Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Radioaktivität vom Franzosen Henri Becquerel durch Zufall entdeckt. Er hatte Uran auf eine in Papier eingeschlagene Fotoplatte gelegt und der Umriss des Urans zeichnete sich nach der Entwicklung der Platte genau ab. Wilhelm Conrad Röntgen entdeckte 1895, dass sich diese radioaktiven Strahlen auch künstlich erzeugen lassen. Die erste Röntgentherapie erfolgte bereits ein Jahr später. 11. Jahrgang · Nr. 4/2009 Inhalt PET-Tracer für die onkologische Diagnostik: Welche radiomarkierten Substanzen sind relevant? 4 Die Nuklearmedizin braucht Radiopharmazeuten! 12 Allgemeines zur Strahlentherapie 16 8. NZW-Süd: Aktuelle Krebstherapie und Wagner-Arien 19 Therapie des frühen Mammakarzinoms 41 Chemotherapie bei Schwangeren 44 Prophylaktische G-CSF-Gabe macht dosisdichte Protokolle erst möglich 48 Zenzi II – was ist neu? 50 Problemfall „alternative Heilmethoden“ – eine kritische Reflexion von Patientenseite, 2. Teil 52 Sommerakademie: ARS pharmaceutica – Kunst und Können in der Pharmazie 55 Ist Pegfilgrastim mehr als nur eine supportive Medikation? 58 Biologische Strahlenwirkungen und Nebenwirkungen – Eine Einführung 62 Krebsinformation hat eine Nummer: (08 00) 4 20 30 40 66 Ständige Rubriken Testiertes interaktives Selbststudium EDITORIAL Inhalt/Editorial 8 Who is who: Dr. Christina Bendas 49 Impressum 49 Buchbesprechungen 56 Heute sind die Zeiten der „Kobaltkanonen“ und Strahlenbunker vorbei und computergestützte dreidimensionale Planungen gestatten eine millimetergenaue Bestrahlung des Tumors. Kaum eine andere medizinische Disziplin hat sich in den USA und in Europa so rasant entwickelt. Mit der Einführung der eigenständigen Facharztbezeichnung Strahlentherapeut/-in wurde 1988 in Deutschland die Trennung der alten Gemeinsamkeit von diagnostischer Radiologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin vollzogen. Somit gehören im 21. Jahrhundert für uns selbstverständlich Verfahren wie Röntgen, Ultraschall, Computertomographie und Magnetresonanztomographie zur Diagnostischen Radiologie und die Krebsbehandlung mit ionisierenden Strahlen wird heute von den Strahlentherapeuten (Radioonkologen) sowie die mit radioaktiven Substanzen von den Nuklearmedizinern verantwortet. Für onkologisch tätige Pharmazeuten gibt es mit diesen „Dreien“ nicht nur im Rahmen ihrer multiprofessionellen Zusammenarbeit immer wieder Berührungspunkte. Weshalb es Sie, liebe Leser, sicher nicht verwundert, dass sich die „Onkologische Pharmazie“ dieser Thematik in der Ausgabe 4/2009 annimmt. Die Ihnen vorliegende Ausgabe spannt einen weiten Bogen von einer Einführung zur biologischen Strahlenwirkung und der Vorstellung einer Patienteninformation zum Thema Strahlentherapie über den Bericht zur Etablierung eines „Radiopharmazeuten“ in anderen Ländern Europas bis hin zur Thematik der PET-Tracer für die onkologische Diagnostik. Aber auch die hochkarätigen Vorträge vom 8.NZW-Süd in Ravensburg werden wieder für Sie zusammengefasst und durch Berichte von internationalen Konferenzen ergänzt. In der onkologischen Therapie kommen zunehmend orale Darreichungsformen mit neuartigen Toxizitäten zum Einsatz. Um ein hohes Maß an Therapiesicherheit und Beratungsqualität für onkologische Patienten und deren Angehörige sicher zu stellen, bietet die DGOP in Zusammenarbeit mit allen Kammerbereichen und der ABDA sowie mit Unterstützung der Deutschen Krebsgesellschaft Informations- und Fortbildungsveranstaltungen für Apotheker an. Nehmen auch Sie an der am 09.12.2009 bundesweit stattfindenden Auftaktveranstaltung „Kompetente Antworten auf scheinbar einfache Fragen – Apotheken beraten onkologische Patienten“ in Ihrem Kammerbezirk teil! Ihre Karla Domagk Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 3 Lebender Kolumnentitel PET-Tracer für die onkologische Diagnostik: Welche radiomarkierten Substanzen sind relevant? Von Torsten Knieß und Jörg Steinbach, Dresden K rebserkrankungen entstehen aus Veränderungen in den Wechselwirkungen zwischen Onkogenen und Tumorsupressorgenen, welche unter normalen physiologischen Bedingungen für die Regulierung des Zellwachstums und der Zellteilung verantwortlich sind. Das Verhalten der Krebszelle wird dabei durch eine Vielzahl von Faktoren aus dem genetischen und Mikromilieu des Organismus bestimmt. Als Ergebnis der genetischen Abweichungen treten bestimmte funktionale Veränderungen auf. So sind Tumorzellen durch erhöhten Stoffwechsel (Glukosemetabolismus, Aminosäuretransport, Protein-, DNA- und Lipidsynthese) sowie durch angiogene und hypoxische Prozesse charakterisiert, welche unweigerlich zu der Ausbildung von unkontrollierten Läsionen führen [8]. Zur Diagnose und bildlichen Darstellung von Tumorerkrankungen werden seit längerem die Computertomographie (CT) und in den letzten 10 Jahren auch verstärkt die Magnetresonanztomografie (MRT) genutzt, jedoch haben diese nicht-invasiven Imaging-Verfahren oft den Nachteil der unzureichenden Spezifität und Empfindlichkeit, die gerade für die Frühdiagnose von Tumoren notwendig sind, und es besteht nicht die Möglichkeit, funktionelle in vivo Prozesse über die Zeit zu verfolgen. Die Visualisierung und Charakterisierung biologischer Prozesse auf molekularem und zellulärem Niveau im lebenden System wird als molekulare Bildgebung bezeichnet. Mit auf Radionukliden basierenden Imaging-Verfahren wie der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und der Single-Photon-Emissions-To- 4 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 mografie (SPECT) können funktionelle Störungen und pathologische Veränderungen mit Hilfe krankheitsspezifischer radiomarkierter Substanzen (Radiotracer, Radiopharmaka) sichtbar gemacht werden. In der onkologischen Diagnostik wichtige Fragen wie Differenzierung von gutartigen und bösartigen Tumoren, Auffinden von Primärtumoren bzw. Metastasen, Erkennen von Rezidiven, Ansprechen auf Therapien sowie Planung von Biopsien oder chirurgischen Eingriffen sind mit Hilfe der molekularen Bildgebung leichter und sicherer zu beantworten. In den letzten Jahren hat die Fusion von PET und CT zu Geräten geführt, die durch die Kombination der Bildgebung von biologischen Prozessen mit den traditionellen anatomischen Parametern ein Maximum an PET-Tracer für die onkologische Diagnostik Information für den Kliniker bei einer deutlich erhöhten Spezifität liefern. Aufgrund des erforderlichen Umgangs mit radioaktiven Substanzen auf hohem Aktivitätsniveau und aus Gründen des Strahlenschutzes - bei einer Radiopharmakasynthese werden mehr als 100 GBq 18F eingesetzt - kann die Herstellung von PET-Radiopharmaka nur durch automatisierte Syntheseanlagen in mit Blei abgeschirmten speziellen Boxen erfolgen (Abb. 2). Der vorliegende Artikel gibt einen kurzen Überblick über die zur Zeit in der Klinik verwendeten mit den Radionukliden 18F und 11C markierten PET Radiotracer für die onkologische Diagnostik und beschreibt kurz ihre Herstellung und das Prinzip ihrer spezifischen Anreicherung. PET-Radiopharmaka Gemäß Arzneimittelgesetz (AMG) §4 Abs.8 werden radioaktive Arzneimittel definiert als Stoffe, „die radioaktive Stoffe sind oder enthalten und ionisierende Strahlen spontan aussenden und die dazu bestimmt sind, wegen dieser Eigenschaften angewendet zu werden; als radioaktive Arzneimittel gelten auch für die Radiomarkierung anderer Stoffe vor der Verabreichung hergestellte Radionuklide (Vorstufen)“. Im einfachsten Fall kann das Radionuklid selbst als Radiopharmakon verwendet werden (Beispiel [18F]Fluorid), meist jedoch sind die Radionuklide im organischen Molekül gebunden. Solche Moleküle müssen als Voraussetzung für ihre Anwendung eine entsprechende Pharmokokinetik und hohe biologische Affinität zum Ziel(organ) aufweisen. Bei den in der onkologischen PET-Diagnostik hauptsächlich verwendeten Radionukliden 18F und 11C wird durch den isotopen Austausch eines 12C-Kohlenstoffatoms gegen Abb. 1: Versand-Verpackung von PETRadiopharmaka mit Substanzgefäß, Bleicontainer, Tragekanister und äußerer Transportverpackung das Radionuklid 11C das Verhalten des Radiopharmakons in vivo praktisch gar nicht und im Falle der meist bioisosteren Substitution eines H-Atoms gegen 18F nur geringfügig verändert. Da diese PET-Nuklide sehr kurze Halbwertszeiten aufweisen (18F=109,7 min, 11 C=20,4 min) müssen sie am Einsatzort, einem PET-Zentrum, erzeugt werden. PET-Zentren bestehen aus einem Beschleuniger (PET-Zyklotron), den GMP-gerechten radiopharmazeutischen Laboratorien (Herstellung) einschließlich Qualitätskontrolle sowie dem PET-Scanner (Kamera). Da viele Kliniken die erheblichen Kosten für Investition und Unterhaltung eines PETZentrums nicht tragen können, hat sich in jüngster Zeit das so genannte „Satellitensystem“ durchgesetzt, d.h. die Auslieferung der 18 F-Radiopharmaka an Kliniken und Praxen im Umkreis bis ca. 200 km (Abb. 1). Abb. 2: Syntheseanlage für PET-Radiopharmaka in mit Blei abgeschirmter Box Da bei der Radiopharmakaherstellung (Abb. 3) neben den strahlenschutztechnischen Maßnahmen auch Richtlinien gemäß der GMP und der aseptischen Produktion beachtet werden müssen, sind eine Vielzahl von Steuer- und Kontrolleinrichtungen, Dokumentationen, Genehmigungen sowie speziell ausgebildetes Personal unerlässlich. PET-Radiotracer für die Onkologie PET-Radiopharmaka für die onkologische Routinediagnostik machen sich meist den erhöhten Grundumsatz von Tumoren zunutze, d.h. die Protein-, Nuklein- und Fettsäuresynthese sowie den gesteigerten Energiebedarf. Es werden aber auch tumorspezifisch hochgeregelte Rezeptoren wie der Estrogen- und der Somastotatin-Rezeptor für die Anreicherung von Radiopharmaka und damit zur Bildgebung angewandt. Zusätzlich können tumorspezifische Prozesse wie die Ausbildung eines tumortypischen Milieus (Veränderung pHWert, Sauerstoffmangel) oder Bildung von Abb. 3: Radiopharmakaherstellung im Institut für Radiopharmazie Dresden Rossendorf Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 5 PET-Tracer für die onkologische Diagnostik Blutgefäßen (Angiogenese) zur Anreicherung eines Radiotracers genutzt werden. Die umfangreiche Gruppe der onkologischen Radiotracer, die mit anderen Radionukliden wie 68Ga und 64Cu für PET bzw. mit 99mTc, 111 In und 123I für SPECT markiert sind, soll hier nur erwähnt und auf exzellente Übersichtsartikel hingewiesen werden [2, 13]. 2-[18F]Fluor-2-desoxy-D-glucose, [18F]FDG [18F]FDG ist weltweit der am meisten produzierte und verwendete PET-Tracer und besitzt in vielen Ländern eine Zulassung als Arzneimittel. Der Umstand, dass Tumorzellen einen gesteigerten Glukosestoff wechsel besitzen, wurde bereits von Otto Warburg in den 30-er Jahren erkannt [17]. Weitere 30 Jahre später wurde 2-Desoxy-D-glukose (DG) als Chemotherapeutikum beschrieben, da sie vom Glucosetransporter (GLUT) als Glucoseanalogon in die Zelle eingeschleust und durch die Hexokinase zu 2-Desoxy-DGlucose-6-phosphat umgesetzt wird [11]. Dieser Metabolit wird durch keine weiteren Enzyme angegriffen, akkumuliert sich in der Zelle und blockiert damit den Stoff wechsel. 1978 wurde erstmals in der 2-Position der DG anstelle eines Wasserstoff s ein 18F als Radionuklid eingeführt [9]. Aufgrund der gesteigerten Anzahl von Glucosetransportern GLUT-1 und GLUT-3 in Tumorzellen wird eine Anreicherung des [18F]FDG erzielt. Am Beispiel des [18F]FDG soll hier kurz auf die heute überwiegend angewandte mehrstufige Synthese des bedeutendsten PET-Radiotracers eingegangen werden [5,6] (Abb. 4). Abb. 4: Radiosynthese von [18F]FDG Als Targetmaterial für die Produktion von [18 F]Fluorid am Zyklotron wird mit dem natürlichen Isotop 18 O hochangereichertes (>97%) Wasser verwendet. Durch die 18O(p,n)18F Kernreaktion wird das gewünschte Radionuklid erzeugt, das dann als [18F]Fluorid in wässriger Lösung vorliegt. Am Anionenaustauscher wird [18F]Fluorid durch Elution mit einer K 2CO3-Lösung abgetrennt, das Kalium-Ion wird mit einem Kryptanden (K2.2.2) komplexiert und in die organische Phase (Acetonitril) überführt. Das nunmehr hochreaktive [18F]Fluorid reagiert mit dem Präkursor (Acetyl-geschütztes Mannosetrifl at) in einer nukleophilen Substitution (Abb. 4). Die Acetyl-Schutzgruppen werden anschließend durch basische Hydrolyse (NaOH) entfernt und das Produkt mittels Passage durch verschiedene Kartuschen gereinigt. Nach Formulierung in physiologischer Injektionslösung und Sterilfi ltration steht das [18F]FDG zur Injektion zur Verfügung, vorbehaltlich der Freigabe durch das Qualitätskontrolllabor entsprechend den Kriterien der Monografie der Europäischen Pharmacopöe. In den letzten 25 Jahren ist die Bedeutung des [18F]FDG in der onkologischen Diagnostik rapide gestiegen (Abb. 5). Unzählige Studien belegen den klinischen Wert des FDG-PET für die Einstufung verschiedenster solider Tumoren, Metastasen und Narbengebilde [18]. Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass bestimmte Faktoren die Aufnahme des [18F]FDG in den Tumor limitieren und zu falsch-positiven und falsch-negativen Ergebnissen führen können. Zum einen besitzt das Gehirn einen sehr hohen Glucoseumsatz, da die Energiegewinnung des Hirns fast ausschließlich durch die Metabolisierung von Glucose erfolgt. Dies macht die Detektion von Hirntumoren mit [18F]FDG quasi unmöglich, zum anderen existieren im Körper Prozesse, bei denen durch Entzündungen oder Makrophagen vermehrt Adenosin-Triphosphat erzeugt und damit der Glukosestoff wechsel erhöht wird. Außerdem hängt die Auf- 6 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Abb. 5: [18F]FDG PET-Untersuchung, MaximumIntensitäts-Projektion. Bronchial-Karzinom pulmonal links zentral (roter Pfeil). Lymphknotenmetastasen im oberen Mediastinum und cervikal links (blaue Pfeile) nahme von [18F]FDG in den Tumor stark vom aktuellen Glukosespiegel des Patienten ab, d.h. durch erhöhten Blutzucker kann die Aufnahme des Radiotracers vermindert werden. Radiofluorierte Aminosäuren: [18F]F-TYR, [18F]FET, [18F]F-DOPA, [18F] 3-OMFD Die Tatsache, dass Tumore einen gesteigerten Aminosäuretransport und eine höhere Proteinsyntheserate besitzen, ist bereits seit den 60er Jahren bekannt. Der Aminosäuretransport wird durch mehr als 20 Transportsysteme realisiert, welche durch Onkogene verstärkt werden können. Diesen gesteigerten Transport von Aminosäuren in die Tumorzelle gegenüber dem Normalgewebe nutzt man aus, um radiomarkierte Aminosäurenanaloga in den Tumor einzuschleusen und diesen mit der PET sichtbar zu machen. Radiomarkierte Aminosäuren werden vorrangig zur Diagnose von Hirntumoren und deren Rezidiven eingesetzt, da dort [18F]FDG nicht anwendbar ist (vgl. oben). Die von den Transportsystemen bevorzugten Verbindungen sind neben Methionin vor allem aromatischen Aminosäuren wie Leucin, Valin, Tyrosin und Phenylalanin. Die bekanntesten mit 18F markierten Derivate sind 2-[18F]Fluor-L-tyrosin [18F]F-TYR; O-(2-[18F]fluorethyl)-L-tyrosin [18F]FET; [18F]Fluor-L-dihydroxyphenylalanin [18F]F- PET-Tracer für die onkologische Diagnostik [11C]L-Methionin wird im Gegensatz zu [18F]FDG im normalen Hirn nicht aufgenommen [10]. Die meist angewandte Radiosynthese erfolgt durch Umsetzung von L-Homocystein-thiolacton mit [11C]Methyliodid, wobei die kurze Halbwertszeit von 20 min des PET-Radionuklids 11C sowohl die absolute Ausbeute verringert als auch den zeitlichen Rahmen für eine Patientenuntersuchung limitiert. Abb. 6: 18 F markierte Aminosäuren [ F]F-DOPA, das auch zur Diagnostik des Morbus Parkinson genutzt wird, besitzt einen ausgeprägten in vivo Metabolismus und wird zum einen durch Decarboxylasen zu [18F]F-Dopamin umgesetzt, zum anderen durch Catechol-O-methyltransferase zu 3O-Methyl-6-[18F]fluor-L-dihydroxyphenylalanin ([18F]3-OMFD) methyliert. Beide Metaboliten werden im Hirn verteilt und besitzen damit ein beträchtliches Potential für die Lokalisation von Hirntumoren. Dies war auch der Ansatzpunkt, [18F]3-OMFD als Radiotracer zu entwickeln, ohne dass zahlreiche Metaboliten des [18F]F-DOPA die Spezifität der Tomogramme limitieren. 18 Abb. 7: [11C]L-Methionin DOPA und 3-O-Methyl-6-[18 F]f luor-Ldihydroxyphenylalanin ([18 F]3-OMFD) (Abb. 6). Die Herstellung der oben genannten aromatischen Aminosäuren durch Radiofluorierung entsprechender Präkursoren ist ein mehrstufiger Prozess, der durch elektrophile Fluorierung mit [18F]F 2-Gas oder nukleophile Substitution mit [18F]Fluorid durchgeführt wird. Die freien Hydroxyl- und Aminofunktionen sind dabei mit Schutzgruppen versehen, welche nach der Radiomarkierung entfernt werden müssen. In fast allen Fällen ist eine Reinigung des Rohproduktes mit semi-präperativer HPLC erforderlich, was zu Synthesezeiten bis 90 min führt und die praktisch erreichbare radiochemische Ausbeute des Radiotracers limitiert. Aufgrund ihrer exzellenten Eigenschaften zur Detektion von Tumoren haben die 18F-markierten Aminosäuren in den letzten 10 Jahren immer größere Bedeutung auch außerhalb des Gehirns gewonnen, denn im Gegensatz zu [18F]FDG besitzen sie eine spezifischere Tumoraufnahme und erlauben die Abgrenzung entzündlicher Prozesse, da dort die Proteinsyntheserate nicht erhöht ist. 3’-Deoxy-3’-[18F]fluorthymidin, [18F]FLT Die Wucherung von Tumorzellen (Proliferation) wird durch die Geschwindigkeit der Zellteilung bestimmt und ist damit ein Maß für die Aggressivität des Tumors. Während die Proteinsyntheserate die Proliferation von Zellen nur unvollständig widerspiegelt, ist die DNA-Synthese untrennbar mit der Zellteilung verknüpft. Die zahlreichen Studien und Ergebnisse zu klinischen Untersuchungen mit 18F markierten Aminosäuren sind in kürzlich erschienenen Übersichtsartikeln zusammengefasst [1, 10]. [11C]L-Methionin Abb. 8: 3’-Deoxy-3’-[18F]fluor-thymidin, [18F]FLT C markierte Aminosäuren wurden bisher in den späten 1970er und 1980er Jahren entwickelt, konnten sich für die Routineanwendung infolge der komplizierten Synthesen und der Halbwertszeit des 11C von nur 20 min mit Ausnahme des [11C]L-Methionins nicht etablieren. L-Methionin wird als aliphatische Aminosäure irreversibel in die Tumorzelle eingebaut. Die entsprechende 11C-markierte Verbindung (Abb. 7) hat sich als geeigneter Radiotracer für die Detektion von Hirn-, Kopf-, Hals- sowie Lungentumoren erwiesen. 11 Ein klassisches Konzept in der Tumorbehandlung ist die Administration von Cancerostatika aus der Stoff klasse der Nukleoside wie 5-Fluoruracil, wobei der anti-proliferative Effekt darauf beruht, dass das Nukleosid in die DNA eingebaut und der Prozess der Zellteilung unterbrochen wird. Unmarkiertes 3’-Deoxy-3’-fluor-thymidin wird als antivirales und zytostatisches Mittel verwendet und es war nur folgerichtig, dass Radiomarkierungen mit den PET-Nukliden 18F und 11 C erfolgten. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 7 PET-Tracer für die onkologische Diagnostik Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP IV/2009 PET-Tracer für die onkologische Diagnostik: Welche radiomarkierten Substanzen sind relevant? 1. In der onkologischen Diagnostik lassen sich mit Hilfe der molekularen Bildgebung folgende Fragen besser beantworten: B- Richtlinien des Strahlenschutzes, der GMP und aseptischer Produktion A- Auffinden von Primärtumoren bzw. Metastasen C- Richtlinien des Strahlenschutzes und der Besitz einer behördlichen Herstellungserlaubnis B- Differenzierung von Primärtumoren und Metastasen C- Differenzierung von gutartigen und bösartigen Tumoren D- Erkennen von Rezidiven 2. Als radioaktive Arzneimittel werden definiert: A- Mit den Radionukliden 11C und 18F markierte Stoffe die in der Positronen-Emissions-Tomografie angewendet werden. B- Stoffe, die radioaktive Stoffe sind oder enthalten und ionisierende Strahlen spontan aussenden C- für die Radiomarkierung anderer Stoffe vor der Verabreichung hergestellte Radionuklide D- Stoffe, die radioaktive Stoffe sind oder enthalten und ionisierende Strahlen spontan aussenden, und wegen dieser Eigenschaften angewendet werden D- Richtlinien der GMP, des Strahlenschutzes und der Besitz einer behördlichen Herstellungserlaubnis 4. Bei der Bildgebung von Tumoren mit PET-Tracern macht man sich folgende Prozesse zu nutze A- den gesteigerten Energiebedarf von Tumoren B- den Sauerstoffüberschuss und die gesteigerte Nukleinsäuresynthese in Tumoren C- die Erhöhung des pH Wertes, und die Hypoxie von Tumoren D- die Expression tumorspezifisch hochgeregelter Rezeptoren Richtige Antworten zum Beitrag „Hormonsubstitution nach malignen Erkrankungen“ 3. Bei der Herstellung von Radiopharmaka müssen folgende Richtlinien beachtet werden: in „Onkologische Pharmazie“ Heft II/09 A- Richtlinien der GMP und die Kriterien der Monografie der Europäischen Pharmacopöe. 1. A, B, D 2. B, C, D 3. A, C 4. A, B, D Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2009 Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem Artikel in der „Onkologischen Pharmazie“ und der Ergänzung der erforderlichen Angaben können Sie den gekennzeichneten Bereich der Zeitung ausschneiden oder kopieren und an nachfolgende Fax-Nummer der DGOP faxen. Auch mehrere Antworten können richtig sein. Beim Selbststudium wünschen wir viel Erfolg! Per Fax: +49-40-79 14 03 02 Name: Vorname: Einrichtung: Straße: PLZ/Ort: PET-Tracer für die onkologische Diagnostik: Welche radiomarkierten Substanzen sind relevant? Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die Fragen persönlich beantwortet habe. (Onkologische Pharmazie Nr. 4/2009) Meine Antwort (X) lautet bei: Frage 1: A B C D Frage 2: A B C D Frage 3: A B C D Frage 4: A B C D 8 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes interaktives Selbststudium-DGOP“ bitte ich um die Registrierung meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der erreichten Punktzahl. Datum: Unterschrift: PET-Tracer für die onkologische Diagnostik Alle bisher beschriebenen Synthesen von 3’-Deoxy-3’-[18F]fluor-thymidin [18F]FLT (Abb. 8) erfolgen durch nukleophile Substitution unterschiedlicher Präkursoren mit [18F]Fluorid. Wegen der geringen Reaktivität des Arabinose-Ringes gelingt die Einfuhr des Radionuklides nur schwer und nach Entschützung und chromatografischer Reinigung werden Ausbeuten um 15% erreicht. [18F]FLT wird in der Zelle durch die Thymidinkinase TK1 phosphoryliert, deren Expression in Tumorzellen bis 15-fach erhöht und auch unabhängig von der DNA-Synthese ist. Da die Rückdiff usion des negativ geladenen [18F]FLT-Monophosphates verhindert wird, kommt es zu einer Akkumulation des Radiotracers in der Zelle. In der Literatur gibt es widersprüchliche Angaben, ob und in welchem Umfang [18F]FLT in die DNA eingebaut wird. Der Radiotracer besitzt eine hohe metabolische Stabilität in vivo und zeigt im normalen Hirngewebe keine Aufnahme, wird aber in Hirntumoren angereichert. Klinische Studien mit [18F]FLT an unterschiedlichen Tumoren belegen, dass der Radiotracer ein viel versprechendes Diagnostikum ist und sich auch zur Beurteilung des Ansprechens auf eine Behandlung mit Zytostatika eignet [13]. wichtigen Bestandteil von Zellmembranen, sowie des Betains und des Neurotransmitters Acetylcholin. Bedingt durch die schnelle Teilung von Tumorzellen ist deren Bedarf an Substraten zur Biosynthese von Bestandteilen der Zellmembran beträchtlich erhöht, was zu einer verstärkten Cholinaufnahme führt. Somit können mit 11C und 18F markierte Cholinderivate als Proliferationstracer in der PET verwendet werden. Die ersten Untersuchungen mit [11C]Cholin wurden 1997 durchgeführt, im gleichen Jahr erfolgte die Synthese von [18F]Fluorcholin FCH (Abb. 9). Wä h rend d ie R ad ioma rk ier u ng von [11C]Cholin recht einfach durch Umsetzung des Aminoalkohols mit [11C]Methyliodid möglich ist, erfordert die Synthese von [18F]Fluorcholin FCH einen zweistufi gen Prozeß beginnend mit der Herstellung des gasförmigen Methylierungsreagenzes [18F]Bromfluormethan. Verschiedene Tumorarten wurden mit [11C]Cholin und [18F]Fluorcholin FCH untersucht, darunter im Hirn, in Lunge, Speiseröhre und Dickdarm. Als besonders geeignet haben sich diese Radiotracer in jüngster Zeit bei der Diagnostik des Prostatakarzinoms erwiesen [8]. [18F]Fluorcholin FCH und [11C]Cholin Cholin als quartärer Aminoalkohol wird als wichtiger Nährstoff eingestuft, besitzt aber nicht den Status eines Vitamins, da es in geringen Mengen vom Körper selbst synthetisiert werden kann. Cholin ist essentiell für die Herstellung von Phosphatidylcholin, einem [11C]Acetat Acetat wird leicht von Zellen aufgenommen und durch die Acetyl-CoA-Synthease in Acetyl-Coenzym A umgewandelt. Dieses ist ein zentrales Zwischenprodukt des Organismus für die Synthese zahlreicher Bausteine (u.a. Cholesterin und Fettsäuren), wird aber auch für die Energiegewinnung benötigt. In Tumorzellen ist das Enzym Fettsäuresynthease überexprimiert, d.h. Acetat wird überwiegend in Fettsäuren umgesetzt und in die Membran der Tumorzelle eingebaut. Mit dem PET-Radionuklid 11C radiomarkiertes [11C]Acetat kann durch die Umsetzung von [11C]CO2 mit Methylmagnesiumbromid und anschließender alkalischer Hydrolyse und Kartuschenreinigung in ausreichenden Aktivitätsmengen (> 10 GBq) hergestellt werden, so dass auch mehrere Patientenuntersuchungen mit einer Charge möglich sind. [11C]Acetat wird bevorzugt für die Detektion von Prostatakarzinomen verwendet, ist aber gleichfalls für weitere Tumorarten geeignet [4]. [18F]Fluorid Knochengewebe bef indet sich in einem ständigen Gleichgewicht zwischen osteoklastischen und osteoblastischen Prozessen. Tumorerkrankungen am Knochen treten meist auf, wenn Tumorzellen in das Knochenmark transportiert werden und Metastasen (Mamma-CA, Prostata-CA) ausbilden können, wobei dieses Gleichgewicht gestört und die knochenauf bauenden Reaktionen verstärkt werden. Die Diff usion von FluoridIonen in den Knochen wurde bereits 1940 beschrieben und beruht auf dem Austausch vom Hydroxylgruppen im Hydroxyapatit (Ca 10 (PO 4) 6(OH)2) gegen Fluorid mit Bildung von Fluorapatit [16]. [18F]Fluorid als Radiotracer zur Darstellung des Knochenstoff wechsels ist bereits seit den 60-er Jahren bekannt, hat jedoch mit der Entwicklung der hochempfi ndlichen PET/CT Scanner in der letzten Dekade hinsichtlich der Aufspürung von Skelettmetastasen eine deutliche Renaissance erlebt [3]. Im Plasma bindet das [18F]Fluorid nicht an Proteine und zeigt eine deutlich schnellere Blutclearance, wodurch eine exzellente Skelettdarstellung erreicht wird. Damit zeigt es deutliche Vorteile im Vergleich zu sich analog anreichernden SPECT-Verbindungen auf der Basis 99mTcmarkierter Phosphonate. Abb. 9: [11C]Cholin und [18F]Fluorcholin FCH Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 9 PET-Tracer für die onkologische Diagnostik estradiol, [18F]FES (Abb. 11) als am besten geeignete Verbindung behauptet hat. Abb. 10: [18F]Fluormisonidazol, [18F]FMISO Abb. 11: 16α-[18F]fluor-17β-estradiol, [18F]FES Die Produktion von [18F]Fluorid ist relativ unkompliziert, da das Radionuklid nur aus dem nach der Bestrahlung am Zyklotron anfallenden [18 O]H 2 O-Targetwasser mittels Anionenaustauscher abzutrennen, auf isotonisches Niveau zu bringen und steril zu fi ltrieren ist. hypoxischer Tumore vorgeschlagen und nach mehrfacher Optimierung der Syntheseroute steht heute ausgehend von einem kommerziell erhältlichen Präkursor ein automatisiertes Verfahren zur Verfügung, das [18F]FMISO in radiochemischen Ausbeuten > 40% inklusive HPLC-Reinigung liefert. [18F]Fluormisonidazol, [18F]FMISO Mit zunehmendem Wachstum und Volumen unter proliferierenden Bedingungen können Tumorzellen ihren Sauerstoffgehalt nur begrenzt decken, wodurch im Inneren des Tumors ein ständiger Sauerstoff mangel (Hypoxie) herrscht. Unter diesen Umständen kann die Zellteilung vermindert oder gestoppt werden. Es ist aber auch möglich, dass sich die Zellen unter hypoxischen Verhältnissen verändern und sich diesen neuen Bedingungen anpassen. Das kann zu erheblichen Resistenzen gegenüber einer Chemobzw. Strahlentherapie führen. Die Idee, Nitroimidazole als bioreduzierbare Marker hypoxischer Zellen zu verwenden und Tumore gegen strahlentherapeutische Behandlung zu sensibilisieren, wurde 1981 publiziert [12]. Die Autoren konnten zeigen, dass die Nitroimidazole nach Diff usion in die Tumorzelle unter Hypoxie durch Nitroreduktasen zu aminartigen Spezies reduziert werden und kovalente Bindungen zu intrazellulären Makromolekülen, hauptsächlich thiolhaltigen Proteinen, ausbilden. Bereits 1984 wurde [18F]Fluormisonidazol [18F]FMISO (Abb. 10) als Radiotracer für die Bestimmung [18F]FMISO unterliegt einer sehr langsamen Biokinetik. Deshalb versucht man gegenwärtig, unter Nutzung des oben genannten Trappingprinzips neue 18F-markierte Verbindungen wie [18F]FAZA, [18F]FETNIM oder [18F]FETA für den klinischen Einsatz zu entwickeln. Basierend auf der Nutzung von [18F]FMISO und neuerer Radiotracer wird eine imagingbasierte Bestrahlungsplanung und Behandlung hypoxischer Tumore angestrebt [1, 15]. [18F]Fluorestradiol [18F]FES Estrogene sind Steroidhormone die an spezielle Estrogenrezeptoren (ER) binden und zahlreiche physiologische Prozesse steuern. ER sind für die Diagnostik von Brustkrebserkrankungen von Bedeutung. Bei ca. 70% der Brustkrebserkrankungen beruht eine hormonelle antiöstrogene Chemotherapie auf der Überexprimierung der Estrogenrezeptoren, die vorrangig im Zellkern lokalisiert sind. Zur Abbildung und Quantifi zierung ERhaltiger Brusttumore wurden bereits vor 25 Jahren fluorierte Estradiole vorgeschlagen, wobei sich bis heute das 16α-[18F]fluor-17β- 10 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 [18F]FES stellt einen PET-Radiotracer dar, der durch seine Bindung am ER zur Tumordetektion verwendet werden kann. Die automatisierte Radiosynthese verwendet ein zyklisches Sulfat als Präkursor und liefert nach nukleophiler Substitution mit [18F]Fluorid [18F]FES in 50% radiochemischer Ausbeute mit hoher spezifischer Aktivität [14]. Obwohl [18F]FES im Blut an Albumin und andere Proteine gebunden wird und einen schnellen Metabolismus zeigt, besitzt es eine ausreichende Empfindlichkeit, um Metastasen bei Patienten mit hohem ER-Niveau darzustellen. Es existieren heute zahlreichen Studien mit [18F]FES-PET sowie Vergleiche mit [18F]FDG. Die Anwendung von [18F]FES erlaubt die Charakterisierung des Rezeptorstatus in vivo (in vivo – Biopsie), was von besonderem Interesse für ER-basierte Therapien ist. Es werden weiterhin intensive Arbeiten zu neuen 18F markierten Steroiden durchgeführt, welche die Klinik aber noch nicht erreicht haben, darunter Estrogensulfatase-Inhibitoren und Progesteron Rezeptor Liganden [1]. Ausblick Der Erfolg von [18F]FDG als PET-Tracer für die Diagnose einer breiten Anzahl von Tumorerkrankungen hat der onkologischen Diagnostik in den letzten 15 Jahren ein neues Feld eröffnet und der Nuklearmedizin einen erheblichen Auftrieb verschaff t. Eine detailliertere Diskussion über Radiopharmaka, die in der Onkologie, Neurologie, Gentherapie oder Kardiologie zum Einsatz kommen, würde den Rahmen dieser Kurzübersicht sprengen, deshalb sei auf weiterführende Literatur verwiesen [15]. SI-Einheiten der Radioaktivität: Becquerel (Bq) 1 Bq 1 kBq 1 MBq 1 GBq = = = = 1 Zerfall pro Sekunde 103 Zerfälle pro Sekunde 106 Zerfälle pro Sekunde 109 Zerfälle pro Sekunde PET-Tracer für die onkologische Diagnostik Radiotracer Diagnostischer Einsatz [18F]FDG Diagnostik unterschiedlicher solider Tumore, Metastasen und Narbengebilde [6] Hamacher K. et al.: Efficient stereospecific synthesis of NCA 2[18F]fluoro-2-deoxy-D-glucose using aminopolyether supported nucleophilic substitution. J.Nucl. Med., (1986), 27, 235-238 [7] Hanahan D. und Weinberg R.A.: The hallmarks of cancer; Cell (2000); 100:57-70 [18F]F-TYR [18F]FET [18F]F-DOPA [18F]3-OMFD Diagnose von Hirntumoren und deren Rezidiven [11C]Methionin Detektion von Hirn-, Kopf-, Hals- sowie Lungentumoren [18F]FLT Proliferationstracer, Detektion von Hirn- und Lungentumoren [18F]Fluorcholin [11C]Cholin Proliferationstracer, Detektion vom Hirn-, Lungen-, Speiseröhrenund Prostatakarzinomen [11C]Acetat Detektion von Prostatakarzinomen [18F]Fluorid Detektion von Knochentumoren und Metastasen [18F]FMISO Hypoxiemarker, Detektion hypoxischer Tumore [18F]FES zur Abbildung und Quantifizierung ER-haltiger Brusttumore [8] Hara T. et al.: Development of [18F]fluoroethylcholine for cancer imaging with PET: synthesis, biochemistry, and prostate cancer imaging; J.Nucl.Med., (2002), 43, 187-99 [10] Kumar R. et al.: Oncologic PET tracers beyond [18F]FDG and the novel quantitative approaches in PET imaging; Q.J.Nucl.Med.Mol.Imaging (2008), 52, 5065 [11] Laszlo J. et al.: Effects of glucose analogues (2-deoxy-D-glucose, 2-deoxy-D-galactose) on experimental tumors; J.Natl.Cancer Inst., (1960), 24, 267-281 [12] Rajendran J.G. et al.: Hypoxia imaging-directed radiation treatment planning; Eur.J.Nucl.Mol.Imaging, (2006), 33, S44-S53 Tab. 1: Ausgewählte PET-Radiotracer für die onkologische Diagnostik Die hier vorgestellten PET-Radiotracer für die onkologische Diagnostik (Tab. 1) sind die wichtigsten und am meisten verwendeten, darüber hinaus sind schätzungsweise weitere 40 spezielle 18F- und 11C-markierte Verbindungen im mehr oder weniger regulären klinischen Einsatz. Eine Vielzahl Substanzen befindet sich in der Forschungs- bzw. präklinischen Phase. Es bleiben aber immer noch Indikationen offen, bei denen [18F]FDG und die bekannten Tracer weniger erfolgreich oder selektiv sind, wie zur z.B. die Darstellung angiogener und apoptotischer Prozesse oder die Differenzierung von inflammatorischen und malignem Gewebe. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren eine steigende Zahl selektiver rezeptor- und tumoraffiner Radiotracer auf Basis kleiner Moleküle aber auch basierend auf Peptiden und Antikörpern mit PET-Nukliden markiert und der nuklearmedizinischen Diagnostik zugänglich gemacht wird. Ein Problem der PET-Radiopharmaka ist seit Jahren ungelöst und hier gilt es neue Wege einzuschlagen. Im Gegensatz zu der Anwen- [9] Ido T. et al.: Labeled 2-deoxy-D-glucose analogs: 18F labeled 2-deoxy-2-fluoro-D-glucose, 2-deoxy-2-fluoroD-mannose and 14C-2-deoxy-2-fluoro-D-glucose; J. Label. Compd., Radiopharm., (1978), 14, 175-183 dungshäufigkeit der klassischen Pharmaka werden Radiopharmaka in der Regel nur ein einziges Mal am selben Patienten angewandt. Daraus resultieren ähnliche Probleme, die von den „Orphan Drugs“ bekannt sind, wie die Finanzierung der Entwicklungsphasen und der Herstellung sowie zulassungsrechtliche Fragen. Literatur: [1] Couturier O. et al.: Fluorinated tracers for imaging cancer with positron emission tomography; Eur.J.Nucl. Mol.Imaging, (2004), 31, 1182-1206 [2] Del Vecchio S. et al.: Nuclear Imaging in cancer theranostics; Q.J.Nucl.Med.Mol.Imaging (2007), 51, 152-63 [3] Even-Sapir E. et al.; Assessment of malignant skeletal disease: initial experience wit [18F]fluoride PET/CT and comparison between [18F]fluoride PET and [18F]fluoride PET/CT; J.Nucl.Med., (2004), 45, 272-8 [4] Fricke E. et al.: Positron emission tomography with [11C]acetate and [18F]FDG in prostate cancer patients; Eur.J.Nucl.Mol.Imaging, (2003), 30, 607-11 [5] Füchtner F. et al.: Basic hydrolysis of 2-[18F]Fluoro1,3,4,6-tetra-O-acetyl-D-glucose in the preparation of 2-[18F]Fluoro-2-deoxy-D-glucose. Appl.Radiat.Isot., (1995), 47, 61-66 [13] Reske S.N. und Deisenhofer S.: Is 3’deoxy-3’[18 F]fluorothymidine a better marker for tumour response than [18F]fluorodeoxyglucose ?; J.Nucl.Mol. Imaging, (2006), 33, S38-S43 [14] Römer J. et al.: Automated synthesis of 16α[18F]fluoroestradiol-3,13β-disulphamate. Appl.Radiat. Isot., (2001), 55, 631-639 [15] Shiue C.Y. und Welch M.J.: Update on PET radiopharmaceuticals: life beyond fluorodeoxyglucose, Radiol. Clin.N.Am., (2004), 42, 1033-1053 [16] Volker J.F. et al.;: The absorption of fluorides by enamel, dentin, bone and hydroxyapatite as shown by the radioactive isotope; J.Biol.Chem., (1940), 134, 543-548 [17] Warburg O. et al.: The metabolism of cancer cells; Biochem.Zeitschr., (1924), 152, 129-169 [18] Weber W.A. and Wieder H.: Monitoring chemotherapy and radiotherapy of solid tumors; Eur. J.Nucl. Mol.Imaging, (2006), 33, S27-S37 Autoren: Dr. Torsten Knieß und Prof. Dr. Jörg Steinbach FZ Dresden-Rossendorf e.V. Institut für Radiopharmazie Postfach 510 119 01314 Dresden e-mail: [email protected] ; [email protected] Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 11 Die Nuklearmedizin braucht Radiopharmazeuten! Die Nuklearmedizin braucht Radiopharmazeuten! Von Per Hartvig Honoré, Kopenhagen (Dänemark) und Alistair Millar, Edinburgh (UK) Einleitung Radiopharmaka enthalten Radionuklide (Radiotracer), deren Strahlungsaktivität diagnostisch oder therapeutisch – häufig auch in Zusammenhang mit der Krebsbehandlung - genutzt wird. Die überwiegende Mehrzahl der Radiopharmaka (~ 80 %) wird für diagnostische Verfahren bei einem breiten Spektrum an Krankheiten eingesetzt, die meisten von ihnen bei bildgebenden Verfahren. Im Gegensatz dazu werden nur wenige, aber wichtige Substanzen für therapeutische Zwecke genutzt. Bild des Organs (Szintigramm) zusammengesetzt. Radiopharmaka bestehen in der Regel aus zwei Anteilen: einem gewebe-/organspezifischen Molekülteil und einem radioaktiv markierte Molekülteil (Tracer-Prinzip, Abb. 1). Nach Injektion sorgt der organspezifische Anteil dafür, dass es sich im zu untersuchenden Organ des Patienten anreichert. Die Strahlung des Radionuklids dient dort wegen der guten extrakorporalen Messbarkeit der Lokalisierung im Rahmen einer diagnostischen Untersuchung oder soll bei einer Strahlentherapie aufgrund ihrer lokal begrenzten Strahlungswirkung Tumorzellen zerstören. Die Geräte der in jüngerer Zeit eingeführten Positronenemissionstomografie (PET) erreichen eine bessere Auflösung, höhere Empfindlichkeit und verwenden als Radiopharmaka radioaktiv markierte Moleküle, die in ihrer chemischen Struktur körpereigenen Substanzen oder Arzneimitteln sehr ähnlich sind [1]. Bei herkömmlichen bildgebenden Verfahren unter Verwendung von Radiopharmaka, die gammastrahlende Radionuklide enthalten, werden die emittierten Photonen von einem Instrument, das als Gammakamera (Abb. 2) bezeichnet wird, detektiert und zu einem Radiopharmazeuten spielen deshalb nicht nur eine entscheidende Rolle bei der Herstellung der Radiopharmaka, sondern sie nehmen in der Nuklearmedizin verschiedene andere Aufgaben wahr. So ist der Pharmazeut einerseits direkt an der GMP-gerechten Her- Aus der kurzen physikalischen Halbwertszeit der in der Medizin verwendeten Radionuklide resultiert, dass Radiopharmaka in Patientennähe, also meist im Krankenhaus, zubereitet werden müssen. Georg Carl von Hevesy (01.08.1885 – 05.07.1966) Mit dem Prinzip des Radioindikators (Tracer-Prinzip) hat der ungarische Chemiker (eigentlich György Hevesy) die Grundvoraussetzungen für die Anwendung der Radiochemie in der Nuklearmedizin geschaffen. Er wurde 1943 für seine Arbeiten über die Anwendung der Radionuklide als Indikatoren bei der Erforschung chemischer Prozesse mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. 12 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 stellung und Qualitätsbeurteilung beteiligt, andererseits ist er aber auch als Klinischer Pharmazeut nahe an den zu untersuchenden Patienten. Künftig ist dieses spezielle Aufgabenprofil sowohl für die Fachdisziplin der Krankenhauspharmazie von großem Interesse als auch für die nuklearmedizinische Abteilung einer Klinik von großer Bedeutung, wenn diese eine hohe Qualität bei ihren Untersuchungen erreichen will. Sicherheit und Wirksamkeit Die Hauptaufgabe des Pharmazeuten in der Nuklearmedizin unterscheidet sich nicht von der in anderen medizinischen Fachdisziplinen: die Sicherheit und Wirksamkeit der Arzneimitteltherapie zu gewährleisten. Wesentliche Aspekte zur Gewährleistung der Patientensicherheit sind die Bereitstellung eines Radiopharmazeutikums, das steril und frei von Partikeln ist und die korrekte Aktivität aufweist sowie die kontrollierte Zuordnung zum Patienten. Ebenso wichtig ist die Verantwortung des Pharmazeuten für den Strahlenschutz und die Arbeitssicherheit aller Mitarbeiter beim Umgang mit radioaktiven Substanzen. Die Nuklearmedizin braucht Radiopharmazeuten! Wie bei jeder professionellen Überprüfung eines Rezeptes, besteht die Notwendigkeit zur Überprüfung, ob die verordnete Dosis für die Indikation angemessen ist und die Strahlungsdosis innerhalb der Grenzwerte liegt, um eine aussagekräftige Untersuchung zu erreichen, ohne dem Patienten zu schaden. Erforderliche Prüfungen während der Herstellung von Radiopharmaka: Prüfung auf Schwebstoffe aus der Luft Prüfung auf Keimfreiheit Prüfung auf mikrobielle Kontaminationen aus der Luft Prüfung auf mikrobielle Kontaminationen von Oberflächen Prüfung von Handschuhabdrücken auf mikrobielle Kontaminationen Die bestmögliche Wirkung der Radiopharmaka kann nur dann erreicht werden, wenn es der Indikation entsprechend ausgewählt wurde, seine Wirksamkeit ausreichend nachgewiesen ist, die individuellen Besonderheiten des Patienten berücksichtigt werden. Beschaffung und Verordnung In einigen Ländern liegt die Bestellung von Radiopharmaka allein im Verantwortungsbereich der Krankenhausapotheke vor Ort. In vielen Fällen wird der Radiopharmazeut mit der Aufgabe betraut, die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen bei der Verordnung sowie bei Lagerung und Entsorgung des radioaktiven Materials sicherzustellen. Außerdem ist er für die Prüfung und Sicherung der Qualität der Ausgangsmaterialien verantwortlich. Der in der Nuklearmedizin tätige Arzt muss die erforderliche Zulassung zur Verordnung von Radiopharmaka besitzen. Herstellung von Radiopharmaka Der Radiopharmazeut ist verantwortlich für die Herstellung der Radiopharmaka und/oder gibt die in der Radiopharmazie zubereiteten Präparate frei. Er hat auch sicherzustellen, dass die Produkte gemäß den Grundsätzen der guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, GMP), in Räumlichkeiten für aseptische Produktion, mit angemessenen Qualitätskontrollen, Gewebe-/Organspezifischer Teil unter Beachtung dokumentierter und validierter Methoden und Radionuklid (Signalgebender Teil) Biologischer Tracer Pharmakon Molekül mit geeigneter Pharmakokinetik Abb. 1: Aufbau eines Radiotracers Kovalente Bindung Komplexbildner usw. von Personal, das für die Arbeit in der Radiopharmazie entsprechend ausgebildet und staatlich geprüft ist, zubereitet werden. Sichere Arbeitsverfahren sind hierbei essenziell, um die Sicherheit des radiopharmazeutischen Personals zu gewährleisten, wobei die routinemäßige Herstellung von Radiopharmaka bereits größtenteils automatisiert verläuft. Eine kontinuierliche Überwachung der Arbeitstechniken nicht nur im Hinblick auf die aseptische Zubereitung, sondern auch unter Aspekten des Strahlenschutzes muss implementiert sein. Gebräuchliche Methoden, um den Strahlenschutz sicherzustellen, sind: Messungen der Strahlendosis Abschirmung gegen Strahlung Abb. 2: Die Funktionsweise einer Gammakamera [Alistair Millar, UK] Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 13 Die Nuklearmedizin braucht Radiopharmazeuten! Aufbaustudiengänge mit radiopharmazeutischen Schwerpunkten: Die ETH Zürich bietet mit entsprechender Infrastruktur (Cyclotron, Small animal PET Scanner, Radiochemie-Labor) in Kooperation mit den Universitäten Frankfurt und Leipzig den Nachdiplomkurs Radiopharmazeutische Chemie/Radiopharmazie an, der von der European Association of Nuclear Medicine (EANM) anerkannt wird. [http://www.chab.ethz.ch/lehre/pw_wb/radio/radiopharmazie] Überwachung der radioaktiven Kontamination Handlingstraining Radiopharmazeutika werden in einer speziellen, aseptischen Produktionsstätte hergestellt, die der für die Zubereitung von zytotoxischen Arzneimitteln ähnlich ist (Abb. 3). Adäquate persönliche Schutzkleidung, ordnungsgemäße Arbeitstechniken und überwachte Arbeitsbereiche sind von entscheidender Bedeutung für die erforderliche hohe Qualität. Wie bei jeder anderen pharmazeutischen Produktion steriler Arzneimittel sind regelmäßige Prüfungen erforderlich (Kasten). Qualitätskontrolle und -sicherung Da vor der Auslieferung nur eine begrenzte Zeit für Qualitätskontrolltests (QC) zur Verfügung steht, müssen alle Verfahren bereits im Vorfeld sorgfältig durchdacht werden. Denn die gesamte Charge besteht oftmals nur aus einer Ampulle! Der Radiopharmazeut muss u.a. die Identität, chemische und radiochemische Reinheit, spezifische Aktivität, pH-Wert und Osmolarität überprüfen sowie eine Radioaktivitäts- und Endotoxin-Prüfung innerhalb kurzer Zeit und mit minimaler Strahlenexposition der Mitarbeiter durchführen. Die übliche Ausbildung zum Pharmazeuten bildet die fachliche Grundlage für Qualitätsbeurteilung und -management. GMP-Knowhow und Kenntnisse weiterer Vorschriften und Bestimmungen, die die aseptische Herstellung von Rezepturarzneimitteln in kleinem Maßstab regeln, sind unverzichtbar, um zu gewährleisten, dass die Produkte den geforderten Standards entsprechen. Bisher ist für viele Krankenhausapotheker die Qualitätssicherung in der nuklearmedizinischen Abteilung die einzige Aufgabe. Aber das ist nicht ausreichend, denn nur durch die Erfahrung der täglichen Routinearbeit bei der Herstellung von Radiopharmaka und bei deren Qualitätsbeurteilung kann er das Expertenwissen erlangen, um bei auftretenden Problemen und Fragen adäquat reagieren zu können (Kasten). Transport Aufgrund der hohen Spezialisierung werden die Produkte oft in einer zentralen radiopharmazeutischen Abteilung zubereitet und dann zu den nuklearmedizinischen Abteilungen verschiedener Kliniken oder anderer Krankenhäuser transportiert. Der Radiopharmazeut ist dafür verantwortlich, dass der Transport radioaktiver Materialien dem jeweils geltenden komplexen Regelwerk für den Straßentransport entspricht. Beratung Der Radiopharmazeut muss auch als klinisch tätiger Apotheker in den Kliniken arbeiten. Denn weitere, dem Patienten verabreichte Arzneimittel können die Bioverteilung bestimmter Radiopharmazeutika beeinflussen. Der Apotheker kann in diesem Zusammenhang Auskunft über Wechselwirkungen geben und geeignetere Dosierungsschemata oder Arzneimittel vorschlagen. Es können zum Beispiel auch Informationen über Medikamente zur Hemmung der Schilddrüsenfunktion (Thyreostatika) bei der Applikation von Radiopharmaka, die radioaktive Jod-Isotope enthalten, erforderlich werden. Befundung Schließlich spielt der Radiopharmazeut auch eine Rolle bei der abschließenden Bildbefundung und deren Qualitätsbeurteilung. So kann beispielsweise seine Meinung im Rahmen der Diagnostik gefragt sein, um eine ungewöhnliche Bioverteilung von Radiopharmaka mit Einfluss auf den Untersuchungsbefund zu erklären. Für die weiterführende Beurteilung anormaler Bioverteilungen existiert ein Befundungsschema nach europäischen Richtlinien. Fehler bei der Herstellung der Radiopharmazeutika sind zwar selten, aber sie müssen ebenfalls sorgfältig in Betracht gezogen werden. Abb. 3: Aseptische Herstellung von Radiopharmaka [Alistair Millar, UK] 14 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Die Nuklearmedizin braucht Radiopharmazeuten! Auch wenn bei Radiopharmaka Nebenwirkungen relativ selten auftreten, ist ihre Dokumentation sehr wertvoll; auch dafür existiert ein standardisiertes Schema nach europäischen Richtlinien. Forschung und Entwicklung Zusätzlich zur routinemäßigen Zubereitung von Radiopharmazeutika können Radiopharmazeuten auch wichtige Beiträge zu deren Erforschung und Entwicklung leisten. Forschungsprojekte ergeben sich im Wesentlichen aus zwei Quellen: heit von 99mTc-MAG3, einer bildgebenden Substanz zur Darstellung der Niere, wurden gelegentlich zu hohe, nicht akzeptable Konzentrationen einer lipophilen Verunreinigung festgestellt. Als Ursache dafür konnte eine Verbindung ausfindig gemacht werden, die von den Gummispitzen der Spritzen abgegeben wurde; die zu den MAG3-Kits gehörten und zur Rekonstitution der Substanz benutzt wurden. Das Problem konnte durch die Verwendung zweiteiliger Spritzen beseitigt werden [2]. Produkte, die in der Radiopharmazie hergestellt werden Produkte, die für Forschungszwecke zubereitet werden Dies ist vielleicht der Teil der Arbeit, der den Radiopharmazeut mit größter Zufriedenheit erfüllt, wie durch das folgende Beispiel veranschaulicht werden kann. Eine brustchirurgische Abteilung forderte ein 99m Tc-Albumin-Nanokolloid für die intraoperative Lokalisierung von Sentinel-Lymphknoten (sog. Wächterlymphknoten) an. Da das Personal dieser OP-Abteilung mit der Handhabung radioaktiver Materialien nicht vertraut war, erschienen Einzeldosisspritzen als das am besten geeignete Mittel, um das Produkt zur Verfügung zu stellen und die Strahlenexposition für die Mitarbeiter zu minimieren. Vor der routinemäßigen Bereitstellung wurden diverse Messungen in der Radiopharmazie durchgeführt, um eine Spritze als geeignetes Behältnis zu validieren: Adsorption des radioaktiven Kolloids an die Spritze, Effizienz der radioaktiven Markierung durch Dünnschichtchromatografie, Partikelgrößenbestimmung durch Membranfiltration (Nucleopore) und Photonen-KorrelationsSpektroskopie [2]. Ein weiteres Beispiel ist eine erforderliche wissenschaftliche Untersuchung, die sich daraus ergab, dass die Qualität eines Produkts als schlecht erkannt worden war. Bei Routinemessungen der radiochemischen Rein- Abb. 4: Interdisziplinäre Diskussion am Patientenbett [Alistair Millar, UK] Gelegentlich wurde auch eine niedrige radiochemische Reinheit festgestellt, wenn das als Kit gelieferte MAG3 mit einer Natriumchloridlösung für Injektionszwecke aus Kunststoffampullen rekonstituiert wurde. Die Untersuchung dieses Phänomens ergab, dass dies bei Kunststoffampullen auftrat, die unter Lichteinwirkung standen. Das Problem wurde dadurch behoben, dass entweder die Kunststoffampullen vor Licht geschützt werden oder Natriumchloridlösung für Injektionszwecke aus Glasfläschchen verwendet wird [3]. Ein Beispiel für die Entwicklung eines Radiopharmazeutikums ist das mit 177 Lutetium radioaktiv markierte Octreotat, das heute in vielen nuklearmedizinischen Zentren bei der Behandlung endokriner Tumoren verwendet wird [4]. Zahlreiche Dissertationsprojekte, die weltweit von Pharmazeuten bearbeitet werden, beschäftigen sich mit der sehr leistungsfähige Forschungsmethode der Positronenemissionstomografie. Schlussfolgerung Fachwissen und interdisziplinäre Zusammenarbeit sind von entscheidender Bedeutung, um einen Mehrwert bei der Zubereitung, Handhabung und Prüfung von Radiopharmaka zu schaffen. Die PET-Technologie ist ein neuer beruflicher Einsatzbereich für Pharmazeuten. Die faszinierende Arbeit einer radiopharmazeutischen Abteilung, wie sie beispielweise in einem Universitätsklinikum anzutreffen ist, in dem auch Forschung betrieben wird, ist eine Herausforderung für die Radiopharmazie, aber auch für junge Kollegen, die sich für die klinische Pharmazie interessieren. Die Routineherstellung von Radiopharmaka verläuft aus Gründen der Sicherheit und Schnelligkeit größtenteils automatisiert. Das Fachwissen des Pharmazeuten kann daher erstmals gefordert sein, um in Zusammenarbeit mit den Ärzten bei der Planung des Gebäudes, in dem das Zyklotron aufgebaut wird und die Produkte hergestellt werden, mitzuwirken; darüber hinaus, um die Produktionsverfahren und Qualitätskontrollprozesse so zu planen und zu entwickeln, dass alle anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Letzteres bedeutet in der Regel, für eine bestimmte diagnostische Untersuchung oder für Forschungsprojekte ein geeignetes Radiopharmazeutikum zu definieren und zu formulieren. Solch eine multidisziplinäre Arbeit ist unerlässlich für den Erfolg der Radioisotopentechnik und erfordert Pharmazeuten, die Experten auf diesem Gebiet sind. Die Nuklearmedizin ruft nach Radiopharmazeuten! Erstmals publiziert in European Journal of Oncology Pharmacy 3, 14-16, 2009. Literatur 1. Per Hartvig. PET in oncology. Eur J Oncol Pharmacy 1, 2008 2. Nucl Med Commun 2006, 27:197-200 3. Nucl Med Commun 2008, im Druck 4. Aseel Cherif and Per Hartvig. Treatment of neuroendocrine gastroenteropancreas tumors using new radiotherapy principles. Eur J Oncol Pharmacy 2, 2008 Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 15 Allgemeines zur Strahlentherapie PATIENTENINF ORMATION Allgemeines zur Strahlentherapie D ie Strahlentherapie hat im Zusammenwirken der drei wesentlichen Säulen der Krebstherapie (Operation, Strahlentherapie, Chemotherapie) durch die rasante technische Entwicklung in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt. Sie ist als selbständiges Fach an der Heilung von 30% aller Tumorpatienten allein oder im Zusammenwirken mit Operation und Chemotherapie beteiligt. Jeder zweite Krebspatient unterzieht sich heute einer Strahlenbehandlung, die das Tumorgewebe zerstört oder zur Linderung tumorbedingter Beschwerden führt. Die Wirkung der Strahlentherapie beruht darauf, den Tumor mit einer sehr energiereichen Strahlung (meist Röntgenstrahlen) zu durchfluten. Dabei werden wichtige Strukturen im Kern der Tumorzelle so verändert, dass sie ihre Teilungsfähigkeit verliert und nach einiger Zeit abstirbt. Dieser Prozess benötigt jedoch eine bestimmte Zeit. Häufig ist nicht nur der sichtbare Tumor das Zielgebiet einer Strahlentherapie. Denn nicht selten ist auch das umliegende gesunde Gewebe unsichtbar (mikroskopisch) befallen. Ähnlich wie bei Schimmel an einer Seite eines Brotes reicht es deswegen in der Regel nicht aus, nur den sichtbaren Befall zu entfernen. Verbleiben auch nur wenige Krebszellen im umliegenden gesunden Gewebe, ist der Tumorrückfall vorprogrammiert! Durch eine Nachbestrahlung des Operationsbettes lässt sich das gesunde Gewebe von einzelnen Tumorzellen befreien, da die gesunde Zelle im Gegensatz zur Tumorzelle die Strahlendosis überlebt, sofern die tägliche Einzeldosis nicht zu hoch ist. Daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit der Aufteilung der gesamten Strahlendosis in mehrere Einzelsitzungen (Fraktionierung). Durch die Nutzung modernster Technik ist man heute in der Lage, eine Bestrahlung unter weitestgehender Schonung des nicht betroffenen gesunden Gewebes durchzuführen. Das ist gleichzeitig mit einer Verringerung von Nebenwirkungen verbunden. Ablauf einer Strahlentherapie Unbedingte Voraussetzung einer strahlentherapeutischen Behandlung ist die genaue Diagnose der Erkrankung. Es gehört zu den besonderen Aufgaben eines Strahlentherapeuten, bereits im ersten Gespräch mit dem Patienten Ängste vor der strahlentherapeutischen Technik und deren Anwendung zu nehmen. Nach Einwilligung des Patienten in die geplante strahlentherapeutische Behandlung wird zunächst eine Planung durchgeführt. Als Erstes folgt die Festlegung der Lagerung der Patienten, teilweise mit Hilfe von speziellen Lagerungshilfen wie thermoplastische Halsmasken bei Bestrahlungen von KopfHals-Tumoren oder dem sog. Mammaboard bei der Behandlung von Brustdrüsentumoren. Anschließend folgt eine Planungs-Computertomographie, deren Daten in einen Planungscomputer eingelesen werden. Dann legt der Strahlentherapeut das Zielvolumen fest und erarbeitet in enger Zusammenarbeit mit dem Medizinphysikexperten eine optimale Bestrahlungstechnik (Computerplanung) mit dem Ziel, nur den Tumorbereich zu behandeln, das gesunde Gewebe jedoch weitgehend zu schonen (Abb. 1, 2). Die Übertragung dieses Computerplanes auf den Patienten erfolgt über ein spezielles Gerät, den sog. Therapiesimulator (Abb. 3). Positionslaser sichern eine exakte Patientenlagerung. Erst nach Abschluss dieser Vorbereitungen wird vom Strahlentherapeuten die Bestrahlung am Linearbeschleuniger freigegeben (Abb. 3). 16 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Abb. 1: Computer-Bestrahlungsplanung in einer Ebene am Beispiel eines Beckentumors. Multiple Felder (gelb), Isodosenverläufe farbig Abb. 2: Moderne dreidimensionale Planung am Beispiel des Beckentumors wie in Abb. 1 In der Regel wird fünfmal in der Woche eine Bestrahlungsfraktion pro Tag appliziert. Meist kann die Behandlung ambulant durchgeführt werden. In speziellen Fällen kann von diesem Bestrahlungsschema abgewichen und der Patient z. B. auch zweimal am Tag bestrahlt werden. Abhängig vom Behandlungsschema und der Gesamtdosis ist nach 4 - 8 Wochen eine Strahlentherapie abgeschlossen. Es folgt ein ausführliches Abschlussgespräch mit dem Radioonkologen und Empfehlungen zur Nachsorge. Allgemeines zur Strahlentherapie Erkrankungen Die Behandlung von Tumorerkrankungen ist der Schwerpunkt jeder Strahlentherapie. Aufgrund der durchgängigen Verwendung von modernen, computergeführten Linearbeschleunigern kann der Therapeut Krebsleiden in fast allen Körperregionen behandeln. Dazu gehören Tumoren der Brustdrüse, der Mundhöhle, des Rachens oder der Bauchspeicheldrüse, Hirntumoren, Speiseröhrentumoren, Lungentumoren, Beckentumoren (Enddarm, Prostatadrüse, Gebärmutter) und bösartige Erkrankungen der Lymphknoten. Ebenfalls erfolgen Bestrahlungen zur Linderung von tumorbedingten Symptomen, wie z.B. Schmerzen bei Tumorabsiedlungen in Knochen (Knochenmetastasen). entfernung (so genannte adjuvante Radiotherapie). Ein gutes Beispiel hierfür ist der bösartige Brusttumor bei Frauen (Mammakarzinom). Erst durch die Möglichkeit der Nachbestrahlung lässt sich der Tumor sehr häufig brusterhaltend operieren. Die gute Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachrichtungen ist hierbei ein wesentlicher Faktor. Die Einrichtung spezieller Zentren (z. Bsp. Brust-, Darm- oder Prostatakrebszentrum) erleichtert die Zusammenarbeit mit beteiligten Partnern (Frauenärzten, Beckenchirurgen, Urologen, Onkologen) und bietet gute organisatorische Voraussetzungen für eine optimale Betreuung der Patientinnen und Patienten. Diese Zentren unterliegen auf der Basis einheitlicher Qualitätskriterien einer ständigen Kontrolle übergeordneter Institutionen wie z. Bsp. der Deutschen Krebsgesellschaft. Schließlich bietet die Strahlentherapie in Form einer schwach-dosierten „Reizbestrahlung“ eine wertvolle Hilfe bei Schmerzzuständen auch gutartiger Prozesse wie bei schmerzhaften Insertionstendopathien (Tennisellenbogen, Fersenbeinsporn) oder Schulterreizzuständen sowie Arthrosen. Sie ist nebenwirkungsfrei und erzielt anhaltend gute Erfolge. Fazit Die Strahlentherapie ist eine häufig durchgeführt Krebstherapie. Ihr besonderer Vorteil ist die Verbesserung von Operationserfolgen, gelegentlich bietet sich auch eine schonende Alternative zu einer Krebsoperation. Meist kann man die Bestrahlungen ambulant durchführen, die Behandlung selbst muss aber auf mehrere Wochen aufgeteilt werden. Abb. 4: Linearbeschleuniger-Behandlung bei einem Patienten (Pharynxkarzinom) in einer Kopfmaske, Positionslaser illuminieren die Einstellmarkierungen. Abb. 3: Moderner, rechnergeführter Therapiesimulator, Mammaboard auf dem Behandlungstisch Die Strahlentherapie wird teilweise ohne vorherige Operation in solchen Fällen durchgeführt, in denen eine Tumorentfernung nicht sinnvoll erscheint oder nicht gewünscht wird (so genannte definitive Radiotherapie). Ein häufiges Beispiel ist die Bestrahlung der Prostata bei Prostatakrebs mit ähnlichen Erfolgen wie die Operation. Meist aber erfolgt die Bestrahlung nach (gelegentlich auch vor) der operativen Tumor- Besonders wichtig ist die Zusammenarbeit mit den Onkologen im Rahmen der Chemotherapie. Hierdurch kann die Strahlentherapie mit einer Chemotherapie (so genannte simultane Radiochemotherapie) oder auch mit Antikörpern effizient kombiniert werden. Die Heilungsaussichten vieler Tumorerkrankungen lassen sich damit teilweise deutlich steigern. Als schwach-dosierte „Reizbestrahlung“ bietet die Strahlentherapie eine wertvolle Hilfe bei Schmerzzuständen wie Arthrosen oder Insertionstendopathien. Autoren: Prof. Dr. med. U. Schäfer Dr. med. R. Mücke Klinik für Strahlentherapie, Klinikum Lippe GmbH Rintelner Straße 85, 32657 Lemgo Fon 0 52 61 . 26 - 46 21 Fax 0 52 61 . 26 - 46 5 http://www.klinikum-lippe.de/de/klinikeninstitute/ii-strahlentherapie.html Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 17 Pressemitteilung ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG CAPHOSOL® zur Prophylaxe und Therapie der oralen Mukositis bei Tumorpatienten CAPHOSOL® ist eine hoch entwickelte Elektrolytlösung, die als Medizinprodukt die Standard-Mundpflege von Tumorpatienten zur Prophylaxe und Therapie einer oralen Mukositis unter Strahlen- und/ oder Hochdosis-Chemotherapie ergänzt. CAPHOSOL® kann auch bei Speichelmangel und Xerostomie jeglicher Ursache angewendet werden. In den USA steht CAPHOSOL® schon seit 2007 zur Verfügung, die Einführung in Deutschland, Österreich und der Schweiz erfolgte im Februar 2009. Orale Mukositis ist eine der häuf igsten Nebenwirkungen einer Strahlen- und/oder Hochdosis-Chemotherapie, die die Patienten sehr belastet. Die Möglichkeiten zur Prophylaxe und Therapie sind begrenzt. Etwa 40 % der Patienten, die eine konventionelle Chemotherapie erhalten, sind von der Entzündung der Mundschleimhaut betroffen [1]. Die Symptome reichen von Rötungen bis zu schwerwiegenden Ulzerationen. Die sehr schmerzhaften Symptome können dazu führen, dass den Patienten keine orale Aufnahme von Nahrung oder Medikamenten mehr möglich ist und eine stationäre Aufnahme der Patienten notwendig wird. CAPHOSOL® ist eine übersättigte Elektrolytlösung, die Calcium- und Phosphationen enthält und aus zwei Komponenten besteht: Lösung A enthält eine wässrige Phospat- lösung und Lösung B eine wässrige Calciumlösung. Bei Mischung im Verhältnis 1:1 entsteht eine mit beiden Ionen übersättigte Lösung. Die Beseitigung der Trockenheit der Mundschleimhaut führt zu einer Schmerzlinderung. Eine prospektive randomisierte klinische Studie zeigte, dass CAPHOSOL® zu einer signifikanten Verbesserung der Chemo- und/oder Strahlentherapie-induzierten oralen Mukositis führte. Häufigkeit, Dauer und Schwere der oralen Mukositis waren bei den Patienten, die CAPHOSOL® erhalten hatten, gegenüber den Patienten der Kontrollgruppe signifikant reduziert. Die Studie bei 95 Patienten, die eine hämatopoetische Stammzelltransplantation erhielten, untersuchte prospektiv die Dauer und Schwere der Mukositis und den Bedarf an Opioiden. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Abnahme der Tage mit Mukositis (3,72 vs. 7,22; p=0,001), der Tage mit Schmerzen (2,86 vs. 7,67; p=0,0001), der Morphindosen (34,54 mg vs. 122,78 mg; p<0,0001) und der Tage, an denen die Patienten Morphine benötigten (1,26 vs. 4,02; p=0,0001) bei den Patienten, die CAPHOSOL® erhalten hatten, im Vergleich zu den Patienten, die eine Kontrolltherapie erhalten hatten [2]. EUSA Pharma ist ein schnell wachsendes transatlantisches pharmazeutisches Spezialitätenunternehmen, das Präparate für 18 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 schwer wiegenden Erkrankungen – z.B. onkologische Produkte, Schmerzmittel, intensivmedizinische und Notfallprodukte einlizenziert, entwickelt und vermarktet. Weitere Informationen finden sich unter www.eusapharma.com. Quellen: [1] Köstler WJ, Hejna M, Wenzel C, Zielinski CC. Oral mucositis complicating chemotherapy and/or radiotherapy: options for prevention and treatment. CA Cancer J Clin 2001;51:290-315. [2] Papas A et al. A prospective, randomized trial for the prevention of mucositis in patients undergoing hematopoietic stem cell transplantation. Bone Marrow Transplant 2003; 31(8):705-12. Kontakt: EUSA Pharma Grillparzerstr. 18 81675 München Tel: 089/41109660 Kostenlose Fax-Bestell-Hotline: 08 00 / 1 82 05 96 8. NZW-Süd in Ravensburg 8. NZW-Süd in Ravensburg am 11. und 12. 9. 2009 8. Aktuelle Krebstherapie und Wagner-Arien V olles Haus gab es erneut beim NZW Süd in Ravensburg. Das Programm mit seiner großen Bandbreite hatte den Nerv vieler Apotheker (und zunehmend auch Ärzte) getroffen. Highlights des Programms waren zweifellos der Überblick über die aktuelle Therapie des Mammakarzinoms, den Prof. Possinger von der Berliner Charité gewohnt souverän und kritisch präsentierte, sowie der Festvortrag von Prof. Schuler aus Dresden: „Die Schmer- zenacht wird helle – palliativmedizinische Bezüge bei Richard Wagner“. Überzeugend, mit musikalischem Sachverstand und Herzblut entwickelte er eine „palliativmedizinische Interpretation“ der Oper Parsifal mit vielen Musikbeispielen, die auch Nicht-Wagnerianer in ihren Bann zog. Beim geselligen Abend im mittelalterlichen Schwörsaal durfte in gut gelaunter Atmosphäre natürlich auch die eine oder andere Gesangseinlage von DGOP-Präsident Klaus Meier nicht fehlen. Für etliche Kongressteilnehmer wurde es spät – dennoch war der Vortragssaal am nächsten Morgen zumindest ab neun Uhr wieder gut gefüllt. Nach einem Überblick über urologische Tumoren und die multimodale Therapie des Bronchialkarzinoms waren am Samstagnachmittag praxisbezogene Themen an der Reihe, die auf den Gebieten Ernährungsberatung, Chinesische Medizin und Prävention von Nebenwirkungen viele Anregungen für die Patientenberatung in der Apotheke boten. Nach Programmende bot bei schönem Spätsommerwetter „Ravensburg spielt“ in der gesamten Innenstadt noch Gelegenheit, den eigenen Spieltrieb auszuleben. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 19 8. NZW-Süd in Ravensburg Medikamentöse Therapie des Mammakarzinoms – Update 2009 Prof. Dr. Kurt Possinger, Berlin D as 5-Jahresüberleben beim Mamma-Ca. liegt mittlerweile bei über 80 Prozent. Diese guten Resultate sind überwiegend der vermehrten Früherkennung zuzuschreiben, teilweise aber auch durch verbesserte Therapieoptionen bedingt. Mamma Ca: HER2+ Unterschiedliche Wirkweisen von Trastuzumab und Lapatinib Ki 67 Apoptose Lapatinib Neoadjuvante Therapie Präoperative medikamentöse Therapien werden bei Patientinnen mit inflammatorischen Mammakarzinomen und lokal fortgeschrittenen Tumoren eingesetzt. Bei kleineren Tumoren konnten bisher keine Vorteile gegenüber der konventionellen adjuvanten Behandlung aufgezeigt werden. Werden pathologisch komplette Tumorremissionen (pCR) sowohl in der Brust als auch in den axillären Lymphknoten erreicht, so weisen diese Patientinnen eine besonders günstige Langzeitprognose auf. Bei Patientinnen mit nachgewiesenen BRCA1-Muationen konnte durch eine neoadjuvante Therapie mit Cisplatin bei 72% der Patientinnen, und damit bei ungewöhnlich vielen, eine pCR erreicht werden (1). BCRA1 spielt für die zelluläre Antwort auf DNA-Schädigungen und deren Reparatur eine wichtige Rolle. Durch Cisplatin werden DNA-Schädigungen in großem Ausmaß herbeigeführt, was bei mutiertem BRCA1 und daraus resultierender beeinträchtigter BCRA1-Funktion zu fehlerhaften Reparaturen, zu genetischer Instabilisierung und zum Zelltod führt. Therapeutisch besonders hohe Erwartungen werden gegenwärtig an die Kombination von Platinderivaten mit PARP-Inhibitoren geknüpft (siehe metastasierte Situation), da diese Inhibitoren zusätzlich die Reparatur von platininduzierten DNA-Schädigungen unterdrücken Die Wirkungsweisen von Trastuzumab und Lapatinib konnten nun näher analysiert wer- Trastuzumab Abbildung 1 den (2). Es zeigte sich, dass Trastuzumab über den PI3/AKT-Weg insbesondere die Apoptose induziert, während die Tumorzellproliferation nicht beeinflusst wird. Lapatinib hingegen supprimiert Ki67 und somit Bei Brustk rebspatientinnen mit gleichzeitiger antidiabetischer Therapie spielt die Art des Antidiabetikums offenbar eine Rolle für die Remissionsrate (Abb.3). Ein besseres Ansprechen der Chemotherapie wurde unter Metformin beobachtet. Ursächlich ist hier wohl die Beeinflussung des IGF (Insulin Like Growth Factor), eines Wachstumsfaktors, der die Tumorproliferation fördert. Mamma Ca: metastasiert, HER2+ Trastuzumab-vorbehandelt: Lapatinib ± Trastuzumab Abbildung 2 20 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 die Proliferation, während die Apoptose nicht beeinflusst wird (Abb.1). Man kann aufgrund der unterschiedlichen intrazellulären Stoffwechselwegbeeinflussungen annehmen, dass die Kombination beider Substanzen auch klinisch günstigere Effekte erreicht (Abb.2). 8. NZW-Süd in Ravensburg Adjuvante Situation Für die adjuvante Therapie mit Trastuzumab (Herceptin®) liegen jetzt die 4-Jahres Followup Daten der beiden amerikanischen und der europäischen HERA-Studie vor. Der Überlebensvorteil nach 2 Jahren (Reduktion der Mortalität um gut ein Drittel) konnte nur in den amerikanischen Studien gehalten werden, in der HERA-Studie ist die Mortalität nach 4 Jahren nur noch um15 Prozent geringer als in der Kontrollgruppe. Da Crossover-Effekte in allen Studien zu erwarten sind, sind die schlechteren europäischen Ergebnisse möglicherweise durch die Sequenzierung der Therapie erklärbar (in USA werden Chemothgerapie und Trastuzumab simultan, in Europa sequenziell verabreicht). Bei der adjuvanten endokrinen Therapie zeigen die aktuellen NCCN-Empfehlungen (National Comprehensive Cancer Networks), dass es keine große Rolle spielt, ob Tamoxifen oder Aromatasehemmer zuerst eingesetzt werden und wann ein Switch (Wechsel auf die jeweils andere Substanzklasse) erfolgt (Abb.4). Bedenklich ist, dass die LangzeitCompliance der Patientinnen bezüglich der Hormontherapie nicht gut ist. Nach 1-2 Jahren nehmen nur noch weniger als 80 Prozent der Patientinnen die endokrine Therapie ein, wohl aufgrund unerwünschter Wirkungen. Das ist bedauerlich, da gerade Patientinnen mit unerwünschten Wirkungen offenbar bezüglich des Rezidivrisikos besonders von der adjuvanten endokrinen Therapie profitieren (Abb.5). Mamma Ca: neoadjuvante Situation Diabetiker: Metformin (z.B. Glucophage) und Chemotherapieerfolg Abbildung 3 Mamma Ca Adjuvante endokrine Therapie: NCCN-Empfehlungen 2009 Abbildung 4 Mamma Ca Nebenwirkungen von AI, Tam und Effektivität Von einer kombinierten Chemo-Hormontherapie profitieren nur bestimmte Subgruppen von Patientinnen, beispielsweise mit nur wenigen Hormonrezeptoren oder mit hohem Proliferationsindex der Tumorzellen (Ki 67). In Zukunft werden solche hochdifferenzierten Therapieentscheidungen mit Hilfe von Genanalysen getroffen werden müssen. Der adjuvante Einsatz von Bisphosphonaten (Zoledronat 4mg alle 6 Mo. für 3 Jahre) ergab bei endokrin behandelten prämenopausalen Patientinnen eine signifikante Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens (3; Abb.6). Der adjuvante Bisphosphonateinsatz muss deshalb insbesondere für spezielle Patientinnensubgruppen neu diskutiert werden Abbildung 5 Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 21 8. NZW-Süd in Ravensburg Metastasierte Situation Beim Vorliegen von Fernmetastasen bei sog. triple-negativen Tumoren konnten durch die gleichzeitige Gabe von Carboplatin und PARP-Hemmern (wie Olaparib) nicht nur signifikant höhere Remissionsquoten, sondern auch längere Zeiten bis zur Tumorprogression und des Gesamtüberlebens erreicht werden (4; Abb.7). Der PARP (Poly (ADP-ribose) polymerase)- Weg ist ein alternativer Reparaturweg für DNA-Defekte bei Tumoren mit mutiertem BRCA1-Gen. Bei der Kombination von Chemotherapie mit PARP-Inhibitoren werden zunächst durch die Chemotherapie DNA-Strangbrüche induziert, die durch die in BRCA1-mutierten Zellen defekten Reparaturenzyme nicht repariert werden können. Wird der PARP-Reparaturweg ebenfalls inhibiert, ergibt sich ein starker synergistischer Effekt. (Abb.8) Studien, die diese Phase II Ergebnisse bestätigen, sind dringend erforderlich. Eine interessante neue Substanz ist nab-Paclitaxel (Abraxane®), nanotechnisch an Albumin gebundenes Paclitaxel. Die Änderung der Galenik scheint ein therapeutischer Vorteil zu sein (Abb.9). Eine Verbesserung der Wirksamkeit von Trastuzumab scheint T-DM1, ein Antikörperkonjugat aus Trastuzumab und einen angekoppelten Zytostatikum, zu erbringen. In einer multi-institutionellen Studie zeigte sich, dass trotz Chemo- und Trastuzumab-Vortherapie die alleinige Gabe von T-DM1 bei etwa einem Drittel aller Patientinnen noch objektive Tumorremissionen erzielen lässt (5). Mamma Ca: adjuvant, HR+, Prämenopause ABCSG12 Studie: Bisphosphonate Abbildung 6 Mamma Ca BRCA 1/2-Mutation: PARP-Inhibitor Olaparib: 100 vs 400 mg bid Olaparib (n=27) 400 mg bid Olaparib (n=27) 100 mg bid Overall Response 41% 22% Complete Response 4% 0 Partial Response 37% 22% Median Time To Progression 5.7 months [4.6-7.4] 3.8 months [1.-5.5] • Dose appears to matter with higher response rate at 400 mg bid • Prior therapy did not affect response • Patients with both BRCA1 and BRCA2 responded to treatment Abbildung 7 22 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 8. NZW-Süd in Ravensburg Literatur: 1. Gronwald J, Byrski T, Huzarski T, et al Neoadjuvant therapy with cisplatin in BRCA1-positive breast cancer patients. ASCO 2009; abstr. 502 Ovarial Ca/Mamma Ca Folgen von BRCA-ness und DNA-Strangbruchreparatur 2. Migliaccio I, Gutierrez MC, Wu M-F, et al. PI3PI3 kinase activation and response to trastuzumab or lapatinib in HER-2 overexpressing locally advanced breast cancer (LABC). SABCS 2008; abstr. 34 3. Gnant M, Mlineritsch B, Schippinger W, et al. Endocrine therapy plus zoledronic acid in premenopausal breast cancer. N Engl J Med 2009;360:679-91 4. O’Shaugnessy Efficacy of BSI-201, a poly (ADP-ribose) polymerase-1 (PARP1) inhibitor, in combination with gemcitabine/carboplatin (G/C) in patients with metastatic triple-negative breast cancer (TNBC): Results of a randomized phase II trial. ASCO 2009 abstract 3 5. Vukelja S, Rugo H, Vogel C, et al, A phase II study of trastuzumab-DM1, a first-in-class HER2antibodydrug conjugate, in patients with HER2+ metastatic breast cancer. SABCS 2008; abstr. 33 Abbildung 8 Fazit: Durch das bessere Verständnis der Tumorzellbiologie, der Aufschlüsselung der Signalweiterleitungswege in der Zelle und durch die genaue Analyse der Tumorstammzellen dürften sich mittelfristig deutliche Verbesserungen der Krankheitsverläufe von Patientinnen mit Brustkrebs erzielen lassen. Breast Cancer Phase III nab-Paclitaxel (260 mg/m2) vs Paclitaxel (175 mg/m2): ORR Abbildung 9 Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 23 8. NZW-Süd in Ravensburg Harnblasen- und Urothelkarzinome – Update 2009 Prof. Dr. Thomas Otto, Neuss Prävention und Früherkennung Eine Prävention von Harnblasenkarzinomen ist prinzipiell möglich. Eine Trinkmenge >1.4 Liter pro Tag ist studiengestützt von Vorteil. Eine Prävention mit Antioxidanzien (Vit. C, Vit. E, Beta-Karotin) ist nicht effektiv. Weitere Maßnahmen der Primärprävention sind: Erkennung und Vermeidung berufsbedingter Risiken; kein aktives wie passives Rauchen; kein Haschisch; Vermeidung chronischer Harnwegsinfekte; Identifizierung von Menschen mit hohem Risikoprofil mithilfe molekulargenetischer Methoden. Bisher steht noch keine ausreichend sensitive ScreeningMethode zum breiten Einsatz in der Früherkennung zur Verfügung. Stadienabhängige Therapie 1. Lokal begrenzte Tumoren Die akzeptierte Behandlung oberflächlicher Harnblasenkarzinome (Ta/T1; Abb.1) besteht in der transurethralen Tumorresektion. Die intravesikale Chemotherapie (z.B. mit Epirubicin) hat keinen Einfluss auf Progress und Überleben. Auch die Rezidiventstehung kann damit nur in der Gruppe der erstdiagnostizierten Tumore beeinflusst werden. Besteht neben dem Harnblasenkarzinom eine Harnblasenkarzinom Ta G1 Abbildung 1 Prostatahyperplasie (BPH) mit Blasenentleerungsstörung, so senkt die Resektion der Prostata (TUR-P) und damit die Beseitigung der Entleerungsstörung die Rezidivrate des Blasenkarzinoms signifikant (Abb.2). Die radikale Zystektomie ist bei Patienten mit lokal begrenzten, muskelinvasiven Harnblasenkarzinomen (T2-4, N0, M0) ohne Komorbiditäten die Standardtherapie. Weniger radikale operative Eingriffe sind mit einem hohen Rezidivrisiko und einer deutlich höheren Mortalität belastet. Die Wahl der Harnableitung bedarf der individuellen Anpassung an die Bedürfnisse des Patienten. Alternative Behandlungskonzepte sind eine Strahlentherapie oder Radiochemotherapie. Harnblasenkarzinom Die systematische Nachsorge beeinf lusst im Vergleich zu einer symptomorientierten Nachsorge nicht die sehr geringen Überlebensraten nach einem Rezidiv (Abb.3). 2. Metastasierte Tumoren Die systemische Chemotherapie bei metastasierter Erkrankung ist palliativ ausgerichtet. Standard ist die Kombination von Gemcitabin und Cisplatin, die zwar von den Ergebnissen her dem älteren M-VAC Schema nicht überlegen ist, aber besser verträglich und öfter ambulant durchführbar ist. Neue chemotherapeutische Substanz bei der Entität des metastasierten Harnblasenkarzinoms im second-line Ansatz ist Vinflunine (Abb.4). Ta/T1 +BPH Abbildung 2 24 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Neo-adjuvante Konzepte sind individuelle Entscheidungen und keine Standardtherapie. Eine aufwendige Metastasenchirurgie, z.B. bei Knochenmetastasen (Abb.5), sollte angesichts der geringen Lebenserwartung der Patienten nur in Ausnahmesituationen, z.B. bei sonst nicht beherrschbaren Schmerzen, zum Einsatz kommen. 8. NZW-Süd in Ravensburg Harnblasenkarzinom Harnblasenkarzinom Nachsorge/systematisch versus symptomorientiert second line Therapie Vinflunine versus Kontrolle Volkmer et al.AUA: 1699, 2008 Abbildung 3 Abbildung 4 Harnblasenkarzinom M1, chir. Malignes Melanom Harnblase Abbildung 5 Abbildung 6 Die Prognose von Patienten mit fortgeschrittenen, symptomatischen und therapierefraktären Karzinomen der Harnblase ist extrem ungünstig. Gleiches gilt für seltene Tumore der Harnblase wie z.B. Maligne Melanome oder Adenokarzinome (Abb.6 und 7). Hier fehlen Studienergebnisse. Fortschritte auf dem Gebiet der Molekularbiologie, Pharmakologie und molekularen Pathologie lassen neue Therapieansätze über den Nachweis von Rezeptoren und eine daran geknüpfte Target orientierte Therapie erhoffen. Urachuskarzinom Adenokarzinom Abbildung 7 Fazit: Bei lokal begrenzten Tumoren bietet eine ausreichend radikale chirurgische Resektion die besten Chancen hinsichtlich Rezidivhäufigkeit und Überleben. Bei metastasierten Blasen- und Urothelkarzinomen ist die Prognose nach wie vor sehr schlecht. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 25 8. NZW-Süd in Ravensburg Ernährungsberatung von Tumorpatienten Ingeborg Rötzer, Heidelberg K rebspatienten haben in der Regel zahlreiche Fragen zur richtigen Ernährung (Abb.1). Ein besonders großes Problem sind Appetitlosigkeit, Übelkeit und Gewichtsverlust während der Chemo- oder Radiotherapie. 15-20 Prozent der Patienten sind bereits bei Diagnosestellung mangelernährt, bei fortgeschrittener Krankheit sind es sogar 80-90 Prozent. Die Gründe dafür sind vielfältig: Appetitverlust (Anorexie) Veränderte Geschmackswahrnehmung Übelkeit & Erbrechen Mucositis/Stomatitis Malabsortion Diagnostik Schwäche Obstipation Veränderter Bedarf Depression schnelles Völlegefühl Abdominelle Beschwerden Schmerzen Abbildung 1 Da ein tumorbedingter Gewichtsverlust zahlreiche endokrine und metabolische Veränderungen nach sich zieht und u.a. die Immunkompetenz und die Toleranz gegenüber der Therapie vermindert sowie die Lebensqualität und die Prognose verschlechtert, muss versucht werden, den Ernährungsstatus zu verbessern. Dass eine kompetente Ernährungsberatung hier messbare Effekte hat, zeigte eine 2005 veröffentlichte Studie (Ravasco P et al. J Clin Oncol. 2005 Mar 1;23(7):1348-9) Hier wurden Patienten mit kolorektalen Karzinomen während der Strahlentherapie in drei Gruppen eingeteilt: Gruppe 1 wurde beraten, mit welchen Lebensmitteln Eiweiß- und Kaloriengehalt der Nahrung gesteigert werden konnten. Gruppe 2 erhielt zusätzlich zur frei gewählten Kost zweimal täglich eine kalorien- und eiweißreiche flüssige Zusatznahrung Einfluss auf die Kalorienzufuhr Abbildung 2 26 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 8. NZW-Süd in Ravensburg (à 200 kcal/20 g Eiweiß); Gruppe 3 bekam keine besonderen Empfehlungen. Lediglich mit der Ernährungsberatung gelang es, Protein- und Kalorienzufuhr dauerhaft zu steigern (Abb. 2 und 3). Dass die Verbesserung des Ernährungsstatus sich auch günstig auf Schwere und Häufigkeit therapiebedingter Nebenwirkungen auswirkt, zeigt Abb. 4. Auch der Verbrauch von Supportiva gegen gastrointestinale Beschwerden war in Gruppe 1 signifikant seltener (Abb. 5). Einfluss auf die Proteinzufuhr Für die Ernährung von inappetenten Patienten gibt es einige bewährte Grundprizipien: essen, „was gut rutscht“´, also z.B. weich gekochte Eier, Pudding oder Joghurt. Abbildung 3 mindestens 5 Mahlzeiten/Tag Einfluss auf Ernährungsstatus und Nebenwirkung eher Gekochtes als Rohes (leichter verdaulich) nicht auf den „Appetit“ warten, denn der kommt nicht – lieber regelmäßig zu den Essenszeiten etwas verzehren starke Gerüche vermeiden Mahlzeiten energetisch anreichern; Butter und Sahne werden besser vertragen als Pflanzenöle Bei Patienten und Angehörigen sollten in dieser besonderen Situation bestehende Ernährungsvorbehalte ausgeräumt werden („Butter ist ungesund“; „so viele Eier darf man nicht essen“). Wichtig ist es auch, bei den Angehörigen Verständnis dafür zu wecken, dass der Patient im Zustand der Kachexie nicht essen kann, und keineswegs nicht essen will; Angehörige sollen Essensangebote machen, aber keinen Druck ausüben. Wenn sie ihre Zuwendung nicht über das Essen zeigen können („Liebe geht durch den Magen“), können sie auf andere Formen der Zuwendung aufmerksam gemacht werden (z.B. dem Kranken die Haare waschen oder die Füße massieren). Der Bedarf an Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralstoffe) wird nur bei einer Tageszufuhr ab 1800 kcal zuverlässig gedeckt. Tumorpatienten nehmen oft geringere Kalorienmengen zu sich, hier kann eine Supplementierung erwogen werden. Abbildung 4 Medikamente Abbildung 5 Fazit: Wichtiges Ziel der Ernährungsberatung ist es, eine ausreichende Energie- Flüssigkeits- und Eiweißzufuhr beim Patienten zu bewirken. Eine frühzeitige Intervention verbessert nicht nur das Allgemeinbefinden, sondern hat auch Bedeutung für die Prognose und für die Schwere von Therapienebenwirkungen. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 27 8. NZW-Süd in Ravensburg Interdisziplinäre Therapie des Bronchialkarzinoms/ Strahlentherapie Prof. Dr. Thomas Feyerabend, Bonn A b dem Stadium IIIa hat die Bestrahlung einen festen Platz in der multimodalen Therapie des Bronchialkarzinoms (Abb.1). Hier kommen Synergismen von Chemo- und Strahlentherapie zum Tragen: verminderte Repopulation (geringere Erholung vom subletalen Strahlenschaden) Akkumulation von Tumorzellen in strahlen-sensiblere Zellzyklusphasen (G2, M) die alleinige Bestrahlung, insbesondere in stereotaktischer Form, bei fehlender Operationsmöglichkeit auch in frühen Stadien Erfolg versprechend eingesetzt werden (cT1: 5-Jahresüberleben 50 Prozent nach einer Strahlendosis von 60-70 Gy). In fortgeschritteneren Stadien wird sie meist kombiniert mit einer Chemotherapie und ggf. einer Operation verwendet. Eine simultane Radiochemotherapie bringt bessere Ergebnisse hinsichtlich der lokalen Tumorkontrolle und des Überlebens als eine sequenzielle Therapie (Abb.2). Abbildung 2 besseres Ansprechen hypoxischer Zellen bessere Durchblutung, dadurch verstärkte Chemoperfusion und bessere Strahlenempfindlichkeit durch höhere Oxygenierung Nicht -kleinzellige Bronchialkarzinome (NSCLC) Grundsätzlich ist bei den Indikationen zur Strahlentherapie zwischen nicht-kleinzelligen und kleinzelligen Bronchialkarzinomen zu unterscheiden. Bei den erstgenannten kann Verbesserung der Strahleneffektivität Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Effizienz der Strahlentherapie zu steigern. Dazu gehören die Steigerung der Gesamtdosis im Tumor, effektivere Methoden der Fraktionierung (Verteilung der Gesamtdosis über die Bestrahlungsdauer) und der Einsatz strahlensensibilisierender Substanzen (wie Cisplatin). Je höher die Strahlendosis im Tumorgewebe ist, desto geringer ist die Lokalrezidivrate. Mit CHART (kontinuierlich hyperfraktionierte akzelerierte RT- eine Methode, bei der mehrmals täglich in kleinen Einzeldosen bestrahlt wird) kann auch das Gesamtüberleben günstig beeinflusst werden, allerdings um den Preis von mehr unerwünschten Wirkungen wie schwerer Ösophagitis oder Lungenfibrose. Mit sorgfältiger 3D-Planung und stereotaktischer Bestrahlung kann erreicht werden, dass eine höhere Strahlendosis im Tumor ankommt (konformale Bestrahlung, Abb.3), wobei das umgebende gesunde Gewebe bestmöglich geschont wird. Je nach Tumorausdehnung kann mit dieser Methode die Strahlendosis direkt im Tumor um bis zu 40 Prozent gesteigert werden. Abbildung 1 28 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Kleinzellige Bronchialkarzinome (SCLC) Die kleinzelligen Bronchialkarzinome werden aufgrund ihrer Metastasierungsneigung und ihrer Zytostatikasensitivität vorzugsweise mit einer Chemotherapie (Cisplatin, Etoposid) behandelt. Insbesondere die lokale Tumorkontrolle wird aber durch eine zusätzliche Strahlentherapie verbessert (Abb.4). Die Strahlentherapie kann das Behandlungsergebnis sowohl durch die Bestrahlung des Primärtumors als auch eine ergänzende adZusammenfassung NSCLC Die sequenzielle Radiochemotherapie ist der alleinigen Strahlentherapie überlegen Die simultane Radiochemotherapie ist der sequenziellen Therapie überlegen Platin-Derivate und Taxane sind in der Radiochemotherapie unverzichtbar Studienergebnisse beziehen sich auf Patienten in gutem AZ 8. NZW-Süd in Ravensburg Linearbeschleuniger Multileaf-Kollimator (Millenium-120-MLC) Konformationsbeschleunigung Lamellenposition abhängig vom Gantrywinkel Abbildung 3 juvante Hirnbestrahlung verbessern. Eine simultane ist der sequenziellen Kombinationstherapie zwar hinsichtlich der Ergebnisse überlegen, aber für Patienten in schlechtem Allgemeinzustand i.d.R. zu belastend. Die hyperfraktioniert/akzelerierte Bestrahlung bringt wie beim Nicht-kleinzelligen Karzinom bessere Resultate, ist aber ebenfalls mit einer höheren Toxizität belastet. Da kleinzellige Bronchialkarzinome ein hohes Risiko haben, cerebral zu metastasieren (20 bis 40 Prozent), erfolgt eine adjuvante Bestrahlung des Schädels. Damit kann die Metastasierungsrate auf unter 10 Prozent gesenkt und das Überleben deutlich verbessert werden. Palliative Therapie Bei Diagnosestellung sind 60 Prozent der kleinzelligen Bronchialkarzinome in einem inkurablen Stadium. In dieser Situation leistet die Strahlentherapie einen wichtigen Beitrag zur Symptomkontrolle. So können z.B. ein symptomatischer Primärtumor (Blutung, obere Einflussstauung, Luftnot, Schmerzen, Bluthusten) und Hirn- oder Knochenmetastasen sehr wirksam mit Hilfe einer Bestrahlung behandelt werden. Zusammenfassung SCLC Abbildung 4 Die Radiochemotherapie ist der alleinigen Strahlentherapie überlegen Die simultane Radiochemotherapie ist der sequenziellen Therapie überlegen Die hyperfraktioniert-akzelerierte Bestrahlung ist einer konventionell fraktionierten Radiatio überlegen Die Neurokraniumbestrahlung verbessert die Prognose auch in fortgeschrittenen Stadien Fazit: Die Strahlentherapie hat eine bedeutsame Rolle in der Behandlung von Patienten mit Bronchialkarzinomen. Durch ständige Innovationen bzgl. der technischen Möglichkeiten hat sich die Zielgenauigkeit und Reproduzierbarkeit einer Strahlenbehandlung so verbessert, dass die Strahlengesamtdosen erhöht und damit die Heilungschancen vergrößert werden konnten. Gleichzeitig ist eine stärkere Schonung des gesunden Gewebes erreichbar. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 29 8. NZW-Süd in Ravensburg Interdisziplinäre Therapie des Bronchialkarzinoms/ Operative Therapie Prof. Dr. Michael Semik, Hemer D ie stadiengerechte Therapie des Bronchialkarzinoms ist entscheidend für die Überlebensprognose der betroffenen Patienten. Der chirurgischen Therapie, möglichst mit radikaler Resektion des betroffenen Lungenanteils, kommt hierbei eine entscheidende Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere für Frühstadien der Erkrankung (I und II), das betrifft beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) etwa 30 Prozent der neu diagnostizierten Patienten (einen Überblick über die Stadieneinteilung gibt Abb.1). Aber auch in fortgeschrittenen Stadien hat die Chirurgie ihren Stellenwert im multimodalen Therapiekonzept. Die 5-Jahresüberlebensraten nach alleiniger chirurgischer Therapie in Frühstadien zeigt Abb. 2; durch adjuvante Chemo- und/oder Strahlentherapie kann das Überleben verbessert werden. Zur präoperativen Planung kommen in der Thoraxchirurgie neben den üblichen Verfahren der Tumordiagnostik auch invasive Verfahren wie Mediastinoskopie (MESK, Abb.3) und Bronchoskopie zum Einsatz, um beispielsweise Aufschluss über den Lymphknotenstatus im Mediastinum oder über eine Ausdehnung des Tumors über die Lungengrenzen hinaus zu gewinnen. Bei der Thoraxchirurgie handelt es sich um große, belastende Eingriffe, die eine sorgfältige Vorbereitung des Patienten erfordern (Abb. 4). UICC-Stadien Abbildung 1 sowie broncho- und angioplastischer Techniken, die in der fundierten Thoraxchirurgie etabliert sind, können radikale und z. T. parenchymsparende Resektionen erreicht, eine belastende und risikoreiche Pneumektomie vermieden werden. Das umfangreiche Operationsspektrum muss heutzutage vom erfahrenen Thoraxchirurgen beherrscht und individuell eingesetzt werden, um eine prognostisch entscheidende R0-Resektion (vollständige Entfernung des Tumors) zu erreichen (Abb.5). Eine neue Entwicklung stellen minimalinvasive, videoassistierte Operationsverfahren (VATS) dar (Abb.6 und 7). Bisher kann nicht abschließend beurteilt werden, ob solche Verfahren der offenen Operation gleichwertig sind; Problemfelder sind hier z.B. mangelnde Radikalität bei der Resektion und schlecht beherrschbare Blutungskomplikationen. Vorteile der minimal-invasiven Verfahren sind weniger Schmerzen, eine bessere postoperative Lungenfunktion, die Entlassung nach NSCLC I/II Operationsverfahren Operation Standardresektionen sind die Lobektomie (Entfernung einzelner Lungenlappen), Bilobektomie und Pneumektomie (Entfernung eines Lungenflügels) mit radikaler Lymphadenektomie. Erweiterte Resektionen sind bei lokal fortgeschrittenen Tumoren häufiger indiziert. Via intraperikardialer Gefäßversorgung, Brustwand- und Zwerchfellresektion 5 J. Überleben nach Operation Stadium I Stadium II 70-80% 50-60% +7% adjuvante Chemotherapie +15% Abbildung 2 30 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 8. NZW-Süd in Ravensburg Operative Diagnostik OP-Vorbereitungen • Zervikale MESK (Video-MESK) • Indikation, Risikoabschätzung • Erweiterte MESK/Re-MESK (Alter, Funktion, Begleiterkrankg.) • Parasternale MESK/MEST • Eigenblutspende • Videoassistierte Thorakoskopie • Nikotinkarenz • Physiotherapie Abbildung 3 Abbildung 4 Bronchialkarzinom/Chirurg. Therapie Überleben (R-Status) der Klinik bereits nach wenigen Tagen und ein besseres kosmetisches Ergebnis. Postoperative Komplikationen Aufgrund der Schwere der Eingriffe sind postoperative Probleme nicht selten. Einige typische Komplikationen sind: Sekretretention, Atelektase Pneumonie, Ateminsuffizienz protrahierte Drainagetherapie Pneumothorax Herzrhythmusstörung Nachblutung, Hämatom Bronchusstumpf-Fistel /AnastomosenInsuffizienz Bronchus-/ Gefäßstenose Gefäßthrombose Abbildung 5 VATS-Lobektomie I Fazit: Im Stadium I und II ist die primäre Operation „state of the art“, im Stadium IB und II wird zunehmend adjuvant chemotherapiert. Im Stadium III A wird der Zeitpunkt der operativen Therapie anhaltend diskutiert (primär vs. nach neoadjuvanter Chemo- oder kombinierter Chemoradiotherapie). Ab Stadium III ist die Therapie immer multimodal, im Stadium IV allerdings mit lediglich palliativer Zielsetzung. Abbildung 6 VATS-Lobektomie II Abbildung 7 Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 31 8. NZW-Süd in Ravensburg Prävention von Nebenwirkungen der Chemotherapie Rita Bodenmüller-Kroll, Essen U nerwünschte Wirkungen einer Chemotherapie beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität des Patienten, sondern beeinflussen auch den Behandlungserfolg und verbrauchen Ressourcen im Gesundheitswesen. Das Risiko des Auftretens unerwünschter Wirkungen ist zum einen von der Art der Therapie abhängig, in hohem Maße aber auch von patientenbedingten Faktoren wie Lebensalter, Allgemeinzustand, Art und Stadium des Tumors und Komorbidität. Nebenwirkungen können meist nicht verhindert, aber in Schwere und Dauer abgemildert werden. Prävention von Übelkeit und Erbrechen • • • • • • • • Risikoerfassung Ängste des Patienten ernst nehmen Starke Essensgerüche vermeiden Keine stark gewürzten Speisen Mehrere kleine Mahlzeiten Alkohol- und Nikotinabstinenz Psychologische Unterstützung Medikamentöse antiemetische Therapie nach Risikoeinschätzung und Stufenschema Abbildung 1 Übelkeit und Erbrechen Einige wichtige Aspekte der Prävention dieser belastenden Nebenwirkungen zeigt die Abb. 1. Es gibt mittlerweile eine breite Palette von Antiemetika: NK1-Antagonist: Aprepitant (Emend®) 5-HT3 Rezeptor Antagonisten: Palonosetron (Aloxi®), Ondansetron (Zofran®), Granisetron (Navoban®), Dolasetron (Kevatril®) Dopaminantagonisten: Metoclopramid (Paspertin®), Alizaprid (Vergentan®), Haloperidol (Haldol®) Steroide (Dexamethason®) Andere Substanzen: Lorazepam, Dronabinol, Gabapentin hier verschiedene Dosierungsschemata, die die i.v- und orale Gabe zu unterschiedlichen Zeitpunkten kombinieren (Abb.2) zur täglichen Routine gehört. Deshalb ist es wichtig, ganz besonders auf die Mundpflege einzugehen. Maßnahmen zur Prävention der Stomatitis zeigt Abb. 3. Stomatitis Die schmerzhafte Entzündung der Mundschleimhaut kann für die Patienten außerordentlich belastend sein. Bei der Prävention spielt die Mundhygiene eine große Rolle. Bei vielen Patienten kann man nicht davon ausgehen, dass regelmäßige Mundpflege bei ihnen Mundtrockenheit (Xerostomie) Hier handelt es sich um ein ebenfalls sehr quälendes Symptom. Maßnahmen zur Prophylaxe sind: Mundschleimhaut feucht halten Prävention von Zystotoxizität • Risikoerfassung (Verabreichung von Ifosphamid und Cyclophosphamid) • Dosierung beachten • Applikationsart beachten • Intravenös als Boli Std. 0, 4, 8 • Intravenös als 24-Stunden-Gabe Blasenschutz (Uroprotektion) Vor Chemotherapien mit Oxazaphosphorinen (Ifosfamid , Cyclophosfamid, Trofosfamid) kommt der Uroprotector Mesna (Uromitexan®, MESNA-cell®) zum Einsatz. Es gibt • Oral Std. -2, 2, 6 • Patienten vor der i.v. Applikation die Blase entleeren lassen • Ausreichend Flüssigkeit verabreichen • Urinuntersuchungen makroskopisch und mikroskopisch auf Erythrozyten Abbildung 2 32 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 8. NZW-Süd in Ravensburg ausreichend Flüssigkeitsaufnahme Speichelproduktion anregen mit: • Kaugummi kauen • Säurehaltige Bonbons • Fruchtsäfte, Zitrone Mundbefeuchtung • Saliva natura®, künstlicher Speichel Prävention der Stomatitis • Regelmäßige Mundspülung (Kamille, Salbei, Chlorhexidin, Stomatitislösung, Caphasol®, MuGard®) Prophylaktische lokale Antimykotika nicht evidenzbasiert • Verhütung von Irritationen und Verletzungen der Mundschleimhaut (Alkohol, Nikotin, scharfe Speisen) • Regelmäßige Mund- und Zahnhygiene • Eventuell mögliche Zahnsanierung (Prothesensitz, Parodontose) Diarrhö Starke durchfallbedingte Flüssigkeitsverluste werden für Patienten in reduziertem Allgemeinzustand schnell kritisch. Patienten sollten ermuntert werden, bei Durchfällen nicht zu lange zuzuwarten, sondern sich rasch an ihren Arzt zu wenden. Zur Prävention und Frühintervention empfehlen sich folgende Maßnahmen: Risikoerfassung, Patientenanleitung Primärprophylaktisch • Loperamid (Imodium®), je nach Stuhlfrequenz bis zu alle 2 h /8 Tbl. pro Tag Sekundärprophylaktisch/interventionell (Eskalationsschema) • Loperamid eskalieren • tinctura opii • Antibiotika (Ciprofloxacin, Augmentan®) • Octreotid (Sandostatin®) Ausreichend Flüssigkeit, eventuell parenteral Knochenmarksdepression Die Prävention und Beherrschung von Anämien, Thrombopenien und Leukopenien erfordern genaues Monitoring und rechtzeitiges Eingreifen. Anämie Erythropoetin (Aranesp, Erypo, NeoRecormon): • Regelmäßige Kontrolle der Mundschleimhaut • Ausführliche Information und Instruktion des Patienten • Ernährungsberatung Abbildung 3 • Vorteile: Stimulation der eigenen Blutbildung, daher keine Alloimmunisierung, keine Transfusionsreaktionen, keine Infektionen. Zuhause applizierbar, daher Unabhängigkeit vom Arzt • Nachteile: Nicht bei allen Pat. wirksam, Wirkung erst nach 2 – 8 Wochen, hohe Kosten, evtl. zusätzliche Eisentherapie nötig Sturzprophylaxe Hustenprophylaxe besondere Vorsicht bei der Mundpflege, Zahnreinigung, beim Schneuzen Verabreichung von Thrombozytenkonzentraten bei Werten unter 20 000 ( 5 000) Leukopenie Genaue Patientenbeobachtung/anleitung Erythrozytentransfusion: Infektionsrisiko minimieren • Vorteile: Wirkt bei allen Patienten, sofortige Wirkung, keine zusätzliche Eisengabe nötig, kostengünstiger Sepsisrisiko minimimieren durch frühzeitige Gabe von Antibiotika • Nachteile: Alloimmunisierung, Transfusionsreaktionen, Infektionen, Abhängigkeit von Arzt/ Praxis/Krankenhaus, logistischer Aufwand (Blutgruppenbestimmung, Kreuzprobe, Fahrt) Thrombopenie auf petechiale Blutungen achten keine beengende Kleidung und Schuhe tragen auf Sehstörungen und Verwirrtheitszustände achten ( Cave: Hirnblutung) EORTC/ NCC – Guidelines: • G-CSF (Neupogen, Neulasta, Granozyte) wenn mehr als 20% Infektionsrisiko durch die Chemotherapie Hautveränderungen Patienten sollten zu regelmäßiger schonender Hautreinigung und -pflege angehalten werden. Auch hier gilt, wie bei der Mundpflege, dass nicht automatisch eine ausreichende Körperpflege vorausgesetzt werden kann. Sonnenschutz ist ebenfalls wichtig zur Schonung der Haut. Ratschläge zur Hautpflege sollten folgende Aspekte umfassen: Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 33 8. NZW-Süd in Ravensburg Prävention des Hand-Fuß-Syndroms Abbildung 4 Regelmäßige und konsequente Hautpflege mit rückfettenden Präparaten Morgens und abends Insbesondere nach dem Waschen, Duschen oder Baden Körper: Lotionen Gesicht und Hände: Cremes oder Salben Vermeidung von Haut reizenden Stoffen (Seifen, Duschgel, Spülmittel, starke mechanische Belastung) Waschen mit lauwarmem Wasser (nicht mit kaltem oder heißem Wasser!) Verwendung von pH 5 hautneutralen Badeund Duschölen Konsequenter Lichtschutz Tagescreme mit LSF 20 Sonnenhut und entsprechende Kleidung Hand-Fuß-Syndrom Dieses Syndrom (Abb.4) ist außerordentlich quälend für die Patienten. Zur Prävention bieten sich an: Vermeiden von Druck, Reibung und Hitzeeinwirkung auf die Haut. Nicht zu heiß oder zu kalt duschen, keine reizenden Reinigungssubstanzen verwenden Weite, bequeme Schuhe tragen. Hände und Füße so oft wie möglich unbedeckt lassen. Vermeiden von einschnürende Kleidung, lockere Kleidung aus Naturmaterialien tragen Kein Pflaster oder Klebeband auf die Haut kleben. Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung (Sonnenschutz) Alkohol, ätherische Öle und scharfe Reinigungssubstanzen vermeiden 34 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Thrombosen Die Thromboseneigung ist bei Tumorpatienten erhöht. Zur Prophylaxe tragen bei: sorgsamer Umgang mit Port-Systemen exakte Patientenbeobachtung bei Hochrisiko- Patienten eine Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin in Erwägung ziehen für ausreichend Bewegung sorgen • Patientenanleitung • Hilfsmittelangebote Fazit: Viele unerwünschte Nebenwirkungen der Chemotherapie können verhindert oder abgemildert werden, wenn Patienten von allen Mitgliedern des onkologischen Teams ausführlich beraten werden und wenn auftretende Symptome früh und sorgfältig erfasst werden. 8. NZW-Süd in Ravensburg Orale Chemotherapie – die ärztliche Sicht Prof. Dr. Günther J. Wiedemann, Ravensburg E ines der von der Arbeitsgemeinschaft deutscher Tumorzentren bereits 1980 postulierten Behandlungsziele ist die familien- und wohnortnahe Versorgung von Krebspatienten. Diesem Ziel scheinen orale Chemotherapien in idealer Weise gerecht zu werden. Allerdings bringt diese sich immer mehr etablierende Therapieform auch zahlreiche Nachteile mit sich. Dazu gehören neben der Compliance des Patienten auch typische pharmakotherapeutische Probleme wie eine geringe therapeutische Breite, Unwägbarkeiten bei Resorption und Bioverfügbarkeit, die enterale Verträglichkeit bzw. Wechselwirkungen mit der Ernährung und Interaktionen mit anderen Medikamenten. Aus der Sicht des Patienten spielt die Bequemlichkeit der Einnahme in der vertrauten häuslichen Umgebung zwar eine Rolle, jedoch sind Umfragen zufolge Sicherheitsaspekte doch entscheidender für die Betroffenen (Borner et al., Eur. J. Cancer 2002;38:349-58; Liu et al., JCO 1997;15:110-5).Wenn Patienten mit Compliance Krebspatienten = Patientenzuverlässigkeit der Therapie alleine gelassen werden, kann das neben einer objektiven Gefährdung zu erheblicher subjektiver Unsicherheit führen („Was soll ich tun, wenn ich meine Tablette erbrochen habe?“). In den Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften (www.awmf-leitlinien.de) haben orale Chemotherapien jedoch einen zunehmenden Stellenwert. Umgang mit dem ComplianceProblem Die Therapietreue von Patienten ist erstaunlicherweise auch bei so vitalen Indikationen wie einer Krebserkrankung gering (Abb.1), ohne dass dies dem Arzt oder Apotheker bewusst wird. Aus der Sicht der Patienten gibt es viele Gründe, ihre Medikamente nicht wie verordnet einzunehmen: komplizierte Verordnung inadäquate Kontrolle Misstrauen (Kommunikationsmängel) abweichende Krankheitsauffassung fehlende soziale Unterstützung unerwünschte Wirkungen mentale Probleme Umso wichtiger ist es, all diese Hindernisse und Vorbehalte im Kopf zu haben, um dem Patienten eine gut strukturierte, für ihn verständliche Aufklärung zu geben und im Verlauf der Therapie nicht den engen Kontakt zu ihm zu verlieren. Strukturierte Abläufe Eine sichere orale Chemotherapie beginnt mit der Vermeidung von Fehlern bei der Verordnung und Ausgabe von Medikamenten. Entscheidende Fehlerquellen und Ansätze zu ihrer Vermeidung zeigt Abb. 2. Lösungsansätze zur Medikations-Sicherheit Entität Orale Therapie Compliance (%) Hämatolog. Erkrankungen Prednison Allopurinol 26,8 16,8 Brustkrebs Cyclophosphamid Prednison 53 Brustkrebs Tamoxifen 97,9 (*) 92,1 (#) 85,4 (§) *Selbstauskunft #Tablettenzählung §elektronische Kontrolle Partridge et al., JNCI 94:652-661, 2002 • systemorientierter Ansatz • Systemänderungen im Medikationsgesamtprozess – Vereinfachung der Prozessabfolgen: Abbildung 2 Abbildung 1 Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 35 8. NZW-Süd in Ravensburg Die Einschätzung des Allgemeinzustandes, der Aktivität und der Pflegenotwendigkeit des Krebskranken durch den Karnofsky-Index (KI) Normale körperliche Aktivität; keine besondere Pflege erforderlich 100% normale Aktivität; keine Beschwerden; kein Hinweis auf Tumorleiden 90% geringfügig verminderte Aktivität und Belastbarkeit 80% normale Aktivität nur mit Anstrengung; deutlich verringerte Aktivität Arbeitsunfähig; selbständige Lebensführung; wachsendes Ausmaß an Pflege und Unterstützung notwendig 70% unfähig zu normaler Arbeit; versorgt sich selbständig 60% gelegentliche Hilfe; versorgt sich noch weitgehend selbst 50% ständige Unterstützung und Pflege; häufig ärztliche Hilfe erforderlich Unfähig sich selbst zu versorgen; kontinuierliche Pflege oder Hospitalisierung notwendig; rasche Progredienz des Leidens 40% überwiegend bettlägerig; spezielle Hilfe erforderlich 30% dauernd bettlägerig; geschulte Pflegekraft notwendig 20% schwerkrank; Hospitalisierung; aktive supportive Therapie 10% moribund Abbildung 3 Bitte schließen Sie Ihre Augen! 30-27 P. 26-18 P. 17-10 P. < 9 P. Abbildung 4 36 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 keine Demenz leichte D mittelschwere D schwere D 8. NZW-Süd in Ravensburg Bei der Überwachung der Therapie muss berücksichtigt werden, dass die meist älteren Tumorpatienten eine Reihe von Begleiterkrankungen haben, die neben dem erhöhten Risiko unerwünschter Wirkungen auch die Fähigkeit zu geordneter Medikamenteneinnahme beeinträchtigen. Dazu gehören kognitive Störungen wie vorübergehende Verwirrtheit oder Demenz, psychische Erkrankungen wie Depressionen oder z.T. auch Beeinträchtigungen der Motorik (kindersichere Verpackung kann nicht geöffnet werden) oder des Sehens (Beipackzettel kann nicht gelesen werden). Jedes Mitglied des therapeutischen Teams sollte die individuelle Leistungsfähigkeit des Patienten einschätzen, dazu gibt es In- Patientenfragebogen: Mentalstatus: 3 Dinge benennen, Wiederholung nach einigen Minuten Fühlen Sie sich oft traurig/deprimiert? Können Sie sich selbst ankleiden? Brauchen Sie Hilfe im Badezimmer, selbständiges Baden/Duschen? Kontinenzprobleme? Essen ohne Hilfe? Mobilität inner- und ausserhalb der Wohnstätte/Treppenbenutzung ohne/ mit Hilfe? Stolpern? Selbständiges Führen eines PKW? Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel? Selbständige Speisenzubereitung? Selbständiges Einkaufen? Selbständiges Telefonieren? Selbständige Medikamenteneinnahme? Wer würde im Notfall verständigt? Komorbiditätsprüfung Größe/Körpergewicht – Verlaufsmessungen Medikamentenanamnese Vorsicht Depression! Fragen Positive Antwort Sind Sie grundsätzlich mit Ihrem Leben zufrieden? Nein Sind Sie oft gelangweilt? Ja Fühlen Sie sich oft hilflos? Ja Möchten Sie lieber zu Hause bleiben statt auszugehen und neue Dinge zu erleben? Ja Fühlen Sie sich recht wertlos so wie Sie zur Zeit sind? Ja ASCO Curriculum Cancer Care, Assessment Lebowitz et al., JAMA 1997; 278: 1186-1190 (Depressiv ab 2 positiven Antworten) Abbildung 6 strumente wie beispielsweise den KarnofskyIndex (Abb.3) oder verschiedene Tests, mit denen frühe Formen der Demenz erkannt werden können (Abb.4). Fragen zur Alltagstüchtigkeit (Abb.5) erlauben eine grobe Einschätzung, wie viel man dem Patienten bei der selbstständigen Einnahme oraler Chemotherapien zutrauen kann. Mit nur fünf Fragen lässt sich der Verdacht auf das Vorliegen einer Depression stellen (Abb.6), die sich ebenfalls negativ auf die Therapietreue auswirken kann. Überwachung und Dokumentation der Therapie sollten als wichtige Aufgabe jedes einzelnen Mitglieds im therapeutischen Team begriffen werden. Es ist dringend erforderlich, die Aufklärung der Patienten und das Monitoring zu intensivieren. Hier werden auch von der DGOP Anstrengungen unternommen, in Zukunft allen Apothekern und Patienten Broschüren mit Informationen und Dokumentationsmöglichkeit für jedes orale Chemotherapeutikum an die Hand zu geben. Ein Beitrag zur Sicherheit wäre auch die Einführung von T-Rezepten, wie es sie bereits für Lenalidomid (Revlimid®) gibt, für alle oralen Chemotherapeutika. Fazit: Das größte Problem bei den oralen Chemotherapien ist noch nicht ausreichend beherrscht: die Therapietreue (Compliance). Grundvoraussetzung für eine orale Tumortherapie ist die Verlässlichkeit der Tumorkranken. Hier sind zukünftig größere Anstrengungen des Prozessmanagements nötig, um orale Tumortherapien sicherer anzuwenden, weil sie relevante unerwünschte Wirkungen verursachen können, oft kompliziert einzunehmen sind, häufig eine Umstellung der Lebensgewohnheiten erfordern und eine strenge Therapiekontrolle voraussetzen. Hinweis: eine Übersicht zur Oralen Chemotherapie aus der Sicht des Apothekers von Jürgen Barth gab es in Heft 3 – 09 der Onkologischen Pharmazie (Seiten 4-7). Abbildung 5 Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 37 8. NZW-Süd in Ravensburg Endokrine Therapie des Prostatakarzinoms Prof. Dr. Jürgen Breul, Freiburg D urch Früherkennungsuntersuchungen wird heute bei den meisten Männern der Tumor in einem lokal begrenzten, potenziell heilbaren Stadium diagnostiziert (Abb.1). Unter zehn Prozent der Patienten haben bei Diagnosestellung bereits ein metastasiertes Leiden. Für diese Patientengruppe und für diejenigen, die trotz lokaler Therapiemaßnahmen eine Tumorprogression erleiden, bleibt als Standardtherapie die endokrine Therapie, also die Ausschaltung der Testosteronwirkung auf die Tumorzelle. Testosteron (T) wird zu 90-95 Prozent in den Leydigzellen des Hodens produziert, etwa fünf bis zehn Prozent stammen aus der Nebenniere. Durch das Enzym 5-alpha-Reduktase wird T in seinen wirksamen Metaboliten, Dihydrotestosteron (DHT), umgewandelt, das der eigentliche Wachstumsfaktor für das Prostata-Ca ist. DHT bindet an den Androgenrezeptor (AR), der nach Aktivierung zu einer Auffaltung der DNA und zu einem Ablesen androgenabhängiger Gene führt. Aus diesen Zusammenhängen leiten sich die verschiedenen Möglichkeiten der Testosteronausschaltung ab (Abb.2): Einmal kann durch bilaterale Orchiektomie die Produktion der Ledigzellen direkt ausgeschaltet werden. Gleiches kann durch die Gabe von Gondotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Superagonisten oder -Blocker erreicht werden (Abb.3). Eine Besonderheit der GnRH-Superagonisten ist, dass ihre Wirkung nicht sofort eintritt, es im Gegenteil zunächst zu einem Anstieg des Serumtestosterons kommt. Deshalb muss diese Behandlung in der Anfangsphase (ca. vier Wochen lang) mit einem Antiandrogen kombiniert werden. Die Bildung von DHT an den AR wird durch Antiandrogene (steroidale und nicht-steroidale) kompetitiv inhibiert. Auf diese Weise würde auch die T Wirkung aus der Nebennierenproduktion eliminiert. Andere Therapieformen betreffen die Inhibition der Steroidbiosynthese, sind aber weniger weit verbreitet. Anteil der Patienten, die bei Diagnosestellung bereits Metastasen aufweisen, ist in der PSA-Ära von 33% auf < 5% zurückgegangen vor 1985 2008 Abbildung 1 Der Erfolg jeder endokrinen Therapie wird mithilfe der PSA-Werte kontrolliert. Intermittierende oder kontinuierliche Androgenblockade? In den letzten Jahren hat sich zunehmend das Konzept der interAbbildung 2 mittierenden Androgendeprivation (IAD) durchgesetzt. Potenzielle, bisher nicht bewiesene Vorteile wären, dass GnRH Agonisten die Zeit bis zur Resistenz gegenüber der enZoladex® dokrinen Therapie verlängert wird, dass insEnantone/Trenantone/Sixantone® gesamt weniger unerwünschte Wirkungen Eligard® auftreten und die Lebensqualität der PatiPamorelin® enten so gesteigert wird, und es ergäbe sich Generika ein nicht unbeträchtliches Einsparpotenzial. GnRH Antagonisten (-Blocker) Einen typischen Verlauf der PSA- (grün) und Firmagon® (Degarelix) Testosteronwerte (rot) unter intermittierender Plenaxis® (Abarelix) Therapie zeigt Abb. 4. Hinsichtlich der Zeit bis zur Progression und der Dauer des Überlebens Abbildung 3 sind die intermittierende und die kontinuierliche Behandlung gleichwertig (Abb.5). 38 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 8. NZW-Süd in Ravensburg EC 507: Zeit bis zur Progression PSA und Testosteron unter IAD Vergleichbare Zeit bis zur Progression in beiden Armen! Abbildung 4 Maximale Androgenblockade Abbildung 5 Vergleich der PSA Reduktion Bicalutamid vs Kastration Mit der Kombination eines GnRH-Analogons mit einem Antiandrogen wird eine maximale Androgendeprivation angestrebt, die auch die Hormonbildung in der Nebennierenrinde mit einbezieht. Da mit dieser wesentlich eingreifenderen Therapie nur ein marginaler Überlebensvorteil erzielt wird, ist dieses Konzept nicht sehr verbreitet. Monotherapie mit Antiandrogenen Es ist ein grundlegendes Problem der Rezeptorblockade mit Antiandrogenen, dass DHT eine deutliche stärkere Rezeptoraffinität hat als Rezeptorenblocker wie z.B. Bicalutamid. Um eine effekltive Wirkung mit relevanter Senkung der PSA-Werte zu erreichen, ist eine hohe Dosis erforderlich (Abb.6). Abbildung 6 EORTC 30899 Sofort oder erst später behandeln? Angesichts der nicht unerheblichen Nebenwirkungen einer endokrinen Therapie (s.u.) stellt sich die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt des Therapiebeginns. Palliative Gesichtspunkte sprechen für einen frühen Therapiebeginn, da damit Symptome wie Schmerzen oder Frakturen besser zu kontrollieren sind (Abb.7). Auf das Überleben wirkt sich ein früher Therapiebeginn dagegen kaum aus. Bei Risikopatienten (PSA>50 ng/ml und/ oder Gleason-Score ab 7) ist ein sofortiger Therapiebeginn allerdings die Regel. Tumorbedingte Komplikationen Unerwünschte Wirkungen des Hormonentzugs Die endokrine Therapie des Prostatakarzinoms ist mit erheblichen Nebenwirkungen belastet (Abb.8). Das Risiko eines tödlichen Myokardinfarktes ist nach einer retrospektiven Auswertung deutlich erhöht (Abb.9). Dies muss nun in einer prospektiven Studie untersucht werden. Subjektiv können die Patienten auch unter Antriebsarmut, kognitiven Einschränkungen und Impotenz leiden. Studer UE, J Clin Oncol, 24: 1868-1876, 2006 Abbildung 7 Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 39 8. NZW-Süd in Ravensburg „Hormonal therapy is not a benigne treatment“ Resistenzprobleme Catalona, AUA 2007 Jedes Protatakarzinom wird unter der endokrinen Therapie irgendwann resistent, im Mittel nach zwei bis drei Jahren (im metastasierten Stadium). In dieser Situation sollte zunächst geprüft werden, ob der Testosteronspiegel tatsächlich im Kastrationsbereich ist und eine oder zwei andere Formen der Hormontherapie erprobt werden, bevor eine Chemotherapie in Betracht gezogen wird. Mögliche therapeutische Optionen sind: Antiandrogenentzug Zugabe oder Wechsel des Antiandrogens Cortison Östrogene Steroidbiosynthesinhibitoren Ein neues Konzept zur kompletten Hemmung der Testosteronsynthese auch intrazellulär im Tumor selbst bietet der neue Wirkstoff Abiraterone. Damit können bei Hormontherapie-resistenten Tumoren noch erstaunlich hohe Ansprechraten um 70 bis 80 Prozent erzielt werden. Abbildung 8 % tödlich verlaufende Herzinfarkte 6 Monate vs keine Hormontherapie Fazit: Die Hormontherapie ist die Standardtherapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms. Verschiedene Therapieformen stehen zur Verfügung, die optimale Therapie ist noch nicht etabliert. Bei eintretender Resistenz werden vor Einsatz einer Chemotherapie zunächst sekundäre und tertiäre Hormonmanipulationen ausgeschöpft. Abbildung 9 Kongressberichterstattung: Dr. Sabine Thor-Wiedemann Altdorfstraße 5 Medizinpresse 88250 Weingarten [email protected] 40 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 8. Therapie des frühen Mammakarzinoms KONGRESSBERICHT Therapie des frühen Mammakarzinoms Stand nach St. Gallen 2009 und aktuelle AGO-Empfehlungen Von Petra Jungmayr, Esslingen A lle zwei Jahre findet in St. Gallen (Schweiz) eine internationale Konferenz zur Therapie des frühen Mammakarzinoms statt, deren Ergebnisse in einem Konsensuspapier zusammengefasst werden. Zeitnah, das heißt wenige Tage nach Kongressende werden die in St. Gallen gefassten Beschlüsse in einem Gremium deutscher Experten diskutiert und unter Berücksichtigung aktueller Leitlinien bewertet. Die in St. Gallen erstellten Empfehlungen und die Inhalte aktueller nationaler Leitlinien sind oftmals gleich, können aber auch in einigen Punkten von einander abweichen. Sowohl in den aktuellen Empfehlungen von St. Gallen als auch in den AGO-Leitlinien zeichnet sich ein Trend zur individuellen Therapieentscheidung ab, da die Bedeutung der Tumorbiologie und die Relevanz prognostischer und prädiktiver Parameter zunehmend an Bedeutung gewinnen. Im März 2009 trafen sich mehr als 4800 Teilnehmer aus 101 Ländern in St. Gallen, um über die Therapie des frühen Mammakarzinoms zu diskutieren. Abschließend wurden in einer aus 43 Experten aus 17 Ländern bestehenden Konsensuskonferenz die internationalen Richtlinien für die Behandlung des frühen Brustkrebses erarbeitet. Im Vergleich zum Konsensus von 2007 finden sich in der aktuellen Version von 2009 einige wesentliche Änderungen im Hinblick auf die adjuvante Therapiewahl, wobei die Empfehlungen zunehmend molekularbiologische und pathologische Faktoren berücksichtigen. Stützte sich früher die Therapieentscheidung auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Risikokategorie und auf den Grad der Hormonempfindlichkeit, so basiert sie heute auf folgenden drei Fragen: Was rechtfertigt eine endokrine Therapie? Was spricht für eine Anti-HER2-Therapie? Was rechtfertigt eine Chemotherapie? Diese Fragen werden auf der Basis unterschiedlicher Kriterien beantwortet; einem vorgegebenen Algorithmus folgend wird anschließend eine Therapieentscheidung getroffen. Adjuvante und neoadjuvante systemische Therapie Endokrine Therapie Fast alle Frauen mit einem endokrin sensiblen Mammakarzinom sollten eine antihormonelle Therapie erhalten. Als endokrin sensibel gelten alle Tumoren, bei welchen Estrogenrezeptoren (ER) nachgewiesen werden. Eine Erkrankung gilt bei einer ER-Expression von >50% als hoch endokrin sensitiv. Postmenopause: Erstmals werden bei postmenopausalen Frauen mit rezeptorpositiver Erkrankung Aromatasehemmer als Standardtherapie empfohlen. Diese sollten von Anfang an (upfront) gegeben werden, dies gilt vor allem für Patientinnen mit hohem Rück- fallrisiko. Für einige Frauen kann auch eine Therapie mit Tamoxifen erwogen werden. Prämenopause: In der Prämenopause kommt die Gabe von Tamoxifen oder eine Kombination aus Tamoxifen und einem GnRH-Agonisten zur ovariellen Suppression infrage. Die alleinige Gabe eines Aromatasehemmers ist in der Prämenopause kontraindiziert. Besteht eine Kontraindikation gegenüber Tamoxifen, ist die Gabe eines Aromatasehemmers in Kombination mit der ovariellen Suppression eine Alternative. Die Bestimmung von CYP2D6 vor der Tamoxifengabe ist in den jetzigen Empfehlungen nicht vorgesehen. Anti-HER2-Therapie Bei Nachweis einer Überexpression von HER2 (>30% positive Tumorzellen und eine Tumorgröße von >1cm) ist eine adjuvante Behandlung mit Trastuzumab während zwölf Monaten indiziert. Diese erfolgt meist in Kombination mit oder nach einer Chemotherapie. Adjuvante Chemotherapie Die Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie muss individuell getroffen werden. In der Regel kommt eine zytotoxische Behandlung vor allem bei triple-negativen In St. Gallen diskutierte Themen (Auswahl) Chirurgie Chemotherapien Bestrahlung Zielgerichtete Therapien Pathologie: Estrogenrezeptor, Progesteronrezeptor, Ki-67, Grading Neoadjuvante systemische Therapie Multi-Gen-Signaturen, Adjuvant!Online (Algorithmus zur Abschätzung von Risiko und Therapiebenefit) Endokrine Therapien Fertilität, Schwangerschaft nach Brustkrebserkrankung Bisphosphonate Mammakarzinom des Mannes Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 41 Therapie des frühen Mammakarzinoms Tumoren (fehlende Überexpression von HER2 und fehlende Expression von Estrogen- und Progesteronrezeptoren) und bei einer HER2-positiven Erkrankung in Frage und ist bei endokrin sensitiver, HER2-negativer Erkrankung weniger nützlich (Tab. 1). Im Hinblick auf die adjuvante Chemotherapie führen die Empfehlungen von St. Gallen keine bevorzugten Therapieprotokolle auf, auch hier werden individuelle Therapieentscheidungen getroffen. Neoadjuvante Therapie Neoadjuvante zytotoxische Therapien sollen Taxane und Anthrazykline enthalten und bei nachgewiesener Überexpression von HER2 zusätzlich Trastuzumab. Bei postmenopausalen Frauen mit endokrin abhängigen Tumoren kann eine alleinige neoadjuvante antihormonelle Therapie während fünf bis acht Monaten oder bis zum Erreichen des besten Ansprechens sinnvoll sein. Tumorbiologische Faktoren für die Therapieentscheidung Die Empfehlungen sehen in dem Proliferationsmarker Ki-67 einen unabhängigen Prognosefaktor, der unter anderem für eine höhere Chemotherapieempfindlichkeit bei hormonrezeptorpositiven Tumoren spricht. Die Marker uPA/PAI-1 (Plasminogenaktivator vom Urokinasetyp/PlasminogenaktivatorInhibitor Typ 1) wurden von einer Mehrheit des Panels (vor allem aus den USA) nicht als unabhängige prognostische Faktoren für den Einsatz im klinischen Alltag anerkannt. Molekulare Signaturen, die mit Hilfe von Genchips ermittelt werden, können bei einem hormonsensiblen Mammakarzinom als zusätzliche Entscheidungshilfen pro oder kontra Chemotherapie herangezogen werden. Sonstiges Die Empfehlungen gehen ferner auf den Einsatz von Bisphosphonaten (keine Empfehlung beim primären frühen Mammakarzinom während der adjuvanten endokrinen Therapie), auf lokale Therapien (Chirurgie, Strahlentherapie) sowie auf pathologische Besonderheiten ein. Für die Therapie eines Mammakarzinoms beim Mann gelten generell die gleichen Regeln wie bei der Brustkrebsbehandlung von Frauen. In der adjuvanten endokrinen Thera- Therapieempfehlungen im Wandel. Hier die Darstellung einer Brustuntersuchung durch den Chirurgen Teodorico Borgognoni (1275) [Universitätsbibliothek Leiden; Voss. Lat. F3, fol 90v.] Tab. 1: Chemoendokrine Therapie beim rezeptorpositiven, HER2-negativen Mammakarzinom gemäß den Empfehlungen von St. Gallen 2009 [nach Goldhirsch et al.] Pathologische und klinische Parameter Relative Indikation für eine chemoendokrine Therapie Relative Indikation für eine alleinige endokrine Therapie Estrogen- und ProgesteronRezeptor (ER und PgR) niedrige ER- und PgR-Werte hohe ER- und PgR-Werte histologisches Grading Grad 3 Grad 1 Proliferation hoch gering Lymphknotenbefall vier oder mehr Lymphknoten sind betroffen kein Lymphknotenbefall peritumorale vaskuläre Invasion (PVI) ausgedehnte PVI keine PVI Tumorgröße >5 cm <2 cm Patientenwunsch Wunsch nach allen möglichen therapeutischen Optionen Ablehnung einer Chemotherapie aufgrund der Nebenwirkungen Gensignatur hoher Score niedriger Score pie wird bei Männern Tamoxifen (kein Aromatasehemmer) eingesetzt. In die Entscheidung, ob ein rezeptorpositives, HER2-negatives Mammakarzinom nur endokrin oder chemotherapeutisch und endokrin behandelt werden soll, fließen mehrere klinische und pathologische Parameter mit ein. 42 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Aktualisierte AGO-Leitlinien Die Empfehlungen von St. Gallen fließen in nationale und internationale Leitlinien ein, wobei auch länderspezifische Eigenheiten und unterschiedliche Gesundheitssysteme berücksichtigt werden. Der Konsens von St.Gallen stellt somit den kleinsten gemein- Therapie des frühen Mammakarzinoms samsten Nenner dar. Unmittelbar nach der Konsensuskonferenz traf sich ein deutsches Expertenteam, um die ausgesprochenen Empfehlungen an das deutsche Gesundheitssystem anzupassen. Das Ergebnis dieses Treffens schlägt sich unter anderem in den aktualisierten Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) nieder, in die einige in St. Gallen ausgesprochene Empfehlungen aufgenommen werden, andere hingegen nicht. So sieht etwa St. Gallen kein bestimmtes Standard-Chemotherapieproto- koll vor. In den AGO-Leitlinen finden sich hingegen zahlreiche Therapieregime, in denen prognostische und prädiktive Faktoren berücksichtigt werden. 2) Prof. Dr. Andreas Schneeweis, Heidelberg: Update St. Gallen 2009: Konsequenzen für die Therapie des frühen Mammakarzinoms. Fachpresse-Konferenz am 24. März 2009 in Berlin; veranstaltet von Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt. 3) AGO-Leitlinie (Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie); aktuelle Version 2009). www.ago-online.org. Quellen 1) Goldhirsch A., et al.: Thresholds for therapies: highlights of the St Gallen international expert consensus on the primary therapy of early breast cancer 2009. Annals of Oncology, online 17.6.2009. 4) Harbeck N., et al.: Aktueller Stand nach St. Gallen 2009. Zeitgemäße Therapieentscheidungen beim Mammakarzinom. Im Focus Onkologie 6, 71-74 (2009). Tab. 2: Die Empfehlungen von St. Gallen und die aktualisierten AGO-Leitlinien unterscheiden sich in einigen Punkten (Auswahl) St. Gallen AGO-Leitlinien Bisphosphonate mehrheitliche Ablehnung Zoledronat (4mg alle 6 Wochen) wird nicht empfohlen für die Dauer einer adjuvanten endokrinen Therapie • mit GnRH-Analoga in der Prämenopause oder • in der Postmenopause. differenzierte Betrachtung Bisphosphonate adjuvant • sind indiziert und zugelassen bei Tumortherapie-induzierter Osteoporose (TTIO), • sollten diskutiert werden zur Prophylaxe der (TTIO), • sollten diskutiert werden zur Rezidivprophylaxe bei alleiniger adjuvanter endokriner Therapie in der Prämenopause oder bei adjuvanter endokriner Therapie mit einem Aromatasehemmer in der Postmenopause. Tumorbiologische Faktoren • Der Proliferationsmarker Ki-67 wird als wichtiger unabhängiger Prognosefaktor gewertet (außer bei G1-Tumoren). • Die tumorassoziierten Proteolysefaktoren uPA (Plasminogenaktivator vom Urokinasetyp) und dessen Inhibitor PAI-1 (Plasminogenaktivator-Inhibitor Typ 1) werden nicht als nützliche Prognosefaktoren eingestuft. • Stellenwert von Ki-67 wird als weniger bedeutend eingestuft. • uPA/PAI-1 sind hilfreiche Prognosefaktoren . Einsatz von Genchips Molekulare Signaturen, die mit Hilfe von Genchips ermittelt werden, können als zusätzliche Entscheidungshilfe herangezogen werden. Adjuvante Chemotherapie Es gibt kein Standardprotokoll für die adjuvante Chemotherapie bei Patienten ohne erhöhtes Risiko. Einsatz von Genchips nur im Rahmen von Studien. ausführliche und differenzierte Protokolle* • Liegen keine Risikofaktoren vor und sind keine Lymphknoten befallen, wird eine sechszyklische anthrazyklinhaltige Chemotherapie (FEC, FAC) empfohlen. • Bei Lymphknotenbefall und/oder bei Vorliegen von Risikofaktoren spielen taxanhaltige Protokolle eine wichtige Rolle. Dabei scheint es unerheblich zu sein, ob das Taxan im Rahmen einer Kombinationstherapie oder eines sequentiellen Regimes eingesetzt wird. • Bei Hochrisikopatientinnen wird ein dosisdichtes Protokoll empfohlen. * die ausführlichen Protokolle finden sich in den AGO-Leitlinien Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 43 Chemotherapie bei Schwangeren Chemotherapie bei Schwangeren Von Wolfgang E. Paulus, Ravensburg Einführung Onkologische Erkrankungen in der Schwangerschaft sind immer eine besondere Herausforderung. Wird eine maligne Erkrankung während der Schwangerschaft diagnostiziert, muss zwischen dem Wohl der Mutter und des Feten abgewogen werden. Dabei sind der Verlauf der Erkrankung, die z. T. eingeschränkten therapeutischen Möglichkeiten sowie mögliche Folgen für das Ungeborene bei therapeutischen Maßnahmen in der Schwangerschaft zu erörtern. Wesentlich für das Vorgehen ist das Schwangerschaftsalter bei Diagnose. Die Entscheidung zur Durchführung einer Chemotherapie während der Schwangerschaft muss gegen das Risiko eines reduzierten mütterlichen Überlebens bei Therapieaufschub abgewogen werden. Im ersten Trimenon sind Chemotherapien möglichst zu vermeiden, wogegen sie im zweiten und dritten Trimenon relativ sicher erscheinen. Häufigkeit maligner Tumoren in der Schwangerschaft Die Inzidenz für Krebserkrankungen in der Schwangerschaft liegt bei 0,1%. Bei ca. 700.000 Schwangerschaften pro Jahr in der Bundesrepublik Deutschland beträgt die Zahl der schwangeren Krebspatientinnen bundesweit mindestens 700 pro Jahr [9]. Da der Anteil Schwangerer mit einem Alter von über 35 Jahren bereits über 20% ausmacht und weiter steigt, wird die Behandlung maligner Tumoren in der Schwangerschaft erheblich an Bedeutung zunehmen. Pharmakokinetik in der Schwangerschaft Aufgrund ihrer niedrigen molaren Masse passieren die meisten zytotoxischen Substanzen die Plazenta gut und erreichen damit den Fetus [2]. In der Schwangerschaft können die gesteigerte hepatische und renale Clearance, das erhöhte Plasmavolumen und die Amnionflüssigkeit als zusätzliches Flüssgkeitsdepot zu veränderten Wirkstoffkonzentrationen führen [1]. Grundlagen der Pränataltoxikologie Die Empfindlichkeit des Embryos gegenüber toxischen Einflüssen hängt von seinem Entwicklungsstadium ab. In den ersten beiden Wochen nach Konzeption werden eventuelle Schäden aufgrund der Pluripotenz der Zellen repariert, oder die Frucht stirbt bei einer ausgeprägten Noxe völlig ab. Das Fehlbildungsrisiko wird in dieser Phase für gering gehalten (Alles-oder-Nichts-Prinzip). Während der Organogenese (Tag 15 bis 56 nach Konzeption) besteht die größte Sensibilität gegenüber exogenen Noxen. In dieser Phase werden die meisten Fehlbildungen ausgelöst. In der anschließenden Fetalperiode nimmt die Empfindlichkeit der Frucht gegenüber exogenen Noxen zwar ab, doch können auch in dieser Zeit schwerwiegende Funktionsstörungen der kindlichen Organe entstehen. Die Störung der embryonalen Differenzierung nimmt proportional zur Dosis des embryotoxischen Faktors zu. Teratogenes Potential von Zytostatika Alle Chemotherapeutika sind potenziell teratogen und mutagen. Das Ausmaß einer Schädigung des Feten ist vom Schwangerschaftsalter und damit vom Entwicklungsstadium des Feten bei Exposition, vom chemotherapeutischen Agens und von der Pharmakokinetik der Substanzen abhängig. In den ersten zwei Wochen nach Konzeption ist die Blastozyste relativ resistent gegen teratogene Substanzen. Chemotherapie bei Schwangeren In dieser Periode ist eine hohe Dosis nötig, um die Blastozyste zum Absterben zu bringen. Bei einer überlebenden Blastozyste werden sich organspezifische Abnormitäten als Resultat einer teratogenen Substanz nicht manifestieren. Frühe embryonale Zellen haben sich noch nicht genügend differenziert, d. h. beim Absterben einer embryonalen Zelle kann eine andere Zelle deren Funktion übernehmen. Während der Organogenese (5.–13.SSW) besteht bei Einsatz einer Chemotherapie das Risiko von Organfehlbildungen, insbesondere unter Therapie mit Folsäureantagonisten und Antimetaboliten. Die Spontanfehlbildungsrate von 3% steigt bei Einsatz einer Monotherapie mit Folsäureantagonisten auf 17%, ohne Folsäureantagonisten auf 6%, und bei Verwendung einer Kombinationstherapie auf 25% an. Daher sind Folsäureantagonisten und Antimetabolite im 1. Trimenon zu vermeiden (Wimberger et al 2002). Nach Abschluss der Organogenese im 2. und 3.Trimenon ist nicht mit einer erhöhten Inzidenz von fetalen Anomalien zu rechnen, abgesehen von Gonaden und Gehirn. Folgende Komplikationen finden sich vermehrt bei Chemotherapien im zweiten und dritten Trimenon: fetale Wachstumsretardierung Störung der mentalen und somatischen Entwicklung Myelosuppression Infertilität intrauteriner Fruchttod Frühgeburtlichkeit DNA-Schäden und Entwicklung von Zweittumoren Die Folgen von teratogenen Substanzen sind interindividuell sehr different, da Unterschiede bezüglich Absorption, Proteinbindung und Ausscheidungsrate sowie ein unterschiedlicher Plazentatransfer und fetaler Metabolismus der teratogenen Substanzen bestehen. Die Applikation von kleinen intermittierenden Dosen eines Teratogens kann es dem Körper ermöglichen, das Teratogen zu metabolisieren und damit eine Fehlbildung zu verhindern. Wenn die Gesamtdosis als Einzeldosis verabreicht wird, können dagegen schwere Schäden entstehen. Auch niedri- ge kontinuierliche Dosen einer teratogenen Substanz können mit dem zellulären Metabolismus interagieren und so schwerwiegende Schäden verursachen. Langzeiteffekte für die betroffenen Feten bezüglich Wachstums-, Entwicklungs- und Reproduktionsstörungen sowie Erbkrankheiten sind allerdings bis dato weitgehend ungeklärt. Die Entscheidung, in der Schwangerschaft eine Chemotherapie anzuwenden, muss abgewogen werden gegen die Auswirkung einer Therapieverzögerung auf die mütterliche Prognose. Nach Möglichkeit sollte eine Chemotherapie erst ab dem 2. oder frühen 3. Trimester erfolgen, während bei Notwendigkeit einer Chemotherapie im 1.Trimester ggf. ein Schwangerschaftsabbruch zu erwägen ist. Ab der 32. SSW (in Einzelfällen auch früher) kann nach durchgeführter Lungenreife eine vorzeitige Entbindung erfolgen. Peripartal sollte nach Möglichkeit keine Chemotherapie appliziert werden, um aufgrund der verminderten renalen und hepatischen Metabolisierungskapazität des Neugeborenen prolongierte Zytopenien und Geburtskomplikationen zu vermeiden. Wird die Chemotherapie postpartal fortgesetzt, sollte die Mutter abstillen, da Zytostatika in die Muttermilch übertreten können. Komplikationen zytotoxischer Substanzen in der Schwangerschaft Auf der Basis der vorliegenden Literatur kann davon ausgegangen werden, dass im Gegensatz zum 1.Trimenon eine Chemotherapie von Mutter und Kind im 2. und 3. Trimenon relativ gut toleriert wird [8]. Stutzman und Sokal [11] berichteten über 50 Frauen, die während ihrer Schwangerschaft aufgrund einer Krebserkrankung eine Chemotherapie erhielten. Sie beschrieben im 1.Trimenon 8 Fälle von fetalen Fehlbildungen, 16 Spontanaborten und 7 Abruptiones. Bei Applikation im 2. oder 3. Trimenon zeigten sich keine fetalen Fehlbildungen. In einer weiteren Publikation wurden 185 Fälle mit Chemotherapie während der Schwangerschaft dokumentiert, wobei 110 Frauen die Behandlung im ersten Trimenon erhielten. Allerdings wurde nur bei 68 Patientinnen der Status des Kindes erhoben. Von diesen 68 Kindern zeigten 15 kongenitale Anomalien. Bei den 75 Kindern, die im 2. oder 3. Trimenon exponiert waren, wurden keine Fehlbildungen beschrieben [7]. Nach Behandlung mit einem Alkylanz im 1. Trimenon zeigten sich bei 6 von 39 Neugeborenen Fehlbildungen. 27 Frauen, denen ein Alkylanz im 2. oder 3. Trimenon appliziert wurde, bekamen Kinder ohne angeborene Anomalien [12]. Von 15 Schwangeren, die im 1.Trimenon ein Vincaalkaloid erhielten, wies nur ein Neugeborenes Fehlbildungen auf. Nach Vincaalkaloid-Applikation im 2. oder 3. Trimenon wurden keine kongenitalen Anomalien registriert [13]. Methotrexat und Aminopterin sollten Schwangeren im 1.Trimenon möglichst nicht verabreicht werden. Falls es unter Anwendung von Folsäureantagonisten nicht zu einem Spontanabort gekommen ist, scheint das Risiko einer kindlichen Schädigung hoch zu sein. Zemlickis et al [14] analysierten 223 Geburten von Frauen in einem Zeitraum von 30 Jahren, die während der Schwangerschaft eine Chemotherapie erhalten hatten. Sie stellten eine Steigerung der Totgeburtenrate fest. Nach Chemotherapie während der Schwangerschaft beobachtete man eine Abnahme des Geburtsgewichtes. Die Ursache hierfür liegt in einem niedrigeren Gestationsalter bei Entbindung und einer intrauterinen Wachstumsretardierung. Neugeborene, die innerhalb von drei Wochen vor Geburt einer Chemotherapie ausgesetzt waren, sollten als vorübergehend knochenmarkssupprimiert betrachtet werden. Eine Geburt zum Zeitpunkt des Nadirs der hämatologischen Parameter sollte möglichst vermieden werden. Bei den Neugeborenen wird die Entwicklung von Atemnotsyndrom, Myelosuppression, Hörschäden und Alopezie beschrieben [10]. Murray et al [6] berichteten über die Anwendung von Zytostatika bei 164 Schwangeren im I.Trimenon und 76 Schwangeren im II./ III.Trimenon. Nach Exposition im II./III. Trimenon traten keine Fehlbildungen auf, während 19 von 164 Feten nach Exposition im I.Trimenon Anomalien aufwiesen. In diesen Fällen war vor allem Cyclophosphamid, Busulfan und Aminopterin eingesetzt worden. Doll et al [3] werteten 184 Schwangerschaften unter Zytostatika-Exposition aus, wo- Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 45 Chemotherapie bei Schwangeren bei sich für die einzelnen Substanzklassen Fehlbildungsraten zwischen 14 % und 17 % ergaben. Ebert et al. [4] stellten in einer Übersichtsarbeit 217 Fälle einer Zytostatikatherapie in der Schwangerschaft bei diversen Malignomen und rheumatologischen Erkrankungen zusammen: Dabei fielen 18 Kinder mit kongenitalen Anomalien sowie zusätzlich zwei Kinder mit Chromosomenaberrationen auf. Daneben wurden 15 Spontanaborte (überwiegend nach Gabe von Methotrexat) registriert. Cyclophosphamid und Doxorubicin sollten bei Mammakarzinom in der Schwangerschaft bevorzugt eingesetzt werden. Demgegenüber sind Epirubicin und Idarubicin in der Schwangerschaft weniger erprobt. Außerdem traten unter 17 Schwangerschaften vier fetale bzw. neonatale Todesfälle sowie zwei Fälle einer vorübergehenden Kardiomyopathie unter Epirubicin bzw. Idarubicin auf [2]. Entscheidend für das Fehlbildungsrisiko ist das Schwangerschaftsstadium, in dem die Zytostatika verabreicht werden [3]. Für die Anwendung im ersten Trimenon wird ein Fehlbildungsrisiko von 14% bis 19% angegeben. Bei Chemotherapie im zweiten und dritten Trimenon unterscheidet sich die Fehlbildungsrate nicht vom üblichen Hintergrundrisiko von 3 % bis 5 %. Eine Zytostatikatherapie im zweiten und dritten Trimenon ist auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen nicht mit hohen Risiken einer kindlichen Schädigung verbunden [5]. Informationsquellen Schwangere sowie deren betreuende Ärzte und Apotheker stehen nicht selten vor der Frage des Schwangerschaftsabbruchs aufgrund mangelnder Informationsquellen. Auf Anregung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe wurde 1976 in Kooperation mit der Universität Ulm eine Beratungsstelle für Medikamente in der Schwangerschaft eingerichtet. Beratung auf der Grundlage der offiziellen pharmazeutischen Informationen konnte jedoch nicht befriedigen. Damit war das Projekt einer Beratungs- und Arzneimittelüberwachungsstelle für die Schwangerschaft geboren. Nach Aufnahme der Anfragen zur Exposition in der Frühschwangerschaft werden die Verläufe und Schwangerschaftsausgänge mit dem kindlichen Befinden dokumentiert. Durch konsequentes Followup konnten in den vergangenen Jahren Schwangerschaftsverlauf und -ausgang bei über 20.000 Fällen archiviert werden. Auf der Grundlage von eigener Datenbank und publizierter Literatur lassen sich neben der telefonischen Beratung innerhalb von 24 Stunden schriftliche Risikobewertungen zur Medikation in Schwangerschaft und Stillzeit abgeben (http://www. reprotox.de). Die seit 1976 in Kooperation mit der Universität Ulm in Forschung und Beratung tätige Einrichtung beteiligt sich als Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum am europäischen Netzwerk embryonaltoxikologischer Beratungsstellen ENTIS (European Network of Teratology Information Services). Nur eine möglichst konsequente Dokumentation aller akzidentellen Medikamentenexpositionen in der Schwangerschaft ermöglicht eine ausreichende Datenqualität, um eine Wiederholung von Erfahrungen wie bei Contergan® zu verhindern. Dies gilt insbesondere auch für potentiell teratogene Substanzklassen wie Zytostatika, für die derzeit noch eine sehr eingeschränkte Datenbasis existiert. Kontaktadresse: Institut für Reproduktionstoxikologie Oberschwabenklinik / KH St. Elisabeth (Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Ulm) Elisabethenstraße 17 D-88212 Ravensburg Tel.: (+49) 07 51/87 27 99 Fax: (+49) 07 51/87 27 98 E-Mail: [email protected] http://www.reprotox.de 46 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Literatur: 1. Buekers TE, Lallas T. Chemotherapy in pregancy. Obstet Gynecol Clin Nth Amer 1998; 25:323– 329 2. Cardonick E, Iacobucci A. Use of chemotherapy during human pregnancy. Lancet Oncol 2004; 5:283-291 3. Doll DC, Ringenberg QS, Yarbro JW. Antineoplastic agents and pregnancy. Semin Oncol 1989; 16:337346 4. Ebert U, Loffler H, Kirch W. Cytotoxic therapy and pregnancy. Pharmacol Ther 1997; 74:207 – 20 5. Gwyn K: Children exposed to chemotherapy in utero. J Natl Cancer Inst Monogr 2005; 34:69-71 6. Murray CL, Reichert JA, Anderson J, Twiggs LB. Multimodal cancer therapy for breast cancer in the first trimester of pregnancy. JAMA 1984; 252:26072608 7. Nicholson HO. Cytotoxic drugs in pregnancy. J Obstet Gynaecol Br Commonw 1968; 75:307 8. Otton G, Higgins S, Phillips KA, Quinn M. A case of early-stage epithelial ovarian cancer in pregnancy. Int J Gynecol Cancer 2001; 11:413–417 9. Popp H, Spiekermann K, Wollenberg A, Spitzweg C, Loehrs B. Hämatologische Neoplasien und solide Tumoren in der Schwangerschaft. Teil 1: Diagnostik und grundsätzliche Therapieoptionen. DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009;134:311-315 10. Raffles A, Williams J, Costeloe K, Clark P. Transplacental effects of maternal cancer chemotherapy. Br J Obstet Gynaecol 1989;96:1099–1100 11. Stutzman L, Sokal JE. Use of anticancer drugs during pregancy. Clin Obstet Gynecol 1968; 11:416427 12. Sweet DL, Kinzie J. Consequence of radiotherapy and antineoplastic therapy for the fetus. J Reprod Med 1976; 17:241–246 13. Wimberger P, Hepp H, Kimmig R. Ovarialmalignome in der Schwangerschaft. Onkologe 2002; 8:1323-1332 14. Zemlickis D, Lishner M., Degendorfer P, Panzarella T, Sutcliffe SB, Koren G. Fetal outcome after in utero exposure to cancer chemotherapy. Arch Intern Med 1992; 152: 573–576 Pressemitteilung ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG „Performance Envelope Testing“ – oder wo sind die Leistungsgrenzen von Sicherheitswerkbänken? Da es heute bei der Entwicklung von Sicherheitswerkbänken keine genormten Geschwindigkeitswerte für Luftströmungen mehr gibt, hängen die spezifischen Betriebspunkte optimaler Schutzfunktionen vielmehr von konstruktiven Details und somit vom jeweiligen Modell ab. Die Schutzfunktionen einer Sicherheitswerkbank in Form des Personen- und Produktschutzes wurden mittels mikrobiologischer Methode gemäß DIN EN 12469 im Rahmen eines Forschungsprojektes überprüft, wobei in diesem Prüfverfahren gewollt Kontaminationen verursacht werden. Durch Veränderung der Luftströmungen in der Frontöffnung und im Arbeitsraum sind Personen- und Produktschutz ab bestimmten Leistungsgrenzen nicht mehr gewährleistet. Vergleiche zeigen, dass jede Sicherheitswerkbank einen eigenen Performance Envelope und somit unterschiedliche Leistungsgrenzen aufweist. In Prüfungen des TÜV NORD CERT wurde bestätigt, dass BERNER FlowSafe® Sicherheitswerkbänke im Vergleich zu anderen Sicherheitswerkbänken über einen breiteren „Performance Envelope“ verfügen, das größte Leistungsvermögen im Sinne der Schutzfunktionen im Test zeigten und in den Bereichen der Kompensation strömungsmechanischer Störungen, Schutzfunktionen und Sicherheit auch unter extremen Bedingungen absolut führend sind. Nähere Informationen finden Sie unter: http://www.berner-international.de/3755/ de/0/a/0/laborgeraete.html Abb. 1: Testergebnisse Performance Envelope Test Um den Stand der Wissenschaft und Technik aktiv mitzugestalten, ist BERNER INTERNATIONAL Mitglied in Normengremien und in zahlreichen Arbeitsgruppen vertreten bzw. beratend tätig. Seit 2002 betreibt das Unternehmen ein in Europa einmaliges Labor für Grundlagenuntersuchungen an raumlufttechnischen Anlagen und Sicherheitswerkbänken. Background: Die BER NER I N TER NAT IONA L GMBH beschäftigt sich seit 1982 mit dem Arbeits- und Produktschutz für pharmazeutische und biotechnologische Anwendungsbereiche. Schutzsysteme für den sicheren Umgang mit Zytostatika und biologischen Arbeitsstoffen sind die Kernkompetenz des Unternehmens. Kontakt: Dipl.-Ing. Thomas Hinrichs Leiter Marketing T: 0 41 21 / 43 56-55 [email protected] Abb. 2: Optimierte Luftströmung sorgt für höhere Sicherheit Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 47 Prophylaktische G-CSF-Gabe macht dosisdichte Protokolle erst möglich INTERVIEW Prophylaktische G-CSF-Gabe macht dosisdichte Protokolle erst möglich Interview mit Prof. Dr. Monika Engelhardt, Innere Medizin I, Universitätsklinikum Freiburg Zu welchen Konsequenzen führt eine febrile Neutropenie im klinischen Alltag? Prof. Engelhardt: Wegen der Schwere der Infektion erfordert die febrile Neutropenie (FN) zumeist eine Hospitalisierung der Patienten mit sofortiger systemischer Breitspektrum-Antibiotikagabe. Ein neutropenisches Ereignis beeinträchtigt die Lebensqualität des Patienten und kann sich zur lebensbedrohlichen Komplikation entwickeln. Nach einer Analyse der Krankenblätter von knapp 41.800 Patienten1, die wegen FN hospitalisiert werden mussten, lag die Sterblichkeitsrate bei immerhin 9,5%. Kamen weitere Faktoren hinzu, wie Sepsis, Lungenentzündung, Leukämie, Lungenembolie oder auch verschiedene Begleiterkrankungen, so erhöhte sich das Risiko zu versterben. Damit kann die Mortalität erheblich sein, wenn der FN nicht rechtzeitig begegnet wird. Hinzu kommt, dass das Auftreten neutropenischer Komplikationen zu Verschiebungen des folgenden Chemotherapiezyklus oder aber zur Reduktion der geplanten Dosisintensität führen kann. Als wichtigste dosislimitierende Toxizität kann die FN also – vor allem bei dosisdichten Protokollen – den Therapieerfolg gefährden und damit die Prognose verschlechtern. Sinkt die Dosisintensität unter einen kritischen Schwellenwert von 85%, so ist die Wirksamkeit der Chemotherapie nach retrospektiven Untersuchungen 2 deutlich eingeschränkt, sodass sich die Überlebenswahrscheinlichkeit reduzieren kann. Von welchen Faktoren ist das Risiko, eine neutropenische Komplikation zu entwickeln, abhängig? Prof. Engelhardt: Es gibt mehrere Risikofaktoren, wobei das Lebensalter und der Chemotherapie-Typ zu den wichtigsten ge- hören. Um hier eine patientenindividuelle Bemessung vornehmen zu können, hat man aus retrospektiven Daten prädiktive Risikomodelle entwickelt, die eine eindeutigere Zuordnung ermöglichen. Nicht-konditionale Modelle beruhen auf patienten-, krankheitsund behandlungsspezifischen Risikofaktoren, die vor Beginn einer Chemotherapie vorliegen und für den Patienten vor jedem Therapiezyklus neu bestimmt werden sollten. In den EORTC-Leitlinien zum Einsatz von G-CSF werden als prädominante FN-Risikofaktoren neben dem erhöhten Alter auch ein fortgeschrittenes Tumorstadium sowie frühere Episoden einer FN angegeben, denen weder antibiotisch noch mit G-CSF begegnet wurde – wobei eine Antibiotikaprophylaxe wegen der gefürchteten Resistenzentwicklung nicht generell empfohlen wird. Anders sind konditionale Modelle definiert, bei denen neutropenische Probleme und der Neutropenie-Schweregrad im ersten Chemotherapiezyklus als Risikofaktoren für entsprechende Komplikationen in den Folgezyklen eingehen. Hier ist zu berücksichtigen, dass die FN-Rate bei vielen Tumorerkrankungen im ersten Zyklus am höchsten ist. Wäre es dann sinnvoll und wünschenswert, G-CSF in jedem Fall primärprophylaktisch zu geben und nicht erst bei Vorliegen einer Neutropenie? Prof. Engelhardt: Alle Fachorganisationen – neben EORTC auch ASCO und NCCN (National Comprehensive Cancer Network) sowie die DGHO – empfehlen übereinstimmend den primär-prophylaktischen Einsatz von G-CSF, wenn das durch die Intensität des Chemotherapieregimes bedingte FN-Risiko bei ≥20 % liegt. Bei einem Risiko <10% ist keine G-CSF-Prophylaxe erforderlich. Bewegen wir uns in dem intermediären Bereich von 10% bis 20%, so sollten die erwähnten patientenspezifischen Faktoren einbezogen werden, um eine aussagekräftige Risikoabschätzung vornehmen zu können. 48 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 In welchem Maße kann eine primärprophylaktische Gabe von G-CSF die klinische Langzeitprognose beeinflussen? Prof. Engelhardt: Wichtig ist, dass wir dank des Wachstumsfaktors in der Lage sind, einen Chemotherapiezyklus zeitgerecht in der geplanten Dosisintensität durchzuführen. Das ist eine entscheidende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Chemotherapie. Es gibt auch dosisdichte Protokolle, wo man die normale dreiwöchige Dauer einer Chemotherapie auf 14 Tage verkürzt. Da viele Studien der letzten fünf Jahre gezeigt haben, dass Regime mit hoher Dosisintensität oder dosisdichte Chemotherapien zur Verbesserung der Prognose inklusive Überlebensvorteilen gegenüber Standardregimen führen können, sollte hier die prophylaktische G-CSF-Gabe lt. Empfehlung der EORTC und DGHO obligatorisch sein. Welchen zusätzlichen Vorteil bietet hier Pegfilgrastim? Prof. Engelhardt: Der Vorteil von Pegfilgrastim (Neulasta®) liegt in der langen Wirksamkeit: Dank seiner pharmakologischen Eigenschaften wird Pegfilgrastim einmalig 24 Stunden nach Chemotherapie appliziert. Die Kinetik von Pegfilgrastim wird über die Neutrophilen reguliert, d.h. sie hält die effektive Serumkonzentration so lange aufrecht, bis der Nadir durchschritten ist. Sind ausreichend funktionsfähige neutrophile Granulozyten gebildet, wird Pegfilgrastim, über die Neutrophilen vermittelt, abgebaut. Demgegenüber muss herkömmliches G-CSF täglich gegeben werden, bis die Leukozyten wieder auf ein normales Niveau angestiegen sind. Eine mögliche Problematik einer zu kurzen Dosierungsdauer entfällt bei Pegfilgrastim; der Schutz vor Neutropenie wird also vereinfacht. 1 Kuderer NM et al., Cancer 2006 2 Bonadonna G et al., N Engl J Med 1995 Das Interview führte Marianne E. Tippmann Who is who Who is who Bearbeitet von Gabi Gentschew, Frankfurt/Main Heute: Dr. Christina Bendas „Brücken bauen“ will die in Eisenach in Thüringen geborene Christina Bendas zwischen den Kollegen aus Offizin- und Krankenhausapotheken. „Im Sinne einer optimalen Patientenbetreuung möchte ich die fachlich kollegiale Zusammenarbeit verbessern“ erklärt die 48jährige Apothekerin. Der Arbeitskreis „Onkologische Pharmazie“ bei der Sächsischen Landesapothekerkammer als Fortbildungsprojekt für alle Apotheker aus Zytostatika herstellenden Offizin- und Krankenhausapotheken sei ein erster Schritt in die richtige Richtung erläutert sie. Christina Bendas selbst hat eine geradlinige Karriere zur Krankenhaus-Apothekerin hingelegt. Nach dem Studium in Halle-Wittenberg verbrachte sie ihre wissenschaftliche Aspirantur dort im Bereich der Biopharmazie. Von 1990 an ist sie angestellte Apothekerin in der Krankenhausapotheke im Städtischen Klinikum Dresden-Friedrichstadt. Zwei Jahre später wurde Bendas zum Dr. rer. nat. promoviert und 1996 übernahm sie die Leitung der Zentralen Zytostatikaherstellung dieser Krankenhausapotheke. Von den zeitgleich begonnenen Weiterbildungen in Klinischer und Onkologischer Pharmazie konnte sie letztere 2008 bereits erfolgreich abschließen. Mit Vorträgen und Praxisseminaren zum sicheren Umgang mit Zytostatika begann Christina Bendas im Jahr 1999. Diese zeigten ihr, wie wichtig eine Austauschplattform für die Herstellenden von Zytostatika-Zubereitungen sind. Dieses Jahr zeigte sie ihre Qualitäten in der pr a x isnahen F or tbildung auch auf den NZW-Veranstaltungen in Hamburg und in Dresden. fragen, den Arbeitskreis „Onkologische Pharmazie“ führt sie seit 2006. Der „Brückenschlag“ in den Geschäf tsführenden Vorstand der Bundesapothekerkammer als Beisitzerin erfolgte 2009. Neben dem beruflichen und standespolitischen Engagement kümmert Christina Bendas sich seit 2002 als Vorstandsvorsitzende um die musische Bildung von Kindern und Jugendlichen im Rahmen des Vereins „Freunde und Förderer der Musikschule Freital e.V.“. Berufspolitisch engagiert Christina Bendas sich seit 2003 als Vorstandsmitglied der Sächsischen Landesapothekerkammer als Leiterin im Ausschuss für Krankenhaus- In der Freizeit sucht sie Ausgleich bei der Gartenarbeit, beim Musikhören und beim Violinespielen. Und was liegt hier näher als Hausmusik, wenn beide Kinder neben dem Medizinstudium noch musizieren? NeoCorp a Sandoz company Umfassende Produktpalette für die Tumortherapie NeoCorp Mit Sicherheit Ihr Partner Gem c Die itabin N Lös ung C ! Das Farbcode-System von NeoCorp – mit Sicherheit eindeutig. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 49 www.neocorp.de Zenzi II – was ist neu? Zenzi II – was ist neu? Von Henrik Justus, Uslar F ür eine gut organisierte und qualitätsgerechte Herstellung von Zytostatika ist der Einsatz von EDV unerlässlich. Doch genauso wichtig wie die EDV ist deren kontinuierliche Weiterentwicklung und Anpassung an die erforderlichen und neuen Bedürfnisse. So ist es nur eine Frage der Zeit gewesen, dass Dr. Heni Software Zenzy II herausbringt. Doch was bringt die neue Version? Hat sie außer einer Designverschönerung mehr zu bieten? Öffnet man Zenzy II das erste Mal, so zeigt sich erst mal eine ungewohnte, Bedieneroberfläche. Aber – um es vorweg zu sagen - Zenzy ist sich seiner einfachen und übersichtlichen Bedienung treu geblieben und hat viele neue Funktionen, die man nicht alle im Einzelnen aufzählen kann. Somit begnüge ich mich hier auf die meines Erachtens wichtigsten: Änderungen am Eingabeformular: Eine schöne und praktische Verbesserung ist die Möglichkeit, dass gleichzeitig mehrere Eingabeformulare eingegeben und bearbeitet werden können. Dies ist besonders dann praktisch, wenn sich noch Rückfragen ergeben haben oder einige Daten (z.B. Serumkreatinin bei AUC-Berechnung) vom Arzt nachgeliefert werden. Für besondere Freigaben ist diese Funktion nicht nötig, da Therapien separat im Produktionsplan gesperrt und wieder freigegeben werden können, wenn z.B. Blutwerte der Patienten nicht vorliegen. Warnmeldungen bei der Eingabe bei Überschreitungen der berechneten Dosis oder bei Abweichungen vom Standardschema (Abb. 1) sind nicht neu, wohl aber ein schnell aufrufbares Menü, bei dem ersichtlich ist, was sich genau daran geändert hat. So kann man u.a. erkennen, ob nur die Infusionsmenge geändert oder ein zusätzlicher Stoff eingefügt wurde. Dies wird dadurch ermöglicht, dass sowohl das eingegebene als auch das Stammschema zum Vergleich angezeigt werden, wobei die abweichenden Daten in dicker Schrift leicht zu erkennen sind (Abb.2). Ein Manko bei Zenzi war bisher, dass immer nur ein Stoff pro Zubereitung eingetragen werden konnte. Bei Regimen mit mehr als einem Zytostatikum pro Infusion, wie z.B. Fluorouracil/Natriumfolinat in Pumpen, konnte nicht in das Programm eingegeben werden. Über die Eingabe einer Mischinfusion ist es nun möglich, solche Zubereitungen zu erfassen und zu dokumentieren. Was früher auf dem Etikett und auf dem Protokoll per Hand nachgetragen werden musste, geht jetzt sauber und elegant über den Drucker. Zumal sämtliche Formulare (Etikettenformular, Zytostatikaanforderung, Abb. 1: Zenzy 2-Eingabemaske mit Warnmeldungen und deren nähere Beschreibungen 50 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Produktionsplan etc.) ganz individuell erstellt werden können. Um eine fachgerechte pharmazeutische Betreuung durchführen zu können, wird von vielen Apotheken neben den Zytostatika an sich auch die Begleitmedikation (z.B. Antiemetika) geliefert. Diese können jetzt auch mit dem Zusatz, ob diese als Rezeptur hergestellt werden soll oder nicht, in die Therapieprotokolle aufgenommen werden. Mit diesem Überblick hat nicht nur die Apotheke, sondern auch der Arzt über das Arzteingabemodul, die Möglichkeit, die gesamte Medikation auf Plausibilität zu überprüfen. Arzteingabemodul Neu an Zenzy II ist das Arzteingabemodul. Obwohl der Arzt schon immer die Möglichkeit hatte, Anforderungen über Zenzi einzugeben, wurde jetzt eine komplett neue, auf den Arzt zugeschnittene Eingabemaske geschaffen. So findet er nur die Funktionen, die er auch wirklich benötigt. Auch in diesem Modul ist es möglich, Personen verschiedene Rechte zuzuordnen, so dass z.B. eine Arzthelferin eine Anforderung eingeben kann, jedoch nur der Arzt die Möglichkeit hat, diese freizugeben und an die Apotheke zu senden. Die Apotheke bekommt dann eine Meldung über die eingegangene Anforderung sowie Abb. 2: Schneller Vergleich: Stammschema – aktuelles Schema (Zenzy 2) Zenzi II – was ist neu? Abb. 3: Terminübersichtskalender (Zenzy 2) eine Meldung, ob das Schema, welches nur die Apotheke anlegen und verändern kann, modifiziert wurde oder nicht. Über das im Eingabeformular beschriebene Fenster kann hier wieder sehr schnell überprüft werden, was verändert wurde. Sollte z.B. Oxaliplatin in einer Kochsalzlösung verabreicht werden, kann dies noch bis zur endgültigen Aufnahme in die Produktion übernommen werden. Über Therapieübersicht kann der Herstellungsvorgang beobachtet und sogar noch durch den Arzt gesperrt werden, falls die Therapie doch noch abgebrochen werden soll. Ein neu eingebauter Terminplan (Abb. 3), der stark an den Outlook–Kalender erinnert, ermöglicht dem Arzt jetzt eine gute Übersicht seiner Therapien. Onlineübermittlung der Anforderungen: Die Anforderungen über das Arzteingabemodul können nicht nur wie gewohnt per Fax oder bei einer internen Netzwerkanbindung direkt übermittelt werden, sondern Zenzi II bietet die Möglichkeit einer Online-Anbindung, was besonders für Ärzte interessant ist, die nicht am Netzwerk angeschlossen sind (z.B. Ambulanzen oder weiter entfernte Krankenhäuser). Diese Anbindung ist über zwei verschiedene Verfahren möglich: Die technisch einfachste und preisgünstigste Variante ist die Übermittlung der Daten per Email, die in verschlüsselter Form versendet werden. Nachteil hierbei ist jedoch, dass eine Abb. 4: Rückverfolgung der Änderungen (Zenzy 2) Aktualisierung neuer Daten auf der Arztseite nicht automatisch erfolgt und somit ein wenig umständlich ist. Bei Update-Müden Anwendern ist diese Variante schnell zum Scheitern verurteilt. zwingend vorgegeben, sondern können auch nach eigenen Vorstellungen zusammengestellt werden (auch für jeden Arzt separat). Dies schafft Freiraum für individuelle Stationsund Arztwünsche. Eine technisch aufwendigere Variante ist die Online-Anbindung über einen VPN-Tunnel mit einem direkten Zugriff über einen Server auf das Zenzy-Programm. Änderungen erfolgen hierbei praktisch sofort, die Bedienung ist somit einfacher und sicherer. Allerdings kommen hier aufgrund des Servers zusätzliche Kosten hinzu. Nicht nur die Änderungen an Stammdaten, sondern auch Änderungen an Therapiedaten werden mit Datum/Uhrzeit, dem Namen des Mitarbeiters sowie alter und neuer Wert protokolliert und sind schnell aufrufbar (Abb. 4). Zusammenfassung Taxierung Fast unentbehrlich für die öffentliche Apotheke ist ein Herstellungsprogramm, das den Rezeptdruck ermöglicht. Zenzy II schafft hier nicht nur die Möglichkeit des Bedruckens mit Arzt - und Patientendaten, sondern man kann auch den Krankenkassen verschiedene Taxierungsmethoden zuordnen, was für die Umsetzung von § 129 SGB V Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung notwendig ist. Hier kann gleichzeitig ein Bezug zu den tatsächlich angefallenen Kosten (= Hauspreis) geschaffen werde, eine praktische Erweiterung für das Controlling. Auch wenn nur einige Punkte der Neuerungen erwähnt sind, wird deutlich, dass aus dem einfachen Zenzy ein leistungs- und konkurrenzfähiges Programm geworden ist, welches ein Wägemodul zur gravimetrischen Herstellung enthält. Es besticht weiterhin durch seine einfache Bedienweise, seine gute Übersicht und den niedrigen Grundpreis. Einziger Wermutstropfen bleibt die schmale Hotlinezeit werktags von 9.00 – 13.00 Uhr. Autor: Henrik Justus Rats-Apotheke Uslar [email protected] Etiketten/Formulare und Rückverfolgbarkeit Etikette und Formulare (z.B. Therapieplan, Anforderungsformular) sind nicht mehr Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 51 Problemfall „alternative Heilmethoden“ – eine kritische Reflexion von Patientenseite, 2. Teil Problemfall „alternative Heilmethoden“ – eine kritische Reflexion von Patientenseite, 2. Teil Von Sigrid Rosen-Marks, Hamburg H eute rief ein Sänger aus meinem Chor an und teilte mir erschrocken mit, dass sich sein Sohn für die Behandlung bei einem Schamanen interessiere. Ich versuchte ihn zu beruhigen und erzählte ihm vom ersten Teil dieses Artikels (Onkologische Pharmazie 2/09) über die alternativen Heilmethoden, in dem ausführlich dargestellt wird, wo man sich vor der Entscheidung für eine solche Heilmethode Auskunft und Hilfe einholen kann. Solche Anliegen werden öfter an mich herangetragen und ich bin immer wieder überrascht, wie unbekannt die von mir im Artikel angegebenen Möglichkeiten zur Informati- on sind. Der Problemfall „alternative Heilmethoden“ hat zwei Seiten. Die erste Seite, nämlich die der Heiler und der Auswahl von Heiler und Heilmethode, werden im ersten Artikel ausführlich beleuchtet. Aber was ist mit den Patienten? In die Wiege gelegt? Ab wann ist ein Patient eigentlich ein typischer „alternativer“ Patient? Also einer, der Geld für alternative Heilmethoden ausgibt und damit auch die konventionelle Medizin in Frage stellt oder glaubt, sie ergänzen zu 52 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 müssen? Dieses Denken beginnt sicher bei den meisten dieser Menschen schon lange vor einer möglichen Krebserkrankung. Meine ganz eigenen Beobachtungen habe ich durch meine diversen Umzüge mit meinem Mann machen können. Unser erster Wohnort war idyllisch und wunderschön irgendwo zwischen Nürnberg und Stuttgart gelegen. Es waren einige Waldorfschulen in der Nähe. Auch viele Bio-Höfe und kleine Bioläden waren im Städtchen und der Umgebung zu finden. Entsprechend war die Einstellung. In der ortsansässigen Kunstschule wurden alternative Heilmethoden fleißig diskutiert Problemfall „alternative Heilmethoden“ – eine kritische Reflexion von Patientenseite, 2. Teil und Tipps ausgetauscht. Die Apotheken spiegelten das mehrheitliche Denken wider: Schüssler-Salben und andere homöopathische Heilmittel bestimmten den Gesamteindruck im Eingangsbereich. In Wiesbaden, wo wir einige Jahre wohnten, zeigten die Apotheken in unserer Wohngegend ein ganz anderes Bild: die üblichen Alltagsmittel der konventionellen Medizin bestimmten den Gesamteindruck im Verkaufsbereich - alternative Heilmittel gab es nur auf Nachfrage. Lediglich eine für Naturheilmittel ausgewiesene Apotheke im Zentrum der Stadt, hatte auch alternative Heilmittel im Eingangs- und Offizinbereich. Auch hier im Hamburger Norden, wo wir jetzt wohnen, ist eine große Waldorfgemeinde beheimatet. Die Apotheken zeigen hier ein ähnliches Bild wie in unserem ehemaligen südlichen Wohnort. Es gibt hier wie dort viele Heilpraktiker und ein großes Interesse an dieser Art der Medizin. Die Frage, ob sich ein Patient für alternative Heilmethoden entscheidet, hängt aus meiner Sicht ganz sicher auch mit seinem Wohnumfeld zusammen. Hinzu kommen Faktoren wie Ausbildung, persönliche Weltanschauung und nicht zuletzt finanzielle Möglichkeiten. Der Run der 50+ Frauen Ein interessanter Faktor ist das Alter. Ein Freund arbeitet für einen Verlag. Vor einiger Zeit hatte er einen Stand mit Zeitschriften, die über alternative Heilmittel berichteten, vor einer kleinen Stadthalle hier im Norden aufgebaut, in der ein Infoabend über diese Heilmethoden stattfand. Es gab am Stand auch kostenlose Proben von alternativen Heilmitteln. Nach dem Vortrag, der ganz allgemein über alternative Heilmethoden berichtete, stürmte eine Riesengruppe von Frauen um die 50 oder älter den Stand und räumte in kurzer Zeit alles leer. Wenn ich heute kritisch die Frauen meines eigenen Alters (51 J.) in den Apotheken beobachte, so greifen diese sehr gerne auf alternative Heilmittel zurück. Die Wechseljahre lassen viele von uns leiden. Hormone sind verpönt (manchmal traue ich mich kaum zu sagen, dass ich welche nehme!). Im Wesentlichen sind wir mit den Wechseljahrsbeschwerden alleine gelassen. Es ist klar, dass die Gynäkologen mit einem 20minütigen Vortrag über die Wechseljahre für jede einzelne Patientin völlig überfordert wären. Ich denke da neidvoll an die niederländischen Wechseljahrsberaterinnen. Trotzdem ist die hemmungslose und unkritische Hinwendung vieler Frauen meines Alters zu alternativen Heilmethoden für mich auffällig. Es wird in den entsprechenden Kreisen wirklich an alles geglaubt: Ein Heilpraktikerin sagte mir, dass sie jeden Tag Affirmationen ausspreche und sich so vor Krebs schütze. Es werden homöopathische Potenzen auf Zettel geschrieben und Gläser mit Wasser darauf gestellt - das Wasser soll dann die entsprechende Potenz annehmen. Krebsvorsorge ist in diesen Bereichen eher schlecht angesehen. Frauen ab ca. 50 Jahren sind auch mit einer großen Gruppe bei den Krebserk rank ungen ver t reten. Wenn diese Frauen an Krebs erkranken, werden viele von ihnen sicherlich alternative Heilmethoden hinzuziehen (Zahlen hierzu im Teil 1 des Artikels). Ich habe eine Frau von ca. 40 Jahren aus diesem alternativ orientierten Bereich auf der Station als Mitpatientin erlebt. Sie war so schockiert über die Arzneimittel und Methoden der konventionellen Medizin, dass sie ihr Testament geschrieben hat. Ihre Todesängste bezogen sich auf die konventionelle Behandlung und NICHT auf die Krebserkrankung. Ein Gefühl des Scheiterns Man kann es von vielen Seiten beleuchten: Fest steht, dass sich die Offenheit für alternative Heilmethoden in vielen Fällen lebenslang entwickelt. Ob nun schon die Eltern in diese Richtung dachten, das Wohnumfeld oder die persönliche Weltanschauung eine entscheidende Rolle spielen - alles fließt mit ein. Leider werden auch viele Nutzer alternativer Heilmethoden irgendwann Krebspatienten. Denn dieses Schicksal ereilt Patienten aus allen „Lagern“. Für den Patienten, der lebenslang auf alternative Heilmethoden und gesundheitsbewusstes Verhalten gesetzt hat, bedeutet dies eine Art des Scheiterns. Und nicht nur das. Es fällt ihm schwerer, die konventionellen Methoden anzunehmen, weil er sie ja ein Leben lang kritisch gesehen hat. Er muss sein ganzes Weltbild über den Haufen werfen, wenn er sich der konventionellen Krebsmedizin stellt. Ich war nie eine ernsthafte Anhängerin von alternativen Heilmethoden. Aber ich habe sie hin und wieder erfolgreich in Anspruch genommen. Es war jedoch meine Art, Medikamente gar nicht oder nur in ernsteren Fällen einzunehmen. Ein Blick auf den Beipackzettel und es war schnell entschieden, ob ich nicht wieder alles ungenutzt in den Schrank stelle. Zu oft war ich über mögliche Nebenwirkungen nicht aufgeklärt worden. Dann kam die Krebserkrankung. Da ging es mir dann nicht anders als den vielen Anhängern alternativer Heilmethoden. Nun soll Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 53 Problemfall „alternative Heilmethoden“ – eine kritische Reflexion von Patientenseite, 2. Teil man all das nehmen, was man lebenslang abgelehnt hat. Bei mir war das ganz einfach - es fiel mir leicht. Denn dies hier war der lebensbedrohende Ernstfall und ich habe alles genommen. Nur bei der Chemo war das anders. Man weiß nun wirklich nicht, was einen erwartet. Und es wirkt schließlich über Wochen. Bei anderen Patienten habe ich aber sehr große Schwierigkeiten vor der Einnahme auch von anderen Medikamenten (z.B. Kortison) beobachten können. Selbst ernannte Experten Auf den Chemo-Stationen findet ein reger Austausch unter den Patienten statt. Kaum sind Arzt oder Schwester aus der Tür, wird ausführlich dargestellt, „was man sonst noch so zu seiner Heilung unternimmt“. Die Kompetenz des jeweiligen Informationsvermittlers wird dabei kaum in Frage gestellt. Der geübte Anwender alternativer Heilmethoden hat gegenüber dem Erstnutzer dieser Richtung den großen Vorteil von mehr Information und Erfahrung. HERAUSGEBER: Klaus Meier, Soltau VERLAG: onkopress, Ziegelhofstraße 43, 26121 Oldenburg, www.onkopress.de ISSN-Nr.: 1437-8825 CHEFREDAKTEURIN: Dr. Karla Domagk, Cottbus Besonderer Hilfe und Unterstützung bedarf der Krebspatient OHNE alternative Vorerfahrung, der sich aus Verzweiflung oder dem Willen, nun wirklich alles versucht zu haben, an die alternativen Heilmethoden herantraut. Er hat keine gewachsene Erfahrung und in der Regel viel zu wenig Information. Vertreter der konventionellen Medizin können sich zwar auf den Standpunkt stellen, dass sie die alternativen Alleingänge ihrer Patienten nichts angehen, aber Wirkungen und Wechselwirkungen mit den alternativen Heilmethoden dürften auch ihre Behandlung beeinflussen. Der Patient ist rein theoretisch gesehen ein freier Mensch und hat damit wohl auch das Recht darauf, alle - auch falsche - Entscheidungen zu treffen. Es geht bei einer Krebserkrankung schließlich um eine Gefährdung seines Lebens. Aber ist er entscheidungsfähig? Lassen der Schockzustand nach der Diagnose und sich daraus entwickelnde Ängste eine vernünftige Suche nach ergänzenden Heilmethoden überhaupt zu? Es bleibt wohl nur die REDAKTION: Dr. Susan Bischoff, Berlin; Priv. Doz. Dr. Jens Büntzel, Nordhausen; Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.; Dr. Doris Haider, Wien; Gerald Hensel, Leipzig; Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg; Dr. Petra Jungmayr, Stuttgart; Henrik Justus, Uslar; Michael Marxen, Wesseling; Thomas Schubert, Mönchengladbach; Wioletta Sekular, Krefeld; Gisela Sprossmann-Günther, Berlin; Dr. Robert Terkola, Wien; Dr. Sabine Thor-Wiedemann, Ravensburg. WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT: Prof. Dr. U. Jaehde, Pharmazeutisches Institut, Abt. Klinische Pharmazie, Universität Bonn; Prof. Dr. Günter Wiedemann, Klinik für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Gastroenterologie, Oberschwabenklinik Ravensburg; Univ. Prof. DI Dr. Robert Mader, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien; Sigrid Rosen-Marks, Hamburg. 54 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 ernsthafte Beschäftigung der Experten mit den alternativen Methoden, um den Patienten gut zu beraten und Schaden abzuwenden. Und um nicht zuletzt die vorhandenen guten und erfolgreichen Angebote der alternativen Heilmethoden richtig auszuwählen. Mein Fazit ist: Der Patient kann und sollte sich nicht alleine auf die Suche begeben. Er braucht Ihre Hilfe. Und zwar gute Beratung für jeden Baustein der Behandlung; denn leider gibt es auch bei den Vertretern der konventionellen Medizin große Unterschiede in der Behandlungsqualität. Wissenschaftlich nicht haltbare Sätze, wie „ein Ovarialkarzinom können Sie in jedem Krankenhaus operieren lassen“, fallen hier leider auch heutzutage noch. Der Krebspatient braucht eine EHRLICHE, KRITISCHE UND FUNDIERTE BERATUNG für den Behandlungsmarathon - erst recht für den alternativen Bereich, denn hier sind sowohl Ausbildung als auch Kontrolle ungleich schlechter. Alle Rechte, insbesondere die des Nachdrucks, der Übersetzung, der photomechanischen Wiedergabe und Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen sind vorbehalten und bedürfen der schriftlichen Genehmigung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen wird nicht gehaftet. Der Leser darf darauf vertrauen, dass Autoren und Redaktion größte Mühe und Sorgfalt bei der Erstellung der Zeitung verwandt haben. Für etwaige inhaltliche Unrichtigkeit von Artikeln übernehmen Herausgeber, Verlag und Chefredakteur keinerlei Verantwortung und Haftung. Ein Markenzeichen kann warenzeichenrechtlich geschützt sein, auch wenn ein Hinweis auf etwa bestehende Schutzrechte fehlt. Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Kunst und Können in der Pharmazie Sommerakademie: ARS pharmaceutica – Kunst und Können in der Pharmazie Ein Intensivseminar für StudentInnen der Pharmazie im Hauptstudium in Hamburg vom 6. 8. - 8. 8. 2009 Von Anna Verna Struchhold und Katrin Hochhard (Universität Bonn) „Ganz zum Wohle des Patienten“ getreu nach diesem Motto trafen sich Pharmaziestudenten aus ganz Deutschland zur zweiten Sommerakademie in Hamburg, die von der Deutschen Gesellschaft für onkologische Pharmazie (DGOP) als Förderprogramm angeboten wurde. Der Eröffnungsvortrag, der eine kurze Einführung zum Thema Pharmazie und Onkologie beinhaltete, wurde von Klaus Meier, dem Präsidenten der DGOP gehalten. Kurze Einführungen zu onkologische Statistiken, Ar zneimit telrisiken, Selbstmedikation, unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Qualitätsmanagement gaben uns einen guten Überblick der Themenschwerpunkte in den kommenden Tagen. Das Thema „Die Kunst und das Erkennen“ stand am Nachmittag auf dem Programm. Ob es sich um neue Methoden der Krebsdiagnostik handeln könnte oder gar um das Erkennen des Selbst, teilte uns der Leiter des Seminars, der slowakische Künstler Vladimir Kamendy mit. Er führte uns auf eine nicht-naturwissenschaftliche Art und Weise an die Thematik heran, fern ab von jeglichen Powerpoint Vorträgen und Lehrbüchern. Mit Hilfe von Staffeleien lernen wir verschiedene Betrachtungsweisen und Perspektiven kennen, welches schließlich auch für die Pharmazie von großer Bedeutung ist. Zum Abendessen und anschließendem „Get together“ trafen sich alle Teilnehmer auf der Sommerterrasse des Hotel Lindtner, das für die 3 Seminartage unser Domizil war, den Tag Revue passieren zu lassen und das Ambiente des Tagungshotels zu genießen. „Was ist das Selbst? “ mit dieser Frage starteten wir in den darauf folgenden Tag zusammen mit Psychologe Frank Forster aus Hamburg. Sich in einen Krebspatienten hinein versetzen, seine Gedanken und Gefühle verstehen, ihn professionell beraten und einen geschlossenen Gesprächskreis während der Kommunikation mit einem Patienten ziehen, all dies wurde uns anhand seines Vortrags näher gebracht. Im Anschluss erläuterte uns Frau Dr. Karla Domagk, dass Qualität das A und O der Arzneimittelherstellung, insbesondere bei der Zytostatikaherstellung sei. Eine Zertifizierung erfolgt mit Hilfe des QuapoS, dem Qualitätsstandard für pharmazeutisch-onkologischen Service. Jede Apotheke in Deutschland, die mit einem Zytostatikaherstellungsbereich ausgestattet ist, kann sich mit Hilfe dieses Standards zertifizieren lassen und so sicherstellen, dass ein genormtes Niveau bei der Herstellung erzielt wird. Zum Ausklang lauschten wir nordischem Platt und Akkordeonmusik in der „Gröniger“ Privatbrauerei am Hamburger Elbufer, in der ein herzhaftes Essen auf uns wartete. Der letzte Seminartag widmete sich Therapiestrategien, Wirkstoffen und Patientenfällen aus der Praxis. Den Einstieg lieferte Prof. Günther Wiedemann von der Oberschwaben Klinik Ravensburg, der fachkundig und mit rhetorischer Kunst erläuterte: „Beratung ist die Achillesferse in unserem Geschäft!“ Verschiedene Therapiemöglichkeiten von Chirurgie über Strahlentherapie über Zytostatika bis hin zur Palliativmedizin wurden von ihm mit Hilfe von Fallbeispielen bildlich illustriert. In einem interaktiven Workshop am Nachmittag wurden in Kleingruppen Fallbeispiele in Form von Beratungsgesprächen schauspielerisch nachgespielt und mit Hilfe des SOAPSchemas durch selbst gestaltete Präsentationen vorgestellt. Was macht ein Apotheker auf Visite? Was ist das Unit Dose System? Welche Schutzmaßnahmen müssen beim Umgang mit Zytostatika beachtet werden? Zur Aufklärung dieser Fragen trugen Dr. Torsten Hoppe-Tichy, Chefapotheker des Universitätsklinikums in Heidelberg und Goentje-Gesine Marquardt, Krankenhausapothekerin aus Soltau bei, die in ihren Vorträgen speziell auf das Thema: Pharmazie in der Praxis - Krankenhaus eingingen. Dr. Annette Freidank aus dem Klinikum in Fulda referierte über Supportivtherapie, „die nicht alles ist, aber ohne Supportivtherapie alles nichts ist“. Am Ende des Seminartages wurde die pharmazeutische Beratung und Betreuung von Tumorpatienten durch Michael Höckel, Leiter der Apotheke des St. Georg Klinikums in Eisenach thematisiert. Sowohl Ärzte, Apotheker, Pflegepersonal und Patient müssen zusammenarbeiten, denn „Unity in diversity“ (Einheit in Vielfalt) ist die Grundlage für Multiprofessionalität, wie Klaus Meier uns ganz zu Beginn der Akademie mitteilte. Ein Wochenende interessanter, praxisnaher Vorträge, ein gut zusammengestelltes Programm und eine exzellente Unterkunft trugen dazu bei, dass sich auf jeden Fall ein positives Fazit ziehen lässt. Abschließend kann gesagt werden, dass sich eine Teilnahme für jeden Pharmaziestudenten lohnt, der über den Tellerrand „Uni“ hinausschauen möchte und anstrebt mehr als das „normale“ Lehrbuchwissen vermittelt zu bekommen. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 55 Buchbesprechung Buchbesprechungen Von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten Burnout-Prävention Das 9-Stufen-Programm zur Selbsthilfe Schattauer Verlag, Stuttgart 2007 272 Seiten, 29,95 Euro ISBN 978-3-7945-2585-0 Burnout? Ich doch nicht. Das ist schon mal typisch. Denn wer tatsächlich unter einer grundlegenden emotionalen Erschöpfung, einer depressiven Grundgestimmtheit und einer unüberwindbaren inneren Distanz zu seinem Beruf leidet, kann oder mag sich das häufig nicht eingestehen. Er braucht Hilfe von außen, Menschen, die das Problem benennen und an Lösungen mitarbeiten. Möglicherweise kann diese Freundesrolle auch ein Buch übernehmen – sofern es ehrlich und pragmatisch genug ist. Das ist Thomas Bergner mit seinem Ratgeber gelungen. Eine Vielzahl von Tests (insgesamt 27) erleichtern den Weg zur Selbsterkenntnis. 93 Übungen helfen, ausgetretene Pfade zu verlassen und zurück zu finden zu einem selbstbestimmteren Leben. Auch allgemeinere Einsichten kommen nicht zu kurz, z.B. Persönlichkeitsmerkmale, die zu einem Burnout prädisponieren, wie ein Helfersyndrom, ein unrealistischer Omnipotenzanspruch, eine depressive Grundveranlagung oder auch schon früh erlernte mangelnde Selbstachtung. Nach der Selbsterkenntnis kommt der Versuch der Lösung: die im Titel genannten neun Stufen zur Selbsthilfe. Dazu gehören unter anderen Zeitsouver änität, mit Aspekten wie dem Setzen von Prioritäten oder der Strukturierung von Aufgaben. Eigenbestimmheit ist ebenfalls ein wichtiger Schritt, hier geht es unter anderem um das Entkommen aus einem Gefühl der Ohnmacht durch Übernahme von Verantwortung, um den Kampf gegen negative innere Über zeugungen und auch um den Umgang mit eigenen Aggressionen. Zur Zufriedenheitskonstanz tragen verschiedene Faktoren bei, z.B. die realistische Einschätzung eigener Fähigkeiten und Handlungsspielräume oder die Aufgabe einer vermeintlichen Opferrolle. Stresstoleranz, Situationstoleranz (z.B. das Annehmen des Unvermeidlichen), das Erkennen der eigenen Ziele und die Übereinstimmung von Rolle und Persönlichkeit sind weitere wichtige Aspekte. Wer sich ernsthaft mit dem persönlichen Burnout auseinander setzen will und auch unbequeme Wahrheiten nicht scheut, was den eigenen Anteil am Ausbrennen angeht, 56 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 der wird aus diesem Buch wertvolle Erkenntnisse ziehen. Das 9-Stufen-Programm gibt sehr konkrete, praktikable Hilfen und kann ein Weg sein, aus verfestigten schädlichen Verhaltensweisen heraus zu finden. Buchbesprechung Von Karla Domagk, Cottbus Nuklearmedizin Basiswissen und klinische Anwendung Von Harald Schober und Otmar Schober mit Beiträgen von Markus Dietlein, Wolfgang Eschner, Klaus Kopka, Burkhard Riemann, Michael Schäfers, Matthias Weckesser, Ulrich Wellner. Schattauer Verlag Stuttgart, 6., überarb. u. aktualis. Aufl. 2007; 398 Seiten, 326 Abbildungen, 66 Tabellen und 101 Kasuistiken Kartoniert, 39,95 Euro; ISBN 978-3-7945-2438-9 Die Entwicklung der bildgebenden Verfahren wie SPECT, SPECT-CT, PET, PET-CT und MRT hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht - insbesondere in der Hybrid-Technik. Für die Diagnostik, Differenzialdiagnostik, Therapiekontrolle und Prävention sind sie unverzichtbar geworden. Dieser Entwicklung trägt die „Nuklearmedizin“ in der überarbeiteten und aktualisierten 6. Auflage Rechnung. Der „allgemeine Teil“ behandelt Grundlagen der Physik, der radiopharmazeutischen Chemie, der Messtechnik, der nuklearmedizinischen Untersuchungen und der Dosimetrie. Im „speziellen Teil“ erfolgt die ausführliche Darstellung aller wichtigen nuklearmedizinischen Verfahren gegliedert nach Organsystemen oder Krankheitsbildern. Viele Fallbeispiele mit zahlreichen Organszintigraphien schulen den diagnostischen Blick und stellen auf einprägsame Weise den klinischen Bezug her. Dieses erfolgreiche Lehrbuch vermittelt komplexe Zusammenhänge verständlich und erleichter t Berufsanfängern sowie Ärztinnen und Ärzten in der Fort- und Weiterbildung das Kennenlernen nuklearmedizinischer Methoden. Als Standardwerk hat es sich zudem im Medizinstudium und in der Ausbildung der medizinisch-technischen Radiologieassistentinnen und -assistenten etabliert. Auch für den interessierten Apotheker ist dieses didaktisch optimierte und mit anschaulichen Illustrationen und zahlreichen Fallbeispielen versehene Lehrbuch sehr geeignet. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 57 Ist Pegfilgrastim mehr als nur eine supportive Medikation? KONGRESSBERICHT ECCO 15 – 34th ESMO Kongress September 2009: Ist Pegfilgrastim mehr als nur eine supportive Medikation? Von Bettina Reich, Hamburg M edikamente, die eine Neutropenie in ihrem Schweregrad vermindern können wie Granulozyten-Koloniestimulierende Faktoren (G-CSF), sind heute nicht mehr aus modernen onkologischen Behandlungsstrategien wegzudenken. Dosisdichte Protokolle wurden überhaupt erst durch die prophylaktische Gabe von G-CSF möglich. Ob das langwirksame Pegfilgastrim noch mehr bieten kann, war Thema des Vortrags von Prof. Gary Lyman vom Duke Center in North Carolina, USA, beim Europäischen Krebskongress ECCO 15 – 34th ESMO im September 2009 in Berlin. Febrile Neutropenie ist lebensbedrohlich Die febrile Neutropenie (FN) ist eine schwerwiegende und lebensbedrohliche Komplikation, die bei myelosuppressiver Chemotherapie auftreten kann. FN gilt als signifikanter Risikofaktor für infektionsassoziierte Morbidität und Mortalität, denn Infektionen sind die häufigste therapiebedingte Todesursache bei Krebspatienten. Das Risiko einer FN bzw. lebensbedrohlicher Infektionen korreliert mit der Schwere und Dauer der Neutropenie. Die FN ist definiert durch eine erhöhte Temperatur von >38°C bei erniedrigten Leukozyten <1.000/µl bzw. neutrophilen Granulozyten <500/µl. „Sie zählt zu den schwersten Toxizitäten der myeloablativen Chemotherapie, die das Mortalitätsrisiko wesentlich erhöht“, betonte Lyman. Wie hoch die Mortalität wirklich ist, zeigt eine Analyse von Kuderer et al. [1]. Bei den insgesamt 41.779 Patienten unter einer Chemotherapie wurde eine generelle Mortalität von 9,5% gezeigt. Vorliegende Komorbiditäten wie Sepsis, Lungenentzündungen, Leukämien oder Lungenembolien verschärften das Problem zusätzlich: Ohne Komorbidität lag die Mortalitätsrate bei 2,6%, stieg im Falle einer Komborbidität auf 10,3% und auf 21,4% bei mehr als einer Komorbidität. Febrile Neutropenie kann das Gesamtüberleben verkürzen „Oft wird nicht bedacht, dass die febrile Neutropenie einer der häufigsten Gründe für Verschiebungen des folgenden Chemotherapiezyklus oder Reduktionen der geplanten Dosisintensität ist“, fügte der Onkologe an. Die Verringerung der angestrebten Dosisintensität kann den Erfolg einer Chemotherapie beeinträchtigen oder sogar in Frage stellen. Wie gravierend die Folgen sein können, ist mit Studien z. B. bei der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms [24], aber auch aus der Therapie von Lymphomen [5, 6] belegt. Demzufolge haben Mammakarzinom-Patientinnen, die eine adjuvante Therapie mit mehr als 85% der geplanten Gesamtdosis bekommen, bessere Aussichten auf ein verlängertes Überleben als Patientinnen mit einer Gesamtdosis, die unter diesem kritischen Schwellenwert liegt. Hochrisikopatientinnen mit einem Mammakarzinom erreichen mit einer dosisdichten und dosisintensivierten Therapie ein signifikant besseres Überleben (Abb. 1). In ähnlicher Weise wirkt sich eine Dosisreduzierung oder der Verzicht auf eine Dosisintensivierung 58 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Ist Pegfilgrastim mehr als nur eine supportive Medikation? Bedeutung der Dosisintensität Retrospektive Studien: Gesamtüberleben ebenfalls beim Lymphom aus. Aspekte wie Chemotherapie-Typ, Dosisdichte und patientenspezifische Faktoren wie Alter gehören zu den wichtigsten Risikofaktoren bei der Bestimmung des individuellen FN-Risikos. Dosisdichte Chemotherapien nur mit G-CSF-Support möglich Grundsätzlich kann gesagt werden, so Lyman weiter, dass bei kombinierten Protokollen – und damit bei häufig eingesetzten Regimen – die Gefahr einer neutropenen Komplikation deutlich höher liegt als bei Monotherapien. Dabei sind verkürzte Intervalle zwischen den Zyklen mit einem besonders großen Risiko assoziiert, da dem Knochenmark bzw. peripheren Blut wenig Zeit zur Regeneration physiologischer Granulozytenzahlen bleibt. Abb. 1: Gesamtüberleben bei dosisintensivierten Studien Evidenz-basierte G-CSF-Leitlinien Hauptempfehlungen Abb. 2: Empfehlung der Fachgesellschaften zum Einsatz von GSF (mod. nach Lyman) Lyman erläuterte: „Die Intensivierung der Chemotherapie und insbesondere dosisdichte Regime sind nur mit dem Support von Granulozyten-Kolonienstimulierenden Faktoren möglich.“ Granulozyten-Koloniestimulierende Faktoren (G-CSF) können seiner Erfahrung nach neben der Reduktion des FN-Risikos ebenfalls die Schwere und Dauer einer Neutropenie verringern, was nicht nur die Komplikationsrate erheblich senkt, sondern auch die Lebensqualität der betreffenden Patienten erhöht. Demzufolge empfehlen alle relevanten Fachgesellschaften – neben EORTC auch ASCO und NCCN (National Comprehensive Cancer Network) – übereinstimmend den primärprophylaktischen Einsatz von G-CSF, wenn das individuell ermittelte Risiko für eine febrile Neutropenie bei mehr als 20 % liegt (Abb. 2). Darüber hinaus wird von allen diesen Fachgesellschaften der primärprophylaktische Einsatz befürwortet, wenn der Erhalt der Dosisintensität der Chemotherapie aus therapeutischer Sicht im Vordergrund steht. Dies gilt insbesondere, wenn das verabreichte Regime in kurativer Absicht gegeben oder eine Verlängerung des Überlebens angestrebt wird. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 59 Ist Pegfilgrastim mehr als nur eine supportive Medikation? Langwirksames Pegfilgastrim bewährt und effektiv in der FNProphylaxe „Der langwirksame G-CSF Pegfilgastrim hat nicht nur den Vorteil einer patientenfreundlichen Einmalgabe pro Zyklus, sondern scheint auch besonders effektiv zu sein“, berichtete Lyman. In einer Metaanalyse reduzierte die prophylaktische Gabe von G-CSF signifikant die Inzidenz febriler Neutropenien und der infektionsbezogenen Mortalität und Morbidität bei Patienten mit soliden Tumoren und verbesserte die Einhaltung Chemotherapie bei dosisdichten Regimen. Die relative Risikoreduktion war unter Pegfilgrastim signifikant größer als unter Filgrastim oder Lenograstim [7]. Das Ziel der NeuCuP-Analyse (Neulasta versus Current Practice Neutropenia Management) war es, den Einfluss der primären Neutropenie-Prophylaxe mit dem langwirksamen G-CSF Pegfilgrastim (Neulasta®) mit dem üblichen Neutropenie-Management im Hinblick auf die geplante Gabe der Chemotherapie bei Patientinnen mit Mammakarzinom zu untersuchen [8]. Diese integrierte Analyse umfasst Daten von 2.282 Patienten aus acht klinischen und drei Beobachtungsstudien, die verschiedene Chemotherapien (z.B. Docetaxel, TAC, ADoc) mit mittlerem bis hohem Risiko für FN erhalten hatten. Untersucht wurden Häufigkeit von Dosisreduktionen oder Therapieverschiebungen, Hospitalisierungen aufgrund febriler Neutropenie und der Gebrauch von Antiinfektiva. Verglichen mit dem üblichen Management wurde durch Pegfilgrastim die Häufigkeit von Zyklusverschiebungen von 24% auf 9% gesenkt, die Rate an Krankenhauseinweisungen wegen FN sank von 10% auf 4%. Lyman fasste zusammen: „Die primäre Prophylaxe mit Pegfilgrastim erhöht somit die Primärprophylaxe mit Pegfilgrastim zeigte eine verbesserte Gesamtfrühmortalität und progressionsfreies Überleben Abb. 3: Pegfilgastrim verbessert das progressionsfreie Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) Chance, die Chemotherapie plangemäß mit der gewünschten Dosisintensität durchzuführen“. Darüber hinaus stellte er eine eigene Arbeit vor, im Rahmen derer bei 4.458 Patienten untersucht wurde, welchen Einfluss die Gabe von Pegfilgastrim neben der FN auch auf das progressionsfreie Überleben (PFS) sowie auf das Gesamtüberleben hat [9]. Es zeigte sich, dass die primärprophylaktische Gabe von Pegfilgastrim sowohl zu einem signifikant verlängerten PFS als auch zu einem signifikant erhöhten Gesamtüberleben führt (Abb. 3). „Diese Daten sollten zwar noch in weiteren Studien überprüft werden, aber sie deuten bereits an, welches Potenzial Pegfilgastrim hat“, so Lyman abschließend. Literatur: (1) Kuderer NM et al. Cancer 2006; 106: 2258 -2266 (2) Chirivella I et al. Breast Cancer Res Treat 2009: 114: 479-484 (3) Bondonna G et al. NEJM 1995; 332: 901-906 (4) Bonneterre J et al. JCO 2005; 23; 2686-2693 (5) Bosly A et al. Ann Hematol 2008: 87: 277-288 (6) Pettengell R et al. Ann Hematol 2008: 87: 429-430 (7) Kuderer NM et al. J Clin Oncol. 2007;25(21):3158-67 (8) Schwenkglenks M et al. EBCC-6 2008 Abstract 62 (9) Lyman G et al. JCO 2008; 20 Suppl. Abstract 6552 Quelle: Symposium: “The bone and the marrow” im Rahmen des ECCO 15 – 34th ESMO Congress, Berlin, 22. September 2009, Veranstalter Amgen 29. - 31. Januar 2010 Hamburg-Harburg 60 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Biologische Strahlenwirkungen und Nebenwirkungen – Eine Einführung Biologische Strahlenwirkungen und Nebenwirkungen – Eine Einführung Von Oliver Micke, Bielefeld Einführung Die Strahlentherapie ist neben der chirurgischen und der systemischen Therapie eines der wichtigsten Standbeine der modernen Tumortherapie. Diese erfolgt heutzutage in aller Regel interdisziplinär in einem multimodalen Konzept. Zum Einsatz kommen in der modernen Strahlentherapie sehr energiereiche Formen der elektromagnetischen Strahlung und auch Teilchenstrahlen. Im Gegensatz zur Chemotherapie, bei der das Medikament in der Regel im ganzen Körper verteilt wird, sind die meisten Formen der Strahlentherapie örtlich begrenzt wirksam. Das bedeutet, dass eine therapeutische onkologische Wirkung nur in dem bestrahlten Körperbereich auftritt, aber auch die möglichen Nebenwirkungen räumlich begrenzt bleiben. Seit der ersten Strahlentherapie, die von Prof. Leopold Freund in Wien 1896, ein Jahr nach Erfindung der Röntgenstrahlen, bei einem kleinen Mädchen zur Behandlung eines Tierfellnaevus mittels Röntgenstrahlen durchgeführt wurde, hat sich die Strahlentherapie exponentiell fortentwickelt (Tab. 1). Ionisierende Strahlung Aus dem Alltag ist uns eine elektromagnetische Strahlenart, die ultraviolette Strahlung der Sonne (Sonne und Solarien) wohlbekannt. Deren energiearme Strahlen lösen in den Körperzellen keine oder nur wenige Veränderungen aus und haben nur eine geringe Eindringtiefe. Die hierbei übertragene Energie ist um ein vielfaches kleiner als jene, die für die Therapie von bösartigen Erkrankungen benötigt wird. Denn nur energiereiche Strahlen können Zellen in einem für die Therapie ausreichenden Maße verändern oder abtöten. Bei der Strahlentherapie kommen deshalb elektromagnetische Strahlen mit einem sehr hohen Energiegehalt (Ultraharte Röntgenstrahlen, Gammastrahlen) zur Anwendung (Abb. 1). Diese Strahlen sind so energiereich, dass sie aus Atomen oder Molekülen durch verschiedene physikalische Vorgänge Elektronen entfernen können, so dass positiv geladene Ionen oder Molekülreste entstehen. Diese ionisierenden Strahlen sind in der Lage, auch tiefer im Körper gelegene Tumoren zu zerstören, während gleichzeitig oberflächlich gelegene Organe relativ gering belastet werden, weshalb sie bei der Strahlenbehandlung eingesetzt werden. Warum ist nun die biologische Wirkung ionisierender Strahlung so interessant? Eine minimale physikalische Energieübertragung kann eine enorme biologische Wirkung auslösen Die Dosis von 1 Gy erzeugt im Organismus ca. 4.000-5.000 Schäden pro Zelle, die zu etwa 80% ad integrum repariert werden können. (Kasten). Energiedosen in der Strahlentherapie: 1 Gray (Gy) Louis Harold Gray Britischer Physiker und Radiologe sowie Begründer der Radiobiologie (*10. November 1905 ; † 09. Juli 1965). befasste sich mit der Wirkung von Strahlung und Radioaktivität auf biologische Systeme. promovierte amTrinity College in Cambridge über die Absorption harter Gammastrahlung. entwickelte gemeinsam mit William Lawrence Bragg die Bragg-Gray-Gleichung, mit der die GammastrahlenAbsorption von Materialien bestimmt werden kann. forschte ab 1938 an den biologischen Effekten derNeutronenstrahlung. entwickelte 1940 das Konzept der relativen biologischen Wirksamkeit von Neutronenstrahlung. begann 1950 Studien zur Behandlung vonTumorzellen mit einer Sauerstoff-Überdruck-Therapie sowie Studien über den Einfluss der Strahlenempfindlichkeit von Zellen in Abhängigkeit von der Sauerstoff-Gewebekonzentration. forschte ab 1953 im Gray Laboratory of the Cancer research Campaign am Mount Vernon-Hospital u.a. an der Impulsradiolyse. gibt die durch ionisierende Strahlung verursachte Energiedosis an. beschreibt die pro Masse absorbierte Energie. ist eine von den SI-Einheiten Joule und Kilogramm abgeleitete Größe. 1 Gy = 1 J / kg entspricht der Energie von 4 Würfelzuckern oder 18 Kalorien. 62 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Biologische Strahlenwirkung Schon kurze Zeit nach der Erfindung der Röntgenstrahlen wurde die biologische Wirkung ionisierender Strahlung beinahe zufällig entdeckt. So erlitt Henri Becquerel, einer der Pioniere auf diesem Gebiet, eine Verbrennung Biologische Strahlenwirkungen und Nebenwirkungen – Eine Einführung TV MW LW UKW Gamma kosmische Strahlung 10-15 m UV Röntgen 10-12 m 10-9 m Infrarot Radar Rundfunk Mikrowelle 10-6 m KW 10-3 m 1m 103 m Wellenlänge λ Abb. 1: Bedeutende physikalisch-technische elektromagnetische Strahlen (logarithmisch aufgetragen) Tab. 1: Entwicklung der Strahlentherapie 1895 Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt die nach ihm benannten Strahlen 1896 Erste Röntgentherapie (Mädchen mit Tierfellnaevus) 1902 Beginn der Strahlentherapie auch tiefer im Körper gelegener Gebiete 1910 Radium-226-Nadeln und -Kapseln für die Einlage in Körperhöhlen und Einstechen in Tumore ab ca. 1930 Bau der ersten Linearbeschleuniger in den USA (1 MeV) 1935 Linearbeschleuniger mit 2,5 MeV in Berlin 1944 Erstes Elektronensynchrotron ab ca. 1950 Radioaktive Strahlungsquellen wie Cobalt-60 und Cäsium-137 in externen Bestrahlungsanlagen 1953 Verbindliche Einheit für die (Energie-)Dosis = das Rad (rd) ab ca. 1970 Neue technische Hilfsmittel wie Bestrahlungsplanungsrechner, Simulatoren; Teilchenbeschleuniger; Erste Versuche mit kombinierten Behandlungsverfahren wie z.B. Chemo-, Immun-, Strahlentherapie vor oder nach chirurgischen Maßnahmen, Hyperthermie in Kombination mit Strahlentherapie. Ablösung der Radiumeinlagen durch das Afterloading-Verfahren 1976 Neue SI-Einheit „Gray“ (Gy) 1988 Strahlentherapeut/-in als eigenständige Facharztbezeichnung. Somit Trennung der alten Gemeinsamkeit von diagnostischer Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie ab ca. 1990 Planungsrechner mit der Möglichkeit zur Erstellung dreidimensionaler Bestrahlungsvorlagen ab ca. 2001 Einführung der intensitätsmodulierten Strahlentherapie (IMRT) im Bereich in der Brust, als er in seiner Brusttasche eine Ampulle Radium mit sich trug. Sein Kommentar dazu: „Ich liebe ja dieses Radium, aber es erbost mich auch“. Die biologische Wirkung von ionisierenden Strahlen auf Gewebe, sei es gesundes oder Tumorgewebe, wird über Ionisationsvorgänge und die sog. Radiolyse des Wassers vermittelt. Dabei erzeugt die hochenergetische Strahlung in dem Wasser, aus dem der menschliche Körper überwiegend besteht (ca. 65% bei Erwachsenen, ca. 55% bei älteren Menschen), zahlreiche sehr kurzlebige freie Radikale, von denen das H 2O2 das langlebigste ist. Diese resultierenden freien Radikalen üben als hoch aggressive Reaktionspartner eine zerstörerische Wirkung auf die benachbarten Biomoleküle, mit denen sie interagieren, aus. Der wichtigste Angriffspunkt dabei ist das Genom der Zellen, d.h. die DNA des Zellkerns. Neben strahlenbedingten Modulationen von Regelkreisen und Signalwegen determinieren die durch die ionisierende Strahlung indirekt (locker ionisierende Strahlung: Röntgenstrahlen) oder direkt (dicht ionisierende Strahlung: Alpha-Teilchen, Neutronen) gesetzten DNA-Schäden das Überleben der Zellen. Indirekte DNA-Schäden sind Basenschäden, Einzel- und Doppelstrangbrüche. Strahlenbedingte Strangbrüche führen in Kombination mit fehlerhaftem Rejoining zu chromosomalen Aberrationen. Dizentrische Chromosomen, Chromosomenringe und anaphasische Brücken sind einige der entstandenen Aberrationen. Chromosomale Aberrationen, insbesondere die o.g., korrelieren invers mit dem Überleben der Zellen. In dieser kurzen Übersicht ist die Konzentration auf den strahleninduzierten Zelltod mit den zwei Formen des Zelltodes (klassische Strahlenbiologie) Interphasetod und Reproduktivtod erforderlich. Unter Interphasetod wird das Phänomen verstanden, dass eine Zelle noch in der gleichen Interphase, in der sie bestrahlt wurde, abstirbt. Sie kann also nach Bestrahlung keine weiteren Zellteilungen durchführen. Der Interphasetod tritt bei den meisten Zelllinien vor allem nach sehr hohen Strahlendosen auf (> 10 Gy); ausgenommen hiervon sind Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 63 Biologische Strahlenwirkungen und Nebenwirkungen – Eine Einführung bestimmte Lymphozytensubpopulationen oder leukämische Zelllinien, die erheblich strahlenempfindlicher sind. Dosis in Gy Körperbereich (Schadensart/Hauptsymptom) Der Reproduktivtod unterscheidet sich vom Interphasetod dadurch, dass die bestrahlten Zellen noch einige Mitosen (< 5) durchlaufen können, bevor sie ihre proliferative Kapazität verlieren. Messungen dieser proliferativen Kapazität werden mit Hilfe des Koloniebildungsassays bestimmt. Dieser Assay ist der methodische „Goldstandard“ für derartige in-vitro Untersuchungen in Strahlenbiologie und Medikamentenforschung. 2 Knochenmark (Aplasie), Fötus (Tod) 3 Hoden, Eierstöcke (Dauersterilisation) 5 Auge (Katarakt) Körperhaut, 100 cm2 (Entzündung); Kopfhaar, 10 cm2 (zeitweiser Ausfall) 10 Kopfhaar, 10 cm2 (dauerhafte Allopezie); Brust, Kind (Wachstumsstörungen) 20 Haut, 80 cm2 (Abschuppung); Knochen (Wachstumsstörungen) 40 Herz (Entzündung); Lunge (Entzündung) Tab. 2: Schwellen-Energiedosen für klinische Effekte beim Menschen nach kurzzeitiger Teilkörperbestrahlung (Schwellenwert, der bei 1-5% der Betroffenen die entsprechende Wirkung zeigt) Trägt man das Überleben von Zellen nach verschiedenen Bestrahlungen in logarithmischem Maßstab gegen die Dosis in linearem Maßstab auf, erhält man für jeden Zelltyp charakteristische Dosis-Effekt-Kurven. Diese beginnen oft mit einem fl ach verlaufenden Anteil, der dann in einen geraden exponentiellen Anteil übergeht. Der Anfangsteil („Schulter“) gibt Hinweise bzgl. der individuellen, zellulären Reparaturkapazität. Die Reparaturkapazität spielt für das Zellüberleben insbesondere im unteren Dosisbereich aufgrund sog. subletaler DNA-Schäden eine Rolle. Das bedeutet aber auch je breiter diese Schulter ausgeprägt ist, desto größer ist das Reparaturvermögen der Zelle (Abb. 2). Abb. 3: Stochastischer (orange) und nicht-stochastischer (blau) Strahlenschaden im Vergleich 100 Überlebensfraktion 10 -1 10 -2 10 -3 0 2 4 6 8 Dosis (Gy) Abb. 2: Dosis-Effekt-Kurven (sogenannte Schulterkurven) zweier Zelllinien mit größerem (obere Kurve) und kleinerem (untere Kurve) Reparaturvermögen. Bei Strahlendosen über etwa 4 Gy nimmt die Anzahl letaler Schäden stark zu. Diese können nicht mehr adäquat repariert werden. Mutationen und chromosomale Abberationen, die entweder zum Reproduktivtod oder zur genetischen Transformation der Zellen führen, sind die Folge. In der Regel liegt die Reparaturfähigkeit der Tumorzellen unter der von Normalgewebszellen, woraus die therapeutische Breite der Bestrahlung resultiert. Dabei ist der therapeutische Effekt bei fraktionierter Bestrahlung sogar noch verstärkt. Strahlennebenwirkungen Bei den Strahlenfolgen oder –schäden unterscheidet man grob den stochastischen vom 64 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 nicht-stochastischen Strahlenschaden. Dabei tritt der stochastische Strahlenschaden zufällig auf und ist nicht zum Zelltod führend. Es gibt keine Schwellendosis. Dabei ergibt mehr Dosis eine größere Häufigkeit des Schadens, aber keine größere Schwere. Typische Beispiele sind die genetische Mutation und die Transformation. Der nicht-stochastische Strahlenschaden ist deterministisch, d.h. zum Zelltod führend. Er ist erst oberhalb einer Schwellendosis klinisch relevant und ein mehr an Dosis führt zu einer größeren Schwere des Schadens. Biologische Strahlenwirkungen und Nebenwirkungen – Eine Einführung Typische Beispiele sind die akute und späte Nebenwirkung der Strahlentherapie, die akute Strahlenkrankheit, und letztlich auch die positive Wirkung auf den Tumor, nämlich seine Abtötung (Tab. 2, Abb. 3). Ganz entscheidend für die erfolgreiche Durchführung einer Strahlenbehandlung ist die genaue Abwägung der mögliche Schäden und der tumorvernichtenden Wirkung der Strahlentherapie gegeneinander, um für den Patienten das optimale Ergebnis zu erzielen, nämlich die optimale Tumorheilung, bei möglichst geringen Nebenwirkungen. Die sog. „Holthusen-Kurven“ von Hermann Holthusen beschreiben sehr gut den Zusammenhang zwischen Dosisabhängigkeit der Wahrscheinlichkeiten für die Tumorvernichtung und die Toleranzüberschreitung im gesunden Gewebe sowie für die komplikationsfreie Heilung (Abb. 4). Schon 1936 beschrieb Holthusen den Sförmigen Verlauf der dosisabhängigen Tumorkontrollraten mit dem Resultat, dass für sehr hohe Dosen der Nutzen einer weiteren Dosiserhöhung immer geringer wird. Andererseits wird mit zunehmender Dosis auch das Risiko einer Schädigung des Normalgewebes ansteigen, da hierfür ebenfalls eine S-förmige Dosiseffektkurve besteht. Ähnlich wie in der Pharmakologie lässt sich auch in der Radioonkologie anhand von Dosiswirkungskurven die therapeutische Breite (der Abstand zwischen beiden Kurven) eines 100 % 80 Toleranz überschritten 60 40 Tumorvernichtung Heilung 20 0 0 75,00 150,00 Gy Dosis Abb. 4: Die sogenannten „Holthusen-Kurven“ (links die Kurve der Tumorvernichtung, rechts die Kurve der Nebenwirkungen bis zur Toleranzüberschreitung) strahlentherapeutischen Behandlungskonzeptes ermitteln. Zusammenfassung Trotz physikalisch geringer Energieübertragung erzeugt ionisierende Strahlung eine Vielzahl biologischer Strahlenwirkungen. Das Verständnis dieser Strahlenwirkungen ist wichtig, um die gewollten Strahlenwirkungen zu beurteilen und gezielt medikamentös zu beeinflussen, sowie die unerwünschten Nebenwirkungen zu erkennen und entsprechend zu behandeln. Autor: PD Dr. med. Oliver Micke Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Franziskus Hospital, Kiskerstraße 26, D-33615 Bielefeld Tel.: (05 21) 5 89 18 01 Fax: (05 21) 5 89 18 04 E-Mail: [email protected] Mündliche Prüfung im Rahmen der Fort-/Weiterbildung „Onkologische Pharmazie“/ „Onkologische/r Pharmazeut/in (DGOP)“ Folgende Apothekerin hat diese Prüfung am 4. September 2009 bestanden: Frau Kirstin Ebert aus Wahlstedt Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 | 65 Pressemitteilung ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG Krebsinformation hat eine Nummer: (08 00) 4 20 30 40 Vier starke Partner gründen Allianz Berlin (ct) - Bisher gab es in Deutschland keine einheitliche Anlaufstelle für die Bevölkerung bei Fragen zum Thema Krebs. Dies wird sich mit der Allianz zwischen dem Krebsinformationsdienst (KID) am Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe ändern. Ab Herbst werden die bisher getrennten Informationsangebote zusammengeführt und in ein gemeinsames qualitätsgeprüftes Informationsangebot überführt. Dazu gehört auch die bundesweite kostenlose Rufnummer 0800 – 420 30 40, unter der sich Ratsuchende zu allen Fragen rund um das Thema Krebs informieren können. Die Krebsinformation wird damit in Deutschland gestärkt und künftig von vier starken Partnern gemeinsam getragen: dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der Deutschen Krebshilfe und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Dazu erklärt Marion Caspers-Merk, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium: „Wer selbst an Krebs erkrankt ist oder einen nahe stehenden Menschen kennt, der an Krebs erkrankt ist, hat nicht nur viele Sorgen und Ängste, sondern vor allem auch viele Fragen. Es ist deshalb gut, dass das Deutsche Krebsforschungszentrum und die Deutsche Krebshilfe ihre Beratungs- und Informationskompetenz bündeln und gemeinsam unter einer Rufnummer zur Verfügung stellen. Damit stellen wir sicher, dass Patienten und Angehörige Informationen zum Thema Krebs auf höchstem Qualitätsniveau und nach gleichem Standard erhalten.“ Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, erklärt: „Der Krebsinformationsdienst hilft den Betroffenen, über medizinische Schritte mit zu entscheiden und kann die Kommunikation zwischen Arzt und Patienten verbessern. Außerdem richten wir am KID den ersten Fachinformationsdienst für Ärztinnen und Ärzte in Deutschland ein. Dieser informiert über die neusten Entwicklungen in der Forschung und gewährleistet, dass diese Erkenntnisse schneller bei den Patientinnen und Patienten ankommen. Das Bundesforschungsministerium wird in den nächsten Jahren den Ausbau des Krebsinformationsdienstes mit jährlich rund 3,3 Millionen Euro unterstützen.“ „Wir betreiben im DKFZ Krebsforschung auf international höchstem Niveau mit dem Ziel, Krebs besser zu verstehen, gezielter zu verhindern und effektiver bekämpfen zu können. Das DKFZ bietet damit den geeigneten Rahmen, um wissenschaftlich gesicherte, unabhängige Informationen zum Thema Krebs bereit zu stellen. Unser Ziel ist es, krebskranke Menschen und ihre Angehörigen, medizinisches Fachpersonal sowie die interessierte Öffentlichkeit bundesweit optimal zu informieren. Dabei bauen wir auf der über 20-jährigen Erfahrung des Krebsinformationsdienstes KID auf “, sagte Prof. Dr. Wiestler, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums. „Unsere Organisation wird täglich mit einer großen Anzahl von Fragen Ratsuchender konfrontiert, die aufgrund begrenzter Kapazitäten bedauerlicherweise nicht alle zeitnah bedient werden können“, erklärt Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. „Durch die beschlossene Allianz steht künftig ein hochkompetentes Referenzzentrum als Anlaufstelle zur Verfügung, das auch dem hohen Bedarf nach qualitätsgesicherten Krebsinformationen Rechnungen tragen wird. Die gemeinsame Initiative ist ein hervorragendes Beispiel für eine sinnvolle Kooperation zwischen der Öffentlichen Hand und einer privaten Organisation: nur so können ambitionierte Projekte umgesetzt und Synergien geschaffen werden.“ 66 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 4/2009 Seit Frühjahr 2009 ist der KID das Nationale Referenzzentrum für Krebsinformation in Deutschland. Träger des am DKFZ in Heidelberg angesiedelten „Nationalen Referenzzentrums für Krebsinformation“ sind bislang das BMBF, das BMG und das DKFZ. Künftig wird sich auch die Deutsche Krebshilfe maßgeblich an der Finanzierung beteiligen. Außerdem wird ab Herbst 2009 der Informations- und Beratungsdienst der Deutschen Krebshilfe in das Nationale Referenzzentrum für Krebsinformation integriert. Der KID wurde 1986 nach dem Vorbild des amerikanischen Cancer Information Service (National Cancer Institute) gegründet. Mit neutralen und wissenschaftlich abgesicherten Krebsinformationen erfüllt er eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe und trägt zur raschen Verbreitung praxisrelevanter Ergebnisse der transnationalen Krebsforschung bei. Bereits heute erteilt der KID jährlich rund 30.000 Bürgerinnen und Bürgern individuellen Rat auf der Basis von evidenzbasierter Medizin. Außerdem vermittelt der Dienst Adressen von Institutionen und Organisationen der medizinischen und psychosozialen Versorgung und Betreuung von Krebs-Patienten. Der Informations- und Beratungsdienst der Deutschen Krebshilfe hat ebenfalls eine lange Tradition: In den Anfangsjahren nach der Gründung der Deutschen Krebshilfe 1974 beantwortete Frau Dr. Mildred Scheel - selbst Ärztin - die Anfragen von Patienten und Angehörigen zunächst persönlich. 1982 wurde dann innerhalb der Organisation eine offizielle Anlaufstelle für Ratsuchende geschaffen und ein Informations- und Beratungsdienst etabliert. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.bmg.bund.de; www.bmbf.bund.de; www.krebsinformationsdienst.de; www. krebshilfe.de; www.dkfz.de