Kapitel 5 Lorentz-Gruppe Wir haben eine Reihe von Koordinatentransformationen kennengelernt, die die Form der physikalischen Gesetze unverändert lassen: Dies sind Verschiebungen des zeitlichen und des räumlichen Ursprungs, Drehungen der räumlichen Koordinatenachsen und die Geschwindigkeitstransformation zwischen zwei gegeneinander gleichförmig bewegten Bezugssystemen. Alle diese Koordinatentransformationen sowie alle Transformationen, die sich aus der Hintereinanderausführung solcher Koordinatentransformationen ergeben, bilden eine mathematische Gruppe mit der Hintereinanderausführung von Transformationen als Verknüpfung. Abhängig davon, ob für die Geschwindigkeitstransformation die Galilei- oder die Lorentz-Transformation verwendet wird, bezeichnet man diese Gruppe als Galileioder als Lorentz-Gruppe. Die bisher betrachteten Lorentz-Transformationen (Relativbewegung längs der gemeinsamen x1 -x01 -Achse, Zusammenfall der Koordinatensysteme zur Zeit x0 = x00 = 0) bilden eine Untergruppe der Lorentz-Gruppe. Wir erhalten eine größere Untergruppe, wenn wir Relativbewegungen längs beliebiger Achsen durch den räumlichen Ursprung zulassen. Wir sprechen dann von einer allgemeinen Lorentz-Transformation. 5.1 Allgemeine Lorentz-Transformation Die allgemeine Lorentz-Transformation für Vierervektoren lässt sich mit Hilfe einer Matrix M und eines Vierervektors b in die Form x0 = Mx + b (5.1) bringen. Wenn die Ursprünge der Koordinatensysteme zur Zeit x0 = x00 = 0 zusammenfallen, wenn also b ein Nullvektor ist, sprechen wir von einer homogenen Lorentz-Transformation, ansonsten (b 6= 0) von einer inhomogenen. Bisher hatten wir nur solche Bezugssysteme untersucht, die sich längs einer gemeinsamen x1 -x01 -Achse gegeneinander bewegen. Wir können aus Gleichung (4.2) auf 37 einfache Weise eine Lorentz-Transformation Λ 0 für Relativbewegungen in beliebigen Richtungen erhalten, indem wir drei Matrizen miteinander multiplizieren, nämlich eine Drehmatrix D, die Matrix Λ aus Gleichung (4.2) und die Matrix D−1 für die Rückdrehung: Λ 0 = D−1Λ D (5.2) Da wir die allgemeine, inhomogene Lorentz-Transformation auf die Hintereinanderausführung von Translationen des Urprungs, räumlichen Drehungen und speziellen Lorentz-Transformationen zurückführen können, beschränken wir uns im Folgenden wieder auf die sogenannte Standardkonfiguration der Koordinatensysteme K und K’. Das bedeutet, dass sich das Bezugssystem K’ gegenüber dem System K mit der Geschwindigkeit v = βc längs der gemeinsamen x1 -x01 -Achse bewegt. Zur Zeit x0 = x00 = 0 fallen die räumlichen Achsen der beiden Koordinatensysteme zusammen. Die Rücktransformation Λ ergibt sich aus Λ durch den Wechsel des Vorzeichens von β: ν Λµ (β) = Λνµ (−β) (5.3) Die gleiche Wirkung wie bei einem Vorzeichenwechsel der Geschwindigkeit lässt sich erzielen, wenn infolge von Spiegelungen an den x2 -x3 - und x02 -x03 -Ebenen das Vorzeichen der x1 - und x01 -Koordinaten geändert wird. Alle Matrixelemente Λµ1 und Λ1µ mit µ 6= 1, die die x1 -Achse mit anderen Achsen verknüpfen, müssen daher ungerade Funktionen von β sein und alle übrigen Λνµ müssen gerade Funktionen sein. Es gilt also Λνµ (β) = −Λνµ (−β) wenn entweder µ = 1 oder ν = 1 (5.4) sonst. (5.5) und Λνµ (β) = Λνµ (−β) Insbesondere die Diagonalelemente Λµµ sind also gerade Funktionen von β. 5.2 Symmetrie der Lorentz-Transformation In Komponentenschreibweise lautet die homogene Lorentz-Transformation x0µ = Λµν xν . (5.6) Die Komponenten Λ00 = Λ11 = γ und Λ10 = Λ01 = −γβ haben wir schon in Abschnitt 4.1 beschrieben. Die noch unbestimmten Matrixelemente von Λ können wir durch eine Reihe von Symmetriebetrachtungen erhalten. 1) Für ein Ereignis A, das in K die Koordinaten (0, x1 , 0, 0) hat, gilt im System K’ x02 = Λ21 x1 . (5.7) 38 Drehen wir nun in K und in K’ jeweils das Koordinatensystem um 180◦ um die x1 - beziehungsweise x01 -Achse, dann ändern sich die Koordinaten x1 und x01 nicht, wohingegen die Koordinaten x2 und x02 ihr Vorzeichen wechseln. Gleichung (5.7) muss aber auch nach der Drehung des Koordinatensystems unverändert gelten, da die Lorentz-Transformation aufgrund der Isotropie des Raumes nicht von der Orientierung des Koordinatensystems abhängen soll. Wenn die linke Seite von Gleichung (5.7) nach der Drehung ihr Vorzeichen wechselt, die rechte Seite aber nicht, dann muss das Matrixelement Λ21 Null sein. Wegen der Isotropie des Raumes gilt dies genauso für Λ31 . 2) Für ein Ereignis B, das in K’ die Koordinaten (0, 0, x02 , 0) hat, gilt im System K 1 (5.8) x1 = Λ2 x02 . Mit der gleichen Argumentation wie im vorherigen Punkt schließen wir, 1 dass Λ2 und wegen der Gleichungen (5.3) und (5.4) auch Λ12 Null sein muss und wegen der Isotropie des Raumes auch Λ13 . 3) Für ein Ereignis C, das in K die Koordinaten (x0 , 0, 0, 0) hat, gilt im System K’ x02 = Λ20 x0 . (5.9) Bei einer gedachten Drehung der Koordinatensysteme um 180◦ um die x1 beziehungsweise x01 -Achse ändert sich wiederum nur das Vorzeichen von x02 nicht aber von x0 , weshalb in Analogie zu Punkt 1) Λ20 Null sein muss, und in Analogie zu Punkt 2) auch Λ02 . Wiederum wegen der Isotropie des Raumes folgt dann auch Λ30 = Λ03 = 0. 4) Für ein Ereignis D, das im System K die Koordinaten (0, 0, x2 , x3 ) hat, gilt im System K’ x02 = Λ22 x2 + Λ23 x3 x03 = Λ33 x3 + Λ32 x2 . (5.10) (5.11) Wenn wir in K und K’ eine 90◦ -Drehung um die x1 - beziehungsweise x01 Achse durchführen, müssen wir in K der neuen Koordinate x2 den Wert der alten Koordinate x3 und der neuen Koordinate x3 den negativen Wert der alten Koordinate x2 zuweisen. Im System K’ gilt das Entsprechende. Die Matrixelemente Λνµ ändern sich aufgrund der Isotropie des Raumes nicht. Führen wir die genannten Ersetzungen durch erhalten wir statt der Gleichungen (5.10) und (5.11) die neuen Gleichungen x02 = Λ33 x2 − Λ32 x3 x03 = Λ22 x3 − Λ23 x2 . 39 (5.12) (5.13) Vergleicht man die Gleichungen (5.12) und (5.13) mit den Gleichungen (5.10) und (5.11), dann erhält man unter anderem die Beziehung Λ32 = −Λ23 . Da die Isotropie des Raumes Λ32 = Λ23 bedingt, müssen Λ32 und Λ23 Null sein. 5) Die x02 -Koordinate von Ereignis B lautet x02 = Λ22 x2 . (5.14) Die Rücktransformation von K’ nach K liefert 2 x2 = Λ2 x02 , (5.15) 2 da wie oben gezeigt Λµ = Λ2µ = 0 für alle µ 6= 2 gilt. Setzt man Gleichung (5.15) in Gleichung (5.14) ein, erhält man 2 Λ22 Λ2 = 1 . (5.16) Wegen Gleichung (5.5) folgt dann Λ22 = 1 . (5.17) Die Lösung −1 für Gleichung (5.16) scheidet aus, da Λ stetig in β sein soll und für β = 0 in die Einheitsmatrix übergehen muss. Für die Lorentz-Transformation im Minkowski-Raum können wir jetzt zusammenfassend schreiben γ −γβ 0 0 −γβ γ 0 0 Λ= (5.18) 0 0 1 0 0 0 0 1 Offensichtlich wird die Lorentz-Transformation durch eine symmetrische Matrix beschrieben, weshalb die Indizes der Matrixelemente von Λ vertauscht werden dürfen: Λνµ = Λµν . 5.3 Lorentz-Tensoren zweiter Stufe In Abschnitt 4.2.1 hatten wir definiert, dass Lorentz-Tensoren zweiter Stufe solche Ausdrücke sind, die sich gemäß der Gleichung (4.25) transformieren. Wir zeigen jetzt, dass der metrische Tensor zu den Lorentz-Tensoren zweiter Stufe gehört, sich also wie (5.19) gµν = Λαµ Λλν gαλ transformiert. Dabei verwenden wir zunächst die Komponentendarstellung und zeigen danach, dass wir mit der Matrixdarstellung auf das gleiche Ergebnis kommen. 40 5.3.1 Komponentendarstellung Wir berechnen zunächst unter Verwendung von Gleichung (4.23) (Achtung: Gleichung korrigiert!) den Ausdruck gµν Λνα g αλ = = 2δµ0 δν0 − δµν Λνα 2δ0α δ0λ − δ αλ 2δµ0 Λ0α − Λµα 2δ0α δ0λ − δ αλ = Λµλ + 4Λ00 δµ0 δ0λ − 2Λ0λ δµ0 − 2Λµ0 δ0λ (5.20) Für die rechte Seite von Gleichung (5.20) machen wir eine Fallunterscheidung: • Für µ 6= 0 6= ν gilt δµ0 = δ0λ = 0 und die letzten drei Terme verschwinden. Deshalb erhalten wir für die rechte Seite Λµλ . • Für µ = ν = 0 gilt δµ0 = δ0λ = 1 und wir erhalten für die rechte Seite ebenfalls Λµλ , da die letzten drei Terme sich kompensieren. • Nur in den beiden Fällen µ = 0 6= ν und µ 6= 0 = ν erhalten wir −Λµλ . Dies sind genau die Matrixelemente Λ10 und Λ01 , die gerade Funktionen von β sind (dies gilt auch für Λ20 , Λ30 , Λ02 und Λ03 , die aber ohnehin verschwinden), so dass wir die rechte Seite auch als Λµλ (−β) darstellen können. Wir erhalten also in allen drei Fällen Λµλ (−β) oder, was nach Gleichung (5.3) äquivalent ist, Λµλ (β), die Umkehrtransformation also. Wir können das Ergebnis daher in der Gleichung gµν Λνα g αλ = Λµλ (5.21) zusammenfassen. Nun berechnen wir unter Verwendung von Gleichung (4.30) gµν Λνα Λµλ = gµν Λν δα Λµλ = gµν Λν gακ g κ Λµλ κ = Λµ gακ Λµλ (5.22) Λ und Λ ) erDie Hintereinanderausführung von Hin- und Rücktransformation (Λ κ µ κ gibt die Identität, es gilt also Λµ Λλ = δλ . Damit erhalten wir gµν Λνα Λµλ = gακ δλκ = gαλ wodurch Gleichung (5.19) bestätigt wird. Darüber hinaus haben wir gezeigt, dass der metrische Tensor des Minkowski-Raums invariant unter LorentzTransformationen ist, was nicht für beliebige Lorentz-Tensoren zweiter Stufe gilt. 41 5.3.2 Matrixdarstellung Wir können das gilt 1 0 0 −1 Λ= gΛ 0 0 0 0 gleiche Ergebnis auch mit der Matrixdarstellung herleiten. Es 0 0 γ −γβ 0 0 0 0 −γβ γ 0 0 −1 0 0 0 1 0 0 −1 0 0 0 1 Erneute Multiplikation γ −γβ −γβ γ Λ= Λ gΛ 0 0 0 0 γ −γβ 0 0 γβ −γ 0 0 = . 0 0 −1 0 0 0 0 −1 (5.23) mit der Matrix Λ ergibt 0 0 γ −γβ 0 0 0 0 γβ −γ 0 0 0 −1 0 1 0 0 0 1 0 0 0 −1 1 0 0 0 0 −1 0 0 = 0 0 −1 0 . 0 0 0 −1 (5.24) Es gilt also Λ=Λ Λ gΛ (5.25) wodurch Gleichung (5.19) wiederum bestätigt wird. 5.3.3 Skalarprodukt von Vierervektoren Dieses Ergebnis können wir verwenden, um zu zeigen, dass das Skalarprodukt aµ bµ zweier beliebiger Vierervektoren invariant unter Lorentz-Transformationen ist, denn es gilt a0µ a0µ = gµν a0ν a0µ = gµν Λνα Λµλ aα aλ = gαλ aα aλ = aλ aλ . (5.26) Insbesondere gilt dies für den raumzeitlichen Abstand s02 = x0µ x0µ = xµ xµ = s2 , (5.27) der ebenfalls ein Lorentz-Skalar ist. 5.4 Vierergeschwindigkeit Der Betrag v der dreidimensionalen Geschwindigkeit v = (vx , vy , vz ) hängt offenbar von der Wahl des Bezugssystems ab und ist deshalb nicht invariant unter 42 Lorentz-Transformationen. Für viele Betrachtungen ist es deshalb nützlich, die sogenannte Vierergeschwindigkeit uµ = dxµ dτ (5.28) zu definieren. Die Vierergeschwindigkeit ist also die Ableitung des Vierervektors xµ nach der Eigenzeit τ und transformiert sich deshalb auf die gleiche Weise wie der Vierervektor, das heißt es gilt u0µ = dx0µ d dxν = (Λµν xν ) = Λµν = Λµν uν . dτ dτ dτ (5.29) Als Skalarprodukt zweier Vierervektoren ist die Größe wie in Abschnitt ?? gezeigt ein Lorentz-Skalar, hat also in jedem Bezugssystem den gleichen Wert. Im Ruhesystem eines Teilchens sind die räumlichen Komponenten u1 , u2 und u3 Null und die zeitliche Komponente der Vierergeschwindigkeit ist gleich der Lichtgeschwindigkeit (u0 = c), da die zeitliche Komponente des raumzeitlichen Vierervektors im Ruhesystem des Teilchens gleich dem Produkt aus der Lichtgeschwindigkeit und der Eigenzeit ist (x0 = cτ ). Daher gilt in einem beliebigen Koordinatensystem uµ uµ = c2 . 5.5 Gleichzeitigkeit Die Ereignisse A und B mit den Koordinaten (0, 0, 0, 0) beziehungsweise (x0 , x1 , x2 , x3 ) sind im Koordinatensystem K gleichzeitig, wenn x0 = 0 gilt. Im Koordinatensystem K’, das sich gegenüber K mit der Geschwindigkeit v = βc längs der x1 -Achse bewegt, haben die beiden Ereignisse die Koordinaten (0, 0, 0, 0) beziehungsweise (γx0 − γβx1 , γx1 − γβx0 , x2 , x3 ) und sind damit offensichtlich für x0 = 0 nicht gleichzeitig (außer in den besonderen Fällen x1 = 0 oder, näherungsweise, für β 1). Die Bezeichnung gleichzeitig ist deshalb für Ereignisse an verschiedenen Orten nur innerhalb eines Koordinatensystems sinnvoll, hat aber keine absolute, für alle Inertialsysteme gültige Bedeutung. Das heißt aber nicht, dass wir überhaupt keine absoluten Aussagen über die zeitliche Reihenfolge von Ereignissen machen können. Wenn das Quadrat des raumzeitlichen Abstands s2AB der Ereignisse A und B positiv ist, bedeutet dies (x0 )2 > (x1 )2 + (x2 )2 + (x3 )2 . (5.30) In diesem Fall finden wir kein Koordinatensystem, in dem beide Ereignisse gleichzeitig sind, denn in K’ haben die Ereignisse die Koordinaten (0, 0, 0, 0) beziehungsweise (γx0 − γβx1 , γx1 − γβx0 , x2 , x3 ). Da (x0 )2 > (x1 )2 finden wir keine Geschwindigkeit β = v/c ≤ 1 für die γx0 = γβx1 43 (5.31) und damit β2 = (x0 )2 (x1 )2 (5.32) gilt. Mit anderen Worten, γx0 − γβx1 ist in keinem Inertialsystem Null sondern immer positiv (wenn auch x0 positiv ist) oder negativ (wenn auch x0 negativ ist. Für x0 > 0 ereignet sich B deshalb in jedem bewegten System zu einer späteren Zeit als A, beide Ereignisse haben also in jedem Koordinatensystem die gleiche Reihenfolge und A kann die Ursache von B sein, das Umgekehrte erfordert x0 < 0. Im ersten Fall (x0 > 0) gehört B zur absoluten Zukunft von A, im zweiten Fall (x0 < 0) zur absoluten Vergangenheit von A. Wir nennen den Abstand beider Ereignisse daher zeitartig. Gilt umgekehrt (x0 )2 < (x1 )2 + (x2 )2 + (x3 )2 (5.33) sprechen wir von einem raumartigen Abstand. Durch geschickte Drehung der räumlichen Achsen können wir immer x2 = x3 = 0 erreichen, so dass (x0 )2 < (x1 )2 (5.34) gilt. Dann gibt es ein gegen K mit einer Geschwindigkeit v = βc < c entlang der gemeinsamen x1 -x01 -Achse bewegtes Koordinatensystem in dem beide Ereignisse gleichzeitig sind. Wählen wir die Geschwindigkeit noch etwas größer, vertauscht sich sogar die Reihenfolge der beiden Ereignisse. Deshalb kann keines der beiden Ereignisse die Ursache des anderen sein. Wir sagen auch, B befindet sich im absoluten Anderswo von A. 5.6 Addition von Geschwindigkeiten Wir betrachten zwei Koordinatensysteme K und K’, die sich wie im vorigen Abschnitt beschrieben gegeneinander bewegen. Zusätzlich betrachten wir ein drittes Koordinatensystem K”, das sich gegen K’ mit der Geschwindigkeit v 0 = β 0 c entlang der gemeinsamen x01 -x001 -Achse bewegt. Wir fragen uns jetzt, mit welcher Geschwindigkeit u = β 00 c bewegt sich das Koordinatensystem K” aus der Sicht eines Beobachters in K? Wenn die Geschwindigkeiten v und v 0 beide sehr viel kleiner als die Lichtgeschwindigkeit wären, könnten wir die Galilei-Transformation anwenden und u als Summe von v und v 0 schreiben. Für größere Geschwindigkeiten ist dies aber offenbar nicht der Fall, andernfalls würden wir Geschwindigkeiten erreichen, die größer als die Lichtgeschwindigkeit sind. Wir versuchen u zu bestimmen, indem wir die Lorentz-Transformation zweimal anwenden, um eine Koordinatentransformation µ x00µ = Λ00 ν xν 44 (5.35) von K nach K” zu erhalten. Aus µ und x00µ = Λ0 σ x0σ x0σ = Λσν xν (5.36) folgt dann µ µ Λ00 ν = Λ0 σ Λσν . (5.37) Ein Blick auf Gleichung (5.18) verrät uns, dass wir β 00 aus dem Quotienten der Tensorelemente Λ00 01 und Λ00 00 erhalten: β 00 = − Λ00 01 −γ 0 γ(β 0 + β) Λ0 0σ Λσ1 = − = − . γ 0 γ(1 + β 0 β) Λ00 00 Λ0 0σ Λσ0 (5.38) Die letzte Umformung ergibt sich dabei aus Gleichung (4.2). Die Geschwindigkeit von K” im System K ist dann β0 + β 1 + β 0β (5.39) v0 + v . 1 + v 0 v/c2 (5.40) β 00 = oder u= Selbst wenn v und v 0 die Lichtgeschwindigkeit c erreichen, wird u nicht größer als c. 5.7 Zusammenfassung Durch Symmetriebetrachtungen können wir die noch fehlenden Elemente der Lorentz-Transformationsmatrix bestimmen und erhalten die symmetrische Matrix γ −γβ 0 0 −γβ γ 0 0 . Λ= (5.41) 0 0 1 0 0 0 0 1 Der metrische Tensor g transformiert sich gemäß der Gleichung gµν = Λαµ Λλν gαλ (5.42) und ist deshalb ein Lorentz-Tensor zweiter Stufe. Drei nützliche Rechenregeln für die Lorentz-Transformation Λ , die Rücktransformation Λ und den metrischen Tensor g lauten: ν Λνµ (−β) = Λµ (β) , ν Λαµ Λα = δµν 45 und gµα g αν = δµν . (5.43) Mit Hilfe dieser Regeln lässt sich auch zeigen, dass das Skalarprodukt aµ bµ zweier beliebiger Vierervektoren ein Lorentz-Skalar, also invariant unter LorentzTransformationen ist. Beispiele hierfür sind das Quadrat der Vierergeschwindigkeit, uµ uµ , und das raumzeitliche Abstandsquadrat s2 = xµ xµ , die in jedem Inertialsystem den gleichen Wert besitzen. Ein positives s2AB für zwei Ereignisse A und B zeigt an, dass sich das eine Ereignis in der absoluten Zukunft des anderen befindet (und das andere damit in der absoluten Zukunft des einen), dass also eine Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen beiden Ereignissen bestehen kann. Ist dagegen s2AB negativ, befinden sich die Ereignisse gegenseitig im absoluten Anderswo des jeweils anderen Ereignisses, und keines der Ereignisse kann die Ursache des anderen sein. Für s2AB < 0 findet sich immer ein Inertialsystem, in dem A und B gleichzeitig sind. Wenn B sich gegen A mit der gleichförmigen Geschwindigkeit v bewegt, und C gegen B entlang der gleichen Achse mit v 0 , dann bewegt sich C aus der Sicht von A mit der Geschwindigkeit u= v0 + v , 1 + v 0 v/c2 (5.44) die die Lichtgeschwindigkeit c niemals übersteigen kann. Anders als bei der Galilei-Transformation können Relativgeschwindigkeiten nicht einfach addiert werden. 46