Internationale Artikel Das System der Sekundärmeridiane Karl Quint, Karl Quint jun. „Alle Nadelungen sind an dem System der Meridiane auszurichten, denn es sind doch die Meridiane, die den Durchfahrtsweg für den Fluss des Qi und des Blutes darstellen.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 10) Die Akupunkturmeridiane bilden das energetische Kommunikationssystem des Körpers. Die Kommunikation betrifft sowohl den intrinsischen als auch den extrinsischen Bereich. Die Grundstruktur des Systems der Meridiane ist von den 12 Hauptmeridianen und den 2 Außergewönlichen Meridianen/Gefäßen (奇脈), Du Mai (督脈) und Ren Mai (任脈), Meridiane die eigene Punkte besitzen, dargestellt. Diese Meridiane führen auch andere Funktionen aus, die unter anderen Namen bekannt sind: Luo-Gefäße1/Luò Mài2 (auch Sonder-Luo, Shí Wŭ Bié Luò 十五別絡 genannt) und Sondermeridiane/Jīng Bié(經別)3. Die Luo-Mai 絡脉/Luo-Leitbahnen (HauptLuobahnen) und die Hauptmeridiane haben die gleiche Farbe4,5. Damit kann die gleiche Grundfunktion (eine Erhaltungsfunktion) gemeint sein. Die Sondermeridiane, Jing Bie 經別, haben im Bereich der Antiken Punkte (der Bereich der Steuerung der Meridianfunktion) den gleichen Verlauf wie die Hauptmeridiane. Damit wird gesichert, dass die Funktion des Sondermeridians in der energetischen Integration der Meridiane genau angepasst wird6. Die Sondermeridiane (Jing Bie 經別), die vermutlich eine zentripetale Shen-Funktion ausführen7, sind in der Tat die Hauptmeridiane8. Diese Shen-Funktion ist eine Sonderfunktion, eine ausgesprochene nervlich zentripetale Funktion. Das ist nicht zu verwechseln mit dem Einfluss der Meridianfunktion (via Gewebefunktion) auf den nervlichen/psychischen Zustand. Die kumulative Funktion des Hauptmeridians begründet deren Bezeichnung als Dà Jing (大經 Großer Meridian). Die Hauptmeridiane sichern im Inneren des Körpers die Verbindung mit den Organen und die in den Organen bewahrte Essenz 精氣 (Erbenergie) 9. Im Au172 ßenbereich realisieren die Hauptmeridiane die Verbindung mit dem Gewebe (die Struktur, die Form (Xíng 形), der Bereich, in dem sowohl die physiologischen als auch die pathologischen (Krankheiten) Abläufe stattfinden10. Diese Verbindung wird über die Akupunkturpunkte11 und die Sekundärmeridiane dargestellt. Im äußeren Bereich (im Gewebebereich) befindet sich das Sekundärmeridiansystem: die Tendinomuskulärmeridiane und die Luo-Bahnen (SunLuo und Fu-Luo). Das Tendinomuskulärsystem kontrolliert den Yang-Bereich (Wèi Qì 衛氣), den sogenannten Anpassungsbereich, und das Luo-System kontrolliert den Yin-Bereich (Yíng Qì营氣12), den sogenannten Erhaltungsbereich (Yíng 营氣 und Xuè 血 13 ). Diese zwei Bereiche, Tendinomuskulär und Luo, realisieren das System der Sekundärmeridiane, die Verbindung zur Außenbereich, der Bereich der Gewebe, der materielle Bereich, die Form/Struktur 形 Xíng. Im Gewebebereich realisieren die Hauptmeridiane14 auch die Innen-Außen-Verbindung des energetischen Bereichs (Yin-Yang), den sogenannten energetischen „Polaritätswechsel“15. Die Kommunikation, der Informationswechsel, findet an den Akupunkturpunkten statt. Der Akupunkturpunkt besitzt einen oberflächlichen und einen tiefen Bereich. Der oberflächige Bereich (Tendinomuskulärmeridianpunkt) kontrolliert den Funktionszustand der Gewebe in seinem zugehörigen Gewebebereich. Der tiefe Bereich (Hauptmeridianpunkt) kontrolliert die Integration der Einflüsse von Außen, übermittelt vom Himmel-Abschnitt, und die Einflüsse vom Innen, übermittelt vom Erde-Abschnitt des Hauptmeridianpunktes, im energetischen Haushalt des Körpers (Abb. 1). ZTCM 3/2011 Sekundärmeridiane Abb. 1: Die energetischen Bereiche des Akupunkturpunktes Der Hauptmeridianpunkt beeinflusst den Funktionszustand des Hauptmeridians und dadurch den Zustand des Menschen, weil „der Fluss der Energien in den Meridianen ... den (Zustand des) Menschen [bildet]“. Das Tendinomuskulärmeridiansystem setzt sich aus den Tedinomuskulären Meridianen/TMM (in den Klassikern auch „Muskelmeridiane“ genannt), den Tedinomuskulären Punkten, den Zweigen (Ramifikationen) der Tendinomuskulärmeridiane (in den Klassikern auch die „Teilenden Muskeln“ genannt) und den Kapillaren (energetische Kapillare) zusammen16 (Abb. 1). Das Tendinomuskulärsystem befindet sich oberflächlich, in der dermo-epidermalen Schicht. Die Bereiche des Hauptmeridians, Himmel, Mensch und Erde, befinden sich tief, im Hypoderm. Die Bereiche des Akupunkturpunktes sind mit energetischen Funktionen, entsprechend der 5 Elemente, korreliert17 (Abb. 2). Abb. 2: Die Bereiche und Korrelationen eines Akupunkturpunktes Der Meridianpunkt beteiligt sich durch diese Bereiche an die unterschiedlichen wechselwirkungsreichen Beziehungen, die im Gewebe stattfinden (Hervorbringung/Unterdrückung, Hervorbringung/Missachtung, Unterdrückung/Entgegenwirkung, unterschiedliche Gleichgewichtsbeziehungen, etc.). Diese energetische Strukturierung befindet sich auch im Gewebebereich, der sich außerhalb des Verlaufs der Meridiane befindet. Da findet man die Extrameridianpunkte und es können sich Ah-Shi-Punkte bilden, die aber keine ‚Große Gelenke’-Funktion (Hauptmeridiansteuerpunkte-/Antike Punkte-Funktion) besitzen18, bloß die Funktion der ‚Kleinen Gelenke’ (der 365 Punkte). Das Tendinomuskulärsystem verwaltet das Wèi Qì 衛氣. Das Wèi Qì ist eine Energie, die außerhalb der Hauptmeridiane fließt und wird auch Abwehr-Qi genannt19. Diese Abwehrfunktion ist nicht im Sinne der ZTCM 3/2011 Immunität zu verstehen. Die Abwehr hat die Aufgabe, die Stoffwechselfunktionen, die von den pathogenen Faktoren (exo- und endogenen) gestört werden, nicht aus dem normalen Toleranzbereich anhaltend abweichen zu lassen. Eine aus dem normalen Zustand anhaltend abweichende Funktion wird als eingenistete‚ perverse Energie20 (pervertierter Funktionszustand) bezeichnet. Wenn man den energetischen Zustand im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Gewebe (das materielle Substrat der energetischen Entität) betrachtet, stellt man fest, dass bei einer Fülle des Tendinomuskulärmeridians (gut lokalisierbarer Schmerz), der tendinomuskuläre Bereich des Akupunkturpunktes im Fülle-Zustand ist, fest, schwer durchstechbar (die Nadel dringt „wie in harten Käse“ ein) (Abb. 3). Abb. 3: Fülle Zustand im dermalen Bereich Im Vergleich dringt die Nadel im normalen Zustand ein „wie in weichen Käse“. Bei einer Hyperästhesie ist die epidermale Schicht fest, im Fülle Zustand so, als würde man eine Zellophanfolie durchstechen, und der Tendinomuskulärmeridianbereich, die dermale Schicht, fühlt sich beim Durchstechen normal an (Abb. 4). Abb. 4: Fülle Zustand im epidermalen Bereich Das bedeutet, dass der Verlauf des Tendinomuskulärmeridians sich in der dermalen Schicht befindet und die Wirkung der energetischen Kapillaren sich in der epidermalen Schicht der Haut äußert. Der normale Fluss der Energie, der steuernde Fluss der Energie, stammt aus dem energetischen Organ, fließt in den Hauptmeridian und erreicht den tendinomuskulären Punkt über den Hauptmeridianpunkt21. Vom tendinomuskulären Punkt fließt die Energie in die tendinomuskulären Zweige (Ramifikationen) und danach in die energetischen Kapillaren (Abb. 5). 173 Internationale Artikel Hauptmeridianpunkte gestört werden (es muss aber nicht unbedingt sein). Die Störung der Hauptmeridianpunkten heißt noch nicht unbedingt Störung der Meridianenergie (die Wirkung der Meridianenergie in Richtung Energie bei den Yin Meridianen oder in Richtung Materie bei den Yang Meridianen) (Abb. 6). Abb. 6: Die Lage und Richtung der Meridianenergien 24 Abb. 5: Der Tendinomusklärbereich( TM)(Schema) Die energetischen Kapillaren sind die eigentlichen energetischen Verbindungen zum Gewebe. Der gleiche Weg wird von den internen krankheitsverursachenden Faktoren gefolgt. Diese Faktoren sind eigentlich die normale Energien (Zhèng Qì 正氣). Die pathogene Wirkung (Xié Qì 邪氣) konkretisiert sich in der Gleichgewichtsstörung22 in den unterschiedlichen energetischen Ebenen durch die Verschiebung der energetischen Resultante in Richtung Anabolismus oder Katabolismus. Die energetische Therapie strebt die Wiederherstellung des Gleichgewichts der energetischen Komponenten an. Die externen pathogenen Faktoren benutzen auch den gleichen Weg, aber in umgekehrter Richtung. Die störende Wirkung (Xié Qì 邪氣) erscheint zuerst im Bereich der energetischen Kapillaren23. Die Störung dieses Bereichs agiert stromaufwärts und stört den Funktionszustand der tendinomuskulären Zweige (die „sich Teilenden Muskeln“ oder „Streifen der Muskeln“). Danach kann die Störung in dem Bereich der Tendinomuskulären Meridiane („Muskelmeridiane“) eindringen. Mit der Störung der tendinomuskulären Bereiche der Akupunkturpunkten können auch die Bereiche der 174 In diesem Fall ist nur die Funktion dieses Punktes gestört (die Wirkung dieses Gelenks in Richtug Gewebe, die Steuerung der Gewebefunktion), das heißt, dass nur der Punkt des Hauptmeridians und nicht der Meridian zu behandeln ist25. Die energetische Therapie strebt die Eliminierung/ Dispergierung der perversen Energie und Stärkung/ Tonisierung der abgeschwächten Energie des betroffenen Bereichs an. Die Meridianfunktion ist vom Zustand der Meridian-Organ-/Gewebe26-Beziehung27 abhängig und wird über die Hauptsteuerpunkte behandelt. Die Inspektion des Patienten kann Indizien bezüglich des energetischen Zustands des Körpers bieten. Das beruht auf das Energie/Materie-Verhältnis. Bei viel Materie ist wenig Energie zu erwarten, bei wenig Materie ist mehr Energie zu erwarten. Somit sind Abweichungen von der normalen harmonischen Gestaltung des Körpers (Senkungen oder Erhebungen) besonders zu untersuchen (Abb. 7-12). Abb. 7: Störung im Ni 6-Bereich (Schwellung) ZTCM 3/2011 Sekundärmeridiane Abb. 11: Störung im RM 7/Ni 15-Bereich (Schwellung) Abb. 8: Störung im Gb 24-Bereich (Vertiefung) Abb. 9: Störung im Bl 60-Bereich (Schwellung) Abb. 12: Störung im Gb 43-Bereich (aufgedunsene Zehe) Abb. 10: Störung im Ni 3-Bereich (Vertiefung) Genauere Informationen erhält man beim Tasten. Eine erhöhte Depressibilität ist ein Zeichen der Störung. Die Depressibilität ist vom Zustand des Hypoderms abhängig und dieser Zustand ist auch von der Funktion der tendinomuskulären Energie beeinflusst. Ein reduzierter Tonus und Turgor bedeutet Energiemangel. Ein erhöhter Tonus und Turgor bedeutet Energiefülle. Diese Untersuchung ist besonders wichtig für die Punkte des Abdomens, da der lokale abdominelle Muskulaturtonus auch ein wichtiges Zeichen ist. Ein kalter Bereich bedeutet Yin-Zustand (als Folge von Yang-Schwäche), ein warmer Bereich bedeutet YangZustand (Yang-Dominanz) im Gewebe, bzw. in den ZTCM 3/2011 175 Internationale Artikel Akupunkturpunkten. Der wahre energetische Zustand (Fülle oder Leere) der Tendinomuskulärbereiche und Hauptmeridianbereiche der regulären Meridianpunkte, Extrameridian- und Ah-Shi-Punkte kann nur beim Stechen festgestellt werden28. Somit ist das Stechen die letzte Untersuchung, die das therapeutische Vorgehen bestimmt: Sedieren/Dispergieren bei schwerem Einstechen (wie in harten Käse29) und Durchstechen (wie eine Zellophanschicht) oder Tonisieren bei leichtem Einstechen (wie in Butter). Das Luo-Bahnen-System besteht aus den LuoLeitbahnen (Hauptluo-Bahnen, Luo Mai 絡脈), die Luo-Bahn-Zweige (Sun-Luo 30 孫絡) und Kapillaren (die Fu-Luo 31 浮絡, die energetische Luo-Kapillaren). Aufgrund der Lebenserhaltungsfunktion (Yíng Qì 營 氣), ähnlich der lebenserhaltenden Funktion des Blutes32 (Yíng Qì 营氣), werden diese Bahnen auch Gefäße (Luo-Mai33/Gefäße) genannt. In den Klassikern wird behauptet, dass die in den Meridianen fließende Qi und Xue die Antiken Punkte passieren und danach in die 365 Punkte fließen 34. Das heißt, dass die Hauptmeridiane sowohl die Kontrolle des Qi als auch die Kontrolle des Xue führen. (Zum gleichen Schluss kommt ein Kommentar in Nei Jing Ling Shu, Kap. 3335. Das ist die einzige Stelle in den Klassikern, die das Problem des Qi und Xue in diese Art und Weise betrachtet.) Auch der Name der Hauptmeridiane (Hauptleitbahnen) Jing Mai 經脈 deutet aber auf eine funktional (Jing 經)36 und eine materiell (Mai 脈)37 bezogene Komponente. Eigentlich sollen wir bei der Interpretation der Funktion der Hauptmeridiane in Betracht ziehen, dass es um die Steuerung dieser Bereiche (funktionale und materielle) und nicht um die Bereiche an und für sich geht. Diese Betrachtung wird auch von der Zuweisung der gleichen Farbe zu den Hauptmeridianen (dem Yin-Bereich, der Tiefe zugehörend) und LuoGefäßen 絡脈 (Luo-Hauptbahnen)38 untermauert. Die Luo-Zweige/Sun Luo (die dem Yang-Bereich, der Oberfläche zugeordnet sind) haben nicht mehr die ständige, gleichbleibende Farbe der Hauptmeridiane (bzw. der Elemente). Sie wechseln die Farbe abhängig von der Temperatur der Umgebung (der Jahreszeiten), blau bei Kälte und rot bei Wärme. Die Farbe der Haut ist so abhängig von der Durchblutung: gestaut oder hyperämisch (bläulich oder rötlich). Der Ursprung der Luo-Leitbahnen (Sun Luo) ist aber an den Luo-Gefäßen (Luo Mai) an den Punkten der Hauptmeridiane39 (Abb. 13). Die Hauptmeridiane führen sowohl Wei Qi 衛氣 als auch Yíng Qì 營氣 (fälschlich als Yíng Qì 营氣 und als Xuè 血 bezeichnet40 ). Ähnlich wird, in diesem Zu176 Abb. 13: Der Luo-Bereich (Schema) sammenhang, auch der Begriff „Aderlass“41 in vielen Passagen nicht richtig benutzt, weil es beim Stechen nicht um Sedieren einer Xuè-Fülle sondern einer QìFülle geht. Denn „das Qi regiert das Blut, das Blut nährt (bloß) das Qi“. Die Erkrankung des Qi ist nicht sichtbar. Eine QiFülle verursacht Schmerzen, eine Qi-Leere verursacht Juckreiz. Die Erkrankungen des Luo-Bereichs führen zu Störungen der Durchblutung. Die Veränderung der Durchblutung führt zur sichtbaren Farbveränderungen der Haut42 und tastbarer Veränderung der Konsistenz der Gewebe. Kälte bzw. Kältezustände verursachen Blutstau und blaue Farbe der Haut und Wärme bzw. Wärmezustände verursachen starke Durchblutung und rote Farbe bzw. Rötung der Haut43. Die Farbe der Haut ist von der Durchblutung der dermalen Schicht abhängig. Somit ist zu schließen, dass die Luo-Aktivität in der dermalen Schicht stattfindet. In der Energie/Materie bzw. Qi/Xue-Dualität ist die Energie bzw. Qi vorrangig. Der energetische Zustand bestimmt den Zustand des Blutes. Bei viel Qi ist viel Xue vorhanden, bei wenig Qi ist wenig Xue vorhanden. Die Veränderung des Qi-Zustandes verursacht eine Veränderung des Xue-Zustandes. Eine Stärkung des Qi führt zu einer Zunahme der Durchblutung und im Gegenteil, eine Abschwächung des Qi führt zu einer Abnahme der Durchblutung, und verändert entsprechend auch die Hautfarbe. Als Hauptursache der ZTCM 3/2011 Sekundärmeridiane Durchblutungsänderungen sind Störungen des Qi, weil das Qi das Xue kontrolliert. Bei Schwäche des Qi äußert sich die Störung im Luo-Bereich als verbreitete Marmorierung. Die Marmorierung kann an der oberen und/oder unteren Extremität lokalisiert sein, seltener auch am Rumpf. Eine eingeschränkte Schwäche zeigt eine Marmorierung im Bereich des Meridianverlaufs, häufiger an der oberen Extremität (z.B., am Lu-, oder He-, oder Lu- und Pe-Meridian). Eine Fülle der Luo-Funktion führt auch zu einem vermehrten, schmerzhaften Turgor. Verhärtungen der Gewebe werden in den Klassikern oft als ‚verhärtetes Abb. 16: Intradermale Venektasien im Bereich Ni 2-Ni 6 Abb. 17: Intradermale Venektasien im Bereich Gb 26-28 Abb. 14: Akute, schmerzhafte Hyperämie Blut’, als ‚Blutklumpen’ interpretiert44. Nicht selten zeigt sich auch eine lokalisierte Hyperämie, oft auch schmerzhaft (Abb. 14). Bei chronischen Störungen, aufgrund des abgeschwächten Stoffwechsel-/Qi-Zustandes und als Folge von schwacher kapillarer Durchblutung, bilden sich intradermale Venektasien (Abb. 16–20). Diese Venektasien sind immer ein Zeichen der Schwäche, auch wenn die Venen voll zu sein scheinen. Die Fülle der intradermalen Venen ist von der Wirkung des arteriolaren Drucks auf den arterio-venösen ‚Kurzschluss’ und nicht von der transkapillaren Durchblutung beeinflusst (Abb. 15) Abb. 15: Bildung der intradermalen Venektasien ZTCM 3/2011 Abb. 18: Intradermale Venektasien im Bereich Bl 40 Abb. 19: Intradermale Venektasien im Bereich Bl 38-39 177 Internationale Artikel Abb. 21: Fülle in der Epidermis Abb. 20: Intradermale Venektasien im Bereich Gb 31 Die intrikate Wirkung der Energiestörungen der 5 Schichten der Akupunkturpunkte kann auch unterschiedliche Störungen der Haut hervorrufen wie Farbänderungen, unterschiedliche Arten von Ekzemen, Hautmykosen, etc. Die Untersuchung betrifft den betroffenen/gestörten Bereich bzw. den Zuständigkeitsbereich der Sekundärmeridiane, die transversalen Ramifikationen der Tendinomuskulärmeridiane und die Sun Luo-Gefäße. Die Schmerzen und die vom Patienten empfundene Temperatur sind subjektive, rein energetische Qi 氣-Symptome. Morphologische Veränderungen (wie: Form, Farbe, Tonus, Turgor, getastete Temperatur der Haut) sind objektive, materielle, Xing 形 -Symptome. Die Symptome sind Indizien der gestörten Energetik und können auch in Bereichen vorkommen, die vom Erkrankungsort entfernt liegen. Die Ursache dieser Störungen ist immer energetisch. Die energetischen Abläufe finden aber im materiellen Bereich statt und bestimmen deren Beschaffenheit. Ein erhöhter energetischer Zustand verursacht eine erhöhte Densität/ Festigkeit, die Gewebe werden fester. Ein geminderter energetischer Zustand führt zur einer geminderten Densität/Festigkeit, die Gewebe werden lockerer. Dies wird beim Einstechen der Nadel feststellbar: schweres Einstechen bedeutet energetische Fülle und leichtes Einstechen bedeutet energetische Leere. Die Festigkeit/Fülle und Lockerheit/Leere sind die Symptome, die die Behandlung bestimmen: Sedieren/Dispergieren45 bei Fülle oder Tonisieren bei Leere46. Der Zustand der Gewebe ist in allen 5 Schichten eines Punktes zu bestimmen: Haut (Epidermis), Muskel/ Fleisch (Dermis), Sehnen (oberflächliche Subcutis), Gefäße (mittlere Subcutis) und Knochen (tiefe Subcutis). Die Festigkeit der zwei oberflächlichen Schichten ist leichter zu bestimmen. Bei Fülle fühlt sich die Epidermis bei Durchstechen ähnlich an wie eine dünne Zellophanfolie und die Dermis ähnlich wie ein ‚harter Käse’ oder ‚Holz’ (Abb. 21, 22). 178 Abb. 22: Fülle in der Dermis Bei Leere ist das Durchstechen leicht, wie durch Butter. Bei den subkutanen Schichten ist die Bestimmung der Densität schwieriger, dennoch durchaus möglich. Bei vorhandener Fettschicht, spürt man bei Fülle einen Wiederstand (Abb. 23). Abb. 23: Fülle in den Hauptmeridianbereichen Himmel/ Mensch und Mensch/Erde Bei Leere dringt die Nadel ins ‚Leere’ (wie in einen Hohlraum). Bei dünner oder fehlender Fettschicht wird der energetische Zustand der dermalen Schicht das weitere therapeutische Vorgehen bestimmen (weil der tendinomuskuläre Bereich in seinem Zuständigkeitsbereich den energetischen Zustand der Gewebe kontrolliert und bestimmt). Wenn die dermale Schicht in Fülle ist, wird diese Schicht durchstochen und dispergiert/sediert. Es wird nicht tiefer gestochen47�. Um die Meridianschicht sicher nicht zu stören (‚verletzen’) wird der ‚flache Stich’ empfohlen (Abb. 24). ZTCM 3/2011 Sekundärmeridiane Abb. 24: Flacher Stich Wenn diese Schicht in Leere ist, wird weiter bis in die Erde-Schicht gestochen und tonisiert. Die Tonisierung der Erde-Schicht führt zu Regeneration der Wahren Energie (Zhèng Qì 正氣), weil diese Schicht mit der Niere, der Lagerstätte der Essenz (精氣), korreliert ist. Bei dünner oder fehlender Fettschicht kann man die drei subkutanen Schichten nicht deutlich unterscheiden. Da wird in der Subcutis tonisiert (die dermale Schicht soll auf alle Fälle durchgestochen sein). Wenn sich die oberflächliche/dermale Schicht in Leere befindet und wird zwecks Tonisierung tief gestochen, kann man doch Fülleschichten in der Subcutis treffen (wie Zellophanfolie); dies ist ein Zeichen einer chronischer Störung und wird dispergiert (Abb. 25). durch Verhärtung und Depressibiltät entdeckt werden48�. Die Punkte, die sich außerhalb der Meridiane befinden, werden in der gleichen Art und Weise wie die Meridianpunkte behandelt49. Wenn beim Stechen keine örtlichen Gewebeveränderungen, im Sinne von Fülle oder Leere, zu finden sind, sind tiefer liegende Störungen zu suchen50 (z.B.: Meridian-, Qi-, Xue-Störungen, etc.). Die Untersuchung und Behandlung der Störungen der Sekundärmeridiane ist auch an Körperteilen wichtig, die sich außerhalb der von der Krankheit betroffenen Körperbereiche befinden, weil jeder Punkt (am Meridian oder außerhalb der Meridiane) überall im Körper wirkt, eine Wirkung, die hyperintegriert ist, und so seine Störungen ihren Anteil an der Krankheitsbildung haben. Deswegen ist die Untersuchung und Behandlung, die auf das System der Sekundärmeridiane basiert, eine sichere energetische Therapie. Sie basiert auf objektive Zeichen, die auf sichere energetische Störungen hinweisen, und nicht auf Wirkungen, die theoretisch vermutet werden. Literatur Huang Di Nei Jing – Übersetzungen von: Chamfrault A., Nguyen Van Nghi und Schmidt W.G.A. Anmerkungen 1 „Der Ausdruck Blut bezieht sich hier auf das Blut in den zwölf Blut- leitbahnen. Qi bezieht sich hier auf das Meridian-Qi in den zwölf Hauptmeridianen“. Vordergründig kann man aus diesem Kommentarhinweis schließen, dass Blutleitbahnen und die Hauptmeridiane als Leitbahnen des Qi hier als identische Einheiten verstanden werden. (Nei Jing Ling Shu, Kap. 33) 2 Shí Wŭ Luò Mài 十五絡脉; 脈 (脉) mài: Blutgefäß (Arterie, Vene) 3 Shí Èr Jīng Bié 十二經別; 別 bié: distinkt, unterschiedlich, separat 4 „Die Farbe der Luo-Leitbahnen, die den Organmeridianen des Yin zugeordnet sind, entspricht der Farbe ihrer jeweiligen Organmeridiane. Die Luo-Leitbahnen hingegen, die den Organmeridianen des Yang entsprechen, haben keine ständig bleibende Färbung und unterliegen vielmehr Farbveränderungen entsprechend der Vier Jahreszeiten.“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 57) 5 Abb. 25: Fülle-Schichten im Hauptmeridian-Bereich Die Organmeridiane, die dem Yin zugeordnet sind, sind die Haupt- meridiane (die tief/Yin und longitudinal verlaufen), die dem Yang zugeordnet sind, sind die sekundären Meridiane, tendinomuskuläre und SunLuo (die oberflächlich/Yang und transversal verlaufen). Wenn keine Fülleschicht mehr feststllbar ist, wird die Erdeschicht tonisiert. Die Dispergierung wird von der Oberfläche aus (Eintritt der Störung/perversen Energie) in Richtung Tiefe und die Tonisierung wird von der Tiefe aus (Knochen/Niere/Essenz/Erbenergie) in Richtung Oberfläche durchgeführt. Die Behandlung der Gewebekrankheiten, Krankheiten des Xing 形, erfolgt auch über lokale Punkte, die sich außerhalb der Meridiane befinden: Extrameridianpunkte, Ah-Shi-Punke und lokake Punkte, die ZTCM 3/2011 6 Die Antiken Punkte sichern die Anpassung der Meridianfunktion in den Meridian-Organ-Meridian- und Meridian-Gewebe (materielles Substrat der Meridianfunktion)-Meridian-Kreisen. 7 Vermutung von Dr.med. Karl Quint (sen.): Die Sondermeridiane Jing Bie führen eine afferente (zum Gehirn) Shen-Funktion aus, die efferente (vom Gehirn) Shen-Funktion wird vom Blasenmeridian ausgeführt. 8 „Die Redewendung ‚Shen’ bezieht sich auf das Wahre Qi (zhengqi) der Hauptmeridiane und die Bezeichnung ‚Gast’ (kè 客) bedeutet krankmachendes Qi (in den Sekundärgefäßen, nämlich außerhalb der Hauptmeridiane) entsprechend.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 3) 9 „Die zwölf Hauptmeridiane stehen alle mit den Fu- und Zang-Orga- nen in Verbindung im Körperinneren, nach außen hin sind sie mit den 179 Internationale Artikel Gliedmaßen und den Gelenken verbunden.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 33) Traditionelle Chinesische Medizin, 2/2009, 115-120. 10 28 „Die zwölf Hauptmeridiane stehen alle mit den Fu- und Zang-Orga- Es werden alle gestörten Gewebebereiche, nicht nur die Meridian- nen in Verbindung im Körperinneren, nach außen hin sind sie mit den punkte (Běn Shū Xué 本輸穴) behandelt. Gliedmaßen und den Gelenken verbunden.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 33) 29 11 „Die Punkte der Luo-Leitbahnen und der Unscheinbaren Leitbahnen 30 Enkelgefäße (sūn 孫 Enkel) treffen mit den 365 Punktstellen der Organmeridiane zusammen ...“ (Nei 31 Hautgefäße (fū肤 Haut, Fell (Haar)) Jing Su Wen, Kap. 58) 32 Bas Blut enthält Nährstoffe, die eine Nährfunktion (Nährenergie) „Die Luo-Leitbahnen führen nach innen und außen und verbinden die ausüben. Hauptmeridiane miteinander. Unter der Haut stoßen die Luo-Leitbahnen 33 mài 脈/脉 Blutgefäß, Puls aufeinander, und die Punktstellen, an denen sie zusammenlaufen, be- 34 „Der Anfangspunkt ist der Jing, von da passiert das Xue und das Qi finden sich in der Regel im äußeren Körperbereich.“ (Nei Jing Ling Shu, die Punkte Ying, Shu, King und Ho und weiter die anderen Punkte.“ (Nei Kap. 10) Jing Ling Shu, Kap. 1) 12 Steuerung der Erhaltungsfunktion „Alle Nadelungen sind an dem System der Meridiane auszurichten, denn Erhaltungsfunktion, Sicherung des materiellen Substrats für das es sind doch die Meridiane, die den Durchfahrtsweg für den Fluss des Qi 13 Funktionieren und Erhaltung der Struktur der Gewebe 14 und des Blutes darstellen.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 10) Die Verbindung der Yin- und Yang-Meridiane eines Elements, ei- gentlich die transversale Luo-Funktion 15 „Die Kunst der Akupunkturpraxis besteht darin, von allem Anfang an unterscheiden zu können, ob es um Yin oder Yang geht, ... Man soll ebenmäßig die Polarität-Änderung des Yang und des Yin kennen.“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 65) 16 „Die Sekundärgefäße sind horizontal, während die Meridiane verti- kal sind. Die Ramifikationen sind die kleinen Zweige der Sekundärgefäße, sie sind wie die Kapillaren.“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 58) 17 „Darum heißt es verschiedentlich auch, dass Haut, Muskeln, Sehnen sowie Leitbahnen verschiedene Stellen innerhalb des Körpers einnehmen, und dass die jeweiligen unterschiedlichsten Krankheitsbilder auch in unterschiedlichster Weise auf die jeweiligen Behandlungsmethoden ansprechen.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 1) 18 Quint K.: Die Akupunktur-Hauptsteuerpunkte, Akupunktur Theorie und Praxis, 24. Jahrgang, 2/1996, 86-92. 19 „Befindet sich das Abwehrqi im Zustand des Gleichge- wichts, werden auch die sich teilenden Muskeln entlastet und sind in gutem Zustand, die Haut ist ausgeglichen und weich, die Poren der Haut geraten nicht außer Rand und Band und die Streifen der Muskeln sind dicht.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 47) „Aus innerer Körpersicht betrachtet sind die Fünf Zang-Organe Yin und die Sechs Fu-Organe Yang, von außen betrachtet, sind die Sehnen und Knochen Yin und die Haut entspricht dem Yang.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 6) Die Haut ist Bestandteil des Tendinomuskulärbereichs, die Sehnen und Knochen sind Bestandteil des Hauptmeridianbereichs bzw. der Himmelund Erde-Teil des Hauptmeridianpunktes. 20 Pervertieren – vom Normalen krankhaft abweichen 21 „Insgesamt gibt es zwölf Ausgangspunkte für das jeweilige Meridi- an-Qi, die in der Regel an den jeweiligen vier Stellen von Ellbogen und Knie gelegen sind. Es sind dies die Punktstellen, von denen aus das Qi der Organe zu den 365 Punktstellen fließt.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 1) 22 Quint K., Quint K. jun.: Energetische Symmetrie und Ausgeglichen- heit, wichtige Grundlagen in der energetischen Akupunktur, Zeitschrift für Traditionelle Chinesische Medizin, 2/2010, 96-101 23 „Die Perverse Energie setzt sich anfangs in den Kapillaren und Se- kundärgefäße nieder.“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 58) 24 „Das Yin beginnt an den Füßen, steigt in Richtung Kopf, geht über zur oberen Extremität, um an den Fingern zu enden. Das Yang beginnt an den Fingern, geht zum Kopf und deszendiert zu den Füßen.“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 29) 25 Die Behandlung des Meridians erfolgt über die Hauptsteuerpunkte (Antike + Luo + Xi-Punkte) 26 Die energetischen Organe befinden sich im Gewebe. 27 Quint K., Quint K. jun.: Energetische Meridiantherapie, Zeitschrift für 180 Normal ist das Einstechen „wie in weichen Käse“. „Insgesamt gibt es zwölf Ausgangspunkte für das jeweilige Meridian-Qi, die in der Regel an den jeweiligen vier Stellen von Ellbogen und Knie gelegen sind. Es sind dies die Punktstellen, von denen aus das Qi der Organe zu den 365 Punktstellen fließt.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 1) 35 „Der Ausdruck Blut bezieht sich hier auf das Blut in den zwölf Blut- leitbahnen. Qi bezieht sich hier auf das Meridian-Qi in den zwölf Hauptmeridianen“. Vordergründig kann man aus diesem Kommentarhinweis schließen, dass Blutleitbahnen und die Hauptmeridiane als Leitbahnen des Qi hier als identische Einheiten verstanden werden.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 33) 36 jīng 經 durchlaufen (Weg/Zeit) 37 mài 脈/脉 Blutgefäß 38 „Die Farbe der Luo-Leitbahnen (Luo Mai 絡脈), die den Organme- ridianen des Yin (Tiefe) zugeordnet sind, entspricht der Farbe ihrer jeweiligen Organmeridiane (Jing Mai 經脈). Die Luo-Leitbahnen (Sun Luo) hingegen, die den Organmeridianen des Yang (Oberfläche) entsprechen, haben keine ständig bleibende Färbung und unterliegen vielmehr Farbveränderungen entsprechend dernVier Jahreszeiten.“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 57) 39 „Die Punkte der Luo Leitbahnen (Luo Mai 絡脈) und der Unschein- baren Leitbahnen (Sun Luo 孫絡) treffen mit den 365 Punktstellen der Organmeridiane zusammen ...“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 58) „Dass es 365 Punktstellen an den Gelenken gäbe ist eine Aussage in Bezug auf jene Stellen der netzförmig verlaufenden Leitbahnen (longitudinal und transversal), die die Gelenke ernähren.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 3) 40 „Der Anfangspunkt ist der Jing, von da passiert das Xue und das Qi die Punkte Ying, Shu, King und Ho und weiter die anderen Punkte.“(Nei Jing Ling Shu, Kap. 1) „Alle Nadelungen sind am System der Meridiane auszurichten, denn es sind doch die Meridiane, die den Durchfahrtsweg für den Fluss des Qi und des Blutes darstellen.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 10) 41 „Dann sollte man die kleineren und quer verlaufenden Luo-Leit- bahnen (sunluo) genau untersuchen und nach harten Wölbungen durch Blutklumpen absuchen zu Zwecken des Aderlassens. Nur so ist der freie Fluss.... hier fehlt was. Außerdem steht das schon unten.“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 35) „Selbst wenn sich keine Anzeichen von Blutklumpen feststellen lassen, sollte schnell zur Ader gelassen werden zur Abschwächung von krankmachendem Qi und zu Zwecken des Aderlasses.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 10) 42 „ Die einzig wirklich sichtbaren Krankheitsanzeichen finden sich hin- gegen nur in den Luo-Leitbahnen.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 10) 43 „Blau angelaufene Luo-Leitbahnen sind Anzeichen von Kälte und Rötung hingegen von Fieber.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 10) 44 „Bei Nadelung der Luo-Leitbahnen muss daher die Einstich- stelle der Nadel an der Stelle sein, wo die Luo-Leitbahnen aufei- ZTCM 3/2011 Sekundärmeridiane nandertreffen oder wo das Blut gerinnt. Selbst wenn sich keine und Blut verbleiben und nach innen und wieder nach außen fließen“. (Nei Anzeichen von Blutklumpen feststellen lassen, sollte schnell zur Jing Ling Shu, Kap. 39) Ader gelassen werden zur Abschwächung von krankmachendem „Die Krankheitsanzeichen der Hauptmeridiane sind in der Regel dem Qi und zu Zwecken des Aderlasses.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 10) bloßen Auge nicht zugänglich, Fülle oder Mangel des Qi dieser Meridia- „Dann sollte man die kleineren und quer verlaufenden Luo-Leitbahnen ne kann aber über die Pulsfühlung am Handgelenk festgestellt werden. (sunluo) genau untersuchen und nach harten Wölbungen durch Blut- Die einzig wirklich sichtbaren Krankheitsanzeichen finden sich hingegen klumpen absuchen zu Zwecken des Aderlassens. Nur so ist der freie nur in den Luo-Leitbahnen.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 10) Fluss des wahren Qi zu gewährleisten und verhindert, dass sich Yin und 49 Yang gegenseitig ‚auffressen‘.“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 35) Bié Luò 十 五 別 絡) mit Blut angefüllt sind und sediert werden müssen, 45 Die Sedierung und Dispergierung wird in gleicher Weise durchge- kann man sie in gleicher Weise wie 365 Leitbahnen betrachten.” (Nei führt. Dispergiert wird die ‚Perverse Energie’, 邪氣 Xié Qì, sediert wird Jing Su Wen, Kap. 58) ein Überschuss-Zustand der normalen, ‚gesunden’ Energie, 正氣 Zheng „In der Außenschicht entweicht die Wärme nach außen, im Inneren Qì. herrscht Energiemangel. Die Therapie besteht in einer sedierenden Na- 46 „Erscheinungen eines Qi-Überschusses müssen sediert, solche des „Wenn die Sunluo (孫絡)-Meridiane der Separaten Meridiane (Shí Wŭ delung, um Ying und Wei zu belüften. Die Sedierung muss direkt am Ort Qi-Mangels tonisiert werden.“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 45) der Stase durchgeführt werden, also dort, wo die Hautfarbe verändert 47 ist, ohne sich darum zu kümmern, die Vereinigungs- und Treffpunkte zu „Wie nadelt man bei einer Erkrankung des leichten Windes? Man muss die Muskeln nadeln, ohne die Nadel in die Meridiane einzufüh- nadeln“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 58) ren oder die Luo-Leitbahnen zu verletzen. Das Abwehrqi wird sich dann 50 erholen und das krankmachende Qi vertrieben.“ (Nei Jing Su Wen, Qi-Überschusses noch solche des Mangels, so handelt es sich ein- Kap. 62) fach um eine Qi-Störung innerhalb des betroffenen Meridians, die „Wie nadelt man, wenn sich Qi und Blut noch nicht im Kampf gegen das durch Anpassung an die jeweiligen Zustandsbedingungen des Qi in krankmachende Qi befinden? Dazu nadele man jene Stellen, die von diesem Meridian behandelt werden sollte.“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 45) dem krankmachenden Qi befallen sind. Die Nadel wird dabei aber nicht „Sind die Luo-Leitbahnen nicht hart und fest, so bedeutet dies, dass in die Meridiane eingeführt. Das wird zu einer sofortigen Beseitigung des krankmachendes Qi bereits in die tiefer liegenden Bereiche des Körpers, krankmachenden Qi führen“. (Nei Jing Su Wen, Kap. 62 wo auch die Hauptmeridiane verlaufen, vorgedrungen ist; die Hauptme- „Sind Nahrungs- und Abwehrqi versperrt und können nicht mehr weiter, ridiane sind dann ausgelaugt und leer und einem Angriff des krankma- verflüchtigt sich das Abwehrqi und lässt das Nahrungsqi überschwem- chenden Qi in besonderer Weise ausgesetzt. Und so können wir auch men. Dies führt zu Erschöpfung von Qi und Blutklumpen. In einem sol- die zwölf Hauptmeridiane von den anderen Leitbahnen unterscheiden chen Fall muss zurückhaltend sediert werden, damit sich der Durchfluss- und auch die Meridiane im einzelnen genau angeben, die jeweils von weg für Nahrungs- und Abwehrqi wieder öffnet. In einem solchen Fall krankmachendem Qi befallen sind.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 10) „Zeigen sich bei der Krankheit aber (weder) Erscheinungen des wird da genadelt, wo sich die Krankheitszeichen bei Abschwächung des Qi durch die Nadel zeigen, ohne besondere Punktstellen der Organmeridiane zu berücksichtigen”. (Nei Jing Su Wen, Kap. 58) Über den Autor „Man muss die Muskeln nadeln, ohne die Nadel in die Meridiane einzu- Dr. med. Karl Quint studierte Medizin in Temeschburg/Rumänien und führen oder die Luo-Leitbahnen zu verletzen. Das Abwehrqi wird sich spezialisierte sich im Fach Chirurgie. Seit 1970 praktiziert er Akupunktur. dann erholen und das krankmachende Qi vertrieben“. (Nei Jing Su Wen, Bis 1989 war er Dozent an der Universität Temeschburg und leitete zahl- Kap. 62) reiche wissenschaftliche Arbeiten im Gebiet der Chirurgie und Akupunk- 48 „Die Sedierung muss direkt am Ort der Stase durchgeführt werden, tur. Von 1982 bis 1989 Dozent für Akupunktur im Fortbildungszentrum also dort, wo die Hautfarbe verändert ist, ohne sich darum zu kümmern, des Gesundheitsministerium Rumäniens. Seit 1990 in Deutschland, von die Vereinigungs-Treffpunkte zu nadeln“ (Nei Jing Su Wen, Kap. 58) 1992 bis 2006 in eigener Praxis mit dem Schwerpunkt Akupunktur tätig. „Die Blutleitbahnen sind außerhalb der eigentlichen Blutleitbahnen gele- 1997 bis 2006 Leiter des Qualitätszirkels „Energetische Akupunktur“ in gen, und bei ihnen handelt es sich um die Enkelleitbahnen. Diese Blut- Langenzenn/Bayern. Autor des Kapitels „Traditionelle Grundlagen der leitbahnen sind durch die Haut wahrnehmbar; es sind die Stellen, wo Qi Akupunktur“ im Buch „Akupunktur – Von der Tradition zur Modernen und Blut verbleiben und nach innen und wieder nach außen fließen“. (Nei Wissenschaft“, Wissenschaftlicher und Enzyklopädischer Verlag Bu- Jing Ling Shu, Kap. 39) karest, 1988. Veröffentlichung mehrerer Artikel über die energetische „Bei Nadelung der Luo-Leitbahnen muss daher die Einstichstelle der Na- Akupunktur in deutschsprachigen Fachzeitschriften. del an der Stelle sein, wo die Luo-Leitbahnen aufeinandertreffen oder wo Dr. med. Karl Quint das Blut gerinnt.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 10) Quellenstr. 2 „Die Blutleitbahnen sind außerhalb der eigentlichen Blutleitbahnen gele- D-90556 Cadolzburg gen, und bei ihnen handelt es sich um die Enkelleitbahnen. Diese Blut- [email protected] leitbahnen sind durch die Haut wahrnehmbar; es sind die Stellen, wo Qi www.energetische-akupunktur.de ZTCM 3/2011 181