Die letzte Eintragung ins Gaußsche Tagebuch (9. Juli 1814) Eine Bemerkung von einigen Zeilen mit einer fast 200-jährigen Nachfolgegeschichte: Eintrag 146, S. 81 Beschreibung des Problems: Es handelt sich bei diesem Problem um die Anzahl der Lösungen der Gleichung x≡x 2 y 2 x 2 y 2 nach Primzahlkongruenzen im Bereich (Ring) der Gaußschen Zahlen Z[i], der aus allen Zahlen a+bi besteht, wobei a und b ganze Zahlen sind, d.h. 0, 1, -1, 2, -2, 3, -3 usw.. 1859 In dem als Bernhard Riemann Riemanns Werke handeln von der Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Größe. dieser Arbeit studiert Riemann ( der Nachfolger Dirichlets) auf Gaußschen Lehrstuhl in der Mathematik) die heute nach ihm benannte Zetafunktion. ζ s =1−s 2−s 3−s ...... Funktion einer komplexen Variablen s. Zum Beispiel s=2 1 1 1 1 ζ 2 =1 2 2 2 2 . . . . . . . 2 3 4 5 Er definiert sie zunächst für alle komplexen Zahlen s ( die obige Reihe ist nur für reelle Zahlen größer als 1 sinnvoll) Er beweist die Funktionalgleichung. Er stellt die heute sogenannte Riemannsche Vermutung auf, die wohl berühmteste unbewiesene Vermutung der Zahlentheorie: Alle sog. nichtoffensichtlichen 1 Nullstellen der Zetafunktion liegen auf der Gerade σ = it der komplexen 2 Zahlenebene. Heutzutage hat man dies für Millionen Nullstellen dieser Funktion mit Hilfe des Computers nachgewiesen, der allgemeine Beweis steht aber noch aus!! Henri Henri 19.ten und in Poincaré (1854-1912) Poincaré ist der wohl berühmteste Mathematiker des ausgehenden Jahrhunderts, Vetter des mehrfachen französischen Staatspräsidenten R. Poincaré. Er war vor allem in der Analysis der theoretischen Physik tätig. Er schreibt in seinem damals weit verbreiteten wissenschaftsphilosophischen Werk „ Wissenschaft und Methode“ über die Zahlentheorie (=Arithmetik) und über voraussichtliche Weiterentwicklungen: Hierhin kommt der Abschnitt die Arithmetik (deutsche Ausgabe Seite 29/30, 1. Buch , 2. Kapitel) „Das erste Beispiel, das mir in den Sinn kommt, ist die Theorie der Kongruenzen, bei denen man... ... vielen Fragen in der unbestimmten Analysis sein.“ Dies ist wie die folgende Entwicklung zeigt, durchaus prophetisch und in jedem Falle eine Weiterschreibung der Fragestellung von Gauß. Emil Artin E. der (1898-1962) Artin war neben H. Hasse und E. Noether einer der Begründer sogenannten „modernen Algebra“ in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Das Ziel dieser Neubegründung, das später von der französischen Bourbaki - Gruppe fortgesetzt wurde, war eine Begründung der Algebra (bzw. der gesamten Mathematik) aus wenigen grundlegenden Prinzipien. In seiner Dissertation 1921, die erst 1924 veröffentlicht wurde, überträgt Artin die Definition der Riemannschen Zetafunktion auf sogenannte Kongruenzfunktionenkörper, wie sie etwa bei der letzten Gaußschen Eintragung ins Tagebuch eine Rolle spielen. Er formuliert das Analogon der Riemannschen Vermutung für diese neuen Zetafunktionenen. Erich E. Hecke (1887-1947) Hecke war Schüler von David Hilbert in Göttingen. Er war ein bedeutender Zahlen- und Funktionentheoretiker des vorigen Jahrhunderts, der die Riemannsche Zetafunktion in verschiedener Hinsicht verallgemeinerte. Insbesondere bewies er eine Funktionalgleichung für sog. L-Reihen mit Größencharakteren, die die Funktionalgleichung der Riemannschen Zetafunktion verallgemeinert. Er 4. Helmut Hasse (1898-1979) beweist 1934 in Göttingen das von E. Artin ausgesprochene Analogon der Riemannschen Vermutung. Des Weiteren behandelt er den Fall der von Gauß betrachteten Gleichung Grades zwischen x und y im Gebiet der Kongruenzen. Hasse formuliert weitere Varianten von Zetafunktionen. Das Studium dieser Zetafunktionen und ihrer Funktionalgleichungen führt A. Wiles 1995 zum Beweis der Fermatschen Vermutung Andre Weil (1906-1998) A. Weil beweist das Analogon der Riemannschen Vermutung im Sinne E. Artins für alle eindimensionalen Kongruenzfunktionenkörper. Dabei muss er die Fundamente der sog. Algebraischen Geometrie, d.h. derjenigen geometrischen Gebilde, die durch algebraische Objekte (Polynome) gegeben werden, auf die Situation endlicher Körper (=Rechenbereiche) übertragen. Die Durchführung des von H. Poincaré oben angeregten Programms war ein weiterer Teil seiner Arbeit. Im Weiteren formulierte A. Weil eine Verallgemeinerung, der von E. Artin ausgesprochenen Vermutung auf Kongruenzfunktionenkörper höheren Grades. P. Pierre Deligne (*1944) Deligne beweist 1973 die Riemannsche Vermutung in der von E. Artin bzw. A.Weil formulierten Version. Dies kann als eine Erfüllung des Poincaréschen Programms angesehen werden. Max Deuring (1907-1984) Max Deuring gehörte zum Kreis um Emmy Noether in Göttingen um 1930. Er beschäftigte sich insbesondere mit elliptischen Funktionenkörpern. In den 50er Jahren studierte er Situationen, die ganz genau den Gaußschen Aufzeichnungen im Tagebuch entsprechen. Er betrachtet die von Hasse eingeführten Zetafunktionen im Falle elliptischer Funktionenkörper mit komplexer Multiplikation und beweist, dass sie nichts anderes sind als L-Reihen mit Größencharakteren im Sinne von Erich Hecke. Damit ist er in der Lage, die Funktionalgleichung dieser Zetafunktionen zu gewinnen. Der wesentliche Schritt beim Beweis sind entsprechende Aussagen wie die von Gauß in der letzten Eintragung im Tagebuch.