Weisheit in der Therapie – Zur Aktualtität von Weisheit in Psychiatrie

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INFOLETTER Nr. 14/Okt 10
Informationen zu Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Einleitung
S1
Weisheit und Psychotherapie
Symposium 2010
Schwerpunkt
S2
Beiträge der Podiumsgäste
Intermezzo
S4
Die Weisheit der Märchen
Weisheit in der Therapie – Zur Aktualtität
von Weisheit in Psychiatrie und Psychotherapie
Was denn Weisheit – so wurde ich
gefragt – mit Psychotherapie zu tun
habe? Die Frage ist berechtigt. Psychotherapie hat sich zunehmend zu
einer manualisierten Technik entwickelt. Da fällt es prima vista nicht
leicht etwas Weises darin zu sehen.
Der erste Blick täuscht: die Manuale allein bringen nicht die Essenz
der Psychotherapie zur Sprache. Sie
liegt in der vertrauensvollen Beziehung und emotionalen Präsenz von
Therapeut und Patient. Wie die Anleitungen aus den Lehrbüchern in das
Leben des individuellen Patienten
übersetzt werden, ist dann tatsächlich ein therapeutischer Schritt, der
mit Weisheit zu tun hat. Um die allgemeine Theorie im konkreten Leben zu entdecken, braucht es „den
richtigen Blick“ und „das treffende
Urteil“ (Schoppenhauer). Arbeitet
der Patient mit den Werkzeugen der
Manualen an sich selbst, wird Weisheit zu dem, was die antiken Philosophieschulen und in neuerer Zeit
der Philosoph Foucault darunter verstanden: Weisheit ist letztlich eine
Lebensform, die durch tägliches
Üben erworben wird.
Das diesjährige Symposium widmete sich unter dem obigen Titel dem
Thema von Weisheit und Psychotherapie. Am Vormittag hörten wir,
wie Weisheit das Alltagsbewusstsein, das stark in eigenen Gedanken
verhaftet ist, übersteigt: Annette
Pestalozzi und Stefan Büchi zeigten
die im Körper verborgene Weisheit
auf und Daniel Hell erläuterte, wie
die spirituellen Erfahrungen der Wüstenväter (christliche Emeriten im
3. - 6. Jhdt.) hilfreich sind, um die
heutigen psychischen Störungen zu
behandeln. Am Nachmittag sahen
wir, dass die Weisheit in die heutige
Forschung und Psychotherapie Eingang gefunden hat: Judith Glück gewährte Einblick in die Möglichkeiten
und Grenzen der empirischen Weisheitsforschung und Barbara Lieberei-Schippan demonstrierte Weisheit
als konzeptualisierte Psychotherapie
zur Behandlung von Verbitterungsstörungen. Zwischen den Referaten
illustrierte die Märchenerzählerin Iris
Meyer, wie gerade Märchen gewisse
Weisheitsaspekte auf den Punkt zu
bringen vermögen.
Mit über 250 Teilnehmerinnen und
Teilnehmern war unser Symposium
ausgebucht. Dank den gehaltvollen
und differenzierten Referaten wurde
der Tag zu einem grossen Erfolg. Für
mich war die Zufriedenheit des Publikums gut fassbar, auch ohne die –
wie es wohl der Weisheit genehm ist
– zeitgemässe Kreuzchen-Umfrage
mittels Fragebögen.
Ich danke allen – Publikum, Referenten, Organisatoren und Sponsoren – für das Gelingen und freue
mich bereits auf das nächstjährige
Symposium.
Schlussdiskussion mit allen Referenten
Toni Brühlmann
Ärztlicher Direktor
1
Was bewährt sich im Umgang mit psychischer
Komplexität? Weisheiten der Wüstenväter und
anderer Grenzgänger
Die Weisheit des Körpers und die Symbolik der
Symptome
Dr. phil. Annette Pestalozzi, Zürich / Prof. Dr. med. Stefan Büchi, Leiter Kompetenzzentrum Psychosomatik
Prof. Dr. med. Daniel Hell, Leiter Kompetenzzentrum Depression und Angst
Nach der Liebe, dem Glück und der
Kreativität wird nun noch die Weisheit zum Thema der Psychologie
gemacht. Das löst widersprüchliche Reaktionen aus: Zum einen
verspricht Weisheit im Umgang
mit Patienten bessere Behandlung.
Zum andern droht Weisheit damit
zu einem Objekt oder zu einer Sache gemacht zu werden, die es zu
definieren, zu rationalisieren und
zu messen gilt. Weisheit ist aber
weder Sache noch Instrument. Sie
bewährt sich, vor allem im Umgang
mit komplexen Problemen.
Wie kann aber therapeutische Bewährung gefördert werden? Dazu
einige Stichworte:
•Wenn fachliches Wissen als Basis
dient, die Wirksamkeit therapeu tischer Interventionen generell
einzuschätzen (Stichwort: Fach kompetenz).
•Wenn durch Intervision und Super vision verschiedene Perspektiven
berücksichtigt werden (Stichwort:
Dialogik).
•Wenn das Beschwerdenbild eines
Menschen in die Lebenssituation und
Lebensgeschichte integriert wird
und die Symptomatologie nicht
allein zum Ausgangspunkt der Beur teilung und Behandlung wird – wozu
das ICD-10 und DSM-IV verführen
können (Stichwort: Kontextualität).
•Wenn das leib-seelische Erleben
eines Menschen achtsam und nicht
wertend ins Zentrum gerückt wird
und demgegenüber das Selbst bild eines Menschen als weitge hend kulturell und biographisch
fremdbestimmt wahrgenommen
und allenfalls relativiert wird
(Stichwort: Personalität).
•Wenn Therapeuten sich nicht als
Träger von Wahrheiten oder von
wahren Theorien betrachten, aber
auf eine Art „verinnerlichten weisen
Mentor“ (d.h. den Erfahrungsschatz
der Tradition und bedeutender
Anderer) zugreifen können (Stich wort: Komplexitätsreduktion).
•Wenn Offenheit der Therapeuten
für ihr eigenes Erleben grössere
Offenheit gegenüber dem Erleben
des Hilfesuchenden erlaubt und Nar zissmus immer wieder neu überwun den wird (Stichwort: Achtsamkeit).
Daniel Hell (l.)
Psychologische Weisheitsforschung: Ansätze,
Erkenntnisse und Grenzen
Prof. Dr. rer. nat. Judith Glück, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Weisheit ist eines der komplexesten
Konstrukte, mit denen sich die
Psychologie befasst, und noch haben wir uns nicht einmal auf eine
einheitliche
Definition
geeinigt.
Dennoch ist die psychologische
Weisheitsforschung ein stark wachsendes Feld.
Judith Glück
2
Aktuell befasst sich die Psychologie
vor allem mit drei Fragen:
•Was ist Weisheit?
•Kann man Weisheit messen – und
wenn ja, wie?
•Wie wird man weise – und warum
werden so wenige Menschen wirk lich weise?
Die Antworten auf die Frage, was
Weisheit ist, lassen sich in zwei
grosse Gruppen teilen: kognitionsorientierte Definitionen, die Weisheit vor allem als eine spezielle Form
von breitem und tiefem Wissen ansehen, und integrative Definitionen,
die neben dem Wissen auch Aspekte wie Empathie oder Altruismus
als notwendig für Weisheit ansehen.
Dementsprechend unterschiedlich
sind auch die Ansätze zur Messung
von Weisheit: kognitionsorientierte
Ansätze messen Weisheit anhand
von „Aufgaben“, die sich auf komplexe menschliche Probleme beziehen. Integrative Ansätze verwenden
meistens Fragebögen zur Selbstbeurteilung verschiedener relevanter Eigenschaften. Beide Ansätze
haben ihre Nachteile; noch existiert
keine allgemein akzeptierte Methode der Weisheitsmessung.
Zur Frage, wie man weise wird,
liegen bisher nur wenige Studien
vor. Meine Forschungsgruppe sieht
Erfahrungen als essentiell für die
Entwicklung von Weisheit an, die
das Leben und die Prioritäten eines
Menschen deutlich verändern. Wir
postulieren bestimmte Ressourcen,
die sowohl bei der konstruktiven
Bewältigung schwieriger Lebensereignisse hilfreich sind, als auch längerfristig die Entwicklung von Weisheit fördern.
Annette Pestalozzi (m.), Stefan Büchi (r.)
Weisheit hat mit Erfahrungswissen
zu tun. Dieses wird in den ersten
Lebensjahren hauptsächlich körperlich gespeichert und ist nicht
direkt in Sprache umsetzbar. Auch
in der späteren Lebensentwicklung
ist Erkennen eng mit Erfahrungen
des Menschen in seinem Körperoder Leib-Sein verbunden, welche dem sprachlichen Bewusstsein
nicht unmittelbar zugänglich sind.
Zwischen dem Körper- und dem
Sprachraum entwickelt sich der
bildhafte Symbolraum.
Weisheit des Körpers betont jene
„konzentrierte
Lebenserfahrung“
(G. Roth), welche eng an das mit
den Sinnen erfahrenen und empfundenen Wissen gebunden ist.
Diese Weisheit hat auch mit einer
bewussten Beziehung zum eigenen
Leib - dem beseelten Körper – zu
tun, der über ein eigenes und umfangreiches Wissen verfügt. Das
nicht sprachfähige Wissen präsentiert sich körperlich mit den sog.
somato-affektiven
Markern
(A.
Damasio) sowie in symbolischen
Bildern. Die somato-affektiven
Marker können als wortlose Erzählung des Körpers verstanden
werden, und sind in der Lage, ihren Erfahrungsschatz dem Organismus blitzschnell zur Verfügung
zu stellen bevor sich der Verstand
eingeschaltet hat. Die achtsame
Wahrnehmung dieser Marker und
ihre sorgfältige Abstimmung mit
der
vernunftmässigen
Beurteilung von Situationen sind ebenso
Teil einer praktischen Weisheit in
der Psychotherapie wie die fundamentale Akzeptanz von Leiden
als einer menschlich-leiblichen
Grunderfahrung.
Die Auseinandersetzung mit Bildern
und Symbolen ist therapeutisch
von grosser Bedeutung, da sie den
Betroffenen einen Brückenschlag
zwischen den getrennten Welten
des Körpers und des sprachlichen
Bewusstseins ermöglichen. Symbolische Bilder können dabei als
zentrale Brennpunkte schöpferischer Entwicklung verstanden
werden, welche bewusste und unbewusste Tendenzen „transzendieren“ können.
Weisheitstherapie am Beispiel der Verbitterungsstörung
Dr. med. Barbara Lieberei-Schippan, Reha-Zentrum Seehof Berlin
Belastungsreaktionen in der Folge
kritischer Lebensereignisse spielen
im klinischen Alltag eine große Rolle und führen häufig zu Chronifizierung und Invalidität. Eine spezielle
Form der Anpassungs- und posttraumatischen Störungen mit hoher sozialmedizinischer Bedeutung
ist die sog. posttraumatische Verbitterungsstörung (PTED = Posttraumatic Embitterment Disorder).
Sie tritt auf nach Kränkungserlebnissen oder biographischen Brüchen in wichtigen Lebensbereichen,
d.h. bei Verletzungen zentraler
Grundannahmen. Sie geht einher
mit erheblicher und anhaltender
Verbitterung als Leitaffekt sowie
Intrusionen, Hyperarousal, Herabgestimmtheit und Vermeidung mit
ausgeprägten Beeinträchtigungen
der sozialen Anpassung und Lebensqualität. Diese Störungen erweisen sich als schwer zu behandeln. Insbesondere der Leitaffekt
der Verbitterung führt oft auch zu
einer Ablehnung und Abwertung
therapeutischer Hilfsangebote.
Ein Vulnerabilitäts- wie Schutzfaktor scheint der Grad an Weisheitskompetenzen zu sein, was
neue Optionen für die Behandlung
dieser Patienten eröffnet. Ein Behandlungsansatz für die Therapie
der Posttraumatischen Verbitterungsstörung zielt darauf ab, das
kritische Lebensereignis und die
damit verbundene Kränkung und
Herabwürdigung zu verarbeiten, Barbara Lieberei-Schippan
sich davon innerlich zu distanzieren
sowie neue Lebensperspektiven -mus, Wertrelativismus, Selbstrelativierung, Ungewissheitstoleranz,
aufzubauen. Ein speziell auf die
PTED abgestellter Behandlungs- Nachhaltigkeit sowie Problem- und
Anspruchsrelativierung. Es geht
ansatz stellen Interventionen im
Sinne einer „Weisheitstherapie“ dar, bei der Weisheitstherapie nicht um
eine Lebensberatung oder Erarbeidie sich an der Weisheitsforschung
orientieren. Hierbei werden spe- tung von Konfliktlösungen, sondern
zielle weisheitsaktivierende Pro- um die Förderung psychologischer
Funktionen und Kompetenzen, die
blemlösestrategien angewandt, die
erforderlich sind um eine Konfliktabzielen auf eine Förderung von
Weisheitskompetenzen wie z.B. lösung erreichen zu können.
Perspektivwechsel, Selbstdistanz,
Empathie, Emotionswahrnehmung
und Emotionsakzeptanz, emotionale
Serenität und Humor, Fakten- und
Problemlösewissen, Kontextualis-
3
Was bewährt sich im Umgang mit psychischer
Komplexität? Weisheiten der Wüstenväter und
anderer Grenzgänger
Die Weisheit des Körpers und die Symbolik der
Symptome
Dr. phil. Annette Pestalozzi, Zürich / Prof. Dr. med. Stefan Büchi, Leiter Kompetenzzentrum Psychosomatik
Prof. Dr. med. Daniel Hell, Leiter Kompetenzzentrum Depression und Angst
Nach der Liebe, dem Glück und der
Kreativität wird nun noch die Weisheit zum Thema der Psychologie
gemacht. Das löst widersprüchliche Reaktionen aus: Zum einen
verspricht Weisheit im Umgang
mit Patienten bessere Behandlung.
Zum andern droht Weisheit damit
zu einem Objekt oder zu einer Sache gemacht zu werden, die es zu
definieren, zu rationalisieren und
zu messen gilt. Weisheit ist aber
weder Sache noch Instrument. Sie
bewährt sich, vor allem im Umgang
mit komplexen Problemen.
Wie kann aber therapeutische Bewährung gefördert werden? Dazu
einige Stichworte:
•Wenn fachliches Wissen als Basis
dient, die Wirksamkeit therapeu tischer Interventionen generell
einzuschätzen (Stichwort: Fach kompetenz).
•Wenn durch Intervision und Super vision verschiedene Perspektiven
berücksichtigt werden (Stichwort:
Dialogik).
•Wenn das Beschwerdenbild eines
Menschen in die Lebenssituation und
Lebensgeschichte integriert wird
und die Symptomatologie nicht
allein zum Ausgangspunkt der Beur teilung und Behandlung wird – wozu
das ICD-10 und DSM-IV verführen
können (Stichwort: Kontextualität).
•Wenn das leib-seelische Erleben
eines Menschen achtsam und nicht
wertend ins Zentrum gerückt wird
und demgegenüber das Selbst bild eines Menschen als weitge hend kulturell und biographisch
fremdbestimmt wahrgenommen
und allenfalls relativiert wird
(Stichwort: Personalität).
•Wenn Therapeuten sich nicht als
Träger von Wahrheiten oder von
wahren Theorien betrachten, aber
auf eine Art „verinnerlichten weisen
Mentor“ (d.h. den Erfahrungsschatz
der Tradition und bedeutender
Anderer) zugreifen können (Stich wort: Komplexitätsreduktion).
•Wenn Offenheit der Therapeuten
für ihr eigenes Erleben grössere
Offenheit gegenüber dem Erleben
des Hilfesuchenden erlaubt und Nar zissmus immer wieder neu überwun den wird (Stichwort: Achtsamkeit).
Daniel Hell (l.)
Psychologische Weisheitsforschung: Ansätze,
Erkenntnisse und Grenzen
Prof. Dr. rer. nat. Judith Glück, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Weisheit ist eines der komplexesten
Konstrukte, mit denen sich die
Psychologie befasst, und noch haben wir uns nicht einmal auf eine
einheitliche
Definition
geeinigt.
Dennoch ist die psychologische
Weisheitsforschung ein stark wachsendes Feld.
Judith Glück
2
Aktuell befasst sich die Psychologie
vor allem mit drei Fragen:
•Was ist Weisheit?
•Kann man Weisheit messen – und
wenn ja, wie?
•Wie wird man weise – und warum
werden so wenige Menschen wirk lich weise?
Die Antworten auf die Frage, was
Weisheit ist, lassen sich in zwei
grosse Gruppen teilen: kognitionsorientierte Definitionen, die Weisheit vor allem als eine spezielle Form
von breitem und tiefem Wissen ansehen, und integrative Definitionen,
die neben dem Wissen auch Aspekte wie Empathie oder Altruismus
als notwendig für Weisheit ansehen.
Dementsprechend unterschiedlich
sind auch die Ansätze zur Messung
von Weisheit: kognitionsorientierte
Ansätze messen Weisheit anhand
von „Aufgaben“, die sich auf komplexe menschliche Probleme beziehen. Integrative Ansätze verwenden
meistens Fragebögen zur Selbstbeurteilung verschiedener relevanter Eigenschaften. Beide Ansätze
haben ihre Nachteile; noch existiert
keine allgemein akzeptierte Methode der Weisheitsmessung.
Zur Frage, wie man weise wird,
liegen bisher nur wenige Studien
vor. Meine Forschungsgruppe sieht
Erfahrungen als essentiell für die
Entwicklung von Weisheit an, die
das Leben und die Prioritäten eines
Menschen deutlich verändern. Wir
postulieren bestimmte Ressourcen,
die sowohl bei der konstruktiven
Bewältigung schwieriger Lebensereignisse hilfreich sind, als auch längerfristig die Entwicklung von Weisheit fördern.
Annette Pestalozzi (m.), Stefan Büchi (r.)
Weisheit hat mit Erfahrungswissen
zu tun. Dieses wird in den ersten
Lebensjahren hauptsächlich körperlich gespeichert und ist nicht
direkt in Sprache umsetzbar. Auch
in der späteren Lebensentwicklung
ist Erkennen eng mit Erfahrungen
des Menschen in seinem Körperoder Leib-Sein verbunden, welche dem sprachlichen Bewusstsein
nicht unmittelbar zugänglich sind.
Zwischen dem Körper- und dem
Sprachraum entwickelt sich der
bildhafte Symbolraum.
Weisheit des Körpers betont jene
„konzentrierte
Lebenserfahrung“
(G. Roth), welche eng an das mit
den Sinnen erfahrenen und empfundenen Wissen gebunden ist.
Diese Weisheit hat auch mit einer
bewussten Beziehung zum eigenen
Leib - dem beseelten Körper – zu
tun, der über ein eigenes und umfangreiches Wissen verfügt. Das
nicht sprachfähige Wissen präsentiert sich körperlich mit den sog.
somato-affektiven
Markern
(A.
Damasio) sowie in symbolischen
Bildern. Die somato-affektiven
Marker können als wortlose Erzählung des Körpers verstanden
werden, und sind in der Lage, ihren Erfahrungsschatz dem Organismus blitzschnell zur Verfügung
zu stellen bevor sich der Verstand
eingeschaltet hat. Die achtsame
Wahrnehmung dieser Marker und
ihre sorgfältige Abstimmung mit
der
vernunftmässigen
Beurteilung von Situationen sind ebenso
Teil einer praktischen Weisheit in
der Psychotherapie wie die fundamentale Akzeptanz von Leiden
als einer menschlich-leiblichen
Grunderfahrung.
Die Auseinandersetzung mit Bildern
und Symbolen ist therapeutisch
von grosser Bedeutung, da sie den
Betroffenen einen Brückenschlag
zwischen den getrennten Welten
des Körpers und des sprachlichen
Bewusstseins ermöglichen. Symbolische Bilder können dabei als
zentrale Brennpunkte schöpferischer Entwicklung verstanden
werden, welche bewusste und unbewusste Tendenzen „transzendieren“ können.
Weisheitstherapie am Beispiel der Verbitterungsstörung
Dr. med. Barbara Lieberei-Schippan, Reha-Zentrum Seehof Berlin
Belastungsreaktionen in der Folge
kritischer Lebensereignisse spielen
im klinischen Alltag eine große Rolle und führen häufig zu Chronifizierung und Invalidität. Eine spezielle
Form der Anpassungs- und posttraumatischen Störungen mit hoher sozialmedizinischer Bedeutung
ist die sog. posttraumatische Verbitterungsstörung (PTED = Posttraumatic Embitterment Disorder).
Sie tritt auf nach Kränkungserlebnissen oder biographischen Brüchen in wichtigen Lebensbereichen,
d.h. bei Verletzungen zentraler
Grundannahmen. Sie geht einher
mit erheblicher und anhaltender
Verbitterung als Leitaffekt sowie
Intrusionen, Hyperarousal, Herabgestimmtheit und Vermeidung mit
ausgeprägten Beeinträchtigungen
der sozialen Anpassung und Lebensqualität. Diese Störungen erweisen sich als schwer zu behandeln. Insbesondere der Leitaffekt
der Verbitterung führt oft auch zu
einer Ablehnung und Abwertung
therapeutischer Hilfsangebote.
Ein Vulnerabilitäts- wie Schutzfaktor scheint der Grad an Weisheitskompetenzen zu sein, was
neue Optionen für die Behandlung
dieser Patienten eröffnet. Ein Behandlungsansatz für die Therapie
der Posttraumatischen Verbitterungsstörung zielt darauf ab, das
kritische Lebensereignis und die
damit verbundene Kränkung und
Herabwürdigung zu verarbeiten, Barbara Lieberei-Schippan
sich davon innerlich zu distanzieren
sowie neue Lebensperspektiven -mus, Wertrelativismus, Selbstrelativierung, Ungewissheitstoleranz,
aufzubauen. Ein speziell auf die
PTED abgestellter Behandlungs- Nachhaltigkeit sowie Problem- und
Anspruchsrelativierung. Es geht
ansatz stellen Interventionen im
Sinne einer „Weisheitstherapie“ dar, bei der Weisheitstherapie nicht um
eine Lebensberatung oder Erarbeidie sich an der Weisheitsforschung
orientieren. Hierbei werden spe- tung von Konfliktlösungen, sondern
zielle weisheitsaktivierende Pro- um die Förderung psychologischer
Funktionen und Kompetenzen, die
blemlösestrategien angewandt, die
erforderlich sind um eine Konfliktabzielen auf eine Förderung von
Weisheitskompetenzen wie z.B. lösung erreichen zu können.
Perspektivwechsel, Selbstdistanz,
Empathie, Emotionswahrnehmung
und Emotionsakzeptanz, emotionale
Serenität und Humor, Fakten- und
Problemlösewissen, Kontextualis-
3
Die Weisheit der Märchen
durch das Lesen holen wir sie in unsere Vorstellung herauf, durch das
Erzählen werden sie lebendig.“
Oft werde ich gefragt, ob ich die
erzählten Märchen selber erfunden
habe. Ich erzähle vor allem Volksmärchen aus der ganzen Welt. Dieser Märchenschatz ist so üppig,
reich und voller Weisheit, dass ich
es vorziehe daraus zu schöpfen, und
somit auch helfe, diesen Schatz am
Leben zu erhalten, ganz nach dem
Zitat von Rudolf Geiger: „Gedruckt
liegen Märchen nur in einem Grab,
Es wird zwischen Kunst- und Volksmärchen unterschieden. Erstere sind
ein literarisches Produkt eines einzelnen. Volksmärchen sind Überlieferungen, von Generation zu Generation weitererzählt. Sie sind durch
Hunderte von Herzen und Köpfen
gegangen, viele haben daran mitgewirkt und so hat sich in den Volksmärchen die Lebensweisheit von vielen Generationen bildhaft verdichtet.
Gerade deshalb haben Märchen uns
auch heute noch viel zu geben.
Wie auch die Träume sind die Märchen in der Bildsprache gehalten und
erzählen von den Problemen, Nöten
des menschlichen Lebens, zeigen
Informationen zur Privatklinik
Privatklinik Hohenegg AG
Hohenegg 4
Postfach 555
8706 Meilen
Telefon +41 44 925 12 12
Fax
+41 44 925 12 13
[email protected]
www.hohenegg.ch
Ärztliche Direktion
Telefon +41 44 925 15 16
Fax
+41 44 925 15 10
[email protected]
Die Klinik
Die Privatklinik Hohenegg ist eine
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie
und Psychosomatik für Privat- und
Halbprivat-Versicherte. Mit den meisten Krankenkassen bestehen Verträge. Die Privatklinik Hohenegg bietet
54 Privat- und Halbprivat-Betten auf
zwei offenen Stationen an.
Iris Meyer
Märchen- und Geschichtenerzählerin
www.maerlifee.ch
Klinikleitung
Kompetenzzentren
Depression und Angst
•
Prof. Dr. med. Daniel Hell
Burnout und Lebenskrise
Dr. med. Toni Brühlmann
•Psychosomatik
Prof. Dr. med. Stefan Büchi
•
Weitere Behandlungsschwerpunkte
Dr. med. Toni Brühlmann
Ärztlicher Direktor
Zwänge
Posttraumatische Störungen
•Substanzabhängigkeit
•
•
Zuweisung
Die Anmeldung erfolgt telefonisch
beim Dienstarzt oder mit Zuweisungsschreiben an den ärztlichen
Direktor. Auf Wunsch wird mit der
Patientin oder dem Patienten ein
Vorgespräch geführt. Der Eintritt erfolgt in der Regel an Werktagen zu
einem festgelegten Termin. In dringenden Fällen sind auch kurzfristige
Aufnahmen möglich.
Trägerschaft
Die privatrechtliche und gemeinnützige Stiftung Hohenegg ist die alleinige Eigentümerin der Privatklinik
Hohenegg AG.
4
aber genauso auf, welche Lösungsmöglichkeiten es dafür gibt. Die
Märchen erzählen von Ängsten und
verborgenen Lebenslügen und wie
damit umgegangen werden kann.
Beim Hören fiebern wir mit den Helden und Heldinnen mit, identifizieren
uns mit ihnen und werden gestärkt
durch die positive Botschaft, welche
den Märchen eigen ist. Weisheitsmärchen ganz im besonderen, wie
jene vom Mullah Nasrudin zeichnen
sich oft durch Humor und Schalk
aus. Sie erheitern uns im gleichen
Atemzug wie sie uns an ihrer Weisheit teilhaben lassen.
Madeleine Eisenbarth
Pflegedirektorin
Walter Denzler
Verwaltungsdirektor
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