rhodier Memnon mit der Abwehr des makedonischen Angriffs beauftragte. Die Satrapen Kleinasiens sperrten sich aber gegen dessen Taktik der Aushungerung und suchten die offene Schlacht. Am Fluß Granikos schlug Alexander dank seiner taktischen Überlegenheit im Mai 334 ein Heer der persischen Kavallerie. Zwar war Kleinasien nach dem Sieg zum größten Teil in makedonischer Hand, aber durch die Niederlage konnte sich Memnon durchsetzen. Er rechnete mit der Ermüdung des makedonischen Heeres in den Weiten Kleinasiens und baute auf die Überlegenheit der persischen Flotte. In der Ägäis hatten die Perser auch große Erfolge, bis Memnons Strategie nach seinem Tod im Juni 333 aufgegeben wurde. Die klassische Strategie setzte sich durch: Dareios III. selbst stellte ein Landheer des Reiches bei Sochoi in Syrien auf, um Alexander in einer großen Schlacht zu vernichten. Schließlich trafen die Heere sich im November 333 bei Issos. Dareios mußte fliehen, Alexander gewann die persische Kriegskasse und beherrschte nun ganz Kleinasien, Syrien und Ägypten standen ihm offen. Die persische Flotte hatte sämtliche Stützpunkte in Kleinasien (kurz darauf auch in Phönikien) verloren und war damit wirkungslos geworden. 2.3 Die Eroberung des Persischen Reiches Charakteristisch für Alexanders Vorgehen war, daß er bei freiwilliger Unterwerfung die heimischen Traditionen respektierte, aber auf jeden Widerstand brutal reagierte, meist mit der völligen Vernichtung und Versklavung des Gegners (Theben, Tyros in Phönikien, Gaza in Syrien). Nach Issos zog Alexander zunächst über Syrien nach Ägypten, wo er sich als Befreier von der persischen Herrschaft feiern und zum Pharao krönen ließ. Durch die Krönung (der Pharao galt als Sohn des Amun-Re) und seinen Besuch beim Heiligtum des Zeus Ammon in der Oase Siwa 2 Alexander der Große 5 bekam seine Herrschaft einen göttlichen Zug, was zu Spannungen mit dem makedonischen Teil seines Heeres führte. 331 gründete er westlich des Nil-Deltas die Stadt Alexandreia als Umschlagplatz für Waren aus Asien, Arabien und Ägypten. Er ließ er die eigentliche Verwaltung in der Hand der Einheimischen und besetzte lediglich einige militärische und finanzpolitische Posten mit Makedonen. Das makedonische Reich umfaßte jetzt die gesamte Küstenlinie des östlichem Mittelmeeres. Im April 331 zog er über Phönikien und Syrien in Richtung auf das Zentrum des Perserreiches. Dareios hatte inzwischen mehrere Friedensangebote gemacht und war sogar zur Abtretung der Gebiete bis zum Euphrat bereit. Auf Alexanders Weigerung hin wurde ein neues persisches Heer aus den östlichen Satrapien aufgestellt, größer und besser vorbereitet als das Heer von Issos. In den Ebene von Gaugamela brachte im Oktober 331 eine Schlacht das Ende des Perserreiches: wie in Issos zerbrach die makedonische Kavallerie unter Alexander das Zentrum der persischen Schlachtordnung. Dareios floh erneut, und Alexander wurde auf dem Schlachtfeld zum König von Asien ausgerufen. Babylon und Susa wurden kampflos übergeben, Persepolis, die Hauptstadt des persischen Reiches, leistete Widerstand und wurde von Alexander zur Plünderung freigegeben. In Susa gewann er den persischen Königsschatz. Im Sinne seiner üblichen Strategie beließ er die persischen Verwaltungen und erwies wie in Ägypten den alten Göttern und Traditionen seine Reverenz. Die Zerstörung der Königspaläste von persepolis war das Ergebnis eines Exzesses und keine politisch gewollte Aktion. 330 entließ Alexander die griechischen Bundeskontingente und beendete damit den „Rachefeldzug“ gegen Persien. Dareios wurde von einem seiner Satrapen getötet (er hatte nach iranischer Auffassung versagt) und der makedonische König trat die Nachfolge der Achaimeniden an. Deren Streben nach universeller Herrschaft gab nun die weitere Richtung vor. Zunächst mußte Alexander seinen Nachfolgeanspruch gegenüber den Satrapen durchsetzen: bis 328 wurden bis Sogdien an der nordöstlichen Grenze des persischen Reiches alle Gebiete unterworfen, obwohl sich das makedonische Heer an die ungewohnten Bedingungen in den Wüsten erst gewöhnen mußte. Die Grenzen der Oikumene (der bewohnten Welt) waren nach klassischem Verständnis erreicht. Am Grenzfluß Iaxartes gründete Alexander deshalb Alexandreia Eschates, das äußerste Alexandreia. Durch die Heirat mit der sogdischen Fürstentochter Roxane und die Aufnahme iranischer Einheiten in sein Heer gelang es Alexander, die einheimische Bevölkerung mit seiner Herrschaft zu versöhnen. Gleichzeitig nahmen aber auch die Konflikte mit seinen eigenen Landsleuten zu: Makedonen und Griechen erkannten die orientalische „Göttlichkeit“ ihres Herrschers nicht an und weigerten sich, den traditionellen persischen Kniefall (Proskynese) vor dem König auszuführen. Die Spannungen führten zur Hinrichtung des Philotas, Kommandeur der Reiterei und Sohn des Parmenion, der die Grundsätze des alten Makedonentums verkörperte, und des Parmenion selbst. Alexanders Hofschreiber Kallisthenes, einer seiner wichtigsten Berater, wurde 327 wegen kritischer Äußerungen (und einer angeblich von ihm initiierten Verschwörung) ebenfalls ermordet. Insgesamt konnte der König aber vollkommen auf die Loyalität seiner Umgebung und siens Heeres rechnen. 3 Das Zeitalter der Diadochen (323 - 272 v. Chr.) 6 2.4 Die Grenzen des Reiches Der Indienfeldzug zeigte, daß Alexander das Reich in seiner größtmöglichen Ausdehnung wollte, daß er den Gedanken der Weltherrschaft konkret faßte. Nach dem Indusübergang im Frühjahr 327 und der freiwilligen Unterwerfung Taxiles’, des Fürsten von Taxila (326), kommt es zum Krieg gegen Poros, den mächtigsten Fürsten des Pandschab; er wurde im Juni 326 am Hydaspes geschlagen und als Klientelfürst akzeptiert. Am Hyphasis verweigerte das durch Kämpfe und den Monsunregen erschöpfte Heer und das Offizierskorps schließlich die Gefolgschaft, Alexander mußte umkehren. Mit einer neuerbauten Flotte fuhr er den Hydaspes und den Indus hinab, immer wieder unterbrochen von Kämpfen. Am Indusdelta teilte sich das Heer, die Flotte fuhr an der Küste entlang, der Großteil des Heeres marschierte durch Arachosien. Alexander selbst zog 325 durch die Gedrosische Wüste, was angeblich noch niemandem vor ihm gelungen war. Sein Hang zur Vergöttlichung und sein Größenwahn wurden immer deutlicher: nach der Vereinigung mit dem Restheer in Karmanien zog er als Gott Dionysos vor den Soldaten einher (dionysischer Festzug). 324 verheiratete er in einer Massenhochzeit makedonische Adelige mit vornehmen Perserinnen, er selbst nahm die Tochter des Dareios zur Frau. Auch die Konkuinate seiner Soldaten mit Perserinnen wurden legalisiert und ihre Kinder anerkannt. Gleichzeitig bildete er aus 30.000 Persern Heereseinheiten nach makedonischer Art. Auf allen Ebenen versuchte Alexander, eine Verschmelzung von iranisch-persischen und makedonisch-griechischen Gefolgsleuten zu erreichen. Der einzige offene Widerstand regte sich im Sommer 324 in Opis bei der Entlassung der makedonischen Veteranen, er konnte sofort unterdrückt werden. Als persischer und makedonischer König wurde er immer mehr zum unumschränkten Herrscher, dem gegenüber es nur noch Befehlsempfänger und Untertanen gab. Auch die Griechen waren von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Ein Gottkönigtum nach ägyptischem Vorbld strebte er allerdings nicht an, es hätte sich auch kaum durchsetzen lassen. Im Herbst 324 starb Hephaistion, engster Freund und Vertrauter Alexanders. Seit 324 plante der König die Eroberung Arabiens und des westlichen Mittelmeerraumes zur Abrundung seines Reiches. Kurz vor Beginn des Unternehmens starb Alexander am 10. Juni 323, plötzlich erkrankt, in Babylon. 3 Das Zeitalter der Diadochen (323 - 272 v. Chr.) Nach dem Tod Alexanders war die Frage der Nachfolge offen: legitime Erben gab es nicht, Alexanders Halbbruder Philipp III. Arrhidaios war geistesgestört. Die sogenannten Diadochen (greich. diadochoi = Nachfolger) mußten sich ihre Macht erkämpfen. Die Reichsordnung von Babylon 323 bedeutete einen machtpolitischen Kompromiß: Philipp III. wurde nominell König, Alexanders kurz darauf geborener Sohn als Alexander IV. Mitherrscher. Die eigentliche Macht ging an die Großen des Reiches über: 3 Das Zeitalter der Diadochen (323 - 272 v. Chr.) 7 Perdikkas, in seiner Position als Chiliarch (Kommandeur der Leibgarde) schon seit Hephaistions Tod Stellvertreter des Königs und nun Verwalter seines Siegelrings, übernahm die Verwaltung Asiens und die Aufsicht über die Satrapen. Er hatte das Reichsheer und die Reichsschätze zur Verfügung. Krateros, der die Veteranen 324 nach Makedonien zurückgeführt hatte und einer der populärsten Feldherren Alexanders war, wurde Prostates (Vormund) der beiden unmündigen Herrscher. Er hatte eigentlich den alten Antipatros als Stellvertreter und Stratege Alexanders in Europa ablösen sollen. Nach Alexanders Tod blieb Antipatros nun im Amt. Antigonos Monophtalmos (der Einäugige), der das Kommando über die griechischen Bundestruppen und die Satrapie von Großphrygien gehabt hatte, bekam zusätzlich Lykien und Pamphylien. Neben diesen auch unter Alexander schon hervorgetretenen Großen gab es noch einige enge Freunde und Leibwächter des Königs, die nun wichtige Rollen übernahmen: Seleukos wurde Nachfolger des Perdikkas als Chef der ersten Hipparchie. Im Zuge der Satrapienverteilung durch Perdikkas erhielt Ptolemaios Ägypten, Lysimachos Thrakien, Eumenes, Alexanders Kanzleivorsteher und einziger Grieche unter den Diadochen, Kappadokien und Paphlagonien. Kassandros, Sohn des Antipatros, trat erst etwas später hervor. Während Antipatros und Eumenes ein geeintes Reich unter zumindest nomineller Herrschaft des makedonischen Königshauses anstreben, wollen Perdikkas (später auch Antigonos) das gesamte Reich selbst beherrschen (Unitarier). Ptolemaios, Lysimachos und Seleukos planen realistischer, die Kontrolle über ein Teilgebiet zu bekommen (Separatisten). Kurz nach der Reichsordnung kam es zu Kämpfen: Antipatros geriet im Lamischen Krieg (323) gegen Leosthenes in Bedrängnis. Leonnatos, Satrap von Phrygien, der ihm zu Hilfe kam, starb in einer Schlacht gegen die Griechen in Thessalien. Antipatros, Krateros, Antigonos, Lysimachos und Ptolemaios schlossen eine Koinopragía (nichtstaatliches Bündnis) gegen den nach Alleinherrschaft strebenden Perdikkas (verbündet mit Eumenes), der 321 zum 1. Diadochenkrieg (321 - 320) führt. Perdikkas wurde nach militärischen Mißerfolgen von seinen Offizieren Seleukos und und Peithon ermordet, Krateros fiel gegen Eumenes. Im syrischen Triparadeisos wurde 320 eine neue Reichsordnung aufgestellt: Antipatros übernahm die Reichsverweserschaft (epimeleia) des Perdikkas, die er von Makedonien aus im Namen der bei ihm befindlichen Könige ausübte. Antigonos erhielt den Auftrag, den geächteten Eumenes und weitere Anhänger des Perdikkas mit dem Reichsheer zu bekämpfen. Nach dem Sieg gegen Eumenes behielt er den Befehl über das Reichsheer und griff weitere asiatische Satrapien an. Seleukos bekam die Satrapie Babylon als Belohnung für seinen Verrat an Perdikkas. Nach Antipatros’ Tod 319 strebte Kassandros die Herrschaft in Makedonien an. Polyperchon, offizieller Nachfolger des Antipatros, wurde von Kassandros und Antigonos nicht anerkannt, die sich gegen den neuen Koinopragía Reichsverweser verbündeten. Im folgenden 2. Diadochenkrieg (319 - 316) standen sich Polyperchon und eine Koinopragía aus Antigonos, Kassandros, Ptolemaios, Seleukos und Lysimachos gegenüber. Eumenes wurde zum Strategen in Asien ernannt und konnte sich im Namen des Königs in Mesopotamien und der Persis durchsetzen. In Makedonien ließ Eurydike, die Gattin Philipps III., Polyperchon absetzen und übertrug Kassandros die Reichsverweserschaft. Polyperchon und Alexanders Mutter Olympias gelang die Entmachtung 3 Das Zeitalter der Diadochen (323 - 272 v. Chr.) 8 und Hinrichtung des Königspaares. Schließlich siegten Ende 316 Kassandros in Makedonien und Antigonos in Asien, Eumenes fiel und Olympias wurde ermordet. Der 3. Diadochenkrieg (315- 311) schloß sich nahtlos an: Antigonos, dessen Position in Asien mittlerweile unangefochten war, griff nach der Alleinherrschaft, Seleukos mußte zu Ptolemaios fliehen und schloß mit ihm, Lysimachos und Kassandros, der in Europa und Kleinasien herrschte, eine Symmachie (zwischenstaatliches Bündnis), was die Reichseinheit grundsätzlich in Frage stellte. Antigonos ernannte Polyperchon zum Strategen in Europa und ging trat den Griechenstädten gegenüber als Befreier auf. Ptolemaios konnte trotz anfänglicher Niederlagen nach Ägypten zurückgedrängt werden, aber Seleukos gewann bis 312 nicht nur seine Satrapie Babylonien, sondern auch Susiane, Medien und die Persis. In dieser Situation wurde ein Friede auf der Grundlage des Status quo geschlossen: Antigonos wurde offiziell Stratege Asiens, Kassandros behielt die Herrschaft über Europa und die Verweserschaft über Alexander IV. bis zu dessen Volljährigkeit. Ptolemaios und Lysimachos wurden in ihren Territorien bestätigt, Seleukos war von dem Vertrag ausgenommen. Kassandros ermordete 310 den jungen König und seine Mutter Roxane und beseitigte damit für die Diadochen die letzte Hürde auf dem Weg zur Souveränität. Während Antigonos nun gegen Seleukos in Asien vorging, griff Ptolemaios die europäischen Gebiete des Kassandros an. Nach Abschluß dieser Konflikte, die keine Veränderung brachten, versuchte Antigonos erneut, in Griechenland Fuß zu fassen. Sein Sohn Demetrios gewann 307 Athen, siegte im Frühjahr 306 bei Salamis gegen Ptolemaios und belagerte Rhodos (daher sein Beiname Poliorketes, der Städteeroberer). Daraufhin ließ Antigonos sich und seinen Sohn zu Königen ausrufen, die übrigen Diadochen folgten (Jahr der Könige 306/5). Diese Verbindung von Sieg und Krönung zeigte deutlich den macht- und erfolgsgebundenen Charakter der neuen Herrschaft. Dynastische Verbindungen als Legitimation wurden aufgegeben. Nach einer weiteren Offensive des Demetrios 303 in Griechenland und der Erneuerung des Korinthischen Bundes (302) unter antigonidischer Führung bildete sich im selben Jahr erneut eine gegen Antigonos gerichtete Koalition. Im 4. Diadochenkrieg (302 - 301) vernichtete eine vereinigtes Heer des Lysimachos und des Seleukos im Frühjahr 301 das Heer des Antigonos und des aus Griechenland zurückgekehrten Demetrios bei Ipsos in Phrygien. Antigonos fiel, Demetrios konnte fliehen. 299 Lysimachos erhielt die gesamten Gebiete des Antigonos in Kleinasien bis zum Tauros, Seleukos lediglich Syrien, obwohl sein Eingreifen den Ausschlag in der Schlacht gegeben hatte. Nach Kassandros’ Tod (298/7) gelang Demetrios, der die stärkste Flotte besaß, zunächst die Übernahme Makedoniens und Nordgriechenlands. Der 302 wegen Thronwirren zu ihm geflohene König Pyrrhos von Epirus gelangte als Geisel an den Hof des Ptolemaios und konnte mit dessen Unterstützung in seine Heimat zurückkehren. Wegen Demetrios’ angestrengter Rüstungen und angesichts seines Übergreifens auf Asien stand ihm im 5. Diadochenkrieg (288 - 286) neben Lysimachos, Seleukos und Ptolemaios auch Pyrrhos gegenüber. Er wurde in Asien geschlagen und starb 283 in seleukidischer Gefangenschaft. Sein Sohn Antigonos Gonatas konnte sich in Griechenland halten. 4 Die hellenistischen Reiche 9 Innere Streitigkeiten am Hofe Lysimachos’ nutzte Seleukos, dem die zunehmende Konsolidierung des Rivalen gefährlich wurde, zur Offensive in Kleinasien, dem 6. Diadochenkrieg (282 281). Bei Kurupedion fällt Lysimachos 281, Seleukos kann für kurze Zeit fast das gesamte Reich unter seine Kontrolle bringen, wird aber 280 kurz nach seinem Übergang nach Europa durch Ptolemaios Keraunos, einem von der Thronfolge ausgeschlossenen Sohn des Ptolemaios, dem er die Herrschaft über Ägypten versprochen hatte, ermordet. Dieser wird daraufhin als Rächer des Lysimachos zum makedonischen König ausgerufen. Im Ptolemäerreich war die Lage nach dem Übergang der Herrschaft auf Ptolemaios II. Philadelphos (Ptolemaios war 283 gestorben) stabil. Antiochos I., der Sohn Seleukos’ hatte dagegen größere Schwierigkeiten: in Nordsysrien und Kleinasien mußte er sich gegen Widerstände mit Waffengewalt durchsetzen. Seine europäischen Gebiete trat er an Antigonos Gonatas, der sich nach einem Sieg über eindringende Kelten in ganz Makedonien und Thessalien durchsetzte. Aber erst nach dem Tod des Pyrrhos 272 war seine Herrschaft in Makedonien gefestigt. Die drei nun definitiv ausgebildeten hellenistischen Großreiche waren unterschiedlich stabile Gebilde: Makedonien unter den Antigoniden konnte sowohl auf ein fest umrissenes Staatsgebiet als auch auf eine eingewurzelte Herrschaftstradition zurückgreifen. Im Ptolemäerreich waren die Grenzen zwar ebenfalls klar, aber der König mußte seine Fremdherrschaft erst legitimieren. Die größten Probleme hatten die Seleukiden, die sich ständig gegen Angriffe von außen und gegen inneren Zerfall und Widerstände behaupten mußten. Neben den großen Reichen gab es in Kleinasien mehrere Mittelmächte, die sich ebenfalls bis zum römischen Eingreifen halten konnten: Pergamon, Bithynien, Galatien, Pontos und Kappadokien 4 Die hellenistischen Reiche In den hellenistischen Staaten stellten sich die gräko-makedonischen Herrscher zwar einerseits in die Kontinuität der indigenen Herrschaftstradition, andererseits brachten sie aber auch völlig neue Organisationsformen ins Spiel und riefen den Widerstand der Einheimischen hervor. Ansätze zu einer echten Vermischung der makedonischen Führungsschicht und der einheimischen Untertanen gab es kaum, auch wenn viele Elemente gegenseitig übernommen wurden. Die Monarchie als charakteristische Herrschaftsform war stark erfolgsorientiert: nicht die Erbfolge oder ein gerechtes Verhalten, sondern militärischer Erfolg und geschickte Machtpolitik legitimierten die Stellung des Königs. Anzeichen von Schwäche hätten sofort ein Übergreifen durch andere hellenistische Herrscher provoziert. Für das dynastische Prinzip war entscheidend, daß sich das Königsgeschlecht auf heroische und letztlich göttliche Vorfahren zurückführte und so eine über den jeweiligen Herrscher hinausgehende Legitimität beanspruchen konnte. Ein besonderes hellenistisches Phänomen war die individuelle Vergottung des Königs oder seine Beziehung zu einem mächtigen Gott. Bei der nicht-griechischen Bevölkerung war diese Rolle ausschlaggebend für die Begründung einer Herrschaft. Der gesamte Staat war auf die Person des Königs zugeschnitten, ihm „gehörten“ das Staatsgebiet und die Institutionen. Die Führungselite bestand daher auch aus Freunden (philoi) des Königs, sie 4 Die hellenistischen Reiche 10 war also durch die persönliche Beziehung zum König herausgehoben. Sie bekleidete die höchsten Ämter und bildete sowohl den Kronrat als auch die Umgebung des Herrschers. Da sich diese Gruppe fast ausschließlich aus Griechen und Makedonen zusammensetzte, war sie nicht wirklich im Land verankert und dazu prädestiniert, eine abgeschlossene Hofgesellschaft zu bilden. Mit der Zeit entwickelte sich aus dem Kries der Freunde eine abgestufte Rangfolge aus „ersten Freunden“, „guten Freunden“ usw. 4.1 Das Reich der Ptolemäer (321 - 30) Kurz nach dem Tod Alexanders des Großen konnte sich Ptolemaios als Satrap von Ägypten durchsetzen, alle folgenden Herrscher trugen ebenfalls den Namen Ptolemaios. Die Dynastie endete erst mit dem Einzug Ägyptens als ritterliche Präfektur 30 durch Octavian. Das Reich der Ptolemäer (auch Lagiden nach Lagos, dem Vater Ptolemaios’) umfaßte im wesentlichen Ägypten und als wichtigste Außenbesitzungen Koilesyrien und Palästina, außerdem Zypern, die Südküste Anatoliens, Kyrene und weitere griechische Poleis. Wie das Seleukidenreich war Ägypten ein Nationalitätenstaat mit scharfer Trennung zwischen Makedonen und einheimischen Untertanen. Zunächst einzige Griechenstadt und Residenz war Alexandreia, der geistige Mittelpunkt der gesamten hellenistischen Welt. Der individuell-private Charakter der Monarchie kam in ägyptischen Administration besonders deutlich zum Ausdruck. Hier war der ptolemäische König mit seinem Haus an die Stelle des pharaonischen Großoikos getreten. Das gut ausgebaute ägyptische Verwaltungssystem (hauptsächlich eine Wirtschaftsadministration mit fiskalischer Schwerpunktsetzung) wurde bis hin zu einzelnen Ämtern übernommen.Dem König gehörte alles Land, er hatte Anspruch auf Abgaben und Steuern, die er an einheimische Unternehmer verpachten ließ. Dadurch hatte er kalkulierbare Einnahmen, das Risiko trugen die Steuerpächter, die ihrerseits die steuerpflichtigen Untertanen überwachten. Das Heer bestand hauptsächlich aus Kleruchen, d.h. gedienten Soldaten, die mit einem Stück Land auf Lebenszeit belehnt wurden und dafür zu im Bedarfsfall zu militärischen Leistungen verpflichtet waren Die Soldaten dienten nicht einem Vaterland, sondern dem König, dessen Land sie bebauten. Zur Ergänzung des Heeres wurden Söldner angeworben. 4.2 Das Seleukidenreich (312 - 63) Das Seleukidenreich beginnt mit der Rückeroberung der babylonischen Satrapie 312 durch Seleukos von Antigonos Monophtalmos (seleukidische Ära), es endet nach langsamem Verfall mit dem Tod Antiochos’ XIII. in römischer Gefangenschaft und der Umwandlung Syriens in eine römische Provinz 63 durch Pompeius. Es umfaßte zeitweise den gesamten asiatischen Teil des Alexanderreiches. Wie unter den Achaimeniden war es in Satrapien organisiert, die eine teilweise sehr eigenständige Politik betrieben. 4 Die hellenistischen Reiche 11 Dieses heterogene Gebiet konnte auch unter der Dynastie des Seleukos nicht zusammenwachsen, so daß die Geschichte des Reiches hauptsächlich aus dem Kampf gegen den Zerfall bestand. Um die Grundlage der Herrschaft - die griechisch-makedonische Führungsschicht - zu verstärken, betrieben Seleukos und Antiochos eine intensive Siedlungspolitik, vor allem in Nordsyrien. Es wurden mehrere Zentren gegründet, Seleukeia als Hauptstadt in der Nähe von Babylon und ein Komplex von vier Städten (Antiocheia, Seleukeia, Laodikeia, Apameia) im nördlichen Syrien. Die politische und ökonomische Orientierung auf das Mittelmeergebiet führte zum Aufstieg Antiocheias zur eigentlichen Hauptstadt. Auch die Seleukiden haben die bestehenden Wirtschaftssysteme übernommen und gezielt ausgebaut. Die königliche Verwaltung hatte wegen der Struktur des Staates erheblich weniger Möglichkeiten, in das Wirtschaftsleben einzugreifen, auch wenn es Ansätze zu einer zentralen Steuerkasse gab. Ein Wesir war zuständig für die gesamte Finanzverwaltung. Das seleukidische Heer bestand zu einem großen Teil aus Söldnern, hinzu kamen die Kontingente von autonomen Stämmen und Fürsten. Die Siedlungspolitik hatte auch einen militärischen Hintergrund: auf der Basis der achaimenidischen Aushebungssysteme bildeten die makedonischen Siedler ein weiteres Rekrutierungsreservoir. 4.3 Makedonien unter den Antigoniden (272 - 167) Nach einigen Wirren konnte sich Antigonos Gonatas 272 schließlich als Herrscher über Makedonen und Nordgriechenland durchsetzen. Die Herrschaft der Antigoniden endete nach der Schlacht von Pydna des makedonischen Königs Perseus gegen Rom 168 mit der Aufteilung Makedoniens in vier autonome Republiken. Anders als Ptolemaios und Seleukos konnte Antigonos Gonatas als makedonischer König auf eine einheimische Führungsschicht zurückgreifen. Obwohl das Antigonidenreich als erstes durch Roms Eingreifen zerschlagen wurde, war es durch seine einheitliche, ungebrochene Tradition das stabilste der hellenistischen Reiche. Obwohl die Person des Königs stärker in den Mittelpunkt rückte, herrschten die makedonischen Könige nicht absolut oder gar gottähnlich wie die Seleukiden oder Ptolemäer. Der ursprünglich freie Adel wurde zu einer Hofgesellschaft umgewandelt. Es gab mehrere Hauptstädte: das von Demetrios gegründete Demetrias, Pella, von Antigonos Gonatas ausgebaut, und die traditionelle Hauptstadt der Argeaden, Aigai. Das Heer hatte einen einheitlichen, nationalen Charakter, es konnte als formierter Teil des makedonischen Volkes gelten.