Abdominaltrauma - TraumaRegister DGU

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Unfallchirurg
1998 ´ 101:82±91 Springer-Verlag 1998
Leitthema
D. Nast-Kolb · A. Trupka · S. Ruchholtz · L. Schweiberer · Chirurgische Klinik und Poliklinik,
Klinikum Innenstadt der Ludwig-Maximilians-Universität München
Abdominaltrauma
Zusammenfassung
· Während im angloamerikanischen
Schrifttum das penetriende Abdominaltrauma überwiegt, steht im deutschsprachigen Raum die stumpfe Verletzungsform ganz im Vordergrund.
· Die stumpfe Abdominalverletzung kommt
selten isoliert, sondern meist im Rahmen
eines Polytraumas vor.
· Neben dem schweren Schädel-Hirn-Trauma stellt das Abdominaltrauma mit unstillbaren Massenblutungen die häufigste
Ursache für das Frühversterben innerhalb
der ersten Stunden dar.
· Präklinisch steht bei der perforierenden
Verletzung eher das ¹load and goª-Konzept im Vordergrund, wohingegen beim
stumpfen Trauma weiterhin die etablierten Maûnahmen der Schocktherapie und
-prophylaxe mit ebenfalls schnellst möglichem Transport in die geeignete Klinik zu
empfehlen sind.
· Im Schockraum ist bei Kreislaufinstabilität
eine sofortige Blutsubstitution erforderlich. Läût sich damit der Blutdruck nicht
stabilisieren muû eine unverzügliche Notlaparotomie erfolgen.
· Bei abdominellen Stichverletzungen wird
bei jeglichem Verdacht auf eine intraperitoneale Beteiligung die Laparoskopie
empfohlen, bei der Möglichkeit einer
Darmverletzung sollte sich jedoch direkt
die explorative Laparotomie anschlieûen.
Schuûverletzungen stellen fast immer
eine Indikation zur offenen Revision dar.
· Die Sonographie ist die Standarduntersuchung beim geschlossenen Bauchtrauma,
sie wird bei stabilen Kreislaufverhältnissen
und unklarem Befund durch die Computertomograhie und ggf. Angiographie ergänzt.
· Eine konservative Therapie ist bei isolierten intraabdominellen Verletzungen ohne
Kreislauf- und Gerinnungstörung unter
intensivmedizinischer Überwachung indiziert. Beim schweren Polytrauma sowie
manifestem Schock sollte auch bei geringem Flüssigkeitsnachweis die Laparotomie erfolgen.
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Der Unfallchirurg 2´98
· In der Diskussion steht die operative Therapie der Milzruptur. Ein schweres Begleittrauma und Schock sprechen weiterhin für
die Splenektomie, ansonsten ist ein vollständiger oder teilweiser Milzerhalt anzustreben.
· Bei Verletzungen der Leber reicht das
operative Spektrum, abhängig von der
Schwere der Organläsion, von oberflächlichen blutstillenden Maûnahmen über
Kompressionsverfahren (¹packingª und
¹mesh-wrappingª) bishin zu atypischen
und anatomischen Resektionen und in
Ausnahmefällen zur Lebertransplantation.
· Hohlorgan- und Pankreasverletzungen
stellen vor allem ein diagnostisches Problem dar und lassen sich bei frühzeitigen
Erkennen in der Regel mit einfachen operativen Verfahren behandeln.
In der aktuellen Literatur besteht Einigkeit
darüber, daû intraabdominelle Verletzungen
mit Ausnahme schwerster Leberzertrümmerungen mit Gefäûbeteiligung bei primär
richtiger Diagnostik und adäquater Therapie
keinen wesentlichen Einfluû auf den weiteren Verlauf und die Prognose haben. Diese
wird beim Polytrauma ausschlieûlich durch
die Schwere der einzelner Zusatzverletzungen und die Gesamtverletzungsschwere bestimmt.
Schlüsselwörter
Polytrauma · Notfalltherapie · AbdominalDiagnostik · Laparoskopie · Laparotomie
W
ährend im angloamerikanischen
Sprachraum penetrierende Verletzungen im Vordergrund stehen [22, 40],
kommen in Mitteleuropa überwiegend
stumpfe Abdominalverletzungen, meist
im Rahmen einer Mehrfachverletzung
vor [4, 44]. Umgekehrt muû bei jedem
Polytrauma in Abhängigkeit von der
Verletzungsschwere mit einer zunehmenden Häufigkeit von Rumpfverlet-
zungen gerechnet werden. So betrug
der Anteil des Abdominaltraumas im
prospektiv erfaûten Krankenkollektiv
der ¹Arbeitsgemeinschaft Polytraumaª
der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie bei 1037 Patienten (mittl. Injury Severity Score (ISS, [3]: 22 Punkte)
18 % [4], dagegen im eigenen Krankengut ebenfalls prospektiv erfaûter
Schwerstverletzter bei 195 Patienten
(mittl. ISS: 40 Punkte) 43 % [44]. Nachdem Polytraumatisierte mit Abdominalbeteiligung in der Regel mit einer höheren Gesamtverletzungsschwere behaftet sind als Patienten ohne Bauchverletzung, wird dem Abdominaltrauma
häufig eine erhöhte Letalität zugesprochen.Wie Auswertungen unserer prospektiven Polytraumastudie ergeben
haben [44] wurde der Tod innerhalb
der ersten Stunden nach Unfall neben
dem Schädel-Hirn-Trauma mit gleicher
Häufigkeit durch das Abdominaltrauma
bestimmt, bedingt durch Massenblutungen infolge schwerer Verletzungen
groûer Gefäûe bzw. parenchymatöser
Organe. Darüber hinaus konnte jedoch
mit dieser Analyse aufgezeigt werden,
daû Patienten mit operationspflichtigen
Läsionen des Abdomens trotz signifikant höherem Schweregrad (mittl. ISS:
44 versus 32 Punkte) keine höhere Spätsterblichkeit (17 % versus 15 %) aufgewiesen hatten als diejenigen ohne
Bauchtrauma. Dagegen ist bekannt,
daû die übersehene Abdominalverletzung eine der häufigsten vermeidbaren
Todesursachen beim Polytrauma darstellt [17]. Diese Ergebnisse zeigen, daû
die Prognose des Abdominaltraumas
durch eine schnelle und richtige Diagnostik und Therapie bestimmt wird,
welche sowohl die präklinische Versorgung am Unfallort als auch das weitere
klinische Management umfaût.
Prof. Dr. D. Nast-Kolb
Chirurgische Klinik, Nuûbaumstraûe 20,
D-80 336 München
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