Abiturprüfung 2011 Hinweise zur Korrektur und Bewertung der Abiturprüfungsarbeiten in GESCHICHTE Nicht für den Prüfling bestimmt! Die Lösungsvorschläge lassen sachlichen Gehalt, Art und Niveau der Beantwortung erkennen, ohne den Anspruch zu erheben, die einzig mögliche Lösung zu sein. Bei der Leistungsbewertung ist neben den inhaltlichen Aspekten (z. B. fachspezifisches Wissen, angemessene Begrifflichkeit, Methodenkompetenz) auch die Qualität der Darstellung angemessen zu berücksichtigen. Die Angabe der Bewertungseinheiten für die Teilaufgaben ist verbindlich. 2 Umrechnung der erreichten Bewertungseinheiten in Notenpunkte: Die in der Aufgabe erreichten Bewertungseinheiten werden nach folgender Tabelle in Notenpunkte umgesetzt: Notenpunkte 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Notenstufen +1 1 1– +2 2 2– +3 3 3– +4 4 4– +5 5 5– 6 Bewertungseinheiten 120 – 115 114 – 109 108 – 103 102 – 97 96 – 91 90 – 85 84 – 79 78 – 73 72 – 67 66 – 61 60 – 55 54 – 49 48 – 41 40 – 33 32 – 25 24 – 0 Intervalle in % 15 15 15 15 20 20 3 I GESELLSCHAFT IM WANDEL (15. BIS 19. JAHRHUNDERT) 1 Formen der gewerblichen Produktion in der vorindustriellen Arbeitswelt: - Handwerk: Produktion selbständiger Meister für lokalen Markt, Zunftzwang, strenge Reglementierung der Produktion, kaum Arbeitsteilung, Ausschaltung von Konkurrenz; - Verlagswesen: v. a. im Textilbereich, Rolle des Verlegers (Rohstoffkauf, Weitergabe an dezentral arbeitende, rechtlich selbstständige handwerkliche Kleinproduzenten, Verkauf der Produkte auf dem lokalen, regionalen, nationalen oder internationalen Markt), meist Herstellung standardisierter Massenware; marktabhängige Bezahlung; Bedeutung für Entstehung kapitalistischer Wirtschaftsweisen; - Manufaktur: Produktion in größerem Betrieb; noch handwerkliche, aber bereits stark arbeitsteilige Methoden; kostengünstige Produktion von Massenware, große Abhängigkeit des Arbeiters vom Unternehmer. 2.1 Grundlegende strukturelle Veränderungen im Augsburger Textilgewerbe durch die Aktivitäten des Unternehmers Schüle in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, z. B.: - Entstehung eines Großbetriebs, trotz Verbots Zusammenschluss mit anderen Unternehmern; - Einsatz moderner Technologien entgegen geltenden Bestimmungen; - Bau von Betriebsanlagen außerhalb der Stadt; - Bezug ausländischer Ware statt Abnahme von Stoffen Augsburger Weber; - auf Gewinn bedachtes Unternehmertum; - Konkurrenzdruck; - letztlich beherrschende Marktposition Schüles auf Kosten der traditionellen Produzenten; - Überschreiten von zünftisch festgelegten Arbeitsbereichen der einzelnen Berufszweige; - kapitalistische Wirtschaftsform. Fazit: Statt zünftischer Gewerbeordnung Entstehung eines freien Unternehmertums und damit verbundener sozialer und wirtschaftlicher Abstieg der übrigen Produzenten. 2.2 Chancen der in M1 dargestellten Veränderungen für die Menschen und die Stadt Augsburg, z. B.: - Chancen für die Menschen: neue Arbeitsplätze, gute Verdienstmöglichkeiten insbesondere für innovative Unternehmer, aber auch für Lohnab- 4 hängige, neue Aufstiegsmöglichkeiten, freie Entfaltung von Unternehmerpersönlichkeiten; - Chancen für die Stadt: Steigerung der Steuereinnahmen, Belebung des Handels, Bevölkerungswachstum durch zuziehende Arbeitskräfte. Probleme, die in M1 und insbesondere in M2 deutlich werden, z. B.: - Probleme für die Menschen: prekäre Situation der traditionellen Handwerker durch modernen Konkurrenzdruck, erhöhter Arbeitsdruck in den Manufakturen, oft niedriger Lohn und in Folge davon Neigung zu „schändlichem Gewerbe“ (Kriminalität, Prostitution), Ausbeutung von Kindern, Gefahr hoher Verluste und Bankrotte bei den riskant agierenden Unternehmern; - Probleme für die Stadt: verstärkter Zuzug, Belastung des Sozialwesens durch Verarmung noch zünftisch organisierter, nicht konkurrenzfähiger Handwerker, Gefährdung der „guten Sitten“ und Störung der bisherigen öffentlichen Ordnung, Risiko sozialer Unruhen durch Auflösung der traditionellen Zunftordnung und Verelendung schlecht bezahlter Manufakturarbeiter. 3 Soziale Absicherung der Menschen in der Frühen Neuzeit: - freiwillige Wohltätigkeit Einzelner; große Bedeutung familiärer, verwandtschaftlicher und nachbarschaftlicher Hilfsleistungen; - Fürsorge z. B. durch kirchliche Einrichtungen, Zünfte, Stiftungen; - in der Frühen Neuzeit zunehmende Reglementierung und Kontrolle der Armen, organisierte Fürsorge durch städtische, dörfliche oder territoriale Obrigkeiten, Entwicklung von Kriterien für Bedürftigkeit; Bestreben der Obrigkeiten, Zustrom fremder Bedürftiger zu begrenzen; - Unterschiede zwischen Land und Stadt (dort Entwicklung von Hospitälern, Waisenhäusern und Arbeitshäusern). Beurteilung der Leistungsfähigkeit des frühneuzeitlichen sozialen Netzes: - Existenz zahlreicher karitativer Institutionen; Vorhandensein einer gewissen Absicherung, insbesondere bei Einbindung in Zünfte; - problematische Verteilung sozialer Leistungen, nicht immer Erfassung bzw. ausreichende Versorgung echter Bedürftiger, schwierige Lage von Waisenkindern, teilweise Abhängigkeit der Aufnahme in Spitäler von Stand und Vermögen, Überforderung der Sozialeinrichtungen bei steigender Bevölkerung oder bei Hungersnöten, Epidemien etc. 4 Staatliche Maßnahmen als zentrale Bedingungen für den Wandel zur Industriegesellschaft in Deutschland, z. B.: - Vereinfachung des Steuersystems, Abschaffung von Binnenzöllen, Vereinheitlichung des Wirtschaftsraums; - Dynamisierung und Modernisierung der Gesellschaft durch Agrarreformen (Aufhebung von Leibeigenschaft und feudalen Abhängigkeiten, Verfügung des Einzelnen über seine Arbeitskraft, Freizügigkeit, Schaf- 5 fung eines Arbeitskräftereservoirs für entstehende Fabriken), zunehmende Gleichberechtigung der Juden, Reformen des Bildungswesens und Beseitigung der Heiratsbeschränkungen; - Liberalisierung der Wirtschaft durch Gewerbefreiheit (Beseitigung der Zunftverfassung, Erleichterung von Unternehmensgründungen, Förderung der Konkurrenz und des Leistungsprinzips); - Verbesserung der Infrastruktur durch Straßen-, Kanal- und Eisenbahnbau. 5 Analyse der Statistik: - 1855 fast 80% der Bevölkerung Bayerns in kleinen Gemeinden, nur eine Stadt mit mehr als 100 000 Bewohnern; - von 1855 bis 1880 in Bayern deutliche Zuwächse der absoluten Bevölkerungszahlen in allen Gemeindegrößenklassen, aber Rückgang des Anteils der Gemeinden mit weniger als 2000 Menschen um ca. 8% und zunehmende Bevölkerung in größeren Gemeinden; im Vergleich zu Bayern aber deutlich höherer Verstädterungsgrad im Deutschen Reich; - 1910 immer noch über die Hälfte der Bevölkerung Bayerns in kleinen Gemeinden, aber mehr als Verdreifachung des Anteils der in großen Städten Lebenden gegenüber 1880, Hinweis auf Entstehung industrieller Zentren, Zuwächse in allen Gemeindegrößenklassen als Beleg für weiteres starkes Bevölkerungswachstum in Bayern und im Reich, doch deutlich geringere Urbanisierung Bayerns im Vergleich zum Reich, wo nur noch 40% der Menschen in kleinen Gemeinden leben. Fazit: starkes Bevölkerungswachstum, Landflucht und Verstädterung als in der Statistik deutlich werdende grundlegende, wenn auch regional unterschiedlich rasch und intensiv stattfindende Entwicklungen im Zeitalter der Industrialisierung. 6 Lösungshinweise zu den drei Teilaufgaben finden sich ab S. 17. 6 II DEMOKRATIE UND DIKTATUR – PROBLEME DER DEUTSCHEN GESCHICHTE IM 20. JAHRHUNDERT 1 Überblick über wesentliche demokratische Errungenschaften der Weimarer Republik, insbesondere anhand der Reichsverfassung von 1919, z. B.: - Volkssouveränität; - allgemeines, gleiches Wahlrecht, nun auch für Frauen; - Gewaltenteilung und –kontrolle; - Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament; - Elemente direkter Demokratie (z. B. Direktwahl des Reichspräsidenten); - umfassender Grundrechtekatalog; - Pluralismus; - demokratische Länderverfassungen. 2.1 Aussagen zu den Parteien bzw. Fraktionen im Parlament: - Einfluss auf die Regierung durch Entzug des Vertrauens; - Schädigung des Ansehens des Reichspräsidenten durch Missachtung seiner politischen Bedeutung; - eingeschränkte Fähigkeit zur Mehrheitsbildung. Aussagen zur Reichsregierung: - Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament (prinzipielle, aber aktuell nicht gegebene Abhängigkeit von Mehrheiten); - Verantwortung gegenüber dem Staat und für das Ansehen des Reichspräsidenten. Aussagen zum Reichspräsidenten: - Recht des Reichpräsidenten zur Ministerauswahl kraft seiner verfassungsgemäßen und persönlichen Autorität – im Konsens mit dem Reichskanzler und unter Rücksichtnahme auf Mehrheitsfähigkeit im Parlament; - stabilisierende Kompetenz des Reichspräsidenten; - Recht zur Regierungsbildung; - Möglichkeit zum Kampf gegen das Parlament. Daraus ableitbare politische Forderungen Stresemanns, z. B.: - Stabilisierung des politischen Systems und Behebung der Krise des Parlamentarismus; - Aufforderung zur Zurückhaltung bzw. Konsensbildung der Parteien bzw. Fraktionen im Parlament; - Stärkung der Position des Reichspräsidenten, insbesondere bei der Regierungsbildung; 7 - bei anhaltendem Versagen des Parlaments Übernahme der politischen Führung durch verantwortungsbewusste Einzelpersonen mit hoher Autorität. 2.2 Stresemanns Forderungen vor dem Hintergrund der Entwicklung bis Anfang 1933: - Aspekte, die dafür sprechen, dass seine Forderungen in der politischen Entwicklung Wirklichkeit wurden, z. B.: • Stärkung des Reichspräsidenten durch Praxis der Präsidialkabinette ohne parlamentarische Mehrheit ab 1930; • zunehmende Bedeutung von Einzelpersönlichkeiten im politischen Leben (z. B. Hindenburg); • Selbstbeschränkung der Parteien (Tolerierungspolitik, um Auflösung des Parlaments zu verhindern). - einschränkende Aspekte, z. B.: • keine Stabilisierung des Systems trotz Stärkung der Rolle des Reichspräsidenten; • geringes Verantwortungsbewusstsein vieler politischer Führungspersönlichkeiten (z. B. Schleicher). 3 Analyse des Plakats: - im Zentrum des Bildes zwei männliche Figuren mit nahezu identischer Mimik und Körperhaltung: Arbeiter der Stirn (Angehöriger der Intelligenz) und Arbeiter der Faust (Fabrikarbeiter); ersterer mit studentischen „Schmissen“, letzterer mit typischen Attributen (Mütze, Hammer); - beide mit direktem, entschlossenem Blick zum Betrachter; - Aufruf zur Wahl des „Frontsoldaten“ Hitler; - Verwendung der traditionell der Arbeiterbewegung zugeschriebenen Farbe Rot für den Schriftzug; - unterschiedliche Schriftgröße des Schriftzuges: „Hitler“ größer als alle anderen Wörter; - Bezeichnung beider Personen als „Arbeiter“ und gleiche Schriftgröße für „der Stirn / der Faust“. Zur Wirkungsabsicht könnten folgende Beobachtungen gemacht werden: - Aufwertung bzw. Überhöhung der Arbeiterfiguren durch Darstellung als kräftige, willensstarke Persönlichkeiten sowie Sprachmetaphorik; - Gleichstellung von Angehörigen der Intelligenz und Arbeitern und damit Verwischen der sozialen Gegensätze; - Selbststilisierung Hitlers als einfacher Frontsoldat und damit Identifikationsangebot für die Weltkriegsgeneration; - Ansprache von bisher von der NSDAP kaum erreichten Bevölkerungsgruppen und Versuch der Vereinigung dieser Wählerschichten auf Hitler; - Alternativangebot zu den Parteien der Arbeiterbewegung. 8 4.1 Als zentrale Aspekte von „Volksgemeinschaft“ sollten im Wesentlichen genannt werden: - Definition der deutschen „Volksgemeinschaft“ als ethnische Bluts-, Schicksals- und Willensgemeinschaft; - Überlegenheit der „nordischen“ bzw. „arischen Rasse“; - Ablehnung der Idee der Gleichheit; - innerhalb der Volksgemeinschaft Leugnung von Unterschieden hinsichtlich Vermögen, Bildung oder Wissen bei gleichzeitiger Einführung einer starken politischen Hierarchisierung; - Ersetzung des Staatsbürgers durch den entpolitisierten und entindividualisierten Volksgenossen. Als zentrale Aspekte des NS-Antisemitismus sollten im Wesentlichen genannt werden: - Definition des Judentums nicht als Religion oder Kultur, sondern als Rasse; - Behauptung einer pseudo-wissenschaftlich begründeten angeblichen „Minderwertigkeit“ der Juden; - Diffamierung der Juden als Schmarotzer an den materiellen und kulturellen Leistungen anderer Völker; - behauptete Unmöglichkeit der Assimilation von Juden (Sprache, Kultur, Religion); - Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung als Konsequenz dieser Auffassung. Der Prüfling soll zeigen, dass im Nationalsozialismus ein auf rassistischen Theorien aufbauendes Verständnis von „Volk“ den Ausschluss all derer bedingte, denen bestimmte rassische Merkmale abgesprochen wurden. 4.2 Kenntnis der nichtjüdischen deutschen Bevölkerung von Verfolgung und Ermordung der Juden: - Antisemitische Maßnahmen bzw. deren Auswirkungen, die aufgrund ihrer Offensichtlichkeit und Überprüfbarkeit in weiten Teilen der nichtjüdischen deutschen Bevölkerung bekannt waren: Zwischen 1933 bis 1939: • öffentliche Gewalt gegen Juden v. a. durch die SA-Truppen; • antijüdische Aktionen wie z. B. das Anbringen diskriminierender Schilder oder Aufrufe zum Boykott jüdischer Geschäfte; • zunächst ungeordnete, später systematische Arisierungspolitik (v. a. Enteignungen, Ausschluss aus verschiedenen Berufen, eingeschränkte Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten); • Nürnberger Gesetze; Vielzahl von den Alltag betreffenden Sondergesetzen und Sonderverordnungen; 9 • sog. „Reichskristallnacht“: sichtbare Zerstörung von Eigentum, Verhaftungswelle; • verstärkte Emigration als Reaktion der jüdischen Bevölkerung. Während des 2. Weltkriegs: • ab 1941 Verpflichtung zum Tragen des Judensterns und Auswanderungsverbot für Juden; • Deportationen; • Holocaust während des Zweiten Weltkriegs als „offenes Geheimnis“: im Reichsgebiet kursierende, v. a. von Wehrmachtsoldaten verbreitete Gerüchte über die Ermordung der Juden. - Aspekte, die dafür sprechen, dass die antijüdischen Maßnahmen nicht oder nur teilweise bekannt waren: Vor allem während des 2. Weltkriegs: • bewusste Verschleierung der Deportationen, der Errichtung von Ghettos und der systematischen Ermordung von Juden; • Zweifel an Ausmaß und Radikalität der antisemitischen Maßnahmen aufgrund der unfassbaren Dimensionen der Verbrechen; • Besatzungspolitik im Osten, v. a. Maßnahmen gegen Juden, eher im Bewusstsein der Wehrmacht, weniger der Zivilbevölkerung; • Beschlüsse der Wannsee-Konferenz als der Öffentlichkeit nicht bekannte organisatorische Voraussetzungen für den Massenmord. 5 Lösungshinweise zu den drei Teilaufgaben finden sich ab S. 17. 10 III HISTORISCHE KOMPONENTEN EUROPÄISCHER KULTUR UND GESELLSCHAFT 1.1 Herrscherliches Selbstverständnis zu Beginn des 11. Jhs.: - Krönung Heinrichs und Kunigundes durch Christus: Gottesgnadentum; - die Heiligen Petrus und Paulus als Stützen des Königspaars (Hand auf der jeweiligen Schulter: zusätzliche Bekräftigung des sakralen Königtums); - Fehlen von Vertretern der Kirche: Legitimation der Herrschaft ausschließlich an Gott gebunden; - noch keine Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt; - Heiligkeit von Herrschaft durch direkte Legitimation von Gott (z. B. „Rex et Sacerdos“, Priesterkönigtum, König als „Vicarius Christi“); - Selbstverständnis des Kaisers als Schutzherr der Christenheit: Machtanspruch auch über die Kirche (z. B. so genanntes „Reichskirchensystem“). 1.2 Entwicklung bis ins 12. Jahrhundert: Zunehmende Infragestellung des Priesterkönigtums durch Konkurrenz um diesen Machtanspruch seitens des Papsttums; Folge: beginnende Trennung von weltlicher und geistlicher Macht. Eingegangen werden kann z. B. auf: - Vorstellungen des Reformpapsttums gegenüber dem Kaiser (so genannter „Investiturstreit“; „Dictatus Papae“); - Problem der Reichskirche aus Sicht der Kirchenreformbewegung; - Funktion der Zweischwerterlehre in der Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum; - Wormser Konkordat. 2 Klärung des Begriffs „konsensuale Herrschaft“: Abhängigkeit des Herrschers von der Zustimmung der Großen seines Machtbereichs Konsensuale Herrschaft im Lehenswesen auf der Ebene des Reichs: - Verhältnis Lehensherr (König) / Vasallen (Adel, Geistlichkeit): wechselseitige persönliche Verpflichtungen („Personenverbandsstaat“) durch Treueeid einerseits, Recht auf Rat und Hilfe andererseits; - weiterer Zwang zur Berücksichtigung der Großen des Reichs auf Grund der gemeinsamen Zugehörigkeit von König wie Vasallen zur Adelsgesellschaft; - Auswirkungen dieses Prinzips z. B. bei Zwist zwischen den großen Vasallen oder bei Beschlüssen über Kriegszüge und militärische Beiträge der Vasallen. 11 Im Ständewesen der Territorialstaaten: - Landesherr als Inhaber der obersten Gewalt in einem Gebiet in seiner Herrschaftsausübung mit der Mitsprache korporativer Gruppen (im Land ansässiger Adel; Geistlichkeit; später auch Städte), d. h. der „Stände“ konfrontiert; - Prinzip der Mitsprache und Repräsentation des Landes gegenüber dem Landesherrn in Form von Landtagsversammlungen als Frühform des Parlamentarismus; - Wirksamkeit dieses Prinzips insbesondere beim Steuerbewilligungsrecht. 3.1 Johannes Althusius: - Souveränität (als gleichsam konstituierendes Merkmal des Gemeinwesens) uneingeschränkt beim Reich bzw. dem „Volk“ als dem Ursprung des Gemeinwesens; - Herrscher demzufolge nicht Eigentümer, sondern allenfalls Sachwalter der Souveränitätsrechte im Auftrag des Volkes; - Verfügung über die Souveränitätsrechte durch den Herrscher nur auf Widerruf oder auf Vertragsbasis; - nach dem Tod eines Herrschers erneute Verfügung über die weitere Übertragung dieser Rechte durch das Volk; - Verlust jeglicher Legitimation für den Herrscher bei Verstoß gegen die Vertragsregeln; - Ähnlichkeit von Althusius´ Vorstellungen mit dem Konzept des Gesellschaftsvertrages im Zeitalter der Aufklärung. Jean Bodin: - Souveränität untrennbar an die Person des Herrschers gebunden; nicht ohne die Person des Herrschers existent; - daher Konzentration der staatlichen Macht in seinen Händen; - keine Zuerkennung von Souveränität an das Volk möglich, da dadurch Vernichtung der Souveränität selbst. 3.2 Die Schüler sollten folgende Sachverhalte erkennen: - bei Althusius zentrale Rolle des „Volkes“ bzw. der Glieder des Reiches; erhebliche Relativierung der monarchischen Stellung: Entwurf eines Gegenbildes zu den auf den Herrscher konzentrierten Vorstellungen Bodins; - teilweise ähnliche Strukturen im frühneuzeitlichen Reich: System föderalistisch geteilter Herrschaft zwischen „Kaiser und Reich“ (möglicher Hinweis auf Reichstag); somit starke Dezentralisierung der Macht; - jedoch keine Volkssouveränität, wie sie in Althusius’ Vorstellungen anklingt. 12 Wenngleich es sich bei Althusius um ein ideales Modell handelt, sollte der Schüler zu dem Schluss gelangen, dass der Ansatz von Althusius den Gegebenheiten des frühneuzeitlichen Reiches besser gerecht wird. 4 Entwicklungen des frühneuzeitlichen Rationalismus auf dem Gebiet der Naturwissenschaften, z. B.: - fortschreitende Emanzipierung der Menschen-, Welt- und Naturerklärung von der Autorität der Religion; - Vernunftgemäßheit als oberste Richtschnur für Akzeptanz von Menschen-, Welt und Naturerklärung; - hierzu im Bereich der Naturwissenschaften entscheidender Stellenwert von Empirie, Messung, Experiment, Beweis, mathematischer Berechnung. Bereiche, anhand derer die Entwicklungen im Beispiel aufgezeigt werden können, z. B.: - Astronomie und Kosmologie (Erde im Sonnensystem); - Physik (Schwerkraft); - Anatomie (Blutkreislauf). 5 Lösungshinweise zu den drei Teilaufgaben finden sich ab S. 17. 13 IV KONFLIKTREGIONEN UND AKTEURE INTERNATIONALER POLITIK IN HISTORISCHER PERSPEKTIVE 1 Grundelemente des US-amerikanischen Selbstbewussteins und ihre Ausprägung insbesondere im Zusammenhang des Unabhängigkeitskampfes, z. B.: - Auserwähltheitsglaube, republikanische Ideen und Freiheitswunsch bereits unter den Auswanderern in die nordamerikanischen Kolonien Englands; - Verbreitung dieser Vorstellungen aufgrund relativer religiöser Toleranz und politischer Mitbestimmungsmöglichkeiten in den einzelnen Territorien; - wachsende Ablehnung der englischen Königsherrschaft; - Herausbildung eines US-amerikanischen Patriotismus im Verlauf des gemeinsam geführten, siegreichen Unabhängigkeitskriegs; - Deutung des Erfolgs als Beweis für die Überlegenheit des eigenen politischen Systems und als Auftrag des amerikanischen Volks, republikanische Freiheit vorzuleben und zu verbreiten (republikanisches Sendungsbewusstsein); - Konkretisierung freiheitlicher und republikanischer Ideen in Unabhängigkeitserklärung und Verfassungsprozess. Weitere Aspekte des Unabhängigkeitskampfs oder der kontinentalen Expansion im 19. Jahrhundert („Manifest Destiny“, „Spirit of the Frontier“) können berücksichtigt werden, insoweit sie die Herausbildung von Elementen des US-amerikanischen Selbstbewusstseins verdeutlichen. 2.1 Wesentliche innen- und außenpolitische Empfehlungen George Washingtons an das amerikanische Volk: - Aufrechterhaltung der nationalen Einheit als Bedingung von Unabhängigkeit und Freiheit, Frieden und Wohlstand; - Festhalten an bestehender bundesstaatlicher Ordnung mit zentraler Regierungsinstitution, um Union dauerhaft zu erhalten und gemeinsame Interessen zu organisieren; - Pflicht zur Verfassungs- und Regierungstreue wegen ihres freiheitlichen Charakters bzw. ihrer demokratischen Legitimation; - Beibehaltung der Gewaltenteilung, um Despotismus zu verhindern; - Aufforderung zu einer ehrlichen, verlässlichen und friedlichen Außenpolitik entsprechend den gemeinsamen religiösen und moralischen Grundsätzen; - Vermeidung eines außenpolitischen Freund-Feind-Denkens und Fernhalten von außenpolitischen Bündnissen, insbesondere mit europäischen Staaten, wegen drohender Verwicklungen in äußere Konflikte; 14 - Ausnutzen der geopolitischen Randlage: Sicherung außenpolitischer Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit durch Einnahme einer neutralen Grundhaltung; - Beschränkung der Außenpolitik auf Ausbau internationaler Handelsbeziehungen; - allenfalls Eingehen vorübergehender Bündnisse aus einer Position der Stärke heraus. Der Prüfling kann Empfehlungen und Begründungen im Zusammenhang oder getrennt darstellen. 2.2 Die Aufgabenstellung eröffnet Freiräume für eine eigenständige Beurteilung durch den Prüfling. Zum Beispiel ist folgende Argumentation denkbar: - Für den Zeitraum von der Jahrhundertmitte bis zum Eintritt in die imperiale Phase der US-Außenpolitik noch stärkere Orientierung an den außenpolitischen Empfehlungen von George Washington, z. B.: • Festhalten am Prinzip der Nichteinmischung gegenüber Europa und Fernhalten von europäischen Bündnissen und Konflikten; zugleich Ausbau der atlantischen Handelsbeziehungen; • Konzentration auf Erschließung westlicher kontinentaler Gebiete, teils mit friedlichen Mitteln (Kauf, Tausch, Abtretung), teils gewaltsam; • trotz wachsenden Engagements amerikanischer Firmen in Mittel- und Südamerika zunächst noch weitgehender Verzicht auf direkte politische oder militärische Einflussnahme in diesem Raum; jedoch Beanspruchung der Rolle einer Schutzmacht gegenüber europäischem Kolonialstreben; • Interventionspolitik zur Durchsetzung überseeischer Interessen nur im Ausnahmefall (z. B. erzwungene Öffnung Japans 1853/54). - Weitgehende Abkehr von Washingtons Empfehlungen beim Übergang zur imperialistischen Machtpolitik am Ende des 19. Jahrhunderts, z. B.: • militärische Interventionen im Karibik- und pazifischen Raum (Spanisch-Amerikanischer Krieg), in der Folge z. T. faktischer (Kuba) oder unverhüllter Übergang zum Kolonialismus (Philippinen); • Proklamierung eines präventiven Interventionsrechts in Mittel- und Südamerika zur Sicherung US-amerikanischer Interessen („Big Stick Policy“); • daneben Entwicklung von Formen informeller Kontrolle eigener Interessensgebiete („Dollarimperialismus“); • im Zeitalter des Imperialismus lediglich in wenigen Punkten Beibehaltung einer friedlichen und neutralen Außenpolitik (z. B. weiterhin Fernhalten vom europäischen Konfliktfeld, Eintreten für „Politik der offenen Tür“ im ostasiatischen Raum). 15 3 Hintergründe und Motive des Kriegseintritts der USA, z. B.: - Neutralitätserklärung der politischen Führung bei Kriegsausbruch, entsprechend der überwiegend ablehnenden Haltung der USamerikanischen Öffentlichkeit gegenüber einem Kriegseintritt; - dennoch Lieferung von Kriegsgütern und Nahrungsmitteln sowie Gewährung von Krediten an Entente-Staaten vor allem aus wirtschaftlichen Motiven; wachsendes Interesse am Erfolg der Gläubigerstaaten; - trotz beginnender Aufrüstung zunächst noch Festhalten an Nichtintervention und Eintreten für einen „Frieden ohne Sieg“; - Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs durch Deutschland und deutsches Bündnisangebot an Mexiko als Auslöser für den Kriegseintritt 1917; - Kampf für Freiheit, Demokratie und Fortschritt gegen reaktionäre Mittelmächte als wichtige idealpolitische Motivation für den Kriegseintritt (vgl. Wilsons „14 Punkte“). 4 Folgende Aspekte sollen bei der Interpretation der Karikatur herausgearbeitet werden: - Darstellung des militärischen Siegs der USA im Irak durch umgerissenes Standbild des Diktators Saddam Hussein vor rauchendem Hintergrund; - Freiheitsstatue als Symbol einer demokratischen „Neuordnung“ des Irak; - Interpretation: Errichtung der Statue (und damit der Demokratie) wegen des schadhaften Fundaments fraglich; Übertragung freiheitlichdemokratischer Ideen trotz militärischer Stärke der USA problematisch. Diskussion von Möglichkeiten und Grenzen der US-Außenpolitik nach 1990 zur Demokratisierung, auch in Anlehnung an ein im Unterricht behandeltes Beispiel (z. B. Jugoslawien, Irak): - Möglichkeiten, z. B.: • erhöhte Durchsetzungschancen eigener Wertvorstellungen als einziger verbliebener „Supermacht“ nach dem Ende des Kalten Kriegs; • anscheinende Evidenz einer auf Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft beruhenden Gesellschaftsordnung nach dem Zusammenbruch des Kommunismus; • Führungsrolle in bestehenden Bündnisorganisationen (z. B. NATO), weltweite Präsenz; • Adressat für Hilfsersuchen aus vielen Regionen der Welt und von supranationalen Organisationen wie der UN; • breite Unterstützung für USA bei international legitimiertem und koordiniertem Vorgehen gegen Unrechtsregime (z. B. Afghanistan). - Grenzen, z. B.: • Gefahr der Überdehnung der eigenen finanziellen und militärischen Kräfte, starke Abhängigkeit von innenpolitischen Entwicklungen; 16 • Verwundbarkeit in asymmetrischen Konflikten („Krieg gegen den Terror“); • Erstarken machtpolitischer Rivalen (Russland, China) • Ansehens- und Glaubwürdigkeitsverlust der USA in Teilen der Weltöffentlichkeit, z. B. wegen Verquickung von Ideal- und Interessenpolitik, selektivem politischem Engagement je nach Interessenlage, wiederholtem eigenmächtigem Auftreten als „Weltpolizei“, Verstößen gegen Kriegsrecht und Menschenrechte; • grundsätzliche Problematik des „Ideenexports“ angesichts historischkultureller Unterschiede; gewachsener Antiamerikanismus und erhöhte Skepsis gegenüber westlichen Werten v. a. in Teilen der islamischen Welt. 5 Lösungshinweise zu den drei Teilaufgaben finden sich ab S. 17. 17 Abschließende Aufgaben: Aufgabe zu Lehrplankapitel 11.1 Fragestellung: Der Theologe Günter Wilhelms schrieb 1998: „Hatte das Mittelalter noch an der fundamentalen Doppeldeutigkeit der Arbeit mit negativem Vorzeichen festgehalten, nämlich die grundlegenden Lebensbedürfnisse abzudecken, aber auch als Buße zu dienen, so wird in der Neuzeit die Arbeit, über die bloße Befriedigung der Lebensbedürfnisse hinaus, zum Mittel der Selbstverwirklichung und Weltgestaltung und dadurch enorm aufgewertet.“ Erörtern Sie Chancen und Grenzen der Selbstverwirklichung des Menschen in der vorindustriellen Arbeitswelt und unter den industriellen Arbeitsbedingungen! Lösungshinweise: Der Prüfling kann bei seiner Erörterung z. B. folgende Aspekte heranziehen: - Klärung des Begriffs „Selbstverwirklichung“, z. B. Ansprechen möglicher Bereiche (geistige, kreative, spirituelle Dimension, Selbstverwirklichung des Individuums im sozialen Bezugsrahmen); Hinweis auf Abgrenzung zur “Arbeit”: Muße, Freizeit, Spiel; Problematisierung der historischen Angemessenheit des Begriffs; - Frage nach Selbstverwirklichung in der Arbeitswelt der Frühen Neuzeit: • Möglichkeiten, z. B.: ganzheitliches Arbeiten durch Herstellung eines Gesamtproduktes bzw. im Rahmen der Subsistenzwirtschaft vielfältige Arbeitstätigkeiten, (relativ) freie Zeitgestaltung im Vergleich zum “Maschinentakt”, große soziale Nähe, keine Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte (“Ganzes Haus”), gewisses Maß an Selbstbestimmung; • einschränkende Aspekte, z. B.: geringe Produktivität, hoher Zeit- und Kräfteeinsatz, hohes Maß an Unsicherheit (u. a. Arbeitsunfälle, Krankheit, Mangelernährung, fehlende Sozialpolitik), Beschränkung der kulturellen Teilhabe vor allem auf religiöse Veranstaltungen. - Frage nach Selbstverwirklichung in der Arbeitswelt der Industriegesellschaft: • Chancen, z. B.: durch Maschinisierung zunehmende körperliche Entlastung, ständig sich verbessernde materielle Bedingungen, größere soziale Sicherheit, langfristig erhöhte Freizeit, wachsendes Bildungsangebot, Durchsetzung des Leistungsprinzips, in Aufstiegspositionen Möglichkeit zu selbstbestimmterem Arbeiten, Verwirklichung individueller Vorstellungen im freien Unternehmertum; • einschränkende Aspekte, z. B.: durch Arbeitsteilung und Mechanisierung Notwendigkeit eines hohen Maßes an Selbstdisziplin und Unterordnung, oft Monotonie der Arbeit, weit gehender Verlust der Kreativität, Entfremdung vom Arbeitsprodukt, trotz Maschinisierung oft schwere bzw. einseitige kör- 18 perliche Belastungen, Belastung der sozialen Beziehungen durch Konkurrenzdruck, zunächst sehr lange Arbeitszeiten, geringe Möglichkeiten zur kulturellen Teilhabe, insbesondere für die Fabrikarbeiterschaft. Der Prüfling soll eine pauschalisierende oder verklärende Darstellung vermeiden und zu einer individuellen Gewichtung gelangen, die nicht ausblendet, dass es in beiden Epochen sowohl positive als auch hinderliche Aspekte im Hinblick auf die Möglichkeiten des Einzelnen zur Selbstverwirklichung gab. Aufgabe zu Lehrplankapitel 11.2 Fragestellung: Demokratiewunder oder Wirtschaftswunder? Diskutieren Sie den Zusammenhang zwischen stabiler demokratischer Ordnung und wirtschaftlichem Aufschwung in der frühen Bundesrepublik! Lösungshinweise: Der Schüler kann bei seiner Erörterung auf Folgendes eingehen: - Aspekte, die für eine Stabilisierung der politischen Ordnung durch wirtschaftliche Aspekte sprechen, z. B.: • Teilhabe der breiten Bevölkerung am sog. „Wirtschaftswunder“ (z. B. steigende Löhne, Vollbeschäftigung, Befriedigung von Konsumbedürfnissen, rascher Wiederaufbau, relativer Wohlstand); • positive Auswirkungen der sozialen Marktwirtschaft (z. B. soziale Absicherung der Menschen); • durch Wirtschaftsaufschwung finanzieller Spielraum für sozialpolitische Maßnahmen (z. B. Lastenausgleichsgesetz, sozialer Wohnungsbau). - Gesichtspunkte, die für eine Stabilisierung der politischen Ordnung nach 1949 durch nichtwirtschaftliche Aspekte sprechen, z. B.: • Berücksichtigung der Lehren aus Weimar und der prägenden Erfahrung der Diktatur für die politische Neugestaltung, insbesondere grundlegende Weichenstellungen im Grundgesetz; • Wahrnehmung demokratischer Mitbestimmungsmöglichkeiten; • Entwicklung einer breiten politischen Öffentlichkeit; • demokratische Impulse durch „Umerziehung“; • „SBZ“ als Feindbild und Herausforderung: Gegnerschaft zum Kommunismus als Teilerklärung für die hohe Zustimmung zur parlamentarischen Demokratie; • Zusammenhang zwischen Akzeptanz der jungen Demokratie in der Bevölkerung und der internationalen Anerkennung der Bundesrepublik (z. B. WM-Sieg 1954). Fazit: Sowohl der wirtschaftliche Aufschwung auf der Basis des Konzepts der sozialen Marktwirtschaft als auch die Entwicklung eines stabilen demokratischen 19 Systems trugen wesentlich zu einer allgemeinen Zustimmung der Bevölkerung zur zweiten deutschen Demokratie bei. Allerdings bedeutete diese Akzeptanz noch keine weitgehende Identifikation der Westdeutschen mit der damaligen Demokratie. Aufgabe zu Lehrplankapitel 12.1 Fragestellung: Setzen Sie sich anhand ausgewählter Beispiele mit den positiven und negativen Wirkungen des nationalen Denkens in der europäischen Geschichte des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg auseinander! Lösungshinweise: Der Schüler sollte bei seiner Auseinandersetzung die ambivalente Wirkung des nationalen Denkens herausarbeiten. Positive Wirkungen, z. B.: - moderne Nationsvorstellung als antiständische Integrationsideologie: Zunahme an Freiheit und Gleichberechtigung aller Gesellschaftsgruppen durch Überwindung der Ständegesellschaft; - Wünsche nach Verwirklichung freiheitlicher Forderungen in einer Verfassung für die gesamte Nation. Negative Wirkungen, z. B.: - Nation als quasi-religiöse, oberste Instanz für den Einzelnen; Forderung nach Hingabe bis zur Aufopferung des Lebens; - Vorstellung von der (Höher-) Wertigkeit der eigenen Nation; missionarisches Auftreten gegenüber anderen Völkern; - gesteigerte nationale Empfindlichkeit; daraus resultierendes Konfliktrisiko; - Nationalbewusstsein als Grundlage von Zugehörigkeits- und Abgrenzungsverhalten: Zuschreibung kollektiver Charaktereigenschaften; Gefahr eines ethnischen Nationalismus; - Probleme von Staatsbildungsprozessen im Falle der Inkongruenz von Territorium und Sprach- bzw. Kulturnation. Die Auswirkungen könnten etwa an folgenden Beispielen gezeigt werden: - Überwindung der Ständegesellschaft in der Französischen Revolution; - Rivalität und wechselseitige Fremd- bzw. Feindbilder zwischen Deutschen und Franzosen im 19. Jahrhundert; - Rolle des Nationalismus bei der Entstehung kriegerischer Konflikte im 19. und frühen 20. Jahrhundert. 20 Aufgabe zu Lehrplankapitel 12.2 Fragestellung: In einer Mail hat Ihr amerikanischer Freund Folgendes geschrieben: „Ich weiß gar nicht, warum wir von vielen so sehr kritisiert werden. Die USA haben sich doch in ihrer Außenpolitik immer für Demokratie und Freiheit eingesetzt!“ Verfassen Sie eine Antwort, in der Sie sich auf der Grundlage Ihrer historischen Kenntnisse zu verschiedenen Zeiträumen und unter Einbeziehung konkreter Beispiele mit dieser These differenziert auseinandersetzen! Lösungshinweise: In seiner Antwort sollte der Schüler auf die Mischung aus ideellen und pragmatischen Motiven in der Außenpolitik der USA eingehen: - hohe Bedeutung idealpolitischer Motive im Einsatz für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, v. a. gegen reaktionäre bzw. totalitäre Regime, z. B.: • Eintritt in den Ersten Weltkrieg: Wilsons „War to end all Wars“; „14 Punkte“, Idee des Völkerbunds; • Eintritt in den Zweiten Weltkrieg: z. B. „Vier Freiheiten“ Roosevelts; Atlantik-Charta 1941; • Demokratisierung Westdeutschlands nach 1945. - teilweise Relativierung von Grundwerten der USA aus wirtschaftlichen, machtoder bündnispolitischen Gründen, z. B.: • Zeitalter des Imperialismus: z. B. Auftreten der USA als Kolonialmacht; big stick diplomacy; Dollarimperialismus; • während des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Kriegs: z. B. Bereitschaft zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen im Zweiten Weltkrieg; • „Krieg gegen den Terror“ nach 2001: z. B. Abu Ghraib oder Guantánamo. Erwartet wird eine strukturierte, differenzierte und adressatenbezogene Auseinandersetzung mit der Aufgabenstellung. Bei grundsätzlicher Offenheit in Bezug auf das abschließende Urteil sollte eine Einseitigkeit in der Argumentation vermieden werden. 21 Quellennachweise: Aufgabe I: M1: Pius Dirr: Augsburger Textilindustrie im 18. Jahrhundert. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 37 (1911). S. 1ff. Zitiert nach: Elisabeth Plößl: Augsburg auf dem Weg ins Industriezeitalter. München 1985. S. 26. M2: Reise eines Engelländers durch einen Teil von Schwaben und einige der unbekanntesten Gegenden der Schweiz. Amsterdam 1789. Abgedruckt in: Aufbruch ins Industriezeitalter. Bd. 3. S. 18ff. München 1985. M3: Statistisches Jahrbuch für Bayern 1972. S. 14ff; Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1934. S. 11. Zitiert nach: Jürgen Sandweg und Michael Stürmer: Industrialisierung und Soziale Frage in Deutschland im 19. Jahrhundert. Arbeitsmaterialien für den Geschichtsunterricht in der Kollegstufe. München 1979. S. 25. Aufgabe II: M1: Herbert Michaelis und Ernst Schraepler (Hg.): Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte. Bd. 7: Die Weimarer Republik. Berlin o. J. S. 236-239. Zitiert nach: Gustav Stresemann: Vermächtnis. Bd. 3. Berlin 1933. S. 428ff. M2: Plakat von Felix Albrecht. In: Susan Bachrach und Steven Luckert (Hg.): State of deception: The Power of Nazi Propaganda. United States Holocaust Memorial Museum. Washington 2009. S. 45. Aufgabe III: M1: Krönung Heinrichs und seiner Gattin Kunigunde. Bayerische Staatsbibliothek München. Clm4452, fol. 2r. In: Horst Fuhrmann und Florentine Mütherich (Hg.): Das Evangeliar Heinrichs des Löwen und das mittelalterliche Herrscherbild. Bayerische Staatsbibliothek. Ausstellungskataloge. 35. Katalog. München 1986. Tafel 16. M2: Text nach Johannes Althusius: Politik. Übersetzt von Heinrich Janssen. In Auswahl herausgegeben, überarbeitet und eingeleitet von Dieter Wyduckel. Berlin 2003. S. 20/21. Aufgabe IV: M1: George Washingtons Abschiedsbotschaft v. 17. September 1796 in der Übersetzung von Adolf und Helga Rein. In: Herbert Schambeck (Hg.): Dokumente zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika. Berlin 1993. S. 225 – 242. M2: Karikatur von Horst Haitzinger. In: Erlanger Nachrichten vom 11.04.2003. Wiederabgedruckt in: Praxis Geschichte. Heft 1/2004. S. 45. 22 Zitat von Günter Wilhelms in: Ders.: Der Mensch und die Arbeit. In: Diokania 29 (1998). S. 6–13. Zitiert nach folgender URL: http://www.kueichstaett.de/Fakultaeten/RPF/professuren/gemeindearbeit/reader/readerHII/HF_se ctions/content/Der%20Mensch%20und%20die%20Arbeit.pdf