Rom IX 2010/11

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Erfahrungsbericht – Erasmus in Rom
Universität
Die juristische Fakultät der Università degli Studi Roma Tre ist in der Hochschul-
landschaft der italienischen Hauptstadt eine positive Ausnahme. Regiert an der Sapienza
und an einigen anderen Fakultäten der Roma Tre das Chaos, ist die „Facoltá di Giursiprudenza“ erstaunlich gut organisiert. Im Rahmen des Programms „Studying Law at
Roma Tre“ werden in Zusammenarbeit mit der amerikanischen Nova Southeastern University Vorlesungen in englischer Sprache angeboten. Die Kurse, die sich am Vorbild
amerikanischer Law Schools orientieren, haben regelmäßig eine Kursstärke von maximal 20 Studenten.
Ungewohnt für deutsche Studenten ist die interaktive Kursgestaltung. Die Parti-
zipation am Unterrichtsgeschehen ist nicht nur ausdrücklich erwünscht, sondern fließt
auch in vielen Kursen in die Endnote ein.
Regelmäßig halten namhafte Gastdozenten einzelne Vorlesungen (bspw. der Dekan der
Havard School of Law).
Das italienische Notensystem hat 31 Notenstufen (0 bis 30 e lode). Zum Bestehen
einer Prüfung genügen dabei 18 Punkte. Studenten die sich Prüfungen in Deutschland
anrechnen lassen wollen, sollten beachten, dass die Notensprünge bei den 12 Beste-
henspunkten groß ausfallen. So wird die Note 30 e lode in Deutschland mit 18 Punkten
umgerechnet, die Note 30 (ohne lode) wird nur noch 15 Punkten umgerechnet. Das hat
zur Folge, dass scheinbar gute Ergebnisse (bspw. 26 Punkte) nach der Umrechnung in
Deutschland für Ernüchterung sorgen.
Wohnsituation
Die Wohnsituation in Rom ist katastrophal. Ein Einzelzimmer unter 450 Euro zu finden
ist quasi ausgeschlossen. Auch Doppelzimmer schlagen mit deutlich über 200 Euro zu
Buche. Es empfiehlt sich dringend auf das Wohnungsvermittlungsangebot der Universi-
tät zurück zu greifen. Insbesondere für männliche Studenten mit (zu Beginn) schlechten
Italienischkenntnissen ist das Programm eine wirkliche Erleichterung, da Wohnungen
und Zimmer in Rom werden zu geschätzten 70 % ausschließlich an Frauen vermietet.
Stadt
Die Schönheit Roms bleibt keinem Besucher verborgen. Der historische Stadtkern
ist dabei nicht nur schön, sondern auch für „Nichthistoriker“ interessant. Rom ist gelebte
Geschichte. Das sog. „Centro Storico“ ist sehr gut zu Fuß zu erkunden. Als Ausgangs-
punkt eines Stadtrundgangs bietet sich die „Piazza Venezia“ an. Von dort aus sind es nur
wenige Schritte zum Capitol, dem kleinsten römischen Hügel, dem politischen Zentrum
des antiken Rom.
Hinter dem Capitol hat man einen einzigartigen Blick über das Foro Romano auf
das Colosseo. Von hier aus kann man gut in Richtung Circo Massimo weitergehen, um
von dort den Aventino zu besteigen. Der Aventino (ein weiterer römischer Hügel) war-
tet mit einem wunderschönen Orangengarten auf, von dem man einen einzigartigen
Blick auf den Petersdom hat.
Ein Geheimtipp ist der „Piazza Cavalieri di Malta“. Dieser zunächst unscheinbare
Platz vor der Pforte eines Malteserklosters birgt ein schönes Geheimnis, welches sich am
besten zur fortgeschrittener Stunde erkunden lässt.
Vom Aventino bietet sich der Abstieg in Richtung „Trastevere“ an. Trastevere ist
das klassische Ausgehviertel von Rom, sehr schön, aber leider touristisch überlaufen.
Ein Besuch in der Bar von San Calisto verschafft Abhilfe. Hier kann man sehr günstig das
ein oder andere Glas Wein bzw. Bier trinken und frisch gestärkt in Richtung Gianicolo
aufbrechen. Dieser „Außenseiter“ unter den römischen Hügeln, der nicht zu den klassischen Sieben gehört, beeindruckt mit dem vielleicht schönsten Blick über Rom. Gerade
am Tag ist es beeindruckend die Stadt in ihrer ganzen Farbenpracht vom Gianicolo aus
zu betrachten.
Wer am Ende des Tages noch das Bedürfnis hat, den Abend mit einem (oder
eventuell auch zwei Gläsern) zu beschließen, dem sei das (nicht so touristische) Studentenviertel San Lorenzo empfohlen. Hier finden sich Bars, Pubs und Kneipen die auch für
den Budgetminimalisten ihr Angebot bereithalten. Wer die Augen aufhält kann hier in
der ein oder anderen kleineren Lokalität auch junge Künstler antreffen, die vor wenigen
Gästen ihre Musik vortragen. Kommunikative Typen können schnell ins Gespräch kommen und sich auf spannende (politische)Auseinandersetzungen einlassen. Dabei empfiehlt es sich, nicht von oben herab oder mit Vorurteilen (bspw. zum Thema Berlusconi)in Diskussionen zu starten. Es werden sich ganz neue Perspektiven ergeben.
Politische Lage
Die Italiener sind äußerst politische Menschen. Auffallend ist, dass bei politischen Diskussionen jeder eine (wie auch immer geartete) Meinung hat und diese zumeist auch
(lautstark) vertritt. Während meiner Zeit in Rom bin ich niemandem begegnet, der sich
selbst als „unpolitisch“ bezeichnet hätte. Das Meinungsspektrum bei politischen Diskus-
sionen ist dabei deutlich weiter als in Deutschland. So ist es nicht ausgeschlossen, dass
man mit einem Anhänger einer neofaschistischen Partei und einem Kommunisten an
einem Tisch sitzt und diskutiert. In der politischen Landschaft Italiens spiegelt sich diese
Beobachtung anhand der zahlreichen Parteien wieder. Durch dieses weite Spektrum
zieht sich allerdings ein als besonders stark empfundener Riss zwischen der politisch
Rechten und Linken, wobei sich die Linke durch einen noch deutlich höheren Grad der
Zersplitterung in verschiedene Parteien auszeichnet.
Auch die öffentliche Diskussion ist weitaus kontroverser und weitaus weniger durch die
mediale Hegemonie von Berlusconi geprägt, als in Deutschland bisweilen angenommen.
Insbesondere über die persönlichen Verfehlungen Berlusconis sind die Italiener sehr gut
im Bilde. Diese werden je nach Lager unterschiedlich bewertet. Im linken Teil des politi-
schen Spektrums ist man beschämt und ist peinlich berührt von der Tatsache, dass man
von Berlusconi auf internationaler Ebene als Italiener repräsentiert wird. Weiter wirft
man Berlusconi zum einen die Gesetzgebung ad personam und zum anderen den Staat
wie ein Unternehmen zu führen vor. Politisch eher Rechte bzw. Konservative empfinden
die Verfehlungen ebenfalls als unangenehm, sie werden keinesfalls abgestritten oder
verleugnet. Hier ist jedoch eine gewisse Differenzierung gängig: Es wird zwischen den
persönlichen Verfehlungen und den (tatsächlich vorhandenen) politischen Erfolgen Berlusconis unterschieden. Die Befürworter führen unter anderem die (relativ) erfolgreiche
Finanzpolitik der Regierung Berlusconi an (Italien hat zwar einen immensen Schuldenberg, die Neuverschuldung unter Berlusconi wurde aber in den letzten Jahren deutlich
verringert) und die Tatsache, dass Berlusconi der erste italienische Ministerpräsident ist
der Handlungsstärke beweise. Weiter wird auf das Fehlen einer Alternative verwiesen.
Dieser letzte Punkt ist aus meiner Sicht das Hauptproblem der Linken in Italien. Ein
starker Gegenpart zu Berlusconi, ein echter Oppositionsführer ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt die negative Bilanz der Regierung Prodi. Insofern wird Berlusconi von vielen
Italienern keinesfalls als gute Lösung, sondern eher als geringstes Übel empfunden. Eine
Wende könnte sich aber durch die Affäre um die minderjährige Prostituierte „Rubby“
ergeben haben. Hier scheint die Geduld Vieler, gerade im religiös geprägten konservati-
ven Spektrum, ein Ende gefunden haben. Insbesondere auch die zunehmenden und
deutlicher werdenden Interventionen seitens des Vatikans hat in Italien Spuren hinterlassen, wie die Kommunalwahlen im Frühsommer gezeigt haben.
Die zunehmende Stimmung gegen Berlusconi dürfte jedoch weniger stark von Bedeutung sein, da dieser bereits angekündigt hat, bei den nächsten Wahlen nicht wieder anzutreten. Derzeit wird über eine (nicht aussichtslose) Kandidatur seiner Tochter spekuliert.
Generelle Eindrücke und Tipps
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Das beste Tiramisu der Stadt gibt es bei Pompi, in der Nähe der Piazza Re di Ro-
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ma (Metro A).
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von 18 Euro an vielen Kiosken.
Die Monatskarte für die römischen Verkehrsbetriebe gibt zum Studentenpreis
Der Gang in die Mensa lohnt sich. Mit entsprechendem Ausweis (näherdazu es im
international Office der Roma Tre) gibt es ein vollwertiges Mittagessen für zwei
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Euro.
Wer einen Tag am Strand verbringen will sollte sich mit dem Regionalzug nach
Sperlonga (Richtung Napoli) auf den Weg machen. Dieser von Rom ca. 1 Stunde
entfernte Badeort hat deutlich schönere Strände als Ostia in der unmittelbarer
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Nachbarschaft von Rom. Die Hin- und Rückfahrt kostet insgesamt ca. 10 Euro.
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hallen.
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Architektur.
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fahrt) organisieren.
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len, ist aber völlig sinnlos. Eine Anmeldung dauert im Schnitt 1,5 Jahre.
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telbarer Nähe des „Piazza Navona“.
Spezialitäten aus Lazio gibt es gut und günstig in den vielen kommunalen MarktEine Besichtigung des Stadtviertels EUR gibt Einblicke in die typisch faschistische
Ein Tagesauflug nach Napoli lässt sich relativ günstig (20 Euro für Hin- und RückDie Meldung beim Einwohnermeldeamt wird von der Universität zwar empfohEine sehr gute Pizza zu fairen Preisen gibt es im Restaurant „Baffetto II“ in unmitEin Espresso im Café „Greco Antico“ in der Nähe der spanischen Treppe ist ein
Erlebnis. Diesen sollte man aber tunlichst im Stehen (also „al bar“) genießen, um
nur 1,50 Euro statt 6 Euro zu bezahlen.
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Wer mal wieder ein deutsches Buch lesen möchte, kann dieses zum deutschen
Buchpreis bei der Buchhandlung Herder (Piazza Colonna) kaufen und gegebenenfalls kostenlos bestellen.
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