Hauptseminar in Theoretischer Physik: Nichtlineare und nicht-Hermitesche Quantendynamik Bose-Einstein-Kondensation: Dipolare Gase Maximilian Felger 02.05.2012 Maximilian Felger 1 Gliederung 1. Einführung 2. Die Dipol-Dipol-Wechselwirkung 3. Die erweiterte Gross-Pitaevskii-Gleichung 4. Die zeitabhängige erweiterte Gross-Pitaevskii-Gleichung 5. Strukturierte Grundzustände 6. Zusammenfassung 02.05.2012 Maximilian Felger 2 Erste Bose-Einstein-Kondensation: 1995 Nobelpreis bereits 2001: Cornell, Wieman, Ketterle Zuerst: unpolare Atome Nur Kontakt-Wechselwirkung Mittlerweile: Atome bzw. Moleküle mit Dipol-Moment (magnetisch bzw. elektrisch) Neue Effekte wegen Dipol-Dipol-Wechselwirkung 02.05.2012 Maximilian Felger 3 Die Dipol-Dipol-Wechselwirkung Alle Dipole sind durch äußeres Feld parallel orientiert C dd 1−3cos2 θ W (r , r ')= 4 π ∣r−r '∣3 2 d C dd= für elektrischeDipole ϵ0 Cdd =μ 0 μ 2 für magnetische Dipole Bild aus [2] Die Kraft zwischen den Dipolen hängt ab von 02.05.2012 – Abstand der Dipole r = |r – r'| – Relativer Orientierung θ Maximilian Felger 4 Extremfälle: 1−3cos2 θ=1 Anziehung Bild aus [2] Abstoßung 1−3cos2 θ=−2 Je nach Orientierung ist die Dipol-Wechselwirkung repulsiv oder attraktiv Die Dipole ordnen sich bevorzugt hintereinander an 02.05.2012 Maximilian Felger 5 Experimentell wurden bisher BEC aus Atomen mit magnetischem Dipol-Moment hergestellt Im Experiment verwendet: 52Cr-Atome Elektronenkonfiguration von 52Cr: 4s [Ar]3d54s1 3d magnetisches Moment :μ=6μB In letzter Zeit: Moleküle mit elektrischem Dipol-Moment Kalium-Rubidium-Molekül 02.05.2012 Maximilian Felger 40 K87Rb 6 Die Dipol-Dipol-Wechselwirkung ist langreichweitig Wann ist eine Wechselwirkung langreichweitig? ∞ ∫ V (r)d D r r0 1 V(r)∼ n r Das Integral konvergiert für D < n →kurzreichweitige Wechselwirkung n⩽3 langreichweitig In 3 Dimensionen: n>3kurzreichweitig 02.05.2012 Maximilian Felger 7 Beschreibung von Bose-Einstein-Kondensaten durch die Gross-Pitaevskii-Gleichung [ ] 2 −ℏ 3 2 Δ+Vext +N∫ d r ' W(r , r ')∣ϕ(r)∣ ϕ(r)=μ ϕ(r) 2m Erweiterung der Schrödingergleichung durch Wechselwirkungsterm nichtlineare Differentialgleichung → Wellenfunktion in Hamiltonian 3 Komponenten 02.05.2012 – kinetische Energie – externes Potential – Wechselwirkung zwischen Teilchen Maximilian Felger 8 Kontakt-Wechselwirkung (kurzreichwetig) a 3 U(r)=2 π ℏ δ (r) m 2 Abhängig von Streulänge a a kann durch externes Magnetfeld eingestellt werden über Feshbach-Resonanzen a=abg 1− Δ B−B0 ( ) a kann positive (repulsiv) und negative (attraktiv) Werte annehmen 02.05.2012 Bild aus [2] Maximilian Felger 9 Feshbach Resonanzen Zwei streuende Atome können „Quasimolekül“ bilden Gesamtenergie muss im Bereich der Energie des gebundenen Molekülzustands liegen Änderung der Streulänge aufgrund des quasi-gebundenen Zustands Anpassen der Energieniveaus durch äußeres Magnetfeld aufgrund des Zeeman-Effekts 02.05.2012 Maximilian Felger 10 GPE für „normale“ Bose-Einstein-Kondensate [ ] −ℏ2 2 a Δ+Vext+4 π ℏ N∣ψ(r)∣2 ψ(r)=μ ψ(r) 2m m Dient zur Beschreibung von BEC aus unpolaren Atomen Es fehlt: Dipol-Dipol-Wechselwirkung C dd 1−3cos2 θ W (r , r ')= 4 π ∣r−r '∣3 02.05.2012 Maximilian Felger 11 Die „normale“ GPE wird um Dipol-Term erweitert Die erweiterte Gross-PitaevskiiGleichung [ 2 ] μ0 μ 1−3cos2 θ −ℏ 2 a 2 3 2 Δ+Vext +4 π ℏ N∣ψ(r)∣ + N∫ d r ' ∣ψ(r ')∣ ψ(r)=μ ψ(r) 3 2m m 4π ∣r−r '∣ 2 externes Potential einer harmonischen Falle m 2 2 V ext = (ω x x +ω 2y y2 +ω 2z z2 ) 2 In anderen Einheiten und neuer Skalierung: [ ] 1 2 2 1−3cos2 θ 2 2 2 2 2 3 2 −Δ+ (ωx x +ωy y +ωz z )+8 π a∣ψ(r)∣ +∫ d r ' ∣ψ(r ')∣ ψ(r)=μ ψ(r) 3 4 ∣r−r '∣ 02.05.2012 Maximilian Felger 12 Variationsprinzip zur Lösung der erweiterten GPE Ansatz für Wellenfunktion: Gauß-Funktion 2 2 2 −(ax x +ay y +az z ) ψ(r)=A e ( 8ax ay a A= π 1 z 4 ) Ansatz wird in GPE eingesetzt, um den Energieerwartungswert zu berechnen E(ψ)=〈 ψ∣H∣ψ〉 Die Parameter werden so variiert, dass der Energieerwartungswert minimal wird 02.05.2012 Maximilian Felger 13 Vereinfachung: Falle mit Zylinder-Symmetrie x 2+y 2=ρ2 ω x =ω y =ωρ ax =ay =aρ Für die Energie ergibt sich 1 1 E[ ψ]=〈 ψ∣−Δ∣ψ〉+〈 ψ∣Vext∣ψ〉+ 〈 ψ∣Vc∣ψ〉+ 〈 ψ∣Vd∣ψ〉 2 2 mit 〈 ψ∣−Δ∣ψ〉=2aρ +az ( 2 2 1 γρ γz 〈 ψ∣V ext∣ψ〉= 2 + 4 aρ a z √ ) (mit γ i= ωi 2 ) 2 aρ a z 〈 ψ∣V c∣ψ〉=8 a π 02.05.2012 Maximilian Felger 14 Berechnung des Dipol-Integrals 3 3 2 2 ( 〈 ψ∣V d∣ψ〉=∫∫ d r d r '∣ψ(r)∣ ∣ψ(r ')∣ 1− 3(z−z ') 2 ∣r−r '∣ ) 1 3 ∣r−r '∣ Einführen von Relativ- und „Schwerpunkt“-Koordinaten 1 −(a x 〈 ψ∣V d∣ψ〉= ∫ d3 rcm e 8 2 x cm +ay y 2cm +az z2cm ) ∫d 3 −(a x x 2rel +a y y 2rel+az z2rel ) rrel e ( 1− 3z2rel x2rel +y2rel+z2rel rcm=r+r ' ) rrel=r−r ' „Schwerpunkt“-Integral ist leicht zu lösen, Relativintegral ist symmetrisch in x und y 2 2 3 Irel=∫ d r e −( 2 x y + κ2x κ2y 3z 1− 2 2 2 +z ) x +y +z mit 2 2 2 2 3 /2 (x +y +z ) κx= √ az ax κ y= √ az ay Relativ-Integral führt auf elliptisches Integral √ 4 ax ay az 2 2 〈 ψ∣V d∣ψ〉= κ x κ y RD (κ x , κ y , 1)−1 ] [ 3 π Explizite Lösung bei Zylindersymmetrie √ 2 ∞ 3 1 RD (x , y , z)= ∫ dt 20 √ (x+t)(y+t)(z+t)3 a x=a y → κ x =κ y [( ) ] 3 arctan √ az /aρ−1 4 aρ az az 3 〈 ψ∣V d∣ψ〉= −1 π a a /a −1 − 3 /2 3 (a / a ) ρ z ρ z ρ 02.05.2012 Maximilian Felger 15 Man erhält die Energie in Abhängigkeit der Variationsparameter aρ und az Die Energie hängt zusätzlich von den Fallen-Frequenzen ωi=2 γi und der Streulänge a ab. → Diese können im Experiment eingestellt werden Man erhält stationäre Zustände indem man die berechnete Energie bezüglich der Variationsparameter minimiert. ∇ z E[ ψ(z)]=0 02.05.2012 z=(aρ , az ) Maximilian Felger 16 Bild aus [2] stabile und instabile stationäre Zustände − hier : σ i=ai für manche Streulängen: keine stationären Zustände Die Stabilität eines BEC aus dipolaren Gasen ist abhängig vom Verhältnis zwischen Dipol-Dipolund Kontaktwechselwirkung 02.05.2012 Maximilian Felger 17 1 2 Die Dipol-Dipol-Wechselwirkung wird von der optischen Falle beeinflusst Das Seitenverhältnis λ der optischen Falle bestimmt die Anordnung der Dipole ωz λ= ω ρ Bild aus [2] Bild aus [2] 02.05.2012 Maximilian Felger 18 Bild aus [2] 02.05.2012 Maximilian Felger 19 In zigarrenförmiger Falle ist die Dipol-Dipol-Wechselwirkung attraktiv In oblatenförmiger Falle ist die Dipol-Dipol-Wechselwirkung repulsiv Die Kontakt- und die Dipol-Dipol-Wechselwirkung stehen in Konkurrenz BEC aus dipolaren Gasen sind in Bereichen von a stabil, in denen „normale“ BEC nicht stabil sind 02.05.2012 Maximilian Felger 20 Die zeitabhängige erweiterte GPE Beschreibung der Dynamik von dipolaren BEC jetzt: Ersetzen von μ durch iℏ ∂ ∂t [ ] 1 2 2 1−3cos2 θ 2 2 2 2 2 3 2 ∂ ψ(r , t) −Δ+ (ωx x +ωy y +ωz z )+8 π a∣ψ(r , t)∣ +∫ d r ' ∣ψ(r' , t)∣ ψ(r , t)=i ℏ 4 ∂t ∣r−r '∣3 → zeitabhängige Wellenfunktion ψ(r , t) Näherung: alle Teilchen weisen selbe Dynamik auf Beschreibung durch makroskopische Wellenfunktion 02.05.2012 Maximilian Felger ψ(r , t) 21 zeitabhängiges Variationsprinzip jetzt: Test-Wellenfunktion in Abhängigkeit zeitabhängiger Parameter z(t) ψ(r , t)=ψ(r , z(t)) Variationsprinzip nach McLachlan – Wellenfunktion ϕ(t) wird so variiert, dass 2 I=∥i ϕ(t)−H ψ(t)∥ minimal wird. – – dann wird ψ̇=ϕ gesetzt Daraus folgt 〈 ∣ 〉 〈 ∣ 〉 ∂ψ ∂ψ ∂ψ ⋅ż=−i Hψ ∂ z ∂ z ∂ z ⏟ ⏟ Matrix K 02.05.2012 Vektorh Maximilian Felger 22 Die Gleichung K⋅ż=−i⋅h ist die implizite Form eines gewöhnlichen Differentialgleichungssystems. Die Lösung dieses Gleichungssystems liefert die zeitabhängigen Variationsparameter z(t) Hamiltonian kann nichtlinear sein K ist hermitesche, positiv definite Matrix 02.05.2012 Maximilian Felger 23 Auch bei zeitabhängigem Variationsprinzip: → Gaußansatz i(A ρ (t)ρ2+A z (t)z2 +γ(t)) ψ(ρ , z , t)=e Die Variationsparameter sind komplexe Größen r i r Aρ (t)=Aρ (t)+iA ρ (t) i A z (t)=A z (t)+iA z (t) r i γ(t)=γ (t)+i γ (t) Normierung über Imaginärteil von γ(t) 1 π3/2 γ (t)= 2 √ 8 Aiρ A i z i √ wie im stationären Fall: Zylindersymmetrie 02.05.2012 Maximilian Felger 24 Das Variationsprinzip liefert ein Differentialgleichungssystem für die Variationsparameter r r 2 i 2 1 Ȧρ=−4( Aρ) +4( Aρ ) − Vρ 2 i r i Ȧρ=−8 A ρ A ρ r r 2 i 2 1 Ȧ z=−4(A z ) +4(Az ) − V z 2 i r i r i i Ȧ z=−8 A z Az γ̇ =−4 Aρ Az −v 0 Dabei sind v 0 , Vρ , V z gegeben durch das lineare Gleichungssystem ( )( ) ( ) I00 I20 I02 IV v0 I20 I40 I22 ⋅ 1/2 Vρ = I V I02 I22 I04 1/2 VZ IV 02.05.2012 2n 2m I2n ,2 m=〈 ψ∣ρ z ∣ψ〉 00 20 mit 02 IV 2n ,2 m =〈 ψ∣ρ2n z2m V (ρ , z)∣ψ〉 ⏟ V t+Vc+V d Maximilian Felger 25 Die Zeitevolution der Variationsparameter beschreibt die Dynamik des Systems. Bewegung in vierdimensionalem Parameterraum Nebenbedingung: Gesamtenergie ist konstant → Darstellung der Dynamik in Poincaré-Schnitten hier: Re(Az) = 0 Bilder aus [1] 02.05.2012 Emf =500000 Maximilian Felger Emf =800000 26 Die Gleichungen zeigen eine Analogie zur Hamilton'schen Mechanik Die Variationsparameter entsprechen den kanonischen Variablen Es gilt die Umrechnungsvorschrift qρ= 1 √ 2 A i ρ , pρ= 2 Aρr √A i ρ , q z= r 1 √ 2 2A i z , pz= √ 2 Az √A i z , Der klassische Hamiltonian lautet: 1 2 2 H(qρ , pρ ,qz ,pz )= (pρ+pz )+V(qρ ,qz ) 2 Durch Vergleich mit dem quantenmechanischen Hamiltonian lässt sich das „klassische“ Potential V (qρ , qz ) des Problems ermitteln 02.05.2012 Maximilian Felger 27 klassisches Potential Bild aus [1] 02.05.2012 Maximilian Felger Bild aus [1] 28 wieder: 2 stationäre zustände einer stabil einer instabil Mit dem klassischen Potential folgt die Dynamik den kanonischen Bewegungsgleichungen der Hamilton'schen Dynamik ∂H ∂H q̇ρ= =pρ ∂pρ ∂H ∂V ṗρ=− =− ∂ qρ ∂ qρ q̇z= =pz ∂ pz ∂H ∂V ṗz=− =− ∂ qz ∂ qz Die klassische Beschreibung erlaubt eine Vielzahl an Aussagen über das System zu treffen. Das Potential erlaubt die Berechnung von Anregungen und Zerfallsraten des BEC 02.05.2012 Maximilian Felger 29 Bilder aus [1] 02.05.2012 Maximilian Felger 30 Strukturierte Grundzustände numerische Gitterrechnungen → strukturierte Grundzustände in bestimmten Bereichen des Stabilitätsdiagramms Dichte-Maximum nicht in der Mitte → bikonkave Form (vgl. Blutkörperchen) Nicht mit Gauß-Ansatz durch Variationsrechnung ermittelbar → anderer Ansatz z.B. Doppel-Gauß 02.05.2012 Maximilian Felger 31 Auseinanderdrücken durch repulsive Dipol-Dipol-Wechselwirkung Bild aus [3] Kollaps des Bose-Einstein-Kondensats 02.05.2012 Maximilian Felger 32 Bei asymmetrischer Falle → zusätzliche Grundzustands-Strukturen Bilder aus [5] 02.05.2012 Maximilian Felger 33 BEC aus dipolaren Gasen zeigen neue Effekte Beschreibung von BEC aus dipolaren Gasen durch erweiterte Gross-Pitaevskii-Gleichung Lösung der erweiterten GPE durch Variationsrechnung Beschreibung der Dynamik durch klassisches Potentialbild Neben Gauß-förmigem Grundzustand auch Grundzustände mit komplizierterer Struktur 02.05.2012 Maximilian Felger 34 Literatur [1] H. Cartarius, P. Christou, A. Eberspächer, R. Eichler, A. Junginger, P. Köberle, J.Main, S. Rau, T. Schwidder, M. Zimmer - Bose-Einstein-Kondensate mit langreichweitiger Wechselwirkung, Vorlesungsskript [2] T. Lahaye, C. Menotti, M. Lewenstein und T. Pfau – The physics of dipolar quantum gases, Rep. Prog. Phys. 72 (2009) 126401 [3] S. Ronen, D. Bortolotti, J. Bohn - Radial and Angular Rotons in Trapped Dipolar Gases, PRL 98, 030406 (2007) [4] T. Koch, T. Lahaye, J. Metz, B. Fröhlich, A. Griesmaier und T. Pfau – Stabilization of a purely dipolar quantum gas against collapse, Nature Physics 4 (2008) [5] O. Dutta und P. Meystre - Ground-state structure and stability of dipolar condensates in anisotropic traps, Phys Rev A 75 053604 (2007) 02.05.2012 Maximilian Felger 35 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! 02.05.2012 Maximilian Felger 36