Abstracts Gastroenterologie 2009: Neues aus Diagnostik und Therapie Bochum Samstag, 21. März 2009 9.00 – 17.20 Uhr Veranstaltungsort: RuhrCongress Bochum Stadionring 20 44791 Bochum Rostock 12. September 2009 Braunschweig 25. April 2009 Gladbeck 13. Juni 2009 Magdeburg 5. Dezember 2009 Bochum 21. März 2009 Böblingen 7. Februar 2009 Neustadt / Weinstraße 19. September 2009 München 10. Oktober 2009 Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. W. Schmiegel, Bochum Programm 9.00 Uhr Begrüßung Prof. Dr. W. Schmiegel, Bochum 1. Hepatopankreatobiliäres System 1 Vorsitz: Dr. W.E. Schmidt, Bochum Prof. Dr. T. Sauerbruch, Bonn 9.05 Uhr Behandlung der akuten Pankreatitis Prof. Dr. M.M. Lerch, Greifswald 9.25 Uhr Autoimmune und hereditäre Pankreatitis – wann bedenken, wie behandeln? Prof. Dr. J. Mössner, Leipzig 9.45 Uhr Leitliniengerechte Therapie von Gallenwegserkrankungen: Kurzfassung der aktualisierten S3-Leitlinie der DGVS und DGAV zur Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen Prof. Dr. F. Lammert, Homburg/Saar 2. Hepatopankreatobiliäres System 2 Vorsitz: Prof. Dr. G. Gerken, Essen Dr. T. Pietzsch, Bochum 10.10 Uhr Leberbiopsie – der Pathologe als letzte Instanz bei der Diagnostik diffuser Lebererkrankungen? Prof. Dr. A. Tannapfel, Bochum 10.25 Uhr Prävention und Management von Resistenzen bei der chronischen Hepatitis B Dr. M. Cornberg, Hannover 10.40 Uhr Individualisierung der Therapiestrategie bei chronischer Hepatitis C – neuer Standard Prof. Dr. S. Zeuzem, Frankfurt 10.55 Uhr Stadiengerechte Therapie der Varizenblutung Prof. Dr. T. Sauerbruch, Bonn 11.10–11.30 Uhr Kaffeepause 1 3. Darm 1 Vorsitz: Prof. Dr. W. Kruis, Köln PD Dr. G. Schmidt-Heinevetter, Bochum 11.30 Uhr Therapie des Reizdarmsyndroms Prof. Dr. P. Layer, Hamburg 11.50 Uhr Die pseudomembranöse Kolitis auf dem Vormarsch – Konzepte zur Diagnostik, Prophylaxe und Therapie Dr. C. Pox, Bochum 12.10 Uhr Bottom-up oder Top-down – welches Risiko bei welchem CED-Patienten? Prof. Dr. S. Schreiber, Kiel 12.30–13.25 Uhr Mittagspause 4. Darm 2 Vorsitz: Prof. Dr. M. Zeitz, Berlin Prof. Dr. J. Schölmerich, Regensburg 13.25 Uhr Divertikulitis – wann konservativ, wann interventionell, wann chirurgisch therapieren? Prof. Dr. W. Kruis, Köln 13.45 Uhr Ecksteine der Leitlinie Morbus Crohn Prof. Dr. M. Zeitz, Berlin 14.05 Uhr Die steroidrefraktäre Colitis ulcerosa – wie behandeln? Prof. Dr. J. Schölmerich, Regensburg 5. Gastroenterologische Onkologie Vorsitz: Dr. C. Mölleken, Bochum Prof. Dr. O.G. Opitz, Freiburg 14.30 Uhr Therapeutisches Vorgehen beim Ösophaguskarzinom Prof. Dr. O.G. Opitz, Freiburg 14.45 Uhr RFTA, SIRT oder TACE – lokalablative Therapieoptionen bei Lebertumoren (ohne Abstract) Prof. Dr. V. Nicolas, Bochum 2 15.00 Uhr (Neo-)Adjuvante und palliative Therapie des kolorektalen Karzinoms Prof. Dr. W. Schmiegel, Bochum 15.15 Uhr Hereditäre Formen des kolorektalen Karzinoms – Was gilt es zu beachten? Dr. K. Schulmann, Bochum 15.30 Uhr Was bringen (Darm-)Krebszentren? (ohne Abstract) Prof. Dr. Dr. h.c. W. Hohenberger, Erlangen 15.45–16.00 Uhr Kaffeepause 6. Endoskopie Vorsitz: Prof. Dr. T. Rösch, Hamburg Dr. B. Viebahn, Bochum 16.00 Uhr Leitlinie Sedierung in der Endoskopie – was ändert sich? (ohne Abstract) Dr. A. Riphaus, Hannover 16.15 Uhr Kapselendoskopie des Kolons Dr. T. Brechmann, Bochum 16.30 Uhr Schneiden oder Brennen? Interventionelle Therapie des Barrett-Ösophagus (ohne Abstract) Prof. Dr. T. Rösch, Hamburg 16.45 Uhr Interventionelle Endosonografie – Möglichkeiten und Grenzen (ohne Abstract) Dr. S. Heringlake, Bochum 17.00 Uhr Schlusswort Prof. Dr. W. Schmiegel, Bochum Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seiten 75–76 3 Behandlung der akuten Pankreatitis M.M. Lerch, M. Kraft, J. Mayerle Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A, Universitätsklinikum Greifswald Einleitung Die akute Pankreatitis zählt zu den häufigsten gastroenterologischen Erkrankungen. Die Inzidenz der Neuerkrankungen einer akuten Pankreatitis liegt zwischen 10–46/100.000 Einwohner. Somit sind 2% des klinischen Krankenguts betroffen. In den letzten Jahren wurde eine steigende Inzidenz beobachtet. Klinische Symptome wie gürtelförmige Oberbauchbeschwerden und Erbrechen zusammen mit einem über das 3-fache der Norm erhöhten Serumspiegel für Amylase oder Lipase führen zur Diagnosestellung der akuten Pankreatitis. Die häufigste Ursache der Pankreatitis sind eine Choledocholithiasis oder ein Alkoholabusus. In seltenen Fällen wird auch eine medikamentös induzierte Pankreatitis beschrieben (Tab. 1). Im klinischen Verlauf lassen sich für die akute Pankreatitis 2 Formen unterscheiden, deren Auftreten unabhängig von der Ätiologie der Erkrankung ist: die akute interstitiellödematöse Pankreatitis (75–85%) mit einer Letalität unter 1% und die akute hämorrhagisch-nekrotisierende Pankreatitis (15–25%) mit einer Letalität zwischen 10–24%. Volumen und Elektrolytsubstitution Die entscheidende therapeutische Maßnahme bei der Behandlung der akuten Pankreatitis (und ebenso der häufigste Behandlungsfehler, wenn sie nicht erfolgt) ist die ausreichende Substitution des Flüssigkeitsverlusts. In einer japanischen retrospektiven Analyse konnte gezeigte werden, dass die Mortalität einer Patientengruppe mit akuter Pankreatitis 61,2% betrug, wenn weniger als 3,5 Liter Flüssigkeit in den ersten 24 Stunden des Krankenhausaufenhalts infundiert wurden (1). Patienten mit akuter Pankreatitis sequestrieren erhebliche Flüssigkeitsmengen, vor allem ins Retroperitoneum, bei Vorliegen eines Ileus ins Darmlumen, in die Pleurahöhle und in die freie Bauchhöhle (pankreatogener Aszites). Im Normalfall kann ein Flüssigkeitsbedarf von mindestens 3–4 Litern pro Tag angenommen werden, allerdings müssen in manchen Fällen mehr als 10 Liter in 24 h substituiert werden. Eine Kontrolle des Flüssigkeitsbedarfs und der Substitution über den zentralvenösen Druck, die stündliche Urinausscheidung (0,5 ml/kg KG/h) und die tägliche 5 Bestimmung des Hämatokrit ist in jedem Fall erforderlich. Als Richtwert für die Absenkung des Hämatokrits durch ausreichende Flüssigkeitssubstitution gilt ein Wert unter 35%. Der zentralvenöse Druck sollte auf Werte um 8–12 cm Wassersäule angehoben werden. Ein nicht ausreichender Ersatz des Flüssigkeitsverlusts hat eine Vasokonstriktion im Splanchnikusgebiet zur Folge, und hieraus kann eine Minderperfusion des Pankreas resultieren, was wiederum zur Progression der akuten Pankreatitis beitragen würde. Nahrungskarenz oder enterale Ernährung Nahrungskarenz hat einen positiven Einfluss auf den Verlauf des paralytischen Ileus, der als Folge einer akuten Pankreatitis auftreten kann. Zudem empfinden viele Patienten die Nahrungskarenz subjektiv als Erleichterung für ihre Übelkeit, ihr Erbrechen und ihre Schmerzen. Auf den klinischen Verlauf oder die Prognose der akuten Pankreatitis selbst hat die Nahrungskarenz nach neueren Studien keinen positiven Einfluss. Vor allem die Vorstellung, dass durch Nahrungskarenz die Bauchspeicheldrüse „ruhiggestellt“ werden muss, gilt heute als obsolet. Sowohl in experimentellen als auch in klinischen Studien wurde überzeugend belegt, dass im Verlauf einer Pankreatitis die exokrine Sekretion blockiert ist und dass somit eine Hemmung der Sekretion als therapeutisches Prinzip sinnlos ist. Eine therapeutische Aufhebung der Sekretionsblockade bei der Pankreatitis wäre, zumindest aus pathophysiologischen Überlegungen, ein vielversprechenderer Behandlungsansatz. In 10 prospektiv randomisierten klinischen Studien (2–13) konnte inzwischen gezeigt werden, dass eine enterale Ernährung der parenteralen Ernährung bei akuter Pankreatitis überlegen ist. Die Gründe hierfür liegen nicht nur in den Kosten der parenteralen Ernährung (6-mal so teuer wie die enterale Sondenernährung), sondern vor allem in den Komplikationen der parenteralen Ernährung. Neben der Gefahr einer zusätzlichen Infektionsquelle durch den zentralvenösen Katheter kommt es bei ausschließlich parenteraler Ernährung innerhalb weniger Tage zu einer Zottenatrophie im Darm, die dann eine bakterielle Translokation in die umliegenden parenchymatösen Organe erlaubt. Bei Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis siedeln sich die translozierten Bakterien bevorzugt in der Pankreasnekrose an und können eine der gefürchtetsten Komplikationen der Pankreatitis – die infizierte Nekrose oder den Pankreasabszess (s. unten) – verursachen. Eine enterale Sondenernährung, die über eine tiefliegende Dünndarmsonde oder (neueste Studien) mit gleicher Effektivität auch über eine Magensonde verabreicht wird, wirkt 6 der Translokation entgegen und hat sich als Alternative zur parenteralen Ernährung bewährt (3, 14–16). Analgetikatherapie Patienten mit akuter Pankreatitis leiden oft unter stärksten viszeralen Schmerzen. Deshalb ist eine ausreichende Analgesie eines der wichtigsten und oft dringlichsten Behandlungsziele. Die einst nur im deutschsprachigen Raum verbreitete Dauerinfusion des Lokalanästhetikums Procainhydrochlorid (Novocain, 2 g/24 h) zur Schmerzbehandlung bei der Pankreatitis ist weder durch Studien noch durch Fallberichte belegt. In einer klinischen Studie aus der Universitätsklinik Magdeburg wurde gezeigt, dass die Novocain-Infusion für die Schmerzbehandlung bei akuter Pankreatitis wirkungslos ist und den Bedarf an zusätzlich zu gebenden Opiatanalgetika sogar noch erhöht (17, 18). Auch das Argument einer möglichen Kontraktion der Duodenalpapille durch Morphine und damit einer zusätzlichen Abflussbehinderung der Pankreassekretion ist nach heutigem Wissensstand obsolet (19). Wir wissen heute, dass dieser Effekt bei den meisten Analgetika dieser Gruppe nicht auftritt oder so gering ausgeprägt ist, dass er klinisch keine Rolle spielt. Einige morphinanaloge Analgetika werden mit Erfolg zur Schmerztherapie bei akuter Pankreatitis eingesetzt. Im angelsächsischen Sprachraum wird überwiegend und mit gutem Erfolg Morphium zur Behandlung starker Schmerzen bei akuter Pankreatitis eingesetzt. Das in Deutschland aus betäubungsrechtlichen Gründen sehr gerne verordnete Tramadol (Tramal®) führt nach persönlicher Erfahrung der Autoren bei Patienten mit akuter Pankreatitis häufiger zu Übelkeit und Erbrechen, so dass andere Opiatanalgetika eher zu verordnen sind (20,21). Einige Zentren haben in zwischen gute Ergebnisse mit dem Einsatz der thorakalen Periduralanalgesie erzielt. Diese führt nicht nur zur raschen Schmerzfreiheit der Patienten, sondern verhindert oder therapiert zusätzlich einen paralytischen Ileus. Voraussetzung für den Einsatz der PDA ist, dass der Patient weder analgosediert ist, noch eine manifeste Gerinnungsstörung vorliegt (22, 23). Behandlung mit Antibiotika und Probiotika Die Einstellung zur Behandlung der akuten Pankreatitis mit Antibiotika hat sich in den letzten Jahren mehrfach gewandelt. In neueren Studien wurde überzeugend gezeigt, dass eine generelle Antibiotikaprophylaxe keine Vorteile bietet und nur zur Selektion 7 resistenter Erreger beiträgt. Demgegenüber profitieren Patienten mit nachgewiesener infizierter Pankreasnekrose von einer Antibiotikabehandlung erheblich. Die letzte Metaanalyse zur prophylaktischen Antibiotikagabe, die auch die Daten der neuesten Meropenem-Studie von (24) einschließt und damit 7 Studien mit insgesamt 467 Patienten in der Analyse berücksichtigt fand keinen Unterschied für die Rate an infizierten Nekrosen. Auch die Gesamtmortalität war in der Antibiotikatherapiegruppe nicht signifikant reduziert. Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die eine Reihe von positiven Effekten auf die Gesundheit haben sollen. Olah und Kollegen haben in den letzten Jahren 2 RCT Studien zur Prophylaxe einer infizierten Nekrose bei Patienten mit akuter Pankreatitis durchgeführt. Beide Studien belegen, dass der Einsatz von Probiotika die Inzidenz von infektiösen Komplikationen verminderte (6, 7). Umso mehr Aufsehen haben die Ergebnisse der erst im letzten Jahr im Lancet veröffentlichten PROPATRIA-Studie der Niederländischen Pankreatitis Studien Gruppe erregt. In einer doppelblinden Plazebo-kontrollierten Studien an 298 Patienten mit schwerer akuter Pankreatitis belegten die Autoren, dass die Probiotikagabe (Ecologic 641: Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus casei, Lactobacillus salivarius, Lactococccus lactis, Bifidobacterium bifidum und Bifidobacterium lactis) nicht zu einer signifikanten Abnahme der infektiösen Komplikationen, sondern zu einer signifikanten Zunahme der Mortalität, überwiegend verursacht durch Darmnekrosen in der Verumgruppe führte (25, 26). Die Gabe von Probiotika zur Therapie der akuten Pankreatitis sollte somit unbedingt unterbleiben bis weitere Studien die Hintergründe dieses Befunds klären. Endoskopisches und operatives Vorgehen bei nekrotisierender Pankreatitis Ein operatives Vorgehen bei akuter nekrotisierender Pankreatitis ist nur bei nachgewiesener infizierter Nekrose und nicht bei einer sterilen Nekrose indiziert. Im Verlauf der letzten 2 Jahrzehnte hat sich das therapeutische Konzept von einem aggressiven operativen Vorgehen hin zu einem konservativen interventionellen Management gewandelt. Ursprünglich wurde die Indikation zur Nekrosektomie bei Auftreten eines Multiorganversagens gestellt. Dieses Vorgehen war mit einer Mortalität von 65% verbunden, was den Nutzen des operativen Vorgehens in dieser Situation infrage stellt. Noch im Jahr 2003 belief sich die Mortalität bei offener Nekrosektomie auf 47% (27). Die offene Nekrosektomie sollte deshalb wo immer möglich vermieden werden, da das operative Trauma ein schwer beherrschbares 8 SIRS induziert (28). Eine Studie von Mier und Kollegen aus dem Jahr 1997 belegt, dass ein operatives Vorgehen innerhalb von 2 Wochen nach Krankheitsbeginn mit einer signifikant höheren Mortalität behaftet ist (29). Wenn eine offene Nekrosektomie nicht vermeidbar ist, sollte sie durch konservative Maßnahmen wie eine Drainageanlage und eine Resistogramm gerechte Antibiose bis zur 3. oder 4. Krankheitswoche hinausgezögert werden. Ein kombiniert konservatives und interventionelles Vorgehen ist auch bei infizierter Nekrose dem operativen Verfahren gleichwertig (30). Eine Reihe von Studien haben in den letzten Jahren gezeigt, dass minimalinvasive Therapieverfahren wie die perkutane Drainageanlage oder eine laparoskopisch assistierte Nekrosektomie vielversprechende Ergebnisse liefern (31, 32). Als neues und sehr wenig invasives Therapieverfahren gilt die transgastrische oder transduodenale endoskopische Nekrosektomie. Bisher wurden in der Literatur mehr als 100 Behandlungsfälle beschrieben. Die Indikation war entweder eine nachgewiesene infizierte Nekrose oder ein Pankreasabszess. Die technische Erfolgsrate bei diesen Patienten lag bei 92,1%, wobei es in 19,6% zu Komplikationen wie Kolonfisteln, Blutung, Prothesendislokation, Schmerzen nach mehr als 24 h, Perforationen oder Senkungsabszessen kommt. Die Mortalität in dieser Patientengruppe betrug 5,6%, der Langzeiterfolg der Therapie lag bei 81,2% und die Anzahl der Eingriffe bei im Median 2,3 (33–35). Insgesamt stellt dieses Verfahren bei richtiger Indikationsstellung und frühestens 2–3 Wochen nach Krankheitsbeginn einen vielversprechenden therapeutischen Ansatz dar und wird auch in unserer Klinik inzwischen routinemäßig eingesetzt. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Markus M. Lerch - Direktor Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Str. 23A 17475 Greifswald Tel.: 03834 867230 Fax: 03834 867234 E-Mail: [email protected] 9 Tabelle 1: Medikamentöse Ursachen einer akuten Pankreatitis: Daten kumuliert aus Trivedi (36), Eland (37), Andersen (38), Lankisch (39) Medikamente Didanosin Asparaginase Azathioprin Valproat 5-wertige Antimone (LeishmanioseTherapie) Pentamidin Mercaptopurin Mesalamin/Olsalazin Östrogene Opiate Tetracyclin Cytarabin Stereoide Sulfmethoxazol/ Trimethoprim Sulfasalazin Furosemid Sulindac Lamivudin Octreotid Acetaminophen Phenformin Interferon-α2b Enalapril Hydrochlorothiazid Cisplatin Erythromycin Cimetidin Methyldopa Metronidazol Oxyphenbutazon Simvastatin Anzahl der Fälle 883 177 101 80 80 Re-Exposition 9 2 22 11 14 79 69 74 42 42 34 26 25 24 2 10 17 11 5 2 4 1 1 23 21 21 19 16 13 13 13 12 12 11 11 1 2 1 1 1 5 3 8 1 4 1 1 3 2 1 1 1 1 2 1 1 1 Literatur: 1. 10 Mayumi T, Takada T, Kawarada Y, Hirata K, Yoshida M, Sekimoto M, Hirota M, Kimura Y, Takeda K, Isaji S, Koizumi M, Otsuki M, Matsuno S. Management strategy for acute pancreatitis in the JPN Guidelines. J Hepatobiliary Pancreat Surg. 2006;13:61–7. 2. Working Party of the British Society of Gastroenterology; Association of Surgeons of Great Britain and Ireland; Pancreatic Society of Great Britain and Ireland; Association of Upper GI Surgeons of Great Britain and Ireland. UK guidelines for the management of acute pancreatitis. Gut. 2005;54(Suppl 3): iii1–9. 3. Eatock FC, Brombacher GD, Steven A, Imrie CW, McKay CJ, Carter R. Nasogastric feeding in severe acute pancreatitis may be practical and safe. Int J Pancreatol. 2000;28:23–9. 4. Karamitsios N, Saltzman JR. Enteral nutrition in acute pancreatitis. Nutr Rev. 1997;55:279–82. 5. McClave SA, Greene LM, Snider HL, Makk LJ, Cheadle WG, Owens NA, Dukes LG, Goldsmith LJ. Comparison of the safety of early enteral vs parenteral nutrition in mild acute pancreatitis. JPEN J Parenter Enteral Nutr. 1997;21: 14–20. 6. Oláh A, Belágyi T, Issekutz A, Olgyai G. [Combination of early nasojejunal feeding with modern synbiotic therapy in the treatment of severe acute pancreatitis (prospective, randomized, double-blind study)]. Magy Seb. 2005;58:173–8. 7. Oláh A, Pardavi G, Belágyi T, Nagy A, Issekutz A, Mohamed GE. Early nasojejunal feeding in acute pancreatitis is associated with a lower complication rate. Nutrition. 2002;18:259–62. 8. Powell JJ, Murchison JT, Fearon KC, Ross JA, Siriwardena AK. Randomized controlled trial of the effect of early enteral nutrition on markers of the inflammatory response in predicted severe acute pancreatitis. Br J Surg. 2000;87:1375–81. 9. Pupelis G, Selga G, Austrums E, Kaminski A. Jejunal feeding, even when instituted late, improves outcomes in patients with severe pancreatitis and peritonitis. Nutrition. 2001;17:91–4. 10. Sax HC, Warner BW, Talamini MA, Hamilton FN, Bell RH, Jr, Fischer JE, Bower RH. Early total parenteral nutrition in acute pancreatitis: lack of beneficial effects. Am J Surg. 1987;153:117–24. 11. Windsor AC, Kanwar S, Li AG, Barnes E, Guthrie JA, Spark JI, Welsh F, Guillou PJ, Reynolds JV. Compared with parenteral nutrition, enteral feeding attenuates the acute phase response and improves disease severity in acute pancreatitis. Gut. 1998;42:431–5. 12. Eckerwall GE, Axelsson JB, Andersson RG. Early nasogastric feeding in predicted severe acute pancreatitis: A clinical, randomized study. Ann Surg. 2006;244:959–65; discussion 965–7. 11 13. Petrov MS, Kukosh MV, Emelyanov NV. A randomized controlled trial of enteral versus parenteral feeding in patients with predicted severe acute pancreatitis shows a significant reduction in mortality and in infected pancreatic complications with total enteral nutrition. Dig Surg. 2006;23:336–44; discussion 344–5. 14. Imrie CW, Carter CR, McKay CJ. Enteral and parenteral nutrition in acute pancreatitis. Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2002;16:391–7. 15. Kumar A, Singh N, Prakash S, Saraya A, Joshi YK. Early enteral nutrition in severe acute pancreatitis: a prospective randomized controlled trial comparing nasojejunal and nasogastric routes. J Clin Gastroenterol. 2006;40:431–4. 16. Lecleire S, Antonietti M, Ben-Soussan E, Zenoni M, Savoye G, Goria O, Ducrotté P, Lerebours E. Nasojejunal feeding in patients with severe acute pancreatitis: comparison of endoscopic and self-migration tube placement. Pancreas. 2007;35:376–8. 17. Kahl S, Zimmermann S, Pross M, Schulz HU, Schmidt U, Malfertheiner P. Procaine hydrochloride fails to relieve pain in patients with acute pancreatitis. Digestion 2004;69:5–9. 18. Lerch MM. No more intravenous procaine for pancreatitis pain? Digestion. 2004;69:2–4. 19. Thompson DR. Narcotic analgesic effects on the sphincter of Oddi: a review of the data and therapeutic implications in treating pancreatitis. Am J Gastroenterol. 2001;96:1266–72. 20. Jakobs R, Adamek MU, von Bubnoff AC, Riemann JF. Buprenorphine or procaine for pain relief in acute pancreatitis. A prospective randomized study. Scand J Gastroenterol. 2000;35:1319–23. 21. Staritz M. Pharmacology of the sphincter of Oddi. Endoscopy. 1988;20 Suppl 1:171–4. 22. Bernhardt A, Kortgen A, Niesel H, Goertz A. Anwendung der Epiduralanästhesie bei Patienten mit akuter Pankreatitis – Prospektive Untersuchung an 121 Patienten [Using epidural anesthesia in patients with acute pancreatitis – prospective study of 121 patients]. Anaesthesiol Reanim. 2002;27:16–22. 23. Niesel HC, Klimpel L, Kaiser H, Bernhardt A, al-Rafai S, Lang U. Epidurale Blockade zur Analgesie und Behandlung der akuten Pankreatitis [Epidural blockade for analgesia and treatment of acute pancreatitis]. Reg Anaesth. 1991;14:97–100. 24. Dellinger EP, Tellado JM, Soto NE, Ashley SW, Barie PS, Dugernier T, Imrie CW, Johnson CD, Knaebel HP, Laterre PF, Maravi-Poma E, Kissler JJ, Sanchez-Garcia M, Utzolino S. Early antibiotic treatment for severe acute necrotizing pancreatitis: a randomized, double-blind, placebo-controlled study. Ann Surg. 2007;245:674–83. 12 25. Besselink MG, van Santvoort HC, Buskens E, Boermeester MA, van Goor H, Timmerman HM, Nieuwenhuijs VB, Bollen TL, van Ramshorst B, Witteman BJ, Rosman C, Ploeg RJ, Brink MA, Schaapherder AF, Dejong CH, Wahab PJ, van Laarhoven CJ, van der Harst E, van Eijck CH, Cuesta MA, Akkermans LM, Gooszen HG; Dutch Acute Pancreatitis Study Group. Probiotic prophylaxis in predicted severe acute pancreatitis: a randomised, double-blind, placebocontrolled trial. Lancet. 2008;371:651–9. 26. Sand J, Nordback I. Probiotics in severe acute pancreatitis. Lancet. 2008;371:634–5. 27. Nieuwenhuijs VB, Besselink MG, van Minnen LP, Gooszen HG. Surgical management of acute necrotizing pancreatitis: a 13-year experience and a systematic review. Scand J Gastroenterol. Suppl 2003:111–6. 28. Connor S, Alexakis N, Raraty MG, Ghaneh P, Evans J, Hughes M, Garvey CJ, Sutton R, Neoptolemos JP. Early and late complications after pancreatic necrosectomy. Surgery. 2005;137:499–505. 29. Mier J, León EL, Castillo A, Robledo F, Blanco R. Early versus late necrosectomy in severe necrotizing pancreatitis. Am J Surg. 1997;173:71–5. 30. Runzi M, Niebel W, Goebell H, Gerken G, Layer P. Severe acute pancreatitis: nonsurgical treatment of infected necroses. Pancreas. 2005;30:195–9. 31. Shankar S, vanSonnenberg E, Silverman SG, Tuncali K, Banks PA. Imaging and percutaneous management of acute complicated pancreatitis. Cardiovasc Intervent Radiol. 2004;27:567–80. 32. Werner J, Feuerbach S, Uhl W, Büchler MW. Management of acute pancreatitis: from surgery to interventional intensive care. Gut. 2005;54:426–36. 33. Raczynski S, Teich N, Borte G, Wittenburg H, Mössner J, Caca K. Percutaneous transgastric irrigation drainage in combination with endoscopic necrosectomy in necrotizing pancreatitis (with videos). Gastrointest Endosc. 2006;64:420–4. 34. Seewald S, Groth S, Omar S, Imazu H, Seitz U, de Weerth A, Soetikno R, Zhong Y, Sriram PV, Ponnudurai R, Sikka S, Thonke F, Soehendra N. Aggressive endoscopic therapy for pancreatic necrosis and pancreatic abscess: a new safe and effective treatment algorithm (videos). Gastrointest Endosc. 2005;62:92–100. 35. Seifert H, Wehrmann T, Schmitt T, Zeuzem S, Caspary WF. Retroperitoneal endoscopic debridement for infected peripancreatic necrosis. Lancet. 2000;356:653–5. 36. Trivedi CD, Pitchumoni CS. Drug-induced pancreatitis: an update. J Clin Gastroenterol 2005;39:709–16. 37. Eland IA, van Puijenbroek EP, Sturkenboom MJ, Wilson JH, Stricker BH. Drugassociated acute pancreatitis: twenty-one years of spontaneous reporting in The Netherlands. Am J Gastroenterol. 1999;94:2417–22. 13 38. Andersen V, Sonne J, Andersen M. Spontaneous reports on drug-induced pancreatitis in Denmark from 1968 to 1999. Eur J Clin Pharmacol. 2001;57:517–21. 39. Lankisch PG, Dröge M, Gottesleben F. Drug induced acute pancreatitis: incidence and severity. Gut. 1995;37:565–7. 14 Autoimmune und hereditäre Pankreatitis – wann bedenken, wie behandeln? J. Mössner Medizinische Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Leipzig Ätiologie und Pathogenese In den Industrienationen ist die chronische Pankreatitis in 70–80% aller Fälle alkoholinduziert. In 20–30% der Fälle ist eine auslösende Ursache nicht erkennbar („idiopathische chronische Pankreatitis“). Die Aufklärung genetischer Veränderungen, die entweder die Krankheit verursachen oder bei zusätzlichen, zum Teil noch unbekannten Kofaktoren, die Krankheitspenetranz beeinflussen, hat noch zu keinen therapeutischen Konsequenzen geführt. Angeborene Risikofaktoren der chronischen Pankreatitis Hereditäre Pankreatitis Erstbeschreibung und Klinik. Die klinische Beobachtung einer Familie, in der 6 von 36 Mitgliedern aus 4 Generationen eine rezidivierende Pankreatitis hatten, führte im Jahr 1952 zur Erstbeschreibung der autosomal-dominant vererbten hereditären Pankreatitis. Die Erkrankung beginnt überwiegend im Kindes- oder Jugendalter und betrifft Jungen und Mädchen gleichermaßen. Meist treten wiederholte schmerzhafte akute Schübe der chronischen Pankreatitis auf; selten ist eine klinische Erstmanifestation aufgrund bereits entwickelter exokriner oder endokriner Insuffizienz. Genetik. Kationisches Trypsinogen ist das quantitativ wichtigste Trypsinogen im Pankreassaft des Menschen. Einer nordamerikanisch-italienischen Arbeitsgruppe gelang es im Jahr 1996, bei 5 Familien mit hereditärer Pankreatitis eine krankheitsassoziierte Mutation in diesem Gen zu identifizieren. Bereits bei der Publikation der R122H-Mutation wurde postuliert, dass die Aminosäure R122 aufgrund ihrer exponierten Lage als eine „Sollbruchstelle“ anzusehen ist. Eine Hydrolyse an dieser Position könnte zu einer Inaktivierung des aktiven Trypsins führen. Im mutierten R122H-Molekül wäre diese Spaltung nicht mehr möglich, sodass aktives Trypsin im Organ persistiert, was dann eine akute Pankreatitis 15 initiieren könnte. Dieses Konzept passt gut in die schon zuvor favorisierte Vorstellung zur Pathogenese der Pankreatitis, welche von einer gesteigerten intrapankreatischen Trypsinaktivität ausgeht. Die häufigsten krankheitsassoziierten Mutationen des kationischen Trypsinogens, N29I und R122H, führen in der Tat zu einer erleichterten Autoaktivierung und/oder erschwerten Inaktivierung der mutierten Trypsinmoleküle in vitro. In rascher Folge wurden weitere Varianten des kationischen Trypsinogens identifiziert. Einige davon führten aufgrund ihrer Position im Molekül oder ihrer biochemischen Eigenschaften zu interessanten pathogenetischen Konzepten. Beispiele sind weitere Mutationen im Bereich der Trypsin-Inaktivierungsschnittstelle, Mutationen direkt an der Trypsinogen-Aktivierungsschnittstelle oder durch Austausch genetischen Materials entstandene Konversionsmutationen. Die subtil erhobene Familienanamnese und ggf. das Hinzuziehen objektiver klinischer Befunde der Familienangehörigen eines Indexpatienten ist Basis jeder sinnvollen genetischen Diagnostik. Hereditäre chronische Pankreatitis und Pankreaskarzinom Nachdem häufig bereits im jüngeren Erwachsenenalter eine Beruhigung der Krankheitsaktivität eintritt, sind die Patienten über das Risiko eines Pankreaskarzinoms besorgt. Die Datenlage zu dieser Frage ist uneinheitlich, da alle bisherigen Untersuchungen nur sehr wenige Patienten mit hereditärer Pankreatitis und Pankreaskarzinom umfassten. In der größten Kohorte mit 246 Patienten erlitten 8 Patienten ein Pankreaskarzinom; daraus wurde ein gegenüber der Normalbevölkerung 50-fach erhöhtes Pankreaskarzinomrisiko errechnet. In unserer eigenen Kohorte fanden sich unter 101 Patienten 3 Fälle eines Pankreaskarzinoms mit einer mittleren Manifestation 23 Jahre nach klinischem Beginn der Pankreatitis. In einer älteren Untersuchung fand sich auch bei längerer Nachbeobachtung kein einziger Fall bei 72 Patienten. Die einzige sinnvolle Konsequenz daraus ist die dringende Empfehlung zum Nikotinverzicht und eine einmal jährlich durchgeführte nichtinvasive bildgebende Untersuchung. Idiopathische chronische Pankreatitis Mutationen des pankreatischen Trypsin-Inhibitor-Gens SPINK1. 4 Jahre nach der Erstbeschreibung von Mutationen des kationischen Trypsinogens wurde eine Assoziation von Mutationen des SPINK1-Gens (Serin-Proteasen-Inhibitor Typ Kasal) 16 mit der chronischen Pankreatitis berichtet. SPINK1 ist der wichtigste intrapankreatische Gegenspieler vorzeitig aktivierten Trypsins; seine Mutationen scheinen ebenfalls zu einer Destabilisierung des intrapankreatischen Proteasen- Antiproteasen-Gleichgewichts beizutragen. Während Trypsinogen-Mutationen fast ausschließlich bei Patienten mit autosomal-dominanter hereditärer chronischer Pankreatitis gefunden wurden, finden sich SPINK1-Mutationen neben der idiopathischen (20%) auch bei Patienten mit alkoholischer (6%) und tropischer (50%) chronischer Pankreatitis in hoher Prävalenz. Die wichtigste genetische Veränderung im SPINK1-Gen ist die Mutation N34S. Mutationen des anionischen Trypsinogens. Wir analysierten das Gen des anionischen Trypsinogens (PRSS2) sowohl in einer gesunden Kontrollgruppe als auch bei Patienten mit chronischer Pankreatitis. Eine Variante des Codons 191 (G191R) war überraschenderweise bei Kontrollen statistisch signifikant überrepräsentiert (3,4% vs. 1,3%; Odds-Ratio = 0,37; p = 1,1 x 10-8). In vitro zeigte gereinigtes rekombinantes G191R-Protein einen vollständigen Verlust der Aktivierbarkeit durch entweder Enterokinase oder Trypsin. Dies war durch die Einführung einer neuen Region, die durch Trypsin gespalten werden kann, erklärt. Diese Variante des anionischen Trypsins macht das Molekül hypersensitiv für eine proteolytische Degradation. Die G191R-Variante des PRSS2 mitigiert somit die intrapankreatische Trypsin-Aktivität und schützt somit vor der Entwicklung einer Pankreatitis. Mutationen des Chymotrypsin C. Chymotrypsin C (CTRC) degradiert Trypsin und schützt somit ebenfalls das Pankreas vor seiner Autodigestion. Durch Analyse von 1320 Patienten mit chronischer Pankreatitis und 2888 Studienteilnehmern ohne chronische Pankreatitis konnten wir eine Assoziation von genetischen Varianten des CTRC mit der chronischen Pankreatitis nachweisen. Die gefundenen Varianten zeigten funktionell eine verringerte Aktivität und/oder eine verminderte Sekretion. Dieser Funktionsverlust stört das intrapankreatische Gleichgewicht von Proteasen und Antiproteasen und führt – wie wir annehmen – über eine Autodigestion zur Pankreatitis. 17 Chronische Pankreatitis und Mukoviszidose Epidemiologie. Die Mukoviszidose oder zystische (Pankreas-)Fibrose (CF) ist eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die durch Mutationen im CFTR-Gen (cystic fibrosis transmembrane conductance regulator) verursacht wird. Die geschätzte Inzidenz liegt in Europa bei 1:2500. Pathophysiologie. Die Pankreasschädigung bei CF ist durch eine duktuläre Obstruktion infolge eingedickten Sekrets charakterisiert, die zu einer Dilatation der Pankreasgänge und zu einem Verlust der Azinuszellen mit interstitieller Fibrose und Ersatz durch Fettgewebe führt. Die Pankreasbeteiligung variiert von einem kompletten Verlust der exokrinen und endokrinen Funktion bis zu einer nahezu normalen Pankreasfunktion. CFTR kodiert für ein Transmembranprotein, ist auf der Oberfläche der meisten Epithelzellen nachweisbar und fungiert als cAMP-abhängiger Chloridkanal. CFTR besitzt eine bedeutende Rolle in der duktulären Sekretion von Bikarbonat in den Pankreassaft. CFTR-Mutationen verursachen einen defekten Salztransport mit Bildung zäher Schleimsekrete in den betroffenen Organen. Genetik. Bislang sind über 1000 verschiedene CFTR-Mutationen beschrieben. Bei Patienten mit idiopathischer chronischer Pankreatitis finden sich CFTR-Mutationen 4-mal häufiger als erwartet. Aus dieser Beobachtung folgte die Hypothese, dass die Kombination zweier milder bzw. einer schweren und einer milden CFTR-Mutation den Phänotyp einer Pankreatitis verursacht, während die Kombination zweier schwerer CFTR-Mutationen zu dem Phänotyp einer zystischen Fibrose führt. Allerdings weist nur ein Bruchteil der Patienten mit idiopathischer Pankreatitis 2 CFTR-Mutationen auf. Warum lediglich heterozygote Mutationsträger ein erhöhtes Risiko für eine chronische Pankreatitis besitzen, ist wenig verstanden. Neuere Publikationen deuten darauf hin, dass die Kombination einer heterozygoten CFTRMutation mit einem genetischen Defekt in einem anderen Gen, wie z. B. SPINK1, zur chronischen Pankreatitis disponiert. Dieser Hypothese folgend, würde CFTR über einen komplexen Erbgang zu einer Pankreatitis prädisponieren. Pankreaskarzinomrisiko. Über das Pankreaskarzinomrisiko bei zystischer Fibrose ist bislang wenig bekannt; insgesamt gibt es erst 9 publizierte Fälle weltweit. Von diesen hatten 5 eine vorbestehende exokrine Pankreasinsuffizienz. Ob sich im Zuge der 18 deutlich verbesserten Prognose der pulmonalen Erkrankung zukünftig häufiger ein Pankreaskarzinom finden wird, bleibt abzuwarten. Autoimmunpankreatitis Die Autoimmunpankreatitis (AIP) ist eine seltene Erkrankung und liegt bei maximal 10% der chronischen Pankreatitiden vor. Bei einem Teil der Patienten findet sich im Serum ein erhöhtes IgG, Subtyp 4 und/oder Antikörper gegen Carboanhydrase. Bildmorphologisch finden sich sowohl tumorartige Pankreasraumforderungen als auch eine diffuse Organvergrößerung, sogenanntes Wurstpankreas. Histologisch findet sich eine lymphoplasmazelluläre Infiltration. Die Erkrankung manifestiert sich oftmals mit begleitenden Veränderungen im Gallengangssystem, bildmorphologisch wie PSC. Therapie Hereditäre Pankreatitis Häufig kommt es im Verlauf zu einer Abschwächung der Krankheitsintensität. Auch innerhalb einer Familie finden sich ausgeprägt variable Verläufe, die sich zum heutigen Zeitpunkt weder vorhersagen noch spezifisch behandeln lassen. Die Therapie orientiert sich bislang an den Leitlinien der akuten und chronischen Pankreatitis anderer Genese. Chirurgische Therapieoptionen stehen eher im Hintergrund. Autoimmunpankreatitis Im Gegensatz zur PSC sprechen diese Gallenwegsentzündung und die Cholestase gut auf Steroide an. Die AIP kann aufgrund eines Tumorverdachts fälschlicherweise einer Operation (Resektion) zugeführt werden, die wiederum bei einem Teil der Patienten zu einer deutlichen Exazerbation der Erkrankung mit ernstzunehmender Verschlechterung führen kann. Das klinische Problem stellt die sichere Diagnose der Erkrankung dar. Die AIP ist medikamentös gut mit Steroiden und Azathioprin behandelbar. Chronische Pankreatitis jedweder Ursache Die symptomatische Therapie der chronischen Pankreatitis ist stadiengerecht und setzt daher eine Kenntnis des klinischen Bildes und der Komplikationsmöglichkeiten voraus. 19 Stadium I: Präklinisches Stadium ohne manifeste Symptomatik mit bereits chronisch entzündlichen Veränderungen des Organs Stadium II: Klinische Symptome in Form von rezidivierenden akuten Schüben und sekundären Komplikationen. Mit zunehmendem Untergang von Pankreasgewebe Nachlassen der Intensität der klinischen Symptome. Einige Patienten zeigen auch ein chronisches Schmerzsyndrom und einen Krankheitsverlauf ohne typische Schübe. Die häufigste Komplikation ist die Entstehung von Pankreaspseudozysten mit unterschiedlichster Symptomatik. Stadium III: Progrediente exokrine und endokrine Insuffizienz mit zunehmender Diarrhö und Steatorrhö, weiterem Gewichtsverlust sowie Symptomen des Diabetes mellitus. Ca 10% aller Patienten werden aufgrund eines primär schmerzlosen Verlaufs erst im Stadium III mit progredientem Gewichtsverlust aufgrund ausgeprägter Maldigestion klinisch auffällig. Leitsymptom ist der rezidivierende oft gürtelförmige Schmerz im Oberbauch sowie Gewichtsverlust. Die Pathogenese der Schmerzen ist vielschichtig. Im Stadium II ist der Gewichtsverlust durch unzureichende Kalorienzufuhr aufgrund nahrungsabhängiger Schmerzen erklärt, im Stadium III durch zunehmende Maldigestion. Bei eingeschränkter exokriner Pankreasfunktion kommen Fettstuhl und andere Merkmale der schweren Maldigestion, wie Folgeerkrankungen des Mangels fettlöslicher Vitamine, hinzu. Das Spätstadium ist charakterisiert durch eine zunehmende endokrine Insuffizienz mit Diabetes mellitus. Die Symptomatik kann erweitert werden durch Folgeerkrankungen des Alkohol- und Nikotinabusus wie arterielle Verschlusskrankheit, chronische Bronchitis, Lungenkarzinom, Fettleber, Leberzirrhose mit oder ohne portale Hypertension. Die typische Trias von Gewichtsverlust mit oder ohne Steatorrhö, Diabetes mellitus und Pankreaskalzifikationen findet sich bei einem Drittel der Patienten, meist erst im Stadium III. Literatur beim Verfasser. Prof. Dr. med. Joachim Mössner, Department für Innere Medizin und Dermatologie, Medizinische Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Leipzig, AöR, Liebigstr. 20, 04103 Leipzig, Tel.: 0341 9712200, Fax: 0341 9712209, E-Mail: [email protected] 20 Die Arme der symptomatischen Therapie der chronischen Pankreatitis Maßnahme Ziel Alkoholkarenz soziale Reintegration Verbesserung der Compliance Verzögerung des Krankheitsverlaufs? Reduktion der Komplikationen? Nikotinkarenz Verzögerung der Arteriosklerose Besserung der Schmerzen? Verzögerung des Krankheitsverlaufs Reduktion der Komplikationen? Medikamentöse Schmerztherapie Schmerzfreiheit oral, sublingual, intravenös, transdermal, peridural, intrathekal, Plexuscoeliacus-Blockade Interventionelle Endoskopie Gallengangdrainage Beseitigung einer Cholestase Verhinderung einer sekundär biliären Leberzirrhose Verhinderung einer Cholangitis Beseitigung des Pruritus Pankreasgangdrainage Schmerzfreiheit Verzögerung der chronisch destruktiven Entzündung? Pseudozystendrainage Schmerzfreiheit, Rupturverhinderung transkutan, endoskopisch transgastral, -duodenal, -papillär Pankreasgangsteinentfernung Schmerzfreiheit Verzögerung der Entzündung? ESWL + endoskopische Steinextraktion Therapie der exokrinen Insuffizienz Beseitigung/Besserung der Maldigestion Schweinepankreatin (säuregeschützte Mikrotabletten, -pellets) Konventionelles Pankreatin bei fehlender Magensäure fettlösliche Vitamine, Diät Therapie der endokrinen Insuffizienz Therapie des pankreopriven Diabetes vorübergehend orale Antidiabetika, in der Regel Insulin Operation Schmerztherapie Therapie von Komplikationen Karzinomverdacht Verzögerung des Krankheitsverlaufs? 21 Leitliniengerechte Therapie von Gallenwegserkrankungen: Kurzfassung der aktualisierten S3-Leitlinie der DGVS und DGAV zur Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen F. Lammert Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar 15–20% der Bevölkerung haben Gallensteine, von denen 20–30% Symptome entwickeln, so dass jährlich in Deutschland mehr als 190.000 Cholezystektomien durchgeführt werden. Prädisponierende Faktoren für Gallensteine sind höheres Lebensalter, weibliches Geschlecht, hochkalorische, kohlenhydratreiche und ballaststoffarme Ernährung, Bewegungsmangel und genetische Faktoren. Leitsymptome der Erkrankungen der Gallenblase und -wege sind kolikartige Schmerzen im Oberbauch, Ikterus und Fieber. Die jährliche Komplikationsrate symptomatischer Gallenblasensteine beträgt 1–3%, beim asymptomatischen Steinträger jedoch nur 0,1–0,3%. Der natürliche Verlauf von Gallengangssteinen ist nicht hinreichend geklärt. Das klassische klinische Bild der akuten Cholangitis mit Fieber, Ikterus und rechtsseitigen Oberbauchschmerzen (Charcot-Trias) wird nur bei etwa 25% der Patienten angetroffen. Diagnostik Der Nachweis oder Ausschluss einer Cholezystolithiasis und einer akuten Cholezystitis erfolgt primär durch die transkutane Sonografie. Wenn der sonografische Nachweis oder Ausschluss von Gallengangssteinen nicht gelingt, bestimmen die klinischen Symptome und die Zeichen der biliären Abflussbehinderung den Einsatz weiterer diagnostischer Maßnahmen, der sich auch nach ihrer Verfügbarkeit richtet: Bei hochgradigem Verdacht auf Gallengangssteine (erweiterter Gallengang > 7–10 mm, Hyperbilirubinämie, erhöhte γ-GT/ALT) ist die ERC indiziert. Bei mäßiggradig wahrscheinlicher Choledocholithiasis sollte die Endosonografie – oder alternativ eine MRC – vorgeschaltet werden. Eine Metaanalyse von randomisierten kontrollierten Studien (RCT) fand zwischen Endosonografie und MRC keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Sensitivität (93% vs. 85%) und Spezifität (96% vs. 93%) für die Diagnose von Gallengangssteinen. 22 Therapieprinzipien Die asymptomatische Cholezystolithiasis ist in der Regel keine Indikation zur Therapie. Ausnahmen: • Patienten mit Porzellangallenblase oder Gallenblasenpolypen ≥ 1 cm sollten wegen des Karzinomrisikos (bis 50%) unabhängig von der Symptomatik cholezystektomiert werden. Insbesondere Porzellangallenblasen mit fleckförmigen Wandverkalkungen tragen ein höheres Karzinomrisiko. • Bei großen abdominellen Eingriffen (z. B. malabsorptive/restriktive Adipositaschirurgie, ausgedehnte Resektion bei Morbus Crohn, radikale Gastrektomie mit Lymphadenektomie) kann eine simultane Cholezystektomie auch bei asymptomatischen Steinen vorgenommen werden. Die laparoskopische Cholezystektomie ist die Standardtherapie für die symptomatische Cholezystolithiasis. Bei Verdacht auf Gallenblasenkarzinom sollte eine offene Cholezystektomie erfolgen. Die aktuelle Cochrane-Analyse ergab für die laparoskopische Cholezystektomie identische Komplikationsraten bei einer im Mittel um 3 Tage kürzeren Krankenhausverweildauer und einer um 3 Wochen kürzeren Rekonvaleszenz. Die Gallengangsverletzungsrate liegt heute bei der laparoskopischen Cholezystektomie mit 0,2–0,4% nicht mehr höher als bei der offenen Cholezystektomie. Therapie der Choledocholithiasis bei Zustand nach Cholezystektomie Symptomatische Gallengangssteine sind eine Behandlungsindikation. Die Daten zum natürlichen Verlauf von Gallengangssteinen belegen, dass symptomatische Gallengangssteine bei mehr als 50% der Patienten im Verlauf erneut Koliken verursachen und bei einem Viertel auch Komplikationen nach sich ziehen. Asymptomatische Gallengangssteine können ebenfalls behandelt werden. Auch wenn langfristige prospektive Daten bisher fehlen, so lassen die vorliegenden Daten den Schluss zu, dass weniger als die Hälfte der Patienten mit asymptomatischen Gallengangssteinen symptomatisch werden und mehr als 20% der Steine spontan abgehen. Bei cholezystektomierten Patienten mit symptomatischen Gallengangssteinen sollte eine endoskopische Steinextraktion nach EPT vorgenommen werden. Bei Misslingen (auch unter Einsatz der mechanischen Lithotripsie) der endoskopischen oder perkutan-transhepatischen Steinextraktion werden als adjuvante Lithotripsie- verfahren ESWL, intrakorporale Laserlithotripsie oder elektrohydraulische Lithotripsie eingesetzt. Bei gleichzeitiger Cholezystolithiasis sollte die chirurgische Alternative früh erwogen werden. 23 Therapie der simultanen Choledocho- und Cholezystolithiasis Bei Patienten mit gleichzeitig vorliegenden Gallenblasen- und Gallengangssteinen wird ein therapeutisches Splitting empfohlen. Bei hoher Wahrscheinlichkeit einer gleichzeitigen Choledocholithiasis bleibt die präoperative EPT und Steinextraktion die wichtigste Behandlungsoption und wird auch in > 85% der deutschen Kliniken bevorzugt. Die EPT und die Cholezystektomie sollten nicht am selben Tag erfolgen, um postinterventionelle Komplikationen vor Operationsbeginn ausschließen zu können. Nach erfolgreicher Gallengangssanierung sollte bei Cholezystolithiasis unter Risikoabwägung möglichst innerhalb einer Woche cholezystektomiert werden. Verlaufsbeobachtungen bei Patienten mit funktionstüchtiger, steinfreier Gallenblase erlauben den Schluss, dass eine funktionstüchtige steinfreie Gallenblase nach erfolgreicher EPT und Steinextraktion aufgrund des sehr geringen Komplikationsrisikos nicht entfernt werden muss. Therapie der akuten Cholezystitis Die akute Cholezystitis ist eine Indikation zur frühelektiven laparoskopischen Cholezystektomie (möglichst innerhalb von 72 h nach Diagnosestellung). Metaanalysen von RCT (mit insgesamt lediglich 451 Patienten) stützen die Vorteile der frühelektiven laparoskopischen Cholezystektomie innerhalb von 72 h bei der akuten Cholezystitis: Die Krankenhausverweildauer war bei der Spätoperation 3 Tage länger, und es mussten 18% der Patienten während der präoperativen Wartephase notfallmäßig operiert werden, während die Komplikationsraten des Eingriffs identisch waren. Falls der Patient nicht frühelektiv operiert werden kann, sollte die Cholezystektomie erst im Intervall nach 6 Wochen erfolgen. Therapie der akuten Cholangitis Die obstruktive akute Cholangitis sollte so rasch wie möglich (bei septischen Zeichen notfallmäßig) durch endoskopische Beseitigung des Steins behandelt werden. Eine antibiotische Begleittherapie ist indiziert. Gelingt die Steinentfernung nicht, müssen eine nasobiliäre Sonde oder ein Stent eingelegt werden. Falls das transduodenale Vorgehen misslingt, ist eine perkutane Drainage angezeigt. 24 Prävention von Gallensteinen Bei Adipositas ist zur Primärprävention der Cholelithiasis eine langsame Reduktion des Körpergewichts unter Vermeidung zyklischer Gewichtsschwankungen und langer Fastenperioden sinnvoll. Mehrere RCT zeigen, dass das Steinrisiko in Situationen, die infolge Gewichtsreduktion mit hohem Risiko zur Bildung von Gallenblasensteinen einhergehen (z. B. Reduktionsdiät mit Gewichtsabnahme > 1,5 kg/Woche), Adipositaschirurgie), durch UDCA vermindert werden kann. Die Dosis sollte mindestens 500 mg/Tag betragen, und die Therapie sollte bis zur Gewichtsstabilisierung fortgeführt werden. Es gibt keine gesicherte medikamentöse Prävention der Entstehung von Rezidivsteinen in den Gallengängen. Literatur: 1. Gurusamy KS, Samraj K. Early versus delayed laparoscopic cholecystectomy for acute cholecystitis. Cochrane Database Syst Rev. 2006:CD005440. 2. Lammert F, Neubrand MW, Bittner R, Feussner H, Greiner L, Hagenmüller F, Kiehne KH, Ludwig K, Neuhaus H, Paumgartner G, Riemann JF, Sauerbruch T für die Teilnehmer der Konsensuskonferenz. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie zur Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen. AWMF-Register Nr. 021/008. Z Gastroenterol. 2007;45:971– 1001 (http://www.dgvs.de/). 3. Martin DJ, Vernon DR, Toouli J. Surgical versus endoscopic treatment of bile duct stones. Cochrane Database Syst Rev. 2006:CD003327. 4. Schiphorst AH, Besselink MG, Boerma D, Timmer R, Wiezer MJ, van Erpecum KJ, Broeders IA, van Ramshorst B. Timing of cholecystectomy after endoscopic sphincterotomy for common bile duct stones. Surg Endosc. 2008;22:2046–50. 5. Yamashita Y, Takada T, Kawarada Y, Nimura Y, Hirota M, Miura F, Mayumi T, Yoshida M, Strasberg S, Pitt HA, de Santibanes E, Belghiti J, Buchler MW, Gouma DJ, Fan ST, Hilvano SC, Lau JW, Kim SW, Belli G, Windsor JA, Liau KH, Sachakul V. Surgical treatment of patients with acute cholecystitis: Tokyo Guidelines. J Hepatobiliary Pancreat Surg. 2007;14:91–7. 25 Leberbiopsie – der Pathologe als letzte Instanz bei der Diagnostik diffuser Lebererkrankungen? A. Tannapfel Institut für Pathologie, Ruhr-Universität Bochum Die Leberbiopsie ist eine wesentliche Maßnahme in der diagnostischen Abklärung einer chronischen Lebererkrankung. Ihre klinische Relevanz ist trotz erheblicher klinischer Fortschritte, auch in der bildgebenden Diagnostik und Molekularbiologie, ungebrochen. Vor dem Hintergrund steigender und zunehmend differenzierter therapeutischer Optionen ist jedoch eine kontinuierliche Anpassung an den aktuellen Erkenntnisstand, eine Standardisierung der Befunde und vor allem eine Qualitätssicherung erforderlich, um den diagnostischen Nutzen der Leberbiopsie zu optimieren und ihren Einsatz zu rechtfertigen. Im Folgenden soll versucht werden, den Wert der Leberbiopsie insbesondere bei den neueren Krankheitsentitäten zu bewerten. Im Folgenden soll lediglich auf diese Krankheitsbilder eingegangen werden, da der Wert der Leberbiopsie z. B. bei Raumforderungen in der Leber und auch bei einer Hepatitis-Virusinfektion unstrittig ist. Innerhalb der letzten Jahre hat sich insbesondere das Verständnis von autoimmunen Lebererkrankungen sowie der Lebererkrankungen durch Alkohol und Fremdstoffe gewandelt. Nach wie vor gilt es als unstrittig, dass über 60% aller chronischen Lebererkrankungen in Deutschland durch Alkohol verursacht oder durch Alkohol wesentlich verschlimmert werden. Insgesamt können 3 Krankheitsbilder der Alkoholinduzierten Leberschädigung abgegrenzt werden: • Alkohol-bedingte Fettleber, • Alkohol-Hepatitis, • Alkohol-bedingte Leberzirrhose. Die 3 Formen der Alkohol-bedingten Leberschädigung können sich nacheinander entwickeln, wobei die Übergänge fließend sind. So kann eine Alkohol-bedingte Fettleber mit Fibrose und granulozytärer Entzündungsreaktion (Fettleber- oder Alkohol-Hepatitis) oder eine Zirrhose mit Fetteinlagerung als Primärmanifestation auftreten. Auch bei Zirrhose kann eine Alkohol-Hepatitis beobachtet werden. Der Goldstandard in der Diagnose einer Alkohol-bedingten Leberschädigung ist die Leberbiopsie, die in mehr oder weniger regelhafter Ausprägung eine Fetteinlagerung 26 der Hepatozyten, Zelluntergänge und Fibrose (sogenannte Maschendrahtfibrose) neben einer variablen Cholestase zeigt. Mallory-Körper können vorkommen, sind jedoch nicht pathognomonisch, da sie auch bei anderen Lebererkrankungen (Lebertumoren, Leberschädigung durch Fremdstoffe) beobachtet werden. Die Leberbiopsie bei Alkohol-toxischer Schädigung liegt in der Möglichkeit der Erfassung und Objektivierung der bereits eingetretenen Schädigung (Fibrose/Zirrhose) und in der Aussage, ob noch eine floride Schädigung vorliegt. Obwohl die überwiegende Mehrzahl der histopathologisch verifizierbaren Änderungen durch Alkohol zumindest teilverursacht sind, weiß man heute, dass ein nahezu gleichartiges histologisches Bild auch bei einer anderen Erkrankung auftreten kann, die heute „nicht-alkoholische Steatohepatitis“ (NASH) genannt wird. Dieser Begriff wurde erstmals 1980 verwendet. Durch die Kenntnis dieses neuen Krankheitsbildes glaubt man, dass mehr als 10% aller Lebererkrankungen durch eine NASH verursacht sind. Die NASH wird heute als eigenständige nosologische Einheit anerkannt. Unter NASH versteht man das gemeinsame Auftreten eines Leberzellschadens in Form einer Verfettung in Zusammenhang mit einer Entzündungszellinfiltration und einer (perivenulären) Fibrose. Damit lässt sich das histopathologische Bild der NASH nicht immer von dem der AlkoholSteatohepatitis (ASH) unterscheiden. Synonyme der jetzt als NASH bezeichneten Entität sind „Fettleber-Hepatitis“, „diabetische Hepatitis“ oder „Pseudo-Alkoholtoxische Hepatitis“. Die meisten Patienten sind Frauen, übergewichtig, im mittleren Lebensalter, mit einer zum Teil schon manifesten Stoffwechselerkrankung (Diabetes mellitus). Allerdings sind jetzt bereits Einzelfälle einer NASH dokumentiert, bei denen es sich um normalgewichtige Männer handelt. Bei bis zu 75% der Patienten besteht eine Insulinresistenz. Leberzirrhosen nach NASH sind beschrieben, allerdings lediglich in 10–20%. Neben Adipositas und Diabetes mellitus scheinen Medikamente und Stoffwechselstörungen bzw. Ernährungsstörungen eine weitere Rolle in der Entstehung der NASH zu spielen. Insbesondere synthetische Östrogene, Amiodaron als Antiarrhythmikum und lang dauernde Kortikosteroid-Gaben scheinen ätiopathogenetisch relevant zu sein. Die gemeinsame Pathogenese dieser leberschädigenden Agenzien ist der oxidative Zellstress, der bei der Entstehung von NASH eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von NASH sollte die früher häufig gestellte Diagnose „Alkohol-induzierter Leberschaden“ in der Biopsie daher etwas 27 zurückhaltender gestellt werden. Eine NASH kann auch bei (weitgehend) normalen Transaminasen vorliegen. Der Wert der Leberbiopsie liegt in der Möglichkeit der Diagnoseobjektivierung und dem Ausschluss möglicher zusätzlicher Schäden. Eine standardisierte Befundübermittlung mittels eines Scores sollte angestrebt werden. Eine neue Entität, die Chemotherapie-assoziierte Steatohepatitis (CASH) wird dann diagnostiziert, wenn ein Patient die Zeichen einer NASH mit vorwiegender medikamentös-toxischer Leberschädigung aufweist – und zusätzlich Endothelzellschäden aufgrund direkter Toxizität bei beispielsweise Oxaliplatin-Gabe. Autoimmunerkrankungen und Overlaps Neben den 3 Hauptautoimmunerkrankungen der Leber, der Autoimmunhepatitis, der primär biliären Zirrhose und der primär sklerosierenden Cholangitis sind eine ganze Reihe von Überlappungssyndromen bekannt geworden, die allerdings bisher noch nicht standardisiert definiert wurden. Es ist bis heute nicht klar, ob die OverlapSyndrome überhaupt distinkte Krankheitsentitäten darstellen oder Varianten von Ausprägungsformen der etablierten autoimmunen Lebererkrankungen sind. Dennoch sollten Overlap-Syndrome bei jeder Autoimmunerkrankung der Leber in die differenzialdiagnostischen Erwägungen einbezogen werden, da erste Daten zeigen, dass hier deutlich unterschiedliche Verläufe auftreten können. Die Diagnose eines Overlap-Syndroms basiert auf einer typischen biochemischen Serumkonstellation, darüber hinaus auf histologischen Faktoren, weniger auf der klinischen Symptomatik. Patienten mit Overlap-Syndromen zeigen meistens unspezifische Symptome (Müdigkeit, Arthralgien, Myalgien), die eine Diagnostik in die eine oder andere Richtung nicht zulassen. Erschwert wird die Problematik durch Übergangsformen von einer in die andere autoimmune Hepatopathie (z. B. einer primär biliären Zirrhose zu einer primär biliären Zirrhose-Autoimmunhepatitis nach langjährigem Verlauf). Der Begriff des Overlap-Syndroms sollte nicht benutzt werden, wenn Überlappungssyndrome zwischen einer autoimmunen und nicht autoimmunen Hepatopathie bestehen, z. B. bei AIH und HCV. Patienten mit Autoimmunhepatitis und Hypergammaglobulinämie haben darüber hinaus relativ häufig falsch-positive Anti-HCVTests. Patienten mit HCV haben in bis zu 65% Autoantikörperphänomene. 28 AIH-PBC-Overlap Patienten, die klinische, biochemische, serologische und histologische Merkmale beider Erkrankungen aufweisen, sind zunächst Anfang der 70er-Jahre beschrieben worden. 8% aller Patienten mit AIH scheinen ein Overlap-Syndrom aufzuweisen. Diese Patienten zeigen typische serologische Kennzeichen für eine PBC (AMA-M2positiv) und in der Histologie Gallengangsschädigungen (wie bei PBC), histologisch allerdings zusätzlich ein mehr hepatitisches Bild, d. h. die Entzündung findet sich für eine PBC unerwartet stark intraazinär ausgeprägt. ANA-Autoantikörper sind zumeist ebenfalls vorhanden, allerdings aufgrund ihrer häufigen falschen Positivität oder ihres Vorkommens in der gesunden Bevölkerung nicht spezifisch. In der Literatur wird beschrieben, dass auch ein sequenzielles Auftreten der Erkrankung (zunächst PBC, dann AIH) möglich ist. Eine Autoimmunhepatitis kann den Verlauf einer primär biliären Zirrhose deutlich verschlimmern. Autoimmuncholangitis (AIC), AIC-AIH-Overlap-Syndrome Die Autoimmuncholangitis zeigt histologische Veränderungen (die mit der primär biliären Zirrhose vergleichbar sind), ist aber serologisch AMA-negativ und wird daher in einzelnen Publikationen auch als „AMA-negative PBC“ bezeichnet. Die Autoimmuncholangitis kommt häufiger bei Frauen vor und zeigt ein cholestatisches Serumenzymprofil. Histologisch finden sich akute, floride Gallengangsläsionen. Der Progress der Erkrankung hin zu einer Leberzirrhose ist langsam. Patienten mit AIC sind AMA-negativ, zeigen aber relativ häufig ANAs oder andere Autoantikörper. Der Verlauf der Erkrankung zeigt, dass es durchaus berechtigt erscheint, AIC und PBC als Varianten einer einzelnen Erkrankung zu sehen, die lediglich in ihren Autoantikörperprofilen differieren. Overlap-Syndrome im Sinne einer Autoimmunhepatitis und Autoimmuncholangitis sind beschrieben, gelten jedoch als sehr selten. Sie werden in Analogie zur AIH-PBC-Overlap-Gruppe behandelt. AIH-PSC-Overlap-Syndrome Während AIH-PBC-Overlap-Syndrome häufig bei Erwachsenen gefunden werden, ist das Overlap-Syndrom der AIH-PSC häufig bei Kindern, Heranwachsenden und jungen Erwachsenen beschrieben worden. Der AIH-Score zeigt in 8% der Patienten mit PSC ein Overlap-Syndrom an. Die Diagnose eines AIH-PSC-Overlaps gilt dann als wahrscheinlich, wenn der AIH-Score größer als 15 ist, ANAs oder ASMA29 Autoantikörper nachweisbar sind (Titer min. 1:40), und die Leberhistologie Mottenfraßnekrosen, ein Lymphozyteninfiltrat sowie eine periportale oder periseptale Inflammation aufweist – also ein Mischbild aus PSC und AIH. Patienten mit der AIHPSC-Overlap-Erkrankung scheinen häufiger schwere Verlaufsformen der CED zu besitzen, zeigen positive ANCAs im Serum und erhöhte Transaminasen (höher als bei AIH erwartet). Diagnostisch problematisch ist die Beobachtung, dass die AIH und PSC nicht zusammen, sondern möglicherweise auch sequenziell vorkommen können. Patienten mit PSC-AIH zeigen einen deutlich schwereren Verlauf als die mit AIH allein oder PBC-AIH. Patienten mit PSC-AIH sind generell jünger, häufig männlich. Bei den hereditären Lebererkrankungen wurde nicht nur der Zusammenhang zwischen Insulinresistenz, Diabetes mellitus und Eisenüberladung in letzter Zeit immer deutlicher, sondern konnte letztendlich auch epidemiologisch jetzt zweifelsfrei nachgewiesen werden. Bei Patienten, die histologisch eine Siderose der Leber, aber keine hereditäre Hämochromatose aufwiesen, besteht überzufällig häufig eine Insulinresistenz mit abnormer Glukosetoleranz, Adipositas und konsekutiver Hyperlipidämie. Möglicherweise kann hier zukünftig eine neue Krankheitsentität definiert werden. Allerdings ist deren Ursache und Pathogenese letztendlich noch unklar. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Andrea Tannapfel Institut für Pathologie Ruhr-Universität Bochum Bürkle-de-la Camp Platz 1 44789 Bochum Tel.: 0234 302-4800 Fax: 0234 302-4809 E-Mail: [email protected] Website: http://www.pathologie-bochum.de 30 Prävention und Management von Resistenzen bei der chronischen Hepatitis B M. Cornberg Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover Das Ziel der Therapie der chronischen Hepatitis B ist die Morbidität und Mortalität der Hepatitis-B-Virus (HBV)-Infektion zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Surrogatmarker während und nach der Behandlung zur Überprüfung des Therapieerfolgs herangezogen werden. Die dauerhafte Serokonversion von HBsAntigenpositivität zur HBs-Antikörperpositivität wäre optimal, kann mit den heute zur Verfügung stehenden Therapeutika aber nur in weniger als 5–10% der Fälle erreicht werden. Kriterien eines Therapieansprechens sind: maximaler dauerhafter Abfall der HBV DNA, dauerhafte HBe-Serokonversion bei der Wildtyp-Infektion, insbesondere eine Abnahme des Fibrosestadiums in der Histologie, und letztendlich damit verbunden Verhinderung von Zirrhose, hepatozellulärem Karzinom (HCC), Transplantation und Tod. Die Behandlungsoptionen der chronischen Hepatitis B haben sich in den letzten Jahren zunehmend verbessert. Mittlerweile bestehen sie zum einen in der Gabe von (pegyliertem) Interferon-α und auf der anderen Seite von Nukleosid- und Nukleotidanaloga, die die HBV-Replikation hemmen. Da eine Interferon-Therapie grundsätzlich zeitlich begrenzt und der Therapieerfolg in der Regel dauerhaft ist, sollte zunächst geprüft werden, ob eine Interferon-Therapie möglich und sinnvoll ist (1). Wird keine Interferon-Therapie begonnen oder der Patient hat nicht auf Interferon angesprochen, kommen die Nukleos(t)idanaloga zum Einsatz. Mit diesen Medikamenten ist es möglich bei fast allen Patienten die HBV DNA zu senken, ohne dass die Therapie mit starken Nebenwirkungen verbunden ist. Die größte Herausforderung ist aber die Vermeidung von Resistenzen. Daher ist es wichtig bei der Auswahl von Nukleos(t)idanaloga das Stadium der Lebererkrankung sowie die Höhe der HBV Virämie zu berücksichtigen. Bei einer Ausgangsviruslast > 1 Mio. Kopien/ml ist die Wahrscheinlichkeit einer späteren Lamivudin-Resistenz sehr groß, sodass bei höherer HBV DNA Lamivudin nicht eingesetzt werden sollte. Liegt eine Leberzirrhose vor, sollte kein Risiko einer Resistenzentwicklung eingegangen werden, daher ist eine Substanz mit hoher genetischer Resistenzbarriere oder primär 31 eine Kombinationstherapie zu bevorzugen (1, 2). Um Resistenzen zu verhindern, ist die Kenntnis der antiviralen Effektivität (Tab. 2), der Resistenzbarriere (Tab. 1) und des Resistenzprofils (Tab. 2) der zur Verfügung stehenden oralen antiviralen Medikamente Voraussetzung für deren rationalen Einsatz. Wichtig im weiteren Verlauf ist die Kontrolle der HBV DNA alle 3 Monate, um Resistenzen frühzeitig zu erkennen (1). Grundsätzlich sind primäres und sekundäres Therapieversagen zu unterscheiden (Abb. 1). Von einem primären virologischen Nichtansprechen wird ausgegangen, wenn nicht mindestens 1-log-Abfall der HBV DNA nach 3-monatiger Therapie vorliegt. Ein klinisch ausreichendes Ansprechen sollte allerdings nach 6 Monaten eine Reduktion der HBV DNA unter 1000 Kopien/ml oder ein fortgesetzter Abfall der HBV DNA bis Monat 12 vorliegen. Die Anforderungen an das Therapieansprechen unterscheiden sich allerdings für die verschiedenen Substanzen, z. B. sollte die HBV DNA beim Einsatz von Lamivudin nach 3 Monaten Therapie bereits unter der Nachweisgrenze eines hochsensitiven Assays liegen. Von einer sekundären Resistenz wird ausgegangen, wenn ein Anstieg der HBV DNA um mindestens 1-log-Stufe über den Nadir unter fortgesetzter antiviraler Therapie auftritt. Hier ist das Auftreten von Lamivudin-resistenten Mutanten (bis zu 20% pro Jahr) zu erwähnen. In diesem Fall ist die Therapie möglichst frühzeitig anzupassen, d. h. sobald sich ein virologischer Rückfall zeigt, auch wenn noch kein biochemischer Rückfall erfolgt ist. Primär ist die zusätzliche Gabe („add-on“) von Nukleotidanaloga mit nicht-überlappendem Resistenzprofil (s. Tab. 2) zu empfehlen (1). Eine unkontrollierte sequenzielle Therapie ist unbedingt zu vermeiden, da die Selektion von Kreuzresistenzen erzeugt werden kann. Die Bestimmung von PolymerasegenMutationen des Hepatitis-B-Virus ist möglich und sollte in bestimmten Fällen für die Therapieplanung erwogen werden, insbesondere wenn bereits mehrere Medikamente eingesetzt wurden. 32 Abbildung 1 : Strategie zur Vermeidung von Resistenzen HBV-DNA Kontrolle alle 3 Monate Nukleos(t)idanaloga (ggf. Umstellungbei primärer Resistenz) Veränderungder HBV-DNA (log10 IU/ mL) 1.0 Nukleos(t)idanaloga primäres virologisches Nichtansprechen 0 -1.0 Sekundäre Resistenz Suboptimales Ansprechen -2.0 -3.0 1 log Nadir -4.0 0 6 18 12 Monate Tabelle 1: Antivirale Wirksamkeit und Resistenzentwicklung der Nukleos(t)idanaloga. Daten der Phase-III Studien (modifiziert nach 1). HBeAg-positive Patienten Woche 48/52 HBeAg-negative Patienten Woche 48/52 Resistenz (virologischer Breakthrough) HBV DNA < 300 Kop/ml HBeAgSerokonversion ALT normal1 HBV DNA < 300 Kop/ml ALT normal1 Woche 48/52 Woche 96/104 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre Nukleosidanaloga Lamivudin Telbivudin Entecavi r 36% 60% 67% 18% 23% 21% 60% 72% 77% 88% 68% 90% 71% 10-32% 22-42% -53% -70% 74% 3-5% 9-22% 78% < 0.5%2 < 0.5%2 < 0.5%2 Nukleotidanaloga Adefovir Tenofovir 21% < 400 Kop/ml 12% 76% < 400 Kop/ml 21% 48% 51% < 400 Kop/ml 72% 0% 3–20% 11% 18% 29%3 68% 93% < 400 Kop/ml 76% 0% 1 Das biochemische Ansprechen ist in verschiedenen Studien unterschiedlich definiert worden (Normalisierung der Transaminasen oder Abfall der ALT auf < 1,25-fach (Entecavir) oder < 1,3-fach (Telbivudin) oberhalb des oberen Normwertes). 2 Für Lamivudin-resistente Patienten war die Resistenzentwicklung unter Entecavir 7% nach 1 Jahr, 16% nach 2 Jahren und 27% nach 3 Jahren. 3 Daten für HBeAg-negative Patienten. 33 Tabelle 2: Resistenzprofile der Nukleos(t)idanaloga nach 2. HBV-Variante Wild-type M204I L180M + M204V A181T/V N236T L180M + M204V/I±I169T±V173L±M250V L180M + M204V/I±T184G±S202I/G Lamivudin S R R I S R Telbivudin S R R S S R Entecavir S I/R I S S R Adefovir S S S R R S Tenofovir S S S S I S R R R S S Literatur: 1. Cornberg M, Protzer U, Dollinger MM, Petersen J, Wedemeyer H, Berg T, Jilg W, Erhardt A, Wirth S, Schirmacher P, Fleig WE, Manns MP. Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virus-(HBV-)Infektion – „Upgrade" der Leitlinie, AWMF-Register-Nr.: 021/011 [Prophylaxis, Diagnosis and Therapy of Hepatitis-B-Virus-(HBV-)Infection: upgrade of the guideline, AWMF-Register 021/011]. Z Gastroenterol. 2007;45:525–74. 2. European Association for the Study of the Liver. EASL Clinical Practice Guidelines: Management of chronic hepatitis B. J Hepatol. 2009;50:227–42. 34 Individualisierung der Therapiestrategie bei chronischer Hepatitis C – neuer Standard S. Zeuzem Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Frankfurt Als primäres Ziel einer antiviralen Therapie bei Patienten mit chronischer Hepatitis C gilt ein dauerhaftes virologisches Ansprechen, definiert als fehlender Nachweis Hepatitis-C-spezifischer RNA im Serum 6 Monate nach Therapieende. Wird dieses Ziel erreicht, kommt es im weiteren Verlauf nur sehr selten (1–2%) zu einem späten Rückfall mit erneutem Nachweis von HCV RNA im Serum. Zur Beurteilung eines fehlenden Therapieansprechens nach Beginn der Behandlung sollte bei Patienten mit einer HCV-Genotyp-1-Infektion eine Bestimmung der HCV RNA im Blut zu Woche 12 und 24 herangezogen werden. Bei einem fehlenden Abfall der Viruslast um 2 log-Stufen im Vergleich zur Viruslast vor Therapiebeginn bzw. bei einer absoluten HCV-RNA-Konzentration über 30.000 IU/ml nach 12 Behandlungswochen sowie einem qualitativen HCV-Nachweis nach 24 Behandlungswochen (HCV RNA ≥ 10–50 IU/ml), wird ein Absetzen der Therapie empfohlen, da ein dauerhaftes virologisches Ansprechen mit max. 1–2% praktisch nicht mehr möglich ist (negativer prädiktiver Wert 98–100%). Zusätzlich kann unter besonderen Voraussetzungen anhand einer Bestimmung der HCV RNA zu Therapiewoche 4 eine Verkürzung der Therapiedauer vorgenommen werden (s. unten). Therapie der chronischen Hepatitis C bei nicht vorbehandelten Patienten HCV-Genotyp 1 Die Standardtherapie der chronischen Hepatitis C erfolgt mit einem pegylierten Interferon in Kombination mit Ribavirin. Patienten mit einer HCV-Genotyp-1-Infektion sollten über 48 Wochen behandelt werden. PEG-IFN wird einmal wöchentlich subkutan injiziert. Die Gabe des Ribavirins erfolgt verteilt auf 2 Dosen pro Tag per os mit einer Tagesgesamtdosis je nach Körpergewicht zwischen 800 und 1400 mg. Die dauerhaften virologischen Ansprechraten für Genotyp-1-infizierte Patienten betragen dabei 42–51%. 35 Eine Therapieverkürzung auf 24 Wochen ist für Patienten mit niedriger Ausgangsviruslast (≤ 600.000 bzw. 800.000 IU/ml) zugelassen, wenn zusätzlich unter der Kombinationstherapie mit PEG-IFN und Ribavirin bereits zu Woche 4 keine HCV RNA mehr im Serum nachweisbar ist. Patienten mit einem langsamen Abfall der HCV RNA profitieren von einer Verlängerung der Therapiedauer. Verschiedene Studien zeigen, dass Patienten mit einem verzögerten virologischen Ansprechen (Abfall der HCV RNA zu Woche 12 um 2 log-Stufen, aber noch HCV-RNA-positiv und Negativierung der HCV RNA [< 50 IU/ml] im Verlauf zu Woche 24) nach einer 72-wöchigen Behandlung signifikant höhere dauerhafte Ansprechraten aufweisen als nach einer 48-wöchigen Therapie. HCV-Genotyp 2, 3 Die virologischen Ansprechraten mit einer PEG-IFN/Ribavirin-Kombinationstherapie über 48 Wochen sind bei Patienten mit einer HCV-Genotyp-2- oder -3-Infektion annähernd doppelt so hoch wie bei HCV-Genotyp 1 (76–82% vs. 42–52%). Viele Studien haben gezeigt, dass eine Verkürzung der Therapiedauer von 48 auf 24 Wochen für Patienten mit einer Genotyp-2- oder -3-Infektion ohne Beeinträchtigung der dauerhaften virologischen Ansprechraten möglich ist. Basierend auf diesen Ergebnissen wurde die 24-wöchige Therapie der Genotyp-2- und -3-Infektion als Standard etabliert. Ebenfalls konnten mit der Kombinationstherapie aus PEG-IFN-α mit einer fixen Ribavirin-Dosis von 800 mg pro Tag ähnlich hohe dauerhafte Ansprechraten im Vergleich zu einer körpergewichtsadaptierten Dosierung nachgewiesen werden. Basierend auf Subanalysen wurden in einzelnen Studien unterschiedliche virologische Ansprechraten für Patienten mit Genotyp-2- und -3-Infektion nachgewiesen (93% vs. 79%). Insbesondere Patienten mit Genotyp-3Infektion und hoher HCV-RNA-Konzentration vor Therapiebeginn (> 600.000 bzw. 800.000 IU/ml) zeigen signifikant häufiger einen Rückfall nach Therapieende auf als Patienten mit Genotyp-2-Infektion oder Genotyp-3-Infektion mit niedriger Ausgangsviruslast. In verschiedenen Studien wurde die Möglichkeit einer weiteren Reduktion der Therapiedauer von 24 auf 16, 14 bzw. 12 Wochen mit der Gabe von PEG-IFN-α2a bzw. -α2b und körpergewichtsadaptiertem Ribavirin untersucht. Patienten mit einer niedrigen Ausgangsviruslast und einem raschen initialen Abfall der HCV-Viruskonzentration (HCV RNA zu Woche 4 < 50–600 IU/ml) wiesen insgesamt hohe dauerhafte virologische Ansprechraten von 80–95% (Genotyp 2) und 75–90% 36 (Genotyp 3) unter der verkürzten Therapiedauer auf, sodass bei diesen Patientengruppen eine Reduktion der Therapiedauer ohne Verschlechterung der dauerhaften virologischen Ansprechraten möglich scheint. Patienten mit noch nachweisbarer HCV RNA zu Woche 4 zeigten deutlich niedrigere dauerhafte virologische Ansprechraten auch unter der 24-wöchigen Therapie, sodass in dieser Subgruppe in zukünftigen Studien sogar eine Verlängerung der gegenwärtigen 24-wöchigen Standardtherapiedauer geprüft werden muss. 37 Stadiengerechte Therapie der Varizenblutung T. Sauerbruch Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn Leider gibt es in Deutschland keine guten epidemiologischen Daten zur Häufigkeit der akuten Varizenblutung. Es ist aber der Eindruck der meisten Zentren, dass die akute Varizenblutung abgenommen hat. Gleichzeitig ist die Klinikletalität der akuten Blutung an Ösophagusvarizen auf etwa 20–30% zurückgegangen. Dies hat mehrere mögliche Gründe: - Erfolgreiche Therapie der Virus-induzierten chronischen Hepatitis - Erfolgreiche Prophylaxe der ersten Varizenblutung - Bessere therapeutische Konzepte der Behandlung der akuten Blutung Nach wie vor gliedert sich die Behandlung der Varizenblutung in 3 Situationen: Verhinderung der Erstblutung, Therapie der akuten Blutung und Verhinderung der Rezidivblutung. Hierfür stehen verschiedene Therapieansätze zur Verfügung: Medikamentöse Senkung des Portaldrucks, Shunt-Verfahren, lokale endoskopische Techniken sowie systemische Therapien zur Unterdrückung von Triggermechanismen (z. B. Zytokinausschüttung). Zur Verhinderung der Erstblutung sind nicht-selektive Betablocker und die Ligatur Standard. Die Behandlung der akuten Blutung umfasst die endoskopische Hämostase sowie eine adjuvante medikamentöse Portaldrucksenkung zusammen mit der Gabe von Antibiotika. Die Behandlung der Rezidivblutung gliedert sich in eine Fortführung der Ligatur unter gleichzeitiger medikamentöser Therapie (nicht-selektive Betablocker) oder die Anlage eines Shunts. 38 Therapie des Reizdarmsyndroms P. Layer Israelitisches Krankenhaus, Hamburg Funktionelle Störungen des Verdauungstrakts sind weltweit verbreitet; auch in der westlichen Hemisphäre zählen sie zu den häufigsten chronischen Erkrankungen, wobei ca. mehr als 20% der Bevölkerung in unterschiedlicher Ausprägung betroffen sind. Die wichtigste Rolle spielt hierbei das Reizdarmsyndrom (RDS). Pathogenese und Pathophysiologie: Ätiologie und Pathogenese sind noch weitgehend unklar, obwohl in den letzten Jahren viele wesentliche Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Es ist wahrscheinlich, dass verschiedene Pathomechanismen eine Rolle spielen können, die ihrerseits wieder für ein uneinheitliches Symptombild veranwortlich sind. Von großer Bedeutung sind wahrscheinlich Veränderungen der Schmerzwahrnehmung im Intestinum. Darüber hinaus werden Störungen der Motilität, Unverträglichkeiten von Nahrung, immunologische oder mikrobiologische Alterationen sowie psychosomatische Einflüsse mit unter- schiedlichem Evidenzgrad vermutet. Bei einer Untergruppe der Patienten wird die Erkrankung offenbar durch eine bakterielle Enteritis ausgelöst („postinfektiöses Reizdarmsyndrom“). Symptomatik: Charakteristisch ist ein oft kombiniertes Auftreten unterschiedlicher Symptome, insbesondere abdominale Schmerzen, wechselnde Stuhlkonsistenz (Diarrhö, Obstipation) und Blähungen. Diese können mit verschiedenartigen weiteren unspezifischen funktionellen oder vegetativen Symptomen assoziiert sein. Diagnostik: Bei Vorhandensein der typischen Leitsymptome sowie bei Fehlen von Beschwerden, die auf eine organische Ursache hinweisen (z. B. Fieber, sichtbares Blut im Stuhl, Gewichtsverlust etc.) kann ein Reizdarmsyndrom vermutet werden. Die Diagnosesicherung gelingt durch den Ausschluss wichtiger organischer Differenzialdiagnosen. Hierbei sollte diese Ausschlussdiagnostik nicht zu breit angelegt werden, aber umfassend genug sein, um Patienten und behandelndem Arzt die notwendige Sicherheit zu geben. Empfohlen wird hierbei: Basislabor, Abdomensonografie und – in den meisten Fällen – die Koloskopie; bei Frauen sollte auch eine 39 gynäkologische Untersuchung erfolgen. Prinzipiell bewährt es sich, initial eine einmalige, aber sorgfältige Abklärung durchzuführen, weil dies bereits selbst therapeutisch effektiv ist. Eine wiederholte apparative Diagnostik ohne begründeten Anlass ist aber unbedingt zu vermeiden. Behandlung: Die unklare Ätiologie und Pathophysiologie bedingt, dass weder eine kausale noch eine in die Pathomechanismen gezielt eingreifende Therapie verfügbar ist. Ein wichtiges Fundament für jede Behandlung ist daher zunächst die solide diagnostische Abklärung und Ausschluss der relevanten Differenzialdiagnosen, welche die Basis jeder Behandlung darstellen muss; sie nimmt Patienten und Arzt die Sorge vor einer versteckten gefährlichen Grundkrankheit und verbessert dadurch das Ansprechen jeder weiteren Behandlung. Wichtig ist dann die klare Diagnosevermittlung mit anschaulicher, aber nicht bagatellisierender Aufklärung über das Wesen und den langfristig benignen Verlauf der Erkrankung. Die medikamentöse Therapie im weiteren Sinn erfolgt symptomorientiert und konzentriert sich dementsprechend auf die Behandlung der wesentlichen Beschwerden wie Schmerz, Diarrhö und Obstipation. Ballaststoffe: Ballaststoffe werden versuchsweise empfohlen, da sie durch die Absorption von Fetten, Bakterien und Gallensäuren die Transitzeit von Nahrungsmitteln verkürzen und den Darm schneller füllen und insgesamt einen positiven Effekt auf das RDS sowohl vom Obstipationstyp als auch vom Diarrhötyp haben. Hierbei sind Flohsamenpräparate (vom Typ des Mucofalk®) einfachen Kleieprodukten, die bei vielen Patienten etwaige Blähungen und abdominale Missempfindungen auslösen oder ungünstig beeinflussen, vorzuziehen. Laxanzien: Sollten insbesondere die Obstipationsbeschwerden mithilfe von Ballaststoffen nicht beseitigt werden können oder werden diese nicht vertragen, kann ein Therapieversuch mit Laxanzien angebracht sein. Hier sollten Laxanzien aus der Gruppe der osmotisch wirksamen Laxanzien, in erster Linie PEG-Elektrolytlösungen oder Lactulose/Lactitol (cave: Letztere können Blähungen verstärken!) bevorzugt eingesetzt werden. Laxanzien wie Antrachinone oder Bisacodyl sollten erst Therapie der zweiten Wahl sein. 40 Antidiarrhoika: Loperamid oder auch Diphenoxylat können beim Diarrhö- dominanten Reizdarmsyndrom eingesetzt werden. Anticholinergika wie Butylscopolamin oder in niedriger Dosierung auch trizyklische Antidepressiva wirken bei rezidivierenden akuten krampfartigen Schmerzen. Die am besten untersuchte Substanz aus der Gruppe der Muskelrelaxanzien gegen chronisch rezidivierende Schmerzen ist das Mebeverin (Duspatal). Als Nebeneffekt tritt neben der Normalisierung der Stuhlkonsistenz und -frequenz auch die Reduktion etwaiger Blähungen ein. Antidepressiva und SSRI: Durch die gezielte Beeinflussung der serotoninergen und cholinergen Systeme mit diesen Substanzen lassen sich gerade Schmerzen beim RDS gut beeinflussen, ihr Einsatz ist jedoch umstritten und nur in Zusammenarbeit mit einem Psychiater zu empfehlen. Ungesicherte Therapieansätze – Probiotika und Phytotherapeutika: Die Datenlage für diese Therapieansätze ist derzeit noch unzureichend. Bei Obstipation wurde über eine günstige Wirkung von E. coli-Stamm Nissle 1917 (Mutaflor®), und bei Schmerzen und Blähungen von Lactobacillus-Präparaten berichtet; allerdings ist die Studienlage uneinheitlich. Die Rolle verschiedener Phytotherapeutika (in der Regel Gemische aus verschiedenen Heilpflanzen) ist derzeit noch unklar. Neuere Therapieansätze Opiat-Kappa-Rezeptorantagonisten wie beispielsweise Fedotozin wirken über eine pharmakologische Modulation Schmerzwahrnehmung. Die der Wirkungen afferenten in Opioid-Kappa-vermittelten klinischen Studien waren aber enttäuschend. Präparate sind in Deutschland derzeit nicht verfügbar. Eine wesentlich größere Bedeutung dürfte demgegenüber die Beeinflussung der Serotonin-3- bzw. -4-Rezeptoren durch selektive Antagonisten bzw. Agonisten erlangen. Der selektive 5-HT3-Rezeptor-Antagonist Alosetron verlangsamt den Kolontransit und reduziert die Schmerzen v. a. bei Diarrhö-prädominanter Form signifikant wirksamer als Plazebo bzw. eine spasmolytische Standardmedikation. Alosetron wurde wegen eines zwischenzeitlich erhobenen Verdachts auf potenzielle relevante Nebenwirkungen zunächst zurückgezogen, inzwischen unter Auflagen 41 wieder eingeschränkt zugelassen. Analog wirksame Nachfolgesubstanzen (z. B. Cilansetron) werden erwartet. 5-HT4-Rezeptor-Agonisten (z. B. Tegaserod, u. a. bereits in der Schweiz und in Nordamerika zugelassen) beschleunigen demgegenüber den Kolontransit und wirken gegen Obstipation und Schmerzen und verbessern so die Symptomatik beim Obstipationstyp des RDS. Mit der Erweiterung unserer Kenntnisse über die Pathomechanismen der Erkrankung werden in absehbarer Zukunft neue medikamentöse Ansätze verfügbar werden, die eine gezieltere, effektivere, pathophysiologisch begründete oder vielleicht sogar kausale Therapie ermöglichen könnten. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Peter Layer Israelitisches Krankenhaus in Hamburg Orchideenstieg 14 22297 Hamburg Tel.: 040 51125 5001 Fax: 040 51125 5009 E-Mail: [email protected] 42 Therapie des Reizdarmsyndroms Zusammenfassung Ausschluß einer organischen Erkrankung Ärztliche Führung: Aufklärung, Konzept, Diät 43 Die pseudomembranöse Kolitis auf dem Vormarsch – Konzepte zur Diagnostik, Prophylaxe und Therapie C. Pox Medizinische Klinik, Ruhr-Universität Bochum, Knappschaftskrankenhaus, Bochum Die Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö wird durch die beiden Toxine von C. difficile, einem Gram-positiven anaeroben sporenbildenden Keim hervorgerufen. Sie ist für etwa 20% der Antibiotika-assoziierten Diarrhöen verantwortlich, kommt aber in seltenen Fällen auch bei Patienten vor, die keine Antibiose erhalten haben. Die Manifestation der Infektion verläuft klinisch variabel und reicht von asymptomatischen Fällen bis zur fulminanten Kolitis mit septischem Verlauf. In der Regel zeichnet sich die Infektion durch akute wässrige, selten blutige Diarrhöen aus verbunden mit Bauchschmerzen und erhöhten Temperaturen. Häufig lässt sich eine zum Teil ausgeprägte Leukozytose nachweisen. Die Infektion erfolgt in der Regel nosokomial über die sehr umweltresistenten Sporen. Die Rate an C. difficile-assoziierten Diarrhöen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Von Bedeutung ist die Zunahme eines multiresistenten virulenten Stamms NAP1/027, der für eine Reihe von Ausbrüchen verantwortlich war. Von Interesse ist auch eine Zunahme des Nachweises einer C. difficile-Infektion bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Die Diagnose wird in der Regel über den Toxinnachweis im Stuhl gestellt. Der eingesetzte Test sollte in der Lage sein beide Toxine nachweisen zu können. Eine einmalige negative Testung schließt jedoch eine Infektion nicht aus und sollte bei entsprechender Klinik wiederholt werden. Der kulturelle Nachweis hat eine höhere Sensitivität und ermöglicht eine anschließende Genotypisierung, benötigt jedoch aufgrund der erforderlichen Bakterienanzucht mehr Zeit. Zusätzlich ist auch hier der Toxinnachweis erforderlich, da nur toxinbildende Stämme eine Clostridiumassoziierte Diarrhö hervorrufen können. Eine Alternative stellt die endoskopische Diagnostik mittels Sigmoidoskopie dar mit den pathognomonischen gelblichen pseudomembranösen Schleimhautveränderungen. Bei leichten Fällen der Infektion können die charakteristischen Schleimhautveränderungen fehlen, eine unauffällige Endoskopie schließt also eine C. difficile-Infektion nicht aus. Für die Behandlung werden neben einer symptomatischen Therapie mit Flüssigkeit und Schmerzmitteln vor allem die Antibiotika Metronidazol und Vancomycin 44 eingesetzt. Hierbei ist Metronidazol sowohl oral als auch intravenös verabreicht wirksam, wohingegen Vancomycin nur oral oder als Einlauf verabreicht wirksam ist. Eine intravenöse Applikation ist unwirksam, da hierdurch keine ausreichenden Spiegel im Kolon erreicht werden. Für leichte Formen sollte Metronidazol (3 x 500 mg p.o.) eingesetzt werden. Bei schweren Erkrankungen war Vancomycin (4 x 125 mg p.o.) in einer Studie Metronidazol überlegen und sollte in diesen Fällen primär entweder als Monotherapie oder kombiniert mit Metronidazol i.v. eingesetzt werden. Die Therapiedauer beträgt in der Regel 10 Tage. Die verursachende Antibiose sollte sofern möglich abgesetzt oder zumindest umgestellt werden. Bei etwa 20% der Betroffenen kommt es nach Absetzen der Therapie zu einem Rezidiv. Interessanterweise findet man bei diesen Patienten nur sehr selten pseudomembranöse Veränderungen. Hier ist eine erneute Therapie für 14 Tage mit Metronidazol oder Vancomycin erforderlich. Neue Therapiealternativen mit z. B. Rifaximin, einem nicht resorbierbaren Antibiotikum, sind vielverspreichend, müssen aber noch in weiteren Studien untersucht werden. Bei Patienten mit vorangegegangener C. difficile-assoziierter Diarrhö kann eine prophylaktische Therapie mit einem Probiotikum während einer erforderlichen Antibiotikatherapie sinnvoll sein. Wichtig zur Vermeidung einer Weiterverbreitung der Infektion ist eine strikte Isolation von stationären Patienten im Krankenhaus mit nachgewiesener C. difficileassoziierter Diarrhö. Eine Kohortenisolation ist möglich. Die Sporen werden nicht durch Händedesinfektionsmittel abgetötet. Hier ist zusätzlich sorgfältiges Händewaschen erforderlich. Korrespondenzadresse: Dr. Christian Pox Medizinische Klinik Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23-25 44892 Bochum E-Mail: [email protected] 45 Bottom-up oder Top-down – welches Risiko bei welchem CEDPatienten S. Schreiber Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Institut für Klinische Molekularbiologie, Christian-Albrechts-Universität, Kiel Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind chronisch rezidivierende Erkrankungen, die die Entwicklung langfristiger Therapiekonzepte benötigen. Nicht das Management des einzelnen Schubes sondern die langfristige Reduktion der Krankheitsaktivität und des Bedarfs an chronischer Medikation senkt Gesamtmorbidität und Komplikationen. Neben der Reduktion der entzündlichen Aktivität ist daher die Vermeidung einer Komorbidität durch chronische Therapien (z. B. durch eine chronische Medikation mit Glukokortikoiden) notwendig. Die Sekretion pro-entzündlicher Botenstoffe wie insbesondere TNF (Tumor-NekroseFaktor) scheint ein Schlüsselelement der entzündlichen Pathophysiologie des M. Crohn zu sein. Viele der klinisch eingesetzten Immunsuppresiva (z. B. Glukokortikoide, Azathioprin) inhibieren breit die Freisetzung pro-entzündlicher Botenstoffe. Die spezifische Hemmung des Tumor-Nekrose-Faktors (TNF) durch den intravenösen Einsatz eines chimären Antikörpers (Infliximab) ist eine in den letzten 10 Jahren etablierte Alternative zur oralen Immunsuppression. Eine kurzfristige Wirkung mit schnellem Wirkungseintritt aber auch eine langfristige Wirkung kann als gut etabliert angesehen werden. Das Nebenwirkungsspektrum der Immunsuppression ist beachtlich und reicht von akuten Problemen (z. B. opportunistische Infektionen, Reaktivierung einer Tuberkulose oder Sepsis oft aufgrund nicht erkannter Abszesse) zu chronischen Erkrankungen (z. B. erhöhtes Lymphomrisiko, schnelleres Wachstum von Karzinomen). Neuere Studien weisen darauf hin, dass hier sowohl den oralen Immunsuppressiva als auch der anti-TNF-Therapie jeweils ein definiertes Spektrum zukommt, das sich in der Kombinationstherapie (insbesondere wenn auch noch Glukokortikoide chronisch eingesetzt werden) weiter erhöht. 46 Die Anforderungen an die Dauertherapie, Effizienz in ein ausgewogenes Verhältnis zu den möglichen Nebenwirkungen zu stellen, sind daher erheblich. Gegenwärtige Trends entwickeln sich von der Kombinationstherapie zu einer langfristigen Monotherapie, wobei auch die Immunogenität der verwendeten Biologika eine wichtige Rolle spielt. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Stefan Schreiber Christian-Albrechts-Universität Kiel Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Klinik für Allgemeine Innere Medizin Schittenhelmstr. 12 24105 Kiel Tel.: 0431 597 2350 Fax: 0431 597 1434 E-Mail: [email protected] 47 Divertikulitis – wann konservativ, wann interventionell, wann chirurgisch therapieren? W. Kruis Innere Medizin, Ev. Krankenhaus Kalk, Köln Divertikel des Kolons sind ganz überwiegend Herniationen der Mukosa durch Muskellücken und damit im eigentlichen Sinne Pseudodivertikel. Die Muskellücken sind an der Durchtrittsstelle der Vasa recta im Bereich des Mesenterialansatzes zu finden. Begünstigende Faktoren für eine Divertikelbildung sind Störungen der Bindegewebsstruktur, erhöhter Darminnendruck infolge einer ballaststoffarmen Diät, Motilitätsstörungen und höheres Lebensalter. Etwa 40% der über 70-Jährigen weist Kolondivertikel auf, wobei kein Geschlechtsunterschied feststellbar ist. Man unterscheidet die Divertikulose – zufällig gefundene Divertikel bei asymptomatischen Menschen – von der Divertikelkrankheit. Die Divertikelkrankheit kann unkompliziert verlaufen, d. h. mit einer einmaligen Attacke, seltenen Schüben, aber auch chronisch rekurrierend. Im Fall von Attacken (Schüben) bestehen immer Symptome wie Schmerzen und Stuhlunregelmäßigkeiten, die mit Zeichen einer Entzündung (Divertikulitis, ggf. mit lokaler Abwehrspannung, Leukozytose, Erhöhung von BSG/CRP) einhergehen können. Die Divertikelkrankheit kann sich auch kompliziert entwickeln mit Peridivertikulitis und zunehmender Abszedierung. Im ungünstigsten Fall kann es zu Komplikationen in Form von Stenosen, Fisteln, Blutungen und Perforation kommen. Insgesamt werden jedoch nur 20–30% aller Divertikelträger so symptomatisch, dass sie sich deswegen in ärztliche Behandlung begeben. Die Planung der Behandlung orientiert sich grundsätzlich an der Situation des Betroffenen: Divertikulose mit dem Ziel einer Entwicklung zur Divertikelkrankheit vorzubeugen, einmalige oder rekurrierende, aber unkomplizierte Attacken, Sekundärprävention, komplizierte Divertikelkrankheit. Primär- sowie Sekundärprävention bestehen in der Empfehlung zur körperlichen Mobilität und einer ballaststoffreichen Mischkost. In der Regel wird man Quellstoffzusätze vor allem in Form von Plantago zugeben. Der BMI stellt einen aussagekräftigen Prognosefaktor dar – je höher, desto ungünstiger der Langzeitverlauf. 48 Die unkomplizierte Attacke wird je nach Schwere ambulant mit Flüssigkost, Antibiotika (Metronidazol, Ciprofloxacin) per os und Spasmolytika oder stationär mit Nulldiät, Elektrolyt- und Flüssigkeitsersatz sowie Daueranalgesie per infusionem und i.v.-Antibiotika behandelt. Mesalazin hat in dieser Situation therapeutische Effekte. Bei rekurrierenden Attacken muss zwischen elektiver Operation und medikamentöser Dauertherapie entschieden werden. Letztere umfasst eine Basistherapie (s. Prävention). Zusätzlich ist die 1-wöchige Antibiotikagabe per Monat und ggf. die zusätzliche Verordnung von Mesalazin für einige Wochen häufig dazu in der Lage, weitere Attacken, Komplikationen und eine Operation zu vermeiden. Bei Komplikationen ist die eilige oder ggf. Notfalloperation das Verfahren der Wahl. Während die Notfallindikation unbestritten ist, wird über die elektive Resektion bei rekurrierender Divertikulitis diskutiert. Wahrscheinlich sollte bei der Entscheidung zur Operation nicht die Zahl der vorausgehenden Attacken entscheidend sein, sondern die Berücksichtigung der Komorbidität (Immunstatus!) und der Grad der entzündlichstrukturellen extraluminalen Veränderungen (Sonografie, CT). Kolondivertikel Definitionen Divertikel ohne Symptome Divertikulose mit Symptomen Divertikelkrankheit mit Entzündung = Divertikulitis Komplikationen ja nein (Stenose, Blutung, Abszess, Fistel, Perforation) Surg Endosc. 1999;13:430-6 49 Kolondivertikel - Verlauf 5 %* 30 % 70 % Asymptomatisch Unkomplizierte Divertikelkrankheit Komplikationen 100% = alle Menschen mit Kolondivertikel •30%: irgendeine Form der Divertikelkrankheit • * 5% aller Divertikelträger haben Komplikationen Dis Colon Rectum. 1989:32 Dis Colon Rectum. 1996:39 Clin Gastroenterol. 1975:4 Divertikelkrankheit – Therapie - Zusammenfassung Operation Diät Analgesie 5-ASA 0-Diät iv-Therapie/Subst Analgesie Antibiotika Mild Moderat/Schwer Kompliziert Unkompliziert Akut - Operation Intermitt. Antibiotika 5-ASA Probiotika Mit Ohne Strukturänderungen Rekurrierend Divertikelkrankheit/Divertikulitis 50 Ballast Aktivität Ecksteine der Leitlinie Morbus Crohn M. Zeitz Medizinische Klinik I, Charité – Universitätsmedizin, Campus Benjamin Franklin (CBF), Berlin Die Leitlinienentwicklung für den Morbus Crohn in Deutschland ist auf einem sehr aktuellen Stand: So wurde gerade die Überarbeitung der S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“ publiziert (Z. Gastroenterol. 2008; 46: 1094). Eine europäische Leitlinie liegt aus dem Jahr 2006 vor. Wichtige Definitionen in der aktuellen Leitlinie „Morbus Crohn“ beziehen sich auf unterschiedliche Verlaufsformen: Für die Therapieplanung sind folgende Begrifflichkeiten wesentlich: Frührezidiv (Rezidiv innerhalb von 3 Monaten), steroidrefraktärer Verlauf (aktive Erkrankung trotz adäquater Prednisolon-Gabe über mindestens 4 Wochen), steroidabhängiger Verlauf (keine Steroidfreiheit innerhalb von 4 Monaten bzw. Rezidiv innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung einer Steroidtherapie), lokalisierte Erkrankung (Crohn-Befall unter 30 cm) und ausgedehnte Erkrankung (Crohn-Befall über 100 cm). Die Erstdiagnostik eines Morbus Crohn umfasst zentral die Ileokoloskopie mit Biopsieentnahme aus allen untersuchten Segmenten sowie eine erweiterte Dünndarmdiagnostik (bevorzugt durch MRT-Enteroklysma). Eine Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts wird bei der Erstdiagnose bzw. bei entsprechenden Symptomen empfohlen; der Kapselendoskopie wird derzeit wegen meist fehlender therapeutischer Konsequenzen ein eher untergeordneter Wert eingeräumt. In der Labordiagnostik ist insbesondere die Ausschlussdiagnostik von infektiösen Komplikationen erwähnenswert (zunehmendes Problem durch Clostridium-difficile- und Zytomegalievirus-Infektionen). Die Therapie des akuten Schubs sollte entsprechend der aktuellen Empfehlungen unverändert der klassischen „Step-up“-Strategie folgen: Steroide, bei komplexen Verläufen zusätzlich Immunsuppressiva vom Typ des Azathioprins (bei fehlender Wirksamkeit oder Unverträglichkeit Methotrexat), bei fehlendem Erreichen einer Remission Antikörper gegen TNFα (Infliximab oder Adalimumab). Die Vorgehensweise bei akutem Schub hängt auch von der Lokalisation der Erkrankung ab: Bei Ileozökalbefall kann ein Therapieversuch mit hoch dosiertem Mesalazin oder (besser belegt) mit Budesonid erfolgen. Bei Crohn-Colitis sowie bei ausgedehntem Dünndarmbefall sollten frühzeitig Immunsuppressiva eingesetzt werden. Bei Befall des 51 oberen Gastrointestinaltrakts sollte ebenfalls frühzeitig an eine Immunsuppressivatherapie gedacht und bei Magen- bzw. Duodenumbefall Protonenpumpenhemmer gegeben werden. Der Einsatz von Antikörpern gegen TNFα ist entsprechend der derzeitigen Empfehlungen noch als Drittlinientherapie nach Steroiden und Immunsuppressiva anzusiedeln. Bei Persistenz einer hohen Krankheitsaktivität trotz adäquater Steroiddosis oder Kontraindikation für Glukokortikoide können TNFα-Antikörper auch vor Immunsuppressiva eingesetzt werden. Bei steroidabhängigen oder steroidrefraktären Verläufen sollte frühzeitig ein Einsatz von TNFα-Antikörpern diskutiert werden. Für eine sogenannte „Top-down“-Strategie mit frühzeitigem Einsatz von TNFα-Antikörpern und Immunsuppressiva gibt es bisher keine ausreichende Literaturlage, um eine entsprechende Empfehlung abzugeben. Im Zentrum der Remissionserhaltung steht die Abstinenz von Tabakgebrauch bei Rauchern. Eine generelle medikamentöse remissionserhaltende Therapie wird nicht empfohlen, Steroide haben keinen Stellenwert in dieser klinischen Situation. Bei komplexen Krankheitsverläufen stehen an erster Stelle Immunsuppressiva vom Typ des Azathioprins bzw. Methotrexats und bei Wirkungslosigkeit Langzeittherapien mit Antikörpern gegen TNFα. In allen klinischen Situationen sollten chirurgische Optionen in Erwägung gezogen werden. Operationsindikationen bestehen klar bei therapierefraktärem Subileus, Kolonstenosen unklarer Dignität, dem Nachweis hochgradiger intraepithelialer Neoplasien, bei therapierefraktären Verläufen und bei isoliertem symptomatischem Ileozökalbefall und fehlendem Ansprechen auf eine konservative Therapie. Selbstverständlich bedürfen Abszesse einer interventionellen Therapie: initial Antibiotika plus perkutane oder chirurgische Drainage meist gefolgt von einer Resektion. Eine generelle Empfehlung für eine postoperative Rezidivprophylaxe kann nicht gegeben werden, Azathioprin kann perioperativ fortgesetzt werden ohne Nachteile bezüglich der Komplikationsrate. Nur bei symptomatischen Fisteln steht eine Therapieindikation, bei ausgedehntem Fistelleiden ist eine interdisziplinäre Abstimmung essenziell. Die Behandlung extraintestinaler Manifestationen stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Bei Gelenkbeteiligung und Schmerzen ist vor NSAR zu warnen, Cox-2-Inhibitoren sind bisher in ihrem intestinalen Nebenwirkungsprofil nicht abschließend geklärt. 52 Definitionen – S3-Leitlinie Morbus Crohn • Aktive Erkrankung • Remission • Ansprechen: CDAI-Abfall > 100 Punkte • Rezidiv • Frührezidiv: innerhalb von 3 Monaten • Steroidrefraktärer Verlauf: aktiv trotz 0,75 mg/ kg Prednisolon über 4 Wochen • Steroidabhängiger Verlauf: keine Steroidfreiheit innerhalb von 4 Monaten bzw. Rezidiv 3 Monate nach Ende der Steroidtherapie • Lokalisierte Erkrankung: Crohn-Befall < 30 cm • Ausgedehnte Erkrankung: Crohn-Befall > 100 cm Akuter Schub des Morbus Crohn klassische „Step-up“-Strategie Akuter Schub Glukokortikoide [Mesalazin mit begrenzter Wirksamkeit] Keine Remission Remission 7-40% 60-93% (i.v.) Glukokortikoide + Azathioprin Remission 6-36% Keine Remission 2-8% TNFα-Antikörper 53 Akuter Schub des Morbus Crohn Abhängigkeit von der Lokalisation Lokalisation Aktivität Ileozökalbefall leicht / mäßig Mesalazin, Budesonid, systemische Steroide Ileozökalbefall hoch Steroide, Immunsuppressiva, anti-TNFa (evtl. vor Aza), Chi (!) Crohn-Colitis SASP, Steroide, Lokaltherapie, früh: Immunsuppressiva ausgedehnter Dünndarmbefall systemische Steroide, enterale Ernährung, früh: Immunsuppressiva Ösophagus/ gastroduodenaler Befall systemische Steroide, Magen/Duodenum: PPI, früh: Immunsuppressiva Akuter Schub: Stellenwert von AK gegen TNFα Bei Nichtansprechen auf Glukokortikoide und Immunsuppressiva bzw. Nebenwirkungen - nach Ausschluss chirurgischer Therapieoptionen: AK gegen TNFα Bei Persistenz der hohen Krankheitsaktivität trotz adäquater Steroiddosis oder Kontraindikationen für Glukokortikoide können TNFα-Antikörper vor Immunsuppressiva eingesetzt werden 54 Remissionserhaltung Ziel der Langzeittherapie: Erhaltung der klinischen Remission Keine ausreichende Basis für eine generelle medikamentöse remissionserhaltende Therapie Abstinenz von Tabakgebrauch keine Steroide in der remissionserhaltenden Therapie Bei komplexen Krankheitsverlauf: Azathioprin/ 6-MP Bei Wirkungslosigkeit: Dosis? Alternativ MTX oder Antikörper gegen TNFα (in Kombination?) - Operatives Vorgehen besonders bei lokalisiertem Befall 55 Die steroidrefraktäre Colitis ulcerosa – wie behandeln? J. Schölmerich Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Regensburg Der natürliche Verlauf der Colitis ulcerosa in populationsbasierten Kohorten ist relativ günstig. 60% der Patienten weisen nach dem initialen Schub in der Regel unter Gabe von 5-Aminosalizylsäure einen benignen Verlauf auf. 30% zeigen immer wieder Schübe trotz Rezidivprophylaxe, 10% haben einen chronisch aktiven Verlauf. Diese Patienten bedürfen einer aggressiveren Therapie, um das Auftreten von strukturellen Schäden bzw. die Kolektomie zu vermeiden, wo möglich. Das Konzept einer aggressiven Therapie wird dadurch unterstrichen, dass in den letzten Jahren deutlich wurde, dass genau die Patienten mit der chronischen, nie ganz zur Ruhe kommenden Entzündung diejenigen sind, die überhaupt ein Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms aufweisen, während dies bei allen anderen Patienten offenbar sehr selten der Fall ist. Die Behandlung der Patienten mit diesen Formen der schweren, entweder gegenüber Standardtherapie refraktären oder beispielsweise steroidabhängigen Colitis ulcerosa bestand vor 40 Jahren in der hoch dosierten Steroidgabe und einer parenteralen Ernährung. Letztere ist lange verlassen, die Steroidgabe ist nach wie vor aktuell. Diese kann aber im besten Fall eine kurzzeitige Remissionsinduktion bewirken und, wenn dauerhaft gegeben, den Zustand der Steroidabhängigkeit, der mit einer Remission einhergeht, herbeiführen. Eine Langzeitsteroidtherapie ist aber aufgrund der Nebenwirkungen heute obsolet. Im Wesentlichen sprechen die Patienten, die in den ersten 3 Tagen bereits eine Verbesserung der Klinik aufweisen, auch tatsächlich auf die Steroidgabe an, bei allen anderen kann man relativ früh auf andere Therapieformen umstellen. Bevor eine aggressivere Immunsuppression eingeleitet wird, sollte allerdings die Gegenwart einer Superinfektion, beispielsweise mit Clostridium difficile oder CMV ausgeschlossen werden. Die Häufigkeit solcher opportunistischen Infektionen, besonders bei Patienten unter einer bereits laufenden Immunsuppression mit Steroiden oder anderen Medikamenten, hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen; eine solche muss daher zwingend ausgeschlossen werden. 56 Ältere Studien zeigen, dass die Gabe von Azathioprin Patienten mit refraktärer Colitis durchaus in Remission bringen kann, hier ist der Zeitablauf aber so langwierig, dass dies heute den Patienten in der Regel nicht mehr zugemutet werden kann. Hier sei angemerkt, dass auch Azathioprin durchaus nebenwirkungsträchtig ist, und gerade in den letzten Jahren Berichte über nodulär regenerative Hyperplasie und Lymphome dieses deutlich gemacht haben. Bisheriger Standard bei Patienten mit schwerer refraktärer Colitis war die Gabe von Ciclosporin intravenös, wobei initial 60–80% der Patienten ansprechen und zumindest primär eine Kolektomie vermieden werden kann. Ein Ansprechen lässt sich durch ein CRP unter 45 mg/l, eine Herzfrequenz unter 90 pro Minute und das Fehlen von erhöhten Temperaturen wahrscheinlich machen. Das Fehlen schwerer endoskopischer Veränderungen spricht ebenfalls eher für den Erfolg einer solchen Therapie. Es ist allerdings nicht zu empfehlen, nur um hier eine Vorhersage zu treffen, eine Endoskopie durchzuführen. Die Dosis von Ciclosporin kann wohl auf 2 mg/kg reduziert werden, ohne einen wesentlichen Effektivitätsverlust zu riskieren. Hier sind die Nebenwirkungen beachtlich, immerhin 15% haben schwere Nebenwirkungen, wobei die Nephrotoxizität, schwere Infektionen und Krämpfe im Vordergrund stehen. Anschließend an die Ciclosporin-Therapie wird in der Regel mit Azathioprin weiterbehandelt, wobei die Phase, in der neben den initial vorhandenen Steroiden Ciclosporin und Azathioprin appliziert wird, besonders risikoreich ist. Hier wird von etlichen Zentren eine präventive Antibiose empfohlen. Neuerdings ist auch die Gabe von Infliximab bei diesen Patienten erprobt worden und hat sich als effektiv erwiesen. Dies war zunächst in einer Studie aus Schweden deutlich, wo die Patienten mit schwerer Colitis, nicht jedoch die mit fulminanter Colitis wesentlich profitierten. Eine größere Patientengruppe in Belgien wies ein Ansprechen bei 63% auf, was zu einer Kolektomierate von 18% in dieser Untergruppe nach 2 Jahren führte. Hier wurden 6 schwere Infektionen und 4 Malignome beobachtet, sodass auch hier natürlich die Nebenwirkungen in Betracht gezogen werden müssen. Vergleiche beider Therapiestrategien liegen bislang nicht vor, verschiedene Ansätze zeigen, dass Therapieversager mit Ciclosporin mit Infliximab und vice versa behandelt werden können. Ein Kohortenvergleich wies auf eine geringe Überlegenheit der Ciclosporin-Therapie hin. In allen Fällen muss mit dem Patienten auch die Option einer Kolektomie und Anlage eines ileoanalen Pouches besprochen werden, die natürlich auch in der Lage ist, die Krankheit zu beseitigen und damit auch das Karzinomrisiko zu nehmen. Inwieweit 57 Alternativen wie die Leukozytenapherese oder beispielsweise die Gabe von Phosphatidylcholin bei steroidrefraktärer Colitis ulcerosa eine Rolle spielen werden, ist offen; hier sind definitive Studien abzuwarten. Insgesamt scheint die Prognose von Patienten mit schwerer Colitis ulcerosa durchaus günstig zu sein: Von 149 Episoden über 7 Jahre waren in einem Referenzzentrum 36 als Therapieversager auf die Steroidtherapie klassifizierbar, von diesen sprachen 12 von 21 auf Ciclosporin oder Infliximab an, 15 wurden primär, 24 insgesamt kolektomiert. 58 Therapeutisches Vorgehen beim Ösophaguskarzinom O.G. Opitz Tumorzentrum Ludwig Heilmeyer-Comprehensive Cancer Center, Freiburg Ösophaguskarzinome unterscheiden sich im Wesentlichen in die 2 Entitäten des Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus und des Adenokarzinoms des Ösophagus, welches in der Regel aus einem Barrett-Ösophagus entsteht. Diese 2 Tumorentitäten verhalten sich in ihrer Epidemiologie, Pathogenese und Tumorepidemiologie gänzlich unterschiedlich, dennoch sind sie bisher in Therapiestudien meistens gemeinsam untersucht worden. Plattenepithekarzinom des Ösophagus Das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus ist die 6. häufigste Tumor-assoziierte Todesursache, es hat eine durchschnittliche Inzidenz von ca. 2,5–5 pro 100.000 Einwohner, mit starken geographischen Schwankungen. Gemeinsam mit dem Mundbodenkarzinom kommt es v. a. in Entwicklungsländern sehr häufig vor. An Risikofaktoren sind, v. a. in der westlichen Welt der Tabak- und Alkoholkonsum zu nennen, in Entwicklungsländern v. a. der Vitamin- und Mineralmangel sowie chemische Karzinogene, wie die Nitrosamine. Weitere prädisponierende Faktoren sind die Achalasie, Laugenverätzungen sowie eine stattgehabte Bestrahlung. Des Weiteren ist das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus mit einem niedrigen sozioökonomischen Status assoziiert. Als familiäre Form gibt es die Tylose eine Palmoplantarkeratose. Genetische Veränderungen sind v. a. im Zellzyklus regulierenden Protein Cyclin D1, der Rezeptor-Tyrosinkinase, EGFR und den Tumorsuppressorgenen p53 und p16 zu finden. Histologisch entwickelt sich das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus aus einem mehrschichtigen Plattenepithel über die Dyplasie und das Carcinoma in situ zum invasiven Karzinom. Adenokarzinom des Ösophagus Das Adenokarzinom des Ösophagus entsteht v. a. aus der intestinalen Metaplasie dem sog. Barrett-Epithel. Dies wiederum entsteht im Wesentlichen durch einen vermehrten gastroösophagealen Reflux im distalen Ösophagus. Das Adenokarzinom des Ösophagus oder Barrett-Karzinom stellt die am stärksten zunehmende 59 Neoplasie der westlichen Welt dar. In den USA war über die letzen 2 Jahrzehnte z. B. eine Zunahme von 450% zu verzeichnen. Während in Deutschland noch das Plattenepithelkarzinom prädominant ist, ist das Verhältnis zwischen beiden Entitäten in den USA inzwischen 1:1. Neben dem Barrett-Ösophagus gelten auch der gastroösophageale Reflux selbst, sowie die Adipositas und das Rauchen als Risikofaktoren. Prädisponierende Faktoren sind hier Zustände mit erhöhter Säureexposition, wie das Zollinger-Ellison-Syndrom, Zustand nach Bougierung oder Medikamente, die den unteren Ösophagussphinkter beeinflussen. 12% der Patienten mit gastroösophagealer Refluxerkrankung entwickeln einen Barrett-Ösophagus. Aus dem Barrett-Epithel kann sich dann in 4% eine leichtgradige intraepitheliale Neoplasie bilden; diese kann sich entweder zurückentwickeln oder in insgesamt 1% zu einer schwergradigen intraepithelialen Neoplasie foranschreiten. Hieraus entstehen in bis zu 40% dann invasive Adenokarzinome des distalen Ösophagus. Diagnostik Diagnostisch ist für beide Entitäten die Endoskopie federführend. Diese erfolgt zur Diagnosestellung und histologischen Sicherung. Zum stadiengerechten Staging ist zur Bestimmung der Eindringtiefe (T) die Endosonografie die beste Methode, zur Bestimmung des Lymphknotenstatus die Endosonografie und die Computertomografie (CT). Zur diagnostischen Evaluation einer etwaigen Fernmetastasierung kann zusätzlich zum CT Thorax und Abdomen auch das PET herangezogen werden. Beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus sollte aufgrund einer in bis zu 15% auftretenden Koinzidenz mit Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich und der Lunge noch ein CT Hals, eine HNO-Untersuchung sowie eine Bronchoskopie durchgeführt werden. Vor einer neoadjuvanten Therapie beim Adenokarzinomen des distalen Ösophagus sollte zusätzlich eine Laparoskopie durchgeführt werden. Die Eindringtiefe im T-Stadium determiniert die lymphogene Metastasierung, wobei schon im Stadium T1b bei ca. 20% der Adenokarzinome und bis zu 50% der Plattenepithelkarzinome eine lymphogene Metastasierung vorliegen kann. Therapeutische Optionen Die Therapie sollte dann stadienabhängig verlaufen, wobei hier die TNMKlassifikation wieder in klinische UICC-Stadien I–IV zusammengefasst werden. Für die Therapieentscheidung sollen im Folgenden 3 Stadien exemplarisch diskutiert 60 werden: Das Frühkarzinom im UICC-Stadium 0–1, das lokal fortgeschrittene Ösophaguskarzinom im UICC-Stadium II und das metastasierte Karzinom im UICCStadium Vb. Die Prognose richtet sich hier ebenso nach dem Tumorstadium, wobei Frühkarzinome eine 5-Jahres-Überlebensrate von bis zu 80% aufweisen, lokal fortgeschrittene Karzinome von 15% und metastasierte Karzinome von unter 1%. Die Tumorresektion bleibt das einzig kurative Therapieverfahren, doch leider ist zum Zeitpunkt der Diagnose nicht einmal die Hälfte der Patienten resezierbar. Über drei viertel der Patienten mit Ösophaguskarzinom werden erst in einem mindestens lokal fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Beim Frühkarzinom wird zunehmend, v. a. beim mukosalen Karzinom, d. h. im Stadium T1a die endoskopische Mukosaresektion als Alternative durchgeführt. Dies ist v. a. bei Barett-Frühkarzinomen erfolgreich untersucht worden worden. Bei Eindringen in die Submucosa (T1b) ist die chirurgische Resektion die Methode der Wahl, wegen der zunehmenden Gefahr einer lymphogenen Metastasierung. Auch bei lokal begrenztem Tumorleiden steht natürlich die chirurgische Resektion im Vordergrund. Eine adjuvante Chemotherapie ist bei resektablen Tumorstadien nicht angezeigt. Die Therapie des Ösophaguskarzinoms im lokal fortgeschrittenen Stadium ist eines der am meist diskutierten Themen in der Onkologie überhaupt. Zum einen können hier die Therapieempfehlungen zum Plattenepithelkarzinom und zum Adenokarzinom unterschiedlich ausfallen, zum anderen gibt es für jede der Therapieoptionen eine sehr unterschiedliche Studienlage. Im lokal fortgeschrittenen Stadium stellt sich die Frage, ob die alleinige Operation, eine neoadjuvante Radiochemotherapie oder nur eine neoadjuvante Chemotherapie oder gar eine definitive Radiochemotherapie unter Weglassen einer chirurgischen Resektion die beste therapeutische Maßnahme darstellt. Wenn man die heutige Studienlage subsumiert, kann man hier für die jeweiligen Entitäten zu unterschiedlichen Empfehlungen kommen. Für das Plattenepithelkarzinom haben mehrere Metaanalysen und eine Phase-III-Studie gezeigt, dass die neoadjuvante Radiochemotherapie einer alleinigen Chirurgie überlegen ist. Einzelstudien waren leider meist unterpowert oder haben ein indifferentes Bild gezeigt. Für das Adenokarzinom des Ösophgus hat in Metaanalysen und einigen Studien die neoadjuvante Radiochemotherapie ebenso 61 Vorteile gezeigt. Hier zeigen jedoch mehrere neuere Phase-III-Studien, die neben dem Magenkarzinom auch distale Adenokarzinome des Ösophagus eingeschlossen hatten, dass es einen klaren Überlebensvorteil für eine neoadjuvante Chemotherapie mit nachfolgender Operation gibt. Dies stellt inzwischen auch die Empfehlung in den meisten intersdiziplinären Krebszentren dar. Beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus wird im lokal fortgeschrittenen Stadium derzeit der Stellenwert einer definitiven Radiochemotherapie diskutiert, da es Hinweise gibt, dass in manchen Situationen die nachfolgende Resektion zumindest bzgl. des Gesamtüberlebens entbehrlich sein könnte. Derzeit wird jedoch die neoadjuvante Radiochemotherapie mit anschließender chirurgischer Resektion empfohlen. Zudem gibt es zunehmend Daten, die die Rolle des PET in der „Response Prediction“ unter neoadjuvanten Therapien nahelegt. Im metastasierten Stadium steht v. a. bei den Plattenepithelkarzinomen eine Symptom-orientierte Therapie im Vordergrund. Hier ist die Sicherung der Nahrungspassage die wesentliche Aufgabe. Dies kann zum einen durch endoskopische Verfahren, die Anlage von gecoverten und nicht-gecoverten Stents erreicht werden, aber auch lokal ablative endoskopische Verfahren finden hier Anwendung. Ebenso hat hier die palliative Radiotherapie, entweder perkutan oder als Brachytherapie, ihren Stellenwert. Auch eine systemische Chemotherapie ist bei einer Lebenserwartung > 6 Monaten möglich. Es stehen Chemotherapien mit 5FU/Cisplatin, Taxol/Carboplatin oder Vinorelbine zur Verfügung. Die palliative Chemotherapie beim Adenokarzinom des Ösophagus richtet sich nach den Therapieoptionen beim Magenkarzinom. Hier haben sich vor allem Cisplatin und 5FU-haltige Protokolle in der Erstlinientherapie durchgesetzt. Die besten Ansprechraten hat hier das DCF-Protokoll aus Docetaxel, Cisplatin und 5FU, vor dem ECF Protokoll mit Epirubicin, Cisplatin und 5FU. Hier konnte kürzlich gezeigt werden, dass in diesem Protokoll ein Austausch von Cisplatin durch Oxaliplatin oder/und 5FU durch Capecitabine bei gleicher Wirksamkeit aber etwas anderem Nebenwirkungsprofil durchaus möglich ist. V. a. in der Zweitlinientherapie steht zusätzlich das FOLFIRI-Protokoll zur Verfügung. Fazit für die Praxis Das Ösophaguskarzinom teilt sich in 2 Entitäten, das Plattenepithelkarzinom und das Ösophagus. Das Adenokarzinom ist hierbei die am stärksten zunehmende Neoplasie 62 der westlichen Welt. Beide Entitäten unterscheiden sich in ihren Risikofaktoren und in Ihrer geografischen Verteilung. Eine stadiengerechte Diagnostik schließt die Endoskopie, die Endosonografie, das CT Thorax und Abdomen sowie z. T. das PET mit ein. Geeignete Tumormarker zu Diagnosestellung, Verlaufsbeurteilung gibt es leider nicht. Die so diagnostizierten Stadien führen zu einer ebenso stadiengerechten Therapie. Hier werden mukosale Frühkarzinome zunehmend endoskopisch Mukosareseziert, lokal begrenzte Tumore reseziert und lokal fortgeschrittene Karzinome neoadjuvant neoadjuvante behandelt. Bei Plattenepithelkarzinomen Radiochemotherapie bei empfiehlt Adenokarzinomen derzeit man eine eher eine neoadjuvante Chemotherapie. Im metastasierten Stadium steht der Erhalt der Nahrungspassage im Vordergrund. Da die Therapie der Ösophaguskarzinome zunehmend komplexer wird, sollten diese Tumore in interdisziplinären Zentren behandelt werden. Außerdem ist zur Erweiterung der Therapieoptionen der Einschluss dieser Patienten in Therapiestudien notwendig. Literatur: Behrens A, May A, Gossner L, Günter E, Pech O, Vieth M, Stolte M, Seitz G, Ell C. Curative treatment for high-grade intraepithelial neoplasia in Barrett's esophagus. Endoscopy. 2005;37:999–1005. Gebski V, Burmeister B, Smithers BM, Foo K, Zalcberg J, Simes J; Australasian Gastro Intestinal Trials Group. Survival benefits from neoadjuvant chemoradiotherapy or chemotherapy in oesophageal carcinoma: a meta-analysis. Lancet Oncol. 2007;8:226–34 Cunningham D, Allum WH, Stenning SP, Thompson JN, Van de Velde CJ, Nicolson M, Scarffe JH, Lofts FJ, Falk SJ, Iveson TJ, Smith DB, Langley RE, Verma M, Weeden S, Chua YJ, MAGIC Trial Participants. Perioperative chemotherapy versus surgery alone for resectable gastroesophageal cancer. N Engl J Med. 2006;355:11–20. Stahl M, Stuschke M, Lehmann N, Meyer HJ, Walz MK, Seeber S, Klump B, Budach W, Teichmann R, Schmitt M, Schmitt G, Franke C, Wilke H. Chemoradiation with and without surgery in patients with locally advanced squamous cell carcinoma of the esophagus. J Clin Oncol. 2005;23:2310–7. Lordick F, Ott K, Krause BJ, Weber WA, Becker K, Stein HJ, Lorenzen S, Schuster T, Wieder H, Herrmann K, Bredenkamp R, Höfler H, Fink U, Peschel C, Schwaiger M, Siewert JR. PET to assess early metabolic response and to guide treatment of adenocarcinoma of the oesophagogastric junction: the MUNICON phase II trial. Lancet Oncol. 2007;8:797–805. 63 Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Oliver G. Opitz Direktor Tumorzentrum Ludwig Heilmeyer – CCCF Universitätsklinikum Freiburg Albert-Ludwigs-Universität Tel.: 0761 270-7150/-7151 Fax: 0761 270-7152 E-Mail: [email protected] Website: http://www.tumorzentrum-freiburg.de 64 (Neo-)Adjuvante und palliative Therapie des kolorektalen Karzinoms W. Schmiegel Medizinische Klinik, Ruhr-Universität Bochum, Knappschaftskrankenhaus, Bochum Jährlich erkranken in Deutschland 73.000 Menschen an einem kolorektalen Karzinom (KRK); etwa 28.000 Patienten versterben jährlich an den Folgen eines KRK. Die Prognose hängt entscheidend vom Tumorstadium bei Diagnose ab. Die Therapie erfolgt entsprechend stadienadaptiert. Im Stadium II mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 70–85% kann durch eine 5-FUbasierte Chemotherapie ein geringer, aber statistisch signifikanter Überlebensvorteil von knapp 4% gegenüber der alleinigen Operation erreicht werden. Eine adjuvante 5-FU-basierte Chemotherapie kann daher nach Beratung und Aufklärung des Patienten empfohlen werden („Kann“-Empfehlung). Bei Hochrisikopatienten (T4, Tumor-Perforation, Ileus, G3 oder 4, venöse Infiltration [V1], < 10 Lymphknoten) sollte eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden, da der Überlebensvorteil hier deutlicher ausgeprägt ist. Im Stadium III mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 65–80% sollte eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden („Soll“-Empfehlung). So wurde in zahlreichen Studien ein signifikanter Überlebensvorteil für Patienten im Stadium III durch eine adjuvante 5-FU-basierte Chemotherapie nachgewiesen. Eine Kombinationschemotherapie mit FOLFOX führt zu einem weiteren absoluten Überlebensvorteil gegenüber 5-FU und gilt daher als Standard im Stadium III. Bei Kontraindikationen gegen Oxaliplatin oder Komorbiditäten soll eine Monotherapie mit oralen Fluoropyrimidinen durchgeführt werden. Bei Rektumkarzinomen im Stadium II und III soll eine neoadjuvante Radiochemotherapie durchgeführt werden. Neben dem Downsizing und der höheren R0-Resektionsrate ist eine höhere Rate an Sphinktererhalt durch eine neoadjuvante Radiochemotherapie möglich. Durch die Chemotherapie-Komponente soll die Rate an Fernmetastasierungen gesenkt werden. Durch eine Intensivierung der Chemotherapie im Rahmen von Studien kann diese ggf. optimiert werden. In Bezug auf das therapeutische Vorgehen werden die Patienten mit einem metastasierten KRK nach der klinischen Situation und dem Therapieziel in 3 Subgruppen eingeteilt. Zu der Gruppe 1 gehören die Patienten mit primär resektablen Leberund/oder Lungenmetastasen. Bei Patienten der zweiten Gruppe wird eine intensi65 vierte systemische Therapie angestrebt. Zu dieser Gruppe gehören operable Patienten mit potenziell resektablen Metastasen nach einer neoadjuvanten Chemotherapie sowie Patienten mit tumorbedingten Symptomen, raschem Progress oder Organkomplikationen. Die Gruppe 3 hat eine weniger intensive Therapie zum Ziel, welche bei Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option für Resektion nach Metastasenrückbildung, ohne tumorbezogene Symptome oder Organkomplikation und/oder schwerer Komorbidität angewandt wird. Eine Resektion von Metastasen (Gruppe 1) ist nur in 10–20% aller Patienten möglich. Durch die erfolgreiche Entfernung von Lebermetastasen ist eine 5-JahresÜberlebensrate von 25–40% zu erreichen. Nach einer R0-Resektion von Lebermetastasen kann eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden. Im Einzelfall können primär operable Lebermetastasen auch im Rahmen eines perioperativen (prä- und postoperativen) Chemotherapieprotokolls behandelt werden. Bei Patienten der zweiten Gruppe wird eine intensivierte systemische Therapie angestrebt. Zu dieser Gruppe gehören operable Patienten mit potenziell resektablen Metastasen nach einer neoadjuvanten Therapie sowie Patienten mit tumorbedingten Symptomen, raschem Progress oder Organkomplikationen. Bei Leber- und/oder Lungenmetastasen und im Einzelfall auch in anderen Lokalisationen ist daher bei Diagnose und im Verlauf zu überprüfen, ob eine Resektion technisch möglich ist. Bei primärer Irresektabilität der Metastasen soll mit einer neoadjuvanten systemischen Chemotherapie begonnen werden, um ggf. eine sekundäre Metastasenresektion zu erreichen. Derzeit stehen mehrere First-line-Therapien mit hohen Remissionsraten zur palliativen Behandlung des metastasierten kolorektalen Karzinoms zur Verfügung. Dabei ist die orale Gabe von Capecitabin der intravenösen Gabe von 5-FU/Folinsäure gleichwertig. Somit sollte aufgrund der höheren Ansprechrate bei der Gruppe 2 eine 2-Fach-Kombinationstherapie (FOLFOX oder FOLFIRI) plus monoklonalem Antikörper (Bevacizumab oder Cetuximab) oder eine 3-FachChemotherapie (FOLFOXIRI) gewählt werden. Bei Patienten der Gruppe 3 mit Metastasen ohne Aussicht auf Resektabilität und ohne wesentliche tumorbedingte Symptome kann als Erstlinientherapie auch eine Monotherapie eingesetzt werden. So zeigten die CAIRO- und FOCUS-Studien keinen signifikanten Unterschied beim Gesamtüberleben für Patienten, die primär mit einer Monotherapie behandelt wurden. 66 Bei der Vielzahl der heute zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen steht die Identifizierung von Biomarkern, die eine prognostische Einschätzung oder ein Therapieansprechen vorhersagen können, im Fokus der translationalen Forschung. Relevant ist hier derzeit bereits der Nachweis von K-ras-Mutationen im Tumor, da bei Nachweis einer K-ras-Mutation kein Benefit für eine EGFR-inhibierende Therapie besteht, sodass diese nicht indiziert (und dann auch nicht zugelassen) ist. Weitere Bedeutung erlangen zunehmend der Nachweis einer Mikrosatelliteninstabilität oder eines LOH18q in der adjuvanten Situation, oder der Nachweis einer Topoisomerase1-Expression bei Behandlung mit Irinotecan-haltigen Protokollen. 67 Hereditäre Formen des kolorektalen Karzinoms – Was gilt es zu beachten? K. Schulmann Medizinische Klinik, Ruhr-Universität Bochum, Knappschaftskrankenhaus, Bochum In Deutschland stellt das kolorektale Karzinom (KRK) mit 73.000 Neuerkrankungen pro Jahr die zweithäufigste Tumorerkrankung dar. In etwa 20% liegt eine positive Familienanamnese vor. Ca. 2–5% aller KRK entstehen auf dem Boden einer im engeren Sinne erblichen Krebsdisposition. Mit Abstand am häufigsten und ohne charakteristischen Phänotyp ist das Lynch-Syndrom (HNPCC). Deutlich seltener und aufgrund eines charakteristischen Phänotyps leichter zu erkennen sind die Polyposis-Syndrome, wie die familiäre adenomatöse Polyposis und die sehr seltenen hamartomatösen Polyposis-Syndrome (Peutz-Jeghers-Syndrom und familiäre juvenile Polyposis). Einen Überblick gibt Tabelle 1. Neben erhöhten Risiken für ein KRK besteht bei fast allen Formen ein erhöhtes Risiko weiterer Neoplasien. Lynch-Syndrom Diagnosekriterien: Das Lynch-Syndrom ist eine autosomal dominant vererbte Tumordisposition mit hoher Penetranz (bis 80%). 2–5% aller KRK entstehen auf dem Boden eines Lynch-Syndroms. Charakteristisch ist das frühe Auftreten von überwiegend rechtsseitig lokalisierten KRK, das Auftreten von syn- und metachronen KRK sowie von Karzinomen anderer Organlokalisationen, vor allem in Endometrium, Nierenbecken/ableitenden Harnwegen, Dünndarm, aber auch in Magen, Ovarien, Gallengang, Gehirn und Haut. Im Unterschied zu den hereditären PolyposisSyndromen mit auffälligem Phänotyp (s. u.) ist die klinische Diagnosestellung beim Lynch-Syndrom meist nur in Zusammenschau mit der Familienanamnese des Patienten möglich. Die Diagnose kann klinisch gestellt werden, wenn in der Familie des Patienten die sog. Amsterdam-I- oder -II-Kriterien erfüllt sind. In den AmsterdamII-Kriterien werden neben den KRK gleichwertig auch Karzinome des Endometriums, des Dünndarms und der oberen, ableitenden Harnwege dem Syndrom zugerechnet. In populationsbasierten Studien erfüllt die Mehrzahl der Patienten mit LynchSyndrom nicht die Amsterdam-Kriterien. Der Personenkreis, bei dem möglicherweise ein Lynch-Syndrom vorliegen könnte, wird durch die revidierten „Bethesda-Kriterien" 68 definiert. Die Tumoren dieser Patienten sollten auf die für das Lynch-Syndrom charakteristische hochgradige Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) untersucht werden. In älteren Arbeiten wurde unter ausschließlicher Berücksichtigung von Indexpatienten berichtet, dass KRK im Mittel im 44. Lebensjahr (LJ) auftreten. Bei den erstgradig Verwandten der Indexpatienten, die ebenfalls ein KRK entwickelten, lag das mittlere Diagnosealter bei 61 Jahren. Als Konsequenz muss bei jedem Patienten mit KRK unabhängig vom Diagnosealter nach der Familienanamnese gefragt werden. Molekulargenetik: Ursache des Lynch-Syndroms ist ein Defekt in einem der sog. mismatch-Reparatur (MMR)-Gene. Bisher wurden pathogene Keimbahnmutationen in den MMR-Genen MSH2, MLH1, MSH6 und PMS2 identifiziert. Um die Mutationssuche effizienter anzugehen, ist es sinnvoll, vorab MSI-H im Tumor nachzuweisen (z. B. anhand von archiviertem Paraffin-eingebettetem Tumorgewebe). Nur bei Nachweis einer MSI-H im Tumor schließt sich eine Keimbahnmutationssuche an, wobei der Mutationsnachweis in 50–90% der Fälle gelingt. Die immunhistochemische Untersuchung der MMR-Proteinexpression in Tumoren gibt einen Hinweis, in welchem Gen die Mutation lokalisiert ist. Tumorrisiko: Mutationsträger haben ein Risiko von 60–80%, ein KRK zu entwickeln. Das Risiko steigt ab dem 30. LJ an. Das Endometriumkarzinomrisiko wird mit 20–60% angegeben; dieses Risiko steigt ab dem 40. LJ an. Zusätzlich ist das Risiko für Karzinome des Ovar (4–13%), des Magens (2–19%), der ableitenden Harnwege (1–7%) und des Dünndarmes (1–4%) erhöht. Das Dünndarmkarzinomrisiko wird mit 4–7,5% angegeben. Dünndarm- und Magenkarzinome vor dem 30. LJ sind sehr selten. Selten treten Hauttumoren, Hirntumoren, Pankreaskarzinome oder biliäre Karzinome auf. Früherkennung: Ab dem 25. LJ, bzw. 5 Jahre vor dem Erkrankungsalter des jüngsten betroffenen Familienmitglieds, sollte jährlich eine Koloskopie, eine Abdomensonografie und eine gynäkologische Untersuchung inklusive transvaginalem Ultraschall durchgeführt werden. Ab dem 35. LJ wird eine jährliche Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) empfohlen (Richtlinie der Verbundstudie „familiärer Darmkrebs“ der Deutschen Krebshilfe). Mehrere Studien belegen die mögliche Senkung der Inzidenz und Mortalität für Lynch-Syndrom-assoziierte KRK 69 durch regelmäßige Koloskopien und Polypektomien. Bei 3-jährlichen Koloskopien werden jedoch Intervallkarzinome beobachtet, sodass derzeit in Deutschland jährliche Koloskopien empfohlen werden. Die Daten zu Früherkennungs- untersuchungen bez. der extrakolonischen Tumoren erlauben bisher keine abschließende Einschätzung ihrer Effektivität. Aufgrund des hohen Endometriumkarzinomrisikos ist bei Patientinnen mit abgeschlossener Familienplanung oder in der Postmenopause die prophylaktische Hysterektomie (ggf. auch bilaterale Adnektomie) als Alternative zur gynäkologischen Vorsorge zu diskutieren. Der Eingriff sollte nur bei gesicherter genetischer Anlage (pathogene Mutation oder positive LynchSyndrom-Tumoranamnese mit MSI-H-Nachweis) erfolgen. Durch die Aufdeckung der genetischen Grundlagen erblicher KRK-Formen kann heute in den betroffenen Familien mit molekulargenetischen Methoden festgestellt werden, ob Angehörige die Tumordisposition geerbt haben noch bevor sich Krankheitssymptome entwickeln. Damit kann für die einzelnen Familienmitglieder individuell die entsprechend notwendigen Früherkennungsuntersuchungen empfohlen werden. Aber auch für Patienten, die bereits an einer Tumorerkrankung leiden, ist die Diagnosestellung einer erblichen KRK-Form wichtig. Bei ihnen ist das Risiko einen Zweittumor (oder noch weiterer Tumoren) zu entwickeln deutlich erhöht. Auch hier gilt, dass den Patienten entsprechend notwendige Früherkennungsuntersuchungen empfohlen werden sollten. Fazit: - Bei jedem Patienten mit KRK daran denken: individuelle Eigen- und Familienanamnese hinsichtlich Tumoren und Indexläsionen, Erkrankungsalter. Nur die Minderheit der Patienten mit Lynch-Syndrom erfüllt die Amsterdam-Kriterien. Auch ältere Patienten können erstmals erkranken. Auch bei Ausschluss des Lynch-Syndroms bei familiärer Häufung liegt ein erhöhtes Risiko vor. Vorsorge der Angehörigen erforderlich. - Bei Verdacht abklären: genetische Beratung, Vorstellung im Zentrum für familiären Darmkrebs - Bei Diagnose einer hereditären Form: bei den meisten Syndromen erhöhtes Risiko für Zweitmalignome; entsprechende Vor-/Nachsorgeprogramme. Erkrankung der Familie, keine nur Ihren Patienten betreffende Erkrankung. Information des Patienten und Weitergabe der Information durch den Patienten an die Angehörigen sind wesentlich. 70 Tabelle 1: Übersicht über die häufigsten Formen hereditärer KRK % aller KRK KRK-Risiko Mutations- Gen Chromosom nachweis HNPCC 2–5 50–80% 50–80% MLH1, MSH2, 3p21 MSH6, PMS2 2p16 2p16 7q22 FAP 0,1 100% 80–90% APC 5q21 AFAP < 0,1 80% 20–30% APC 5q21 Peutz-Jeghers- < 0,1 45% 80–94% STK11 19p13.3 < 0,1 20–60% 50–60% SMAD4 18q21.2 BMPR1A 10q23 ENG 9q34.1 MYH 1p34.3-p32.1 Syndrom Juvenile Polyposis Coli MAP ? ? 10–20% der APC-negativen FAP; 2% bei KRK < 50. LJ 71 Kapselendoskopie des Kolons T. Brechmann Medizinische Klinik, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum Das kolorektale Karzinom liegt mit über 70.000 Neuerkrankungen und etwa 27.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland weit vorne auf der Rangliste der malignen Tumorerkrankungen. Mit der vollständigen Koloskopie kann eine effektive Vorsorgeuntersuchung, die von den Krankenkassen ab dem 56. Lebensjahr übernommen wird, angeboten werden. Leider ist die Akzeptanz in der Bevölkerung niedrig; pro Jahr nehmen nur 2–3% der über 55-Jährigen die Möglichkeit einer vorsorglichen Koloskopie zur Früherkennung eines kolorektalen Karzinoms wahr. Alternative, weniger invasive Verfahren könnten die Rate verbessern. Mit der in größerem Umfang untersuchten virtuellen CT-Kolonografie ist jedoch eine nicht unerhebliche Strahlenbelastung verbunden, die die Anwendung im Rahmen einer Vorsorge ebenso limitiert wie die im Vergleich zur Endoskopie geringere Sensitivität/Spezifität und die ebenso notwendige Darmreinigung. Die telemetrische Kapselendoskopie des Dickdarms ist ein neues Verfahren, das ohne ionisierende Strahlung auskommt. Die Videokapselendoskopie des Dünndarms ist mittlerweile ein gut etabliertes, minimalinvasives, intraluminal bildgebendes Verfahren, deren nahezu einzige wesentliche Komplikation, je nach untersuchtem Patientenkollektiv, die Kapselretention mit einer Rate von 0,7–2% ist. Die neu entwickelte Kolonkapsel ist wenig größer dimensioniert und mit 2 Kameras ausgestattet. In ersten klinischen Untersuchungen konnten der CT-Kolonografie vergleichbare Sensitivitäten und Spezifitäten dokumentiert werden. Die Prozedur wurde gut toleriert, Komplikationen wurden nicht gefunden. Der Reinigungsgrad und damit die Beurteilbarkeit der Schleimhaut ist abhängig von dem zum Teil sehr intensiven Vorbereitungsprotokoll. Allerdings wird insbesondere die Präparation des Darms bei der Koloskopie von den Patienten als unangenehm empfunden. Bei einer anzunehmenden Polypendetektionsrate von 40% müsste nach dem Screening mittels Kapselendoskopie eine erneute Darmreinigung für die Koloskopie zur Behandlung der detektierten Polypen folgen. Damit wird eine wesentliche Verbesserung der Akzeptanz nicht zu erreichen sein. Die Kombination von Kolonkapsel während der Nacht, Auswertung des aufgezeichneten Videos am nächsten Morgen mit Entscheidung bezüglich der Not 72 wendigkeit zur Koloskopie und ggf. Durchführung derselben (Nachtprozedur) wird daher in einer Pilotstudie untersucht. Nach den ersten vorläufigen Ergebnissen von 20 Patienten kann zumeist eine gute Darmreinigung erreicht werden. Weitere Daten, insbesondere der Vergleich der Polypendetektionsraten sind jedoch notwendig. 73 Anschriften der Referenten und Vorsitzenden Dr. T. Brechmann Medizinische Klinik BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Dr. M. Cornberg Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover Prof. Dr. G. Gerken Gastroenterologie/Hepatologie Universitätsklinikum Essen Hufelandstr. 55 45147 Essen Dr. S. Heringlake Medizinische Klinik Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23–25 44892 Bochum Prof. Dr. Dr. h.c. W. Hohenberger Chirurgie Universitätsklinikum Erlangen Krankenhausstr. 12 91054 Erlangen Prof. Dr. W. Kruis Innere Medizin Ev. Krankenhaus Kalk Buchforststr. 2 51103 Köln Prof. Dr. F. Lammert Klinik für Innere Medizin II Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrberger Straße 66424 Homburg/Saar Prof. Dr. P. Layer Innere Medizin Israelitisches Krankenhaus in Hamburg Orchideenstieg 14 22297 Hamburg Prof. Dr. M.M. Lerch Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A Universitätsklinikum Greifswald Friedrich-Loeffler-Str. 23A 17475 Greifswald Dr. C. Mölleken Medizinische Klinik BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Prof. Dr. J. Mössner Medizinische Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie Universitätsklinikum Leipzig AöR Philipp-Rosenthal-Str. 27 04103 Leipzig Prof. Dr. V. Nicolas Radiologie und Nuklearmedizin BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Prof. Dr. O.G. Opitz Tumorzentrum Ludwig Heilmeyer Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. 55 79106 Freiburg Dr. T. Pietzsch Internist Zeppelinstr. 18 44791 Bochum 75 Dr. C. Pox Medizinische Klinik Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23–25 44892 Bochum Dr. A. Riphaus Innere Medizin I Krankenhaus Siloah Klinikum Region Hannover Roesebeckstr. 15 30449 Hannover Prof. Dr. T. Rösch Interdisziplinäre Endoskopie Universitätsklinikum Eppendorf Martinistr. 52 20251 Hamburg Prof. Dr. T. Sauerbruch Medizinische Klinik und Poliklinik I Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53105 Bonn Prof. Dr. W. Schmiegel Medizinische Klinik Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23–25 44892 Bochum Prof. Dr. W.E. Schmidt Innere Medizin I St. Josef-Hospital Ruhr-Universität Bochum Gudrunstr. 56 44791 Bochum PD Dr. G. Schmidt-Heinevetter Internistin Kurt-Schumacher-Platz 4 44787 Bochum Prof. Dr. J. Schölmerich Klinik für Innere Medizin I Klinikum der Universität Regensburg 93042 Regensburg 76 Prof. Dr. S. Schreiber Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Institut für Klinische Molekularbiologie Christian-Albrechts-Universität Schittenhelmstr. 12 24105 Kiel Dr. K. Schulmann Medizinische Klinik Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23–25 44892 Bochum Prof. Dr. A. Tannapfel Institut für Pathologie Ruhr-Universität Bochum Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Dr. B. Viebahn Internist Oskar-Hoffmann-Str. 153 44789 Bochum Prof. Dr. M. Zeitz Medizinische Klinik I Charité – Universitätsmedizin Campus Benjamin Franklin (CBF) Hindenburgdamm 30 12200 Berlin Prof. Dr. S. Zeuzem Medizinische Klinik I Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt