BAUTENSCHUTZ + BAUSANIERUNG ■ BETONINSTANDSETZUNG Ahnung von Beulen und Blasen haben Beulen und Blasen bei Beschichtungsarbeiten vermeiden, Teil 1 ■ Auf porösen Baustoffen wie Beton oder Estrich treten nach Instandsetzungsmaßnahmen oder während der Applikation von Oberflächenschutzsystemen gelegentlich Beulen oder Blasen auf. Ursachen und Wirkung dieser Imperfektionen können unterschiedlich sein. Bläschen oder kleine Löcher entstehen teilweise bereits während der Applikation einer Beschichtung. Größere Blasen treten meist erst nach längerer Wasserbeanspruchung auf. Beulen, also größere Blasen, beobachtet man häufig an Fußböden, aber auch an Wandflächen, die besonderen Temperaturbeanspruchungen ausgesetzt sind. Die Auslöser der drei Typen gehen auf unterschiedliche physikalische und physikalisch-chemische Vorgänge zurück. Kennt man diese, kann man die Entstehung von Beulen und Blasen vermeiden. Im ersten Teil dieses Artikels geht es um kleine Blasen, genannt Pinblisters, und stecknadelkopfgroße Löcher, genannt Pinholes. Helena Eisenkrein Treten nach der Applikation von Feinmörteln oder Beschichtungsstoffen auf porösen Baustoffen kleine Blasen (Pinholes) oder stecknadelkopfgroße Löcher (Pinblisters) auf, müssen diese Fehlstellen in den Oberflächenschutzsystemen als potenzielles Risiko für ein Untergrundversagen angesehen werden, insbesondere wenn das Bauteil bestimmten Einwirkungen wie einer Chloridbeanspruchung oder einem Säureangriff ausgesetzt ist. Die unter Bauschaffenden kursierenden Erklärungen, wie diese kleinen Blasen und Löcher entstehen, beziehen sich häufig entweder auf die eingeschlossene Luft, die „heraus will“, oder auf die „rapide Erhöhung“ der Bauteiltemperatur. Letzteres bewirke, dass sich die Luft in den Poren des Betons ausdehne und so gegen die noch flüssige Beschichtung drücke. Die tatsächliche Ursache für das Entstehen der Pinholes und Pinblisters liegt aber dazwischen. Sie lässt sich physikalisch erklären. Kennt man die bei diesen Vorgängen ablaufenden Mechanismen, lässt sich auch eine Strategie entwickeln, wie sich diese Fehlstellen vermeiden lassen. Dies soll im Folgenden an einigen objektbezogenen Beispielen veranschaulicht werden. Im Feinmörtel bildeten sich Pinholes Auf der Schaleninnenseite eines Naturzugkühlturms aus Stahlbeton wurde großflächig mehrere Zentimeter dick Betonersatz mit Spritzmörtel (SPCC nach ZTV ING) ausgeführt [1]. Bereits während des Spritzvorganges stellte man fest, dass der SPCC-Verarbeiter eine raue und porenreiche Oberfläche hinterließ. Systemspezifisch wurde anschließend noch ein PCC-Feinmörtel appliziert, um einen beschichtungsgerechten Untergrund herzustellen. In der egalisierten Oberfläche bildeten sich Pinholes deckungsgleich mit den im SPCC vorhanden Poren (Abb. 1). Hauptursächlich für das Entstehen dieser Pinholes war der zu hohe W/Z-Wert des Feinmörtels. Dieser wurde auf die Oberfläche aufgeschlämmt, weil man einen zu hohen Kraftaufwand vermeiden wollte. Der verflüssigte Feinmörtel wies aber nur einen geringen Verformungswiderstand auf, was schließlich die Pinhole-Bildung verursachte. Die physikalische Ursache hierfür wird im Abschnitt „Theoretischer Hintergrund: In Poren baut sich Sattdampfdruck auf“ erläutert. Pinholes setzten sich in der Beschichtung fort Ohne die Pinholes zu beachten, wurde auf der egalisierten Fläche in vier Arbeitsgängen noch eine Schutzbeschichtung aufgetragen. In je zwei Einzellagen applizierten die Verarbeiter zuerst eine Epoxidharz- und danach eine Polyurethanbeschichtung. Die im Feinmörtel-Untergrund vorhandenen Pinholes setzen sich bis in die letzte Deckbeschichtung fort. Zuerst bildeten sich an diesen Stellen Bläschen, die im Regelfall aufplatzten. In jedem Pinhole wurde ein Zugang zum mineralischen Untergrund in Form einer Kanüle festgestellt (Abb. 2). Diese scheinbar kleinen Poren können sich erheblich auf das Schutzsystem auswirken. Durch ihre kanülenartige Struktur kann das in den Kühlturm eingeleitete angesäuerte Schwadenkondensat bis zum mineralischen Untergrund vordringen und zu einer massiven Betonkorrosion führen. Die Beschichtung wird dabei großflächig unterwandert. Abb. 3 veranschaulicht, wie sich die kleinen Löcher auswirken, nachdem das saure Kondensat einige Jahre auf die Oberfläche eingewirkt hat. Aus einem kleinen Pinhole sind mehrere Quadratzentimeter große, korrodierte Betonfehlstellen entstanden. Sie können bei häufigem Auftreten sogar bis zum Versagen des Bauteilumfeldes führen. Hauptursächlich für diese Betonkorrosion ist die nicht beschichtungsgerecht vorbereitete Mörteloberfläche. Pinblisters bildeten sich in der Beschichtung An der Schalenaußenseite eines Naturzugkühlturms wurde ein OS 2 zum Oberflächenschutz appliziert. Die hydrophobierte Oberfläche sollte in zwei Lagen mit einer Acrylatbeschichtung versehen werden [2]. Nach der Applikation der zweiten Beschichtungslage traten unzählige Pinblisters auf einem Teil der Kühlturmschale auf. Was war geschehen? Kurz nach Aufbringen der ersten Beschichtungslage benetzte ein Regenschauer die Oberfläche. Sie trocknete schnell ab, so dass die Ausführungsfirma beschloss, die Beschichtungsarbeiten fortzusetzen. Dabei wurde nicht bedacht, dass sich trotz trockener Oberfläche noch Wasser in den offenen Poren des Betons befand. Bereits während der Applikation der zweiten Beschichtungslage traten auf der gesamten Fläche Pinblisters auf (Abb. 4). Die Beteiligten konnten sich das nicht erklären, da sie an einem bewölkten Tag ohne Sonneneinstrahlung bei konstanter Lufttemperatur gearbeitet hatten. Beim Öffnen des Blasendeckels wurde unter den Blasen stets eine Betonpore gefunden. Theoretischer Hintergrund: In Poren baut sich Sattdampfdruck auf Die Ursache von Pinholes und Pinblisters während der Filmbildungs- und Erhärtungsphase der Beschichtung wird häufig falsch begründet. In mehreren Technischen Hersteller-Merkblättern heißt es, dass sich die Blasen vermeiden lassen, wenn nicht bei steigenden Temperaturen beschichtet wird. In anderen Quellen wird behauptet, dass sich eingeschlossene Luft bei Erwärmung des Bauteils ausdehnt und gegen die Beschichtung drückt. Diese Annahmen sind nicht zielführend. Pinholes und Pinblisters entstehen innerhalb eines kurzen Zeitfensters von Minuten. Daher kommt die Bauteilerwärmung als Ursache der Blasenbildung nicht infrage, denn an einem massigen Bauteil kann die Temperatur nicht schnell genug ansteigen, um die im Bauwerk eingeschlossene Luft innerhalb einiger Minuten zu erwärmen. Richtig ist aber, dass die Temperatur an der Bildung von Pinholes und Pinblisters mitwirkt. Wegen der Porenstruktur der Betonrandzone und des „Hinterlandes“ kann sich nach Verschluss der Poren mit einem Mörtel oder einer Beschichtung in ihnen der sogenannte Sattdampfdruck bilden. Dem liegt folgender Prozess zugrunde: Das dynamische Gleichgewicht zwischen Flüssigwasser und Luft bewirkt, dass Wassermoleküle in die Luft diffundieren. Die maximale Konzentration an Wassermolekülen in der Luft ist von der Temperatur der Luft abhängig. Er beträgt zum Beispiel bei 20 °C warmer Luft 17,3 g/m³ [3]. Den Zustand der maximalen Wasserdampfaufnahme nennt man Sättigungsfeuchte. Bei einer Übersättigung der Luft mit Wasserdampf fällt Wasser als Nebel oder Niederschlag aus, es kondensiert. Die 100 Kilometer hohe Luftschicht der Erde übt infolge der Gravitation auf die Erdoberfläche einen Druck aus (barometrischer Druck). Weil die Luftschicht auch Wasserdampf enthält, übt auch dieser anteilig einen Druck auf die Erdoberfläche aus. Man nennt ihn den Partialdruck des Wassers. Diesen Zusammenhang zwischen der Konzentration des Wasserdampfes in der Luft und dem Teildruck des Wasserdampfs in der Luft auf die Erdoberfläche stellt Gleichung (1) dar: c p cs ps (1) Darin bedeutet: φ: relative Luftfeuchte, C: aktuelle Konzentration des Wasserdampfs, Cs :maximale Konzentration des Wasserdampfs, P: tatsächlicher Dampfdruck, Ps: Sattdampdruck. Aus dem Zusammenhang 1 bar = 100.000 Pa = 0,1 N/mm² = 10 m Wassersäule und der Kenntnis der Sättigungsfeuchte kann der Sattdampfdruck in Abhängigkeit von der Temperatur abgelesen werden (Abb. 5): 20 °C: cs = 17,3 g/m³, ps = 0,0234 bar = 23,4 mbar, 30 °C: cs = 30,3 g/m³, ps = 0,0424 bar = 42,4 mbar, 40 °C: cs = 51,1 g/m³, ps = 0,0738 bar = 73,8 mbar. Um den Druckanstieg in der Pore nach ihrem Verschluss mit einem Mörtel oder einer Beschichtung nachzuweisen, wurde ein Experiment durchgeführt. Ein Glasbehälter mit Seitenausgang (Abb. 6) wurde bei 20 °C Außentemperatur halb voll mit Wasser von 20 °C gefüllt. Hält man die Temperatur konstant, stellt sich nach Verschließen des Behälters mit einem Deckel im Luftraum eine Wasserdampfkonzentration von 17,3 g/m³ ein. Ist die Luft anfangs wasserdampffrei stellt man am Manometer einen absoluten Druckanstieg von 0,0234 bar = 23,4 cm Wassersäule fest. Dieses Experiment wurde mit verschiedenen Arten von Flüssigkeiten, wie Lösemittel oder Beschichtungsbestandteilen, wiederholt: Gemessen wurde jeweils der Druckanstieg beim langsamen Verschließen des Deckels. Abb. 7 zeigt die Messergebnisse im Verlauf von zehn Minuten. Bemerkenswert ist, wie schnell der Druck ansteigt. Sinn dieser Experimente war es, die Druckerhöhung in der Pore nach dem Verschluss mit einem in der Erhärtungsphase verformbaren „Deckel“ aus Mörtel oder Beschichtung nachzustellen. Durch Überdruck in den Poren bilden sich Pinholes und Pinblistes Aus der physikalischen Gesetzmäßigkeit des Gesamtgleichgewichts, den Erkenntnissen aus dem beschriebenen Versuch und den Beobachtungen am Bauwerk, kann für das Entstehen von Pinholes und Pinblisters ein ursächlicher Zusammenhang nachgewiesen werden. Die in einem mineralischen Baustoff wie Beton oder Mörtel vorhandenen Poren haben durch Kanülen, Kavernen und Lunker ein definiertes, größtenteils abgeschlossenes Volumen. Diese Porenstruktur ist die Voraussetzung zur Entstehung der Pinholes und Pinblisters. Bei unebenen Untergründen wird die Oberfläche mit einem Feinmörtel egalisiert, um sie beschichtungsgerecht vorzubereiten. Auch bei diesen Egalisierungsmörteln treten jedoch – wie oben beschrieben – Pinholes auf. Bei OS-Systemen verschließt der Beschichtungsstoff die Poreneingänge und unterbricht so den Luftaustausch zwischen Poreninnenraum und Außenluft. Im Porenraum entsteht aufgrund der flüchtigen Anteile, die aus der Flüssigphase des Wassers in den Porenraum verdampfen, ein Überdruck bis maximal zum Sattdampfdruck. Abhängig vom Verformungswiderstand des Beschichtungsstoffs kann der Überdruck in der Pore erzwingen, dass sich an der Oberfläche des Mörtels oder Beschichtungsstoffs Bläschen (Pinblister) bilden. Verfügen die eingesetzten Materialien nur über geringe Kohäsionskräfte, bricht das Bläschen auf und es entsteht ein Pinhole. Die Intensität der Pinhole- und Pinblister-Bildung ist tatsächlich auch von der Temperatur abhängig. Denn aus höheren Temperaturen resultieren auch höhere Sattdampfdrücke (Abb. 5). Diese bilden sich in der Pore schneller und intensiver aus, so dass die Pinhole- und Pinblister-Bildung rascher voranschreitet. Die Sattdampfdruckkurve in Abb. 5 sagt jedoch nur etwas über den Zusammenhang zwischen Temperatur und Sattdampfdruck aus. Das Diagramm kann nicht dazu verwendet werden, den Druckanstieg abzulesen, der in einem Hohlraum durch die Erwärmung des Bauteils entsteht. Nur wenn man die Ausgangsbedingungen kennt, kann man den Druckanstieg in der Pore abschätzen. Zu diesen Bedingungen gehören zum Beispiel die relative Luftfeuchte, die Bauteil- und Außenlufttemperatur, die flüchtigen Anteile des Beschichtungsstoffs und der Feuchtegehalt des Baustoffs. Es ist also richtig, dass bei hohen Temperaturen – im Sinne eines höheren Temperaturlevels – häufiger Blasen entstehen. Es ist aber nicht richtig, dass die Blasenbildung einen Zusammenhang mit einem Temperaturanstieg des Bauteils aufweist. Denn in einem massiven Betonbauteil tritt innerhalb von Minuten kein ausreichender Temperaturanstieg auf, um in der Pore einen ausreichenden Überdruck durch die eingeschlossenen Gase zu bewirken und das Entstehen einer Blase zu erzwingen. Pinhole- und Pinblister-Bildung lässt sich vermeiden Pinholes und Pinblisters lassen sich vermeiden, wenn handwerkliche und werkstofftechnische Mindeststandards eingehalten werden. Grundsätzlich ist ein mineralischer Untergrund nur dann beschichtungsgerecht, wenn er eine geschlossene Oberfläche aufweist. Das Porensystem muss daher im Zuge der Untergrundvorbehandlung mit geeigneten Egalisierungs- oder Kratzspachtelungen geschlossen werden. Die anzuwendenden Mörtel (PCC) müssen im Verarbeitungszustand einen hohen Verformungswiderstand aufweisen, um dem Druck aus der Pore standzuhalten. Diese Forderung kann mit einem niedrigen Wasser/Zement-Wert erfüllt werden. Gegebenenfalls sind dem Mörtel verflüssigende Additive hinzu zu geben. Die Oberfläche der Egalisierungsspachtelung darf nachträglich nicht mit Wasser geglättet werden. Diese Methode bewirkt zwar eine ebenere Oberfläche, birgt jedoch die Gefahr der Verwässerung und somit des geringen Verformungswiderstands in sich. Außerdem führt sie zu einer qualitätsmindernden Gefügestörung in der Randzone. Literatur [1] Engelfried, R.; Eisenkrein, H.: Surface Protection Systems on Natural Draught Cooling Towers with Flue Gas Discharge (FGD), WTA-Proceedings of the International Conference of Sustainable Building Restoration and Building Physics, September 26 – 27 2008 at Tongji University, Shanghai [2] Engelfried, R., Sage, F., Eisenkrein, H.: Naturzugkühlturm mit Abgaseinleitung – Planung und Umsetzung von Schutzmaßnahme und Aussehensoptimierung; Tagungsband 2. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken, Technische Akademie Esslingen, Januar 2011 [3] Klopfer, H; Homann, M.: Lehrbuch der Bauphysik, Kapitel III Feuchte. Hrsg.: Willems, W. Vieweg+Teubner Verlag: 7. Ausgabe, Wiesbaden, 2012 Autorin Dipl.-Ing. Helena Eisenkrein Geschäftsführende Gesellschafterin IBOS GmbH – Institut für Betontechnologie und Oberflächenschutzsysteme Bochum Abb. 1: Im PCC-Feinmörtel (rechts) bildeten sich Poren, die mit denen im darunter liegenden SPCC (links) deckungsgleich waren. Abb. 2: Die Pinholes in der Beschichtung reichen bis zum mineralischen Untergrund. Sie haben die Form einer Kanüle. Abb. 3: Aus einem kleinen Pinhole (links) ist durch chemischen Angriff eine größere Betonkorrosionsstelle (rechts) entstanden. Abb. 4: Links ist der Blasendeckel geschlossen, rechts sind nach dessen Abnahme die Poren zu erkennen. 0,20 0,18 cs, rs = f() 0,16 Dampfdruck [bar] 0,14 0,12 0,10 (4) 0,08 0,06 (3) 0,04 (2) 0,02 0,00 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Temperatur [°C] Abb. 5: Sattdampfdruckkurve beziehungsweise Sättigungskurve für Wasser als Funktion der Temperatur „Wasser im Porenraum“ Manometer Manometer „Porenraum“ Manometer Verschluss der „Pore“ mit „Beschichtungsfilm“ „Porenöffnung“ Abb. 6: Mit dieser Versuchsvorrichtung wurde der Sattdampfdruckaufbau nachgewiesen. 50 45 40 Druck [mbar] 35 30 25 20 15 10 5 0 00:00 01:00 02:00 Wasser 03:00 04:00 Äthylacetat 05:00 Xylol 06:00 07:00 Epoxidharz Abb. 7: Geschwindigkeit und Höhe des Sattdampfdruckanstiegs 08:00 09:00 10:00 Zeit [min:sec] Aceton