Neupositionierung des BFHI-Labels in der Schweiz

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Studie im Auftrag von UNICEF Schweiz
Neupositionierung des BFHI-Labels
in der Schweiz
Dr. med. Cornelia Conzelmann
Imprint:
Dr. med. Cornelia Conzelmann
Herausgeber:
Schweizerisches Komitee für UNICEF
Baumackerstrasse 24
8050 Zürich
Inhalt
Zusammenfassung ........................................................ 2
1.
Ausgangslage und Auftrag
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
.............................................
Weltweite Initiative ........................................................................
Umsetzung in der Schweiz ............................................................
Studien zur Stillsituation in der Schweiz ......................................
Interface-Studie ..............................................................................
Auftrag Neupositionierung ............................................................
2.
Der Evaluationsprozess heute ....................................... 6
2.1
2.2
2.3
2.4
Gremien und Rollen .......................................................................
Personen in den Evaluationsgremien ...........................................
Abläufe und Instrumente ...............................................................
Aktuelle Kriterien zur Erlangung des BFHI-Labels ........................
3.
BFHI Global: Revised, updated and
expanded for Integrated Care ....................................... 9
3.1
3.2
Implementierung der BFHI auf nationaler Ebene ......................... 9
Implementierung der BFHI auf Spital-Ebene
(Hospital Level Implementation) ................................................. 10
Modifizierungen in den globalen Kriterien
für die 10 Schritte ......................................................................... 10
Erweiterung der Baby-friendly Initiative über
die Geburtsklinik hinaus ............................................................... 11
3.3
3.4
4
4
4
4
5
5
6
6
6
7
4.
Analyse der Wahrnehmungen zur
BFH-Initiative in der Schweiz ....................................... 12
4.1
Befragung von Personen aus Stiftungsrat
und Prüfungskommission ............................................................ 12
Fragebogenerhebung bei Kliniken und Evaluatorinnen ............. 13
Teilnahmerate ............................................................................... 14
Bekanntheitsgrad, Image, Nutzen ................................................ 14
Umgang mit den 10 Schritten ...................................................... 17
Rahmenbedingungen, Evaluationsprozess und Statistik ........... 17
Auswertung der Rückmeldungen in Textform sowie
der Leitfadengespräche ................................................................ 19
4.2
4.2.1
4.2.2
4.2.3
4.2.4
4.3
5.
5.1
5.2
Schlussfolgerungen Neupositionierung BFHI
.... 23
Befunde ........................................................................................ 23
Massnahmen zur Neupositionierung .......................................... 23
Zusammenfassung
Mittels Fragebogen und Leitfadengesprächen wurden Kliniken
(zertifizierte und nicht mehr zertifizierte),
Evaluatorinnen sowie Mitglieder des
Stiftungsrates der Schweizerischen
Stiftung zur Förderung des Stillens
(im Folgenden: Stillstiftung) sowie der
UNICEF Prüfungskommission über
Stärken und Schwächen, Chancen und
Risiken der BFH-Initiative befragt.
Weiter wurde die aktuelle Revision der
globalen Richtlinien analysiert.
Ergebnisse der Befragungen:
Die Fragebogenerhebung erzielte mit 93 Prozent (zertifizierte
Kliniken) einen sehr guten Rücklauf. Dem Label wird in
erster Linie hinsichtlich Qualitätsmanagement in der Geburtsklinik, aber auch hinsichtlich Stillförderung insgesamt ein
sehr hoher Nutzen beigemessen. Der Marketingnutzen und
der Bekanntheitsgrad bei politischen Behörden und Krankenkassen werden jedoch als gering eingeschätzt. Die Befragten
bekunden am meisten Probleme mit den Schritten «Verzicht
auf Hilfsmittel» (9) und «ausschliessliches Stillen» (6). Auch
der Schritt 7 (Rooming-in) wird als wenig flexibel wahrgenommen. Eine Mehrheit der Befragten ist unzufrieden mit
dem Informationsfluss zwischen Stillstiftung und Kliniken
sowie mit den Austauschmöglichkeiten zwischen den Kliniken.
Von der Stiftung/UNICEF wird eine intensivere Begleitung
erwartet: Weiterbildung zur Umsetzung der 10 Schritte, in
Prozess- und Projektmanagement sowie in professioneller
Prozessbegleitung, Angebote, die bisher nur in bescheidenem
Ausmass zur Verfügung standen. Die Statistik als Instrument
zur Qualitätssicherung ist unbestritten, kritisiert wird der damit
verbundene Aufwand. Eine Mehrheit ist der Ansicht, dass die
Statistikresultate bei der Evaluation überbewertet werden.
2
In den Gesprächen mit Personen aus den Gremien und aus
unterschiedlichen Kliniken wurde die Bedeutung des Labels
für die einheitliche Qualitätssicherung als die grosse Stärke
bestätigt. Hauptschwächen wurden in den Strukturen, in der
mangelnden Begleitung und Wertschätzung durch die verantwortlichen Gremien sowie bei der Anwendung der einzelnen
Kriterien gesehen. Der grosse finanzielle und personelle Aufwand, der mit dem Label insgesamt verbunden ist, sowie der
ausbleibende finanzielle Nutzen wurden von vielen Gesprächspartnerinnen kritisiert und mehr Anerkennung ihrer Bestrebungen, z.B. durch die Krankenkassen, gefordert (z.B. über
differenzierte Tarife). Die Gesprächspartnerinnen aus der Praxis
legten weiter dar, dass sich Erwartungen und Bedürfnisse der
Frauen und Familien sowie das Angebot der Geburtshilfe in
den letzten 20 Jahren stark verändert haben, währenddem die
Kriterien für das Label nicht angepasst wurden. Deren dogmatische Anwendung widerspreche dem heutigen Pflegeverständnis (bedürfnisgerechte, auf informierte Selbstbestimmung
der Frauen/Familien angelegte Begleitung) und könne gar den
längerfristigen Stillerfolg behindern. Es wurde angeregt, bei der
Evaluation die Prozesse in den Kliniken mehr zu gewichten
und im Hinblick auf die DRGs den Schritten 3 (Information
der Schwangeren) und 10 (Übergang ins ambulante Setting)
mehr Beachtung zu schenken und auch ambulante Strukturen
mit dem Label auszuzeichnen. Die Stiftung/UNICEF sollen
sich auch auf politischer Ebene mehr für die Stillförderung
einsetzen.
Globale Revision 2009
Bei WHO/UNICEF wurde eine Revision der globalen Kriterien
vorgeschlagen. Die Anpassung betrifft nebst genaueren Richtlinien für das Vorgehen in Ländern mit hoher HIV-Prävalenz
allerdings mehrheitlich Details. Für die Situation in der
Schweiz von Bedeutung ist die Akzeptanz einer «informed
decision of the mother», beispielsweise bei Schritt 6, 7 und 9.
Weiter werden darin Überlegungen angestellt zur Ausweitung
der Initiative auf Settings im Umfeld von Geburtskliniken,
unter dem Motto «mother-baby friendly health care – everywhere».
Zertifizierungssysteme im Gesundheitswesen
Es ist eine grosse Vielfalt an Zertifizierungssystemen im Gesundheitswesen feststellbar, wobei sich längst nicht alle Kliniken
von externen Stellen überprüfen lassen. Es finden sich bran-
3
chenneutrale Systeme wie EFQM und ISO, aber auch aufs
Gesundheitswesen spezialisierte Systeme wie Concret AG
oder SanaCERT. Bei den weiteren Schritten zur Neupositionierung des BFHI-Labels soll eine Partnerschaft mit einer
Zertifizierungsorganisation geprüft werden.
Schlussfolgerungen:
1. Die Initiative hat massgeblich zur Stillförderung in der
Schweiz beigetragen und zu einer nachhaltigen
Qualitätsentwicklung in den Geburtskliniken geführt.
2. Es besteht eine Unzufriedenheit mit Strukturen,
Rahmenbedingungen und der Art der Überprüfung der
Kriterien.
3. Ein Beenden der Initiative in der Schweiz würde bei
den Kliniken auf Unverständnis stossen und der
Stillförderung in der Schweiz den Wind aus den
Segeln nehmen.
Massnahmen:
1. Verstärkung der politischen Einbettung
2. Optimierung der Strukturen und Abläufe für die
Umsetzung der Initiative mit den Kliniken
a. Nachhaltige Einbettung einer Koordinationsstelle
für die BFHI
b. Prüfung der Zusammenarbeit mit einer
Zertifizierungsstelle im Gesundheitswesen
3. Modifikation der Messkriterien für die 10 Schritte
4. Klärung des Umgangs mit Statistik und Monitoring
1. Ausgangslage und Auftrag
1.1 Weltweite Initiative
UNICEF und WHO publizierten 1989 gemeinsam eine Erklärung über die Verantwortung der Geburtskliniken und der
besonderen Rolle des Gesundheitspersonals beim Schutz und
bei der Förderung des Stillens. Darin wurden zum ersten Mal
die «Zehn Schritte zum erfolgreichen Stillen» vorgestellt.
1991 entstand ein weltweites Programm, welches auf der
Grundlage gleich lautender Kriterien sowohl in den Entwicklungsländern als auch in den Industrieländern zur Durchführung empfohlen wurde. Grundlage der Baby-friendly Hospital Initiative (BFHI) sind die «Zehn Schritte zum erfolgreichen
Stillen» (siehe S. 7).
1.2 Umsetzung in der Schweiz
1991 gründete UNICEF Schweiz die Arbeitsgruppe für die
Förderung des Stillens, um die BFH-Initiative auch in der
Schweiz umzusetzen. Deren Tätigkeiten wurden ab dem Jahr
2000 von der Schweizerischen Stiftung zur Förderung des
Stillens übernommen. Im Rahmen der BFHI können Kliniken
das Qualitätslabel «stillfreundliche Geburtsklinik» erwerben,
welches von UNICEF Schweiz nach einem entsprechenden
Entwicklungs- und Evaluationsprozess zur Einführung und
Einhaltung der zehn Schritte vergeben wird. Seither wurden
mehr als 70 Kliniken mit dem Label ausgezeichnet. Im Jahr
2008 führten noch 62 Kliniken die Auszeichnung «stillfreundliche Geburtsklinik». Einige Kliniken wurden geschlossen
oder fusioniert, insgesamt neun Kliniken stiegen aus der Zertifizierung aus, davon eine in der Deutschschweiz und acht in
der französischen Schweiz.
wurde der finanzielle Druck, die Berufstätigkeit rasch wieder
aufzunehmen, etwas gesenkt, wobei die Dauer des Urlaubs
nicht mit der Empfehlung für 6-monatiges ausschliessliches
Stillen kompatibel ist. In der Diskussion um Vereinbarkeit
von Beruf und Familie steht das Stillen im Spannungsfeld von
widersprüchlichen Ideologien, die den Blick auf die wissenschaftlich klare Evidenz der positiven Effekte des Stillens trüben und werdende Mütter verunsichern.
Nicht nur die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben
sich verändert. Mit der Einführung von Fallpauschalen für die
Spitalfinanzierung wird sich die Hospitalisationsdauer im
Wochenbett sowohl nach Spontangeburt als auch nach Kaiserschnitt stark verkürzen. Dies wird Auswirkung auf die Bedeutung des Labels haben und wirft die Frage nach Aufbau und
Zertifizierung von ambulanten Strukturen in der Postpartalphase auf.
1.3 Studien zur Stillsituation in der Schweiz
In der Schweiz wurden 1994 erstmals gesamtschweizerische
Daten zu Stillhäufigkeit und Dauer erhoben (Conzelmann/
Bron, 1995 1). Im Jahr 2003 wurden in einer zweiten nationalen
Studie erneut Mütter zur Säuglingsernährung befragt (Merten/
Dratva2). Dabei zeigte sich eine deutliche Zunahme der Stilldauer, wobei jedoch auch 2003 nur ein Fünftel aller Kinder
gemäss WHO-Empfehlung mindestens 6 Monate voll gestillt
wurden:
Tabelle 1: Vergleich der Stillstudien
In den letzten Jahren zeigten sich gegenüber der Initiative
zunehmend Ermüdungserscheinungen. Die Nachfrage nach
dem Label von noch nicht zertifizierten Spitälern nahm ab,
auch bereits ausgezeichnete Kliniken bekundeten Schwierigkeiten mit der Einhaltung einzelner Kriterien, sie äusserten
Kritik an der Begleitung durch die Stiftung zwischen Evaluation
und Nachevaluation sowie auch am Umgang mit der Statistik.
Seit der Lancierung der Initiative haben sich verschiedene
Rahmenbedingungen verändert. Frauen und ihre Familien
haben andere Bedürfnisse und Erwartungen an die Vorgänge
rund um die Geburt, u.a. hat sich die Sectio-Rate stark erhöht.
Die Berufstätigkeit von Müttern wurde gesellschaftlich zunehmend anerkannt, mit der Einführung des Mutterschaftsurlaubs
Stillhäufigkeit und Dauer
1994
Jemals gestillte Kinder
92%
2003
94%
Im Alter von 4 Monaten voll gestillt
48%
55%
Im Alter von 6 Monaten voll gestillt
11%
20%
Stilldauer (Median, Wochen)
22
31
Vollstilldauer (Median, Wochen)
15
17
Zu beiden Studienzeitpunkten hatten Lebensstil und sozioökonomische Faktoren einen Einfluss auf das Stillen. Die
Stilldauer nahm mit dem Alter der Mütter und dem Bildungsgrad der Eltern zu. Rauchen sowie die Einnahme von Kontrazeptiva waren mit einer kürzeren Stilldauer assoziiert.
4
In der zweiten Studie zeigte sich zudem, dass die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit, ausländische Nationalität sowie
Übergewicht der Mutter mit einer kürzeren Stilldauer assoziiert
waren. Mütter mit einem mittleren Haushaltseinkommen
stillten im Vergleich zu jenen mit niedrigem und sehr hohem
Einkommen am längsten. Vaginal gebärende Mütter ohne Periduralanästhesie stillten deutlich länger als Mütter, die eine
Anästhesie und /oder operative Massnahmen benötigt hatten.
Der häufigste Grund fürs Nichtstillen waren Stillprobleme
mit einem früheren Kind. Der häufigste Abstillgrund war «zu
wenig Milch». Nach 3 Monaten war die Nennung «Probleme
mit den Brustwarzen» an zweiter Stelle. In späteren Wochen
wurde immer häufiger angegeben, dass die Mutter abstillen
wollte. Mehr als die Hälfte der Mütter hatte zu Hause Stillschwierigkeiten, jedoch nur die Hälfte dieser Mütter nahm
Stillberatung in Anspruch.
Die Studie 2003 konnte einen Zusammenhang zwischen den
BFHI-Kriterien und der Stilldauer zeigen: Frühes Ansetzen
an die Brust, Rooming-in und Stillen nach Bedarf begünstigten
das Stillen. Die Gabe von Wasser, Dextro-Maltose-Lösung
oder Säuglingsanfangsmilch sowie eines Schnullers in der
ersten Woche waren mit frühzeitigerem Abstillen assoziiert.
Stillprobleme traten bei Müttern, die in von UNICEF zertifizierten Spitälern geboren hatten, seltener auf, sowohl im Spital
als auch später zu Hause. Mütter, welche in zertifizierten
Spitälern mit hoher Compliance geboren hatten, stillten länger
als Mütter aus Spitälern mit geringerer Compliance. Die Frage,
ob das frühe Verabreichen von zusätzlicher Flüssigkeit oder
Säuglingsanfangsmilch für auftretende Stillprobleme verantwortlich war oder ob die Stillprobleme vorausgegangen waren,
konnte nicht beantwortet werden. Hingegen zeigte sich, dass
jedes einzelne BFHI-Kriterium, das in der Betreuung der
Mütter zur Anwendung kam, die Stilldauer beeinflusste.
1.4 Interface-Studie 3
Bereits im Jahr 2005 beauftragte UNICEF aufgrund verschiedener kritischer Rückmeldungen Interface mit einer Studie zur
Qualitätsbeurteilung der Baby-friendly Hospital Initiative.
Aufgrund von 22 leitfadengestützten Interviews, welche wegen
der Ausstiegswelle schwerpunktmässig in der Westschweiz
durchgeführt wurden, wurden folgende Empfehlungen formuliert:
5
1. Spitäler, insbesondere Pflegende und Hebammen,
sollten mehr als Kunden und Partnern/-innen der
UNICEF betrachtet werden und besser in die
Qualitätssicherung miteinbezogen werden.
2. Der Kommunikation mit den Kliniken sollte mehr
Aufmerksamkeit geschenkt werden, v.a. im direkten
und persönlichen Gespräch.
3. Zwischen Evaluation und Nachevaluation sollten
jährliche Begleitgespräche stattfinden und bei
Schwierigkeiten Beratung angeboten werden.
4. Die Auslegung der 10 Schritte sollte vereinheitlicht
werden.
5. Die BFHI-Stillförderung sollte vermehrt auch darauf
ausgerichtet werden, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu beeinflussen.
UNICEF Schweiz beauftragte die Stiftung zur Förderung des
Stillens mit der Umsetzung der Punkte 1–3.
1.5 Auftrag Neupositionierung
Nachdem die Kritik in der Folge nicht nachliess, hat sich
UNICEF Schweiz entschlossen, eine erneute Standortbestimmung in Auftrag zu geben, in welche nunmehr alle derzeit
ausgezeichneten sowie nach Möglichkeit auch Spitäler, denen
das Label aberkannt wurde, mit einbezogen werden sollen.
Damit sollen Grundlagen erarbeitet werden, um das BFHILabel in Zukunft so zu positionieren, dass es die bedeutende
Rolle für die Förderung des Stillens in der Schweiz beibehalten kann.
1
Conzelmann-Auer C, Ackermann-Liebrich U. Frequency and duration of
breast-feeding in Switzerland. Soz Präventivmed. 1995; 40: 396–398
2
Merten S, Dratva J, Ackermann-Liebrich U. Säuglingsernährung in den
ersten neun Lebensmonaten – nationale Studie 2003. Schweizerischer
Ernährungsbericht 2005
3
Furrer C., Schwab B., Oetterli M. (Firma Interface): Studie zur Qualitätsbeurteilung der Baby-friendly Hospital Initiative, 2005
2. Der Evaluationsprozess heute
2.1 Gremien und Rollen
UNICEF Schweiz trägt die Verantwortung für die Vergabe des
BFHI-Labels. Sie hat dafür eine Prüfungskommission eingesetzt, welche in ihrem Auftrag Evaluations- und MonitoringBerichte zu den Spitälern analysiert und gegenüber UNICEF
eine Empfehlung zur Vergabe bzw. Weiterführung/Aberkennung der Auszeichnung «stillfreundliche Geburtsklinik» ausspricht. Der Evaluationsprozess wird von der Geschäftsleitung
der Stiftung Stillen koordiniert. Für die Beratung der Kliniken
bzw. für die Durchführung der Evaluation vor Ort steht ein
Pool von BFHI-Teamleiterinnen und -Expertinnen zur Verfügung. Für die Auswertungen des Monitorings ist das ISPM in
Basel zuständig. Evaluationsbericht und Statistiken gehen an
die Prüfungskommission und bilden die Entscheidungsgrundlage für die Zertifizierung. Die Zertifikate werden vom Präsidenten von UNICEF Schweiz, vom zuständigen Regierungsrat des Standortkantons sowie vom Direktor des Bundesamtes
für Gesundheit unterzeichnet.
Die meisten Evaluatorinnen verfügen über eine Grundausbildung in einem Pflegeberuf und haben sich in Stillberatung
weitergebildet. Zum Teil haben sie auch Erfahrungen in der
Erwachsenenbildung. Sie verfügen jedoch nicht über eine
spezifische Ausbildung als Auditorinnen. Sie wurden in der
Regel von bisherigen Evaluatorinnen vorgeschlagen und «on
the job» für die Aufgabe geschult.
2.3 Abläufe und Instrumente
Motivationsphase
2.2 Personen in den Evaluationsgremien
Durch Information und Werbung (Presseberichte über ausgezeichnete Spitäler, wissenschaftliche Berichte, persönliche
Kontakte usw.) werden Spitäler auf die UNICEF Auszeichnung aufmerksam gemacht und motiviert, die BFHI-Zertifizierung anzustreben.
Geburtskliniken, welche sich für die Auszeichnung «stillfreundliches Spital» interessieren, erhalten das Dossier «Der
Weg zur UNICEF Auszeichnung ‹stillfreundliche Geburtsklinik› » (vgl. www.stiftungstillen.ch).
Prüfungskommission (PK)
Vorbereitungsphase
Die PK ist ein Fachgremium. Die Mitglieder werden von
UNICEF Schweiz in das Gremium berufen. Zurzeit ist die
Arbeit der PK sistiert, bis die Ergebnisse der Studie zur Neupositionierung vorliegen. Der bisherige Präsident ist Pädiater,
früher Chefarzt der Kinderklinik in St. Gallen. Fachhintergrund der weiteren bisherigen Mitglieder ist Hebamme, Stillberaterin sowie Spezialärztin für Prävention und Gesundheitswesen. Die Geschäftsleiterin von UNICEF Schweiz sowie
eine Vertreterin aus dem Kreis der Evaluatorinnen nahm
ebenfalls Einsitz. Mit beratender Stimme war die für das
Monitoring verantwortliche Fachperson aus dem ISPM
Basel vertreten, ebenfalls mit beratender Stimme nahm die
Geschäftsleitung der Stillstiftung an den Sitzungen teil und
führte das Protokoll.
Ein Spital, welches sich für den BFHI-Prozess entscheidet,
baut intern eine Projektorganisation auf. Auf Wunsch steht
eine BFHI-Teamleiterin (die später nicht die Evaluation
durchführt) beratend für maximal 3 Gespräche zur Verfügung. Am Anfang des Prozesses steht die Selbsteinschätzung
mittels Checkliste. Dadurch ergeben sich die Schwerpunkte
für die Entwicklung. Das Spital erhält auch die Unterlagen für
die Stillstatistik inklusive Wegleitung und richtet die Erfassung der Monitoringdaten ein. Es wird mit einer Vorbereitungsphase von 1–2 Jahren gerechnet. Sobald die Fragen der
Checkliste mit Ja beantwortet und im laufenden Monitoring
die Kriterien erfüllt werden, kann die Erstevaluation beantragt
werden. Dazu werden folgende Unterlagen eingesendet:
ausgefüllte Checkliste
Resultate des Monitorings
Auflistung der durchgeführten Personalschulungen
Unterlagen wie eigene Richtlinien, Unterlagen an Mütter,
Kursangebote usw.
Evaluatorinnen
Rund zwölf Evaluatorinnen führten im Auftrag der Stiftung
Stillen in den vergangenen Jahren die Erst- und Nachevaluationen der Kliniken durch. Je nach Grösse des Spitals sind an
den Evaluationstagen zwei bis drei Evaluatorinnen vor Ort,
eine davon als Teamleiterin.
Die Stiftung beauftragt daraufhin eine Teamleiterin, die Evaluation vor Ort durchzuführen.
6
Vorgespräch
Nach Studium der eingesendeten Unterlagen bespricht die
Evaluatorin mit den Verantwortlichen in der Klinik die Ausgangslage anhand der Probestatistik, der Checkliste und weiterer Unterlagen. Falls die Klinik als evaluationsbereit eingeschätzt wird, wird die Evaluation vor Ort geplant. Ansonsten
wird die Klinik hinsichtlich des weiteren Vorgehens beraten,
u.U. nach Rücksprache mit der Prüfungskommission.
Evaluation vor Ort
Für 2 Tage kommen 2–3 Expertinnen in das Spital und führen
Interviews mit Fachpersonen aller Hierarchiestufen sowie mit
10–12 zufällig ausgewählten Müttern durch. Zudem werden
in den verschiedenen Abteilungen der Geburtsklinik Beobachtungen angestellt. Als Instrumente dienen mehrere Interview-Leitfaden sowie Fragebogen für die Interviews mit den
Müttern oder Schwangeren. Die Ergebnisse der Evaluation
vor Ort werden in einem Evaluationsbericht z.H. der Prüfungskommission zusammengefasst.
Entscheid der Prüfungskommission
Aufgrund des Evaluationsberichtes, der Zusammenfassung
der Beobachtungen und Interviews sowie der Statistik entscheidet die Kommission, ob sie die Auszeichnung «Stillfreundliche Geburtsklinik» empfiehlt. Sie kann auch verbindliche Auflagen aussprechen, die die Klinik zu erfüllen hat.
Die Entscheidung wird schriftlich mitgeteilt.
eine Projektorganisation aufgebaut. Es müssen dieselben
Unterlagen wie bei der Erstevaluation eingereicht werden.
2–3 Monate vor der Nachevaluation gibt es ein Vorgespräch
mit Fachpersonen aus allen Hierarchieebenen. Am Nachevaluationstag selber finden Interviews mit Wöchnerinnen, einer
Risikoschwangeren sowie, falls vorhanden, auch mit Müttern,
welche von ihrem Kind getrennt wurden, statt. Weiter gibt es
Gesprächsrunden mit Verantwortlichen auf verschiedenen
Ebenen. Die Nachevaluation ist in der Regel eintägig und
endet mit einer Feedback-Runde für alle Beteiligten. Die
Erfahrungen werden in einem Bericht an die Prüfungskommission zusammengefasst, welche auf dieser Grundlage über
die Aufrechterhaltung der Auszeichnung entscheidet.
2.4 Aktuelle Kriterien zur Erlangung des
BFHI-Labels
Die folgenden 10 Schritte bilden die weltweite Basis für die
BFH-Initiative:
Schritt 1: Das gesamte Personal, welches an der Pflege von
Mutter und Kind beteiligt ist, erhält schriftliche Richtlinien
zur Förderung des Stillens.
Schritt 2: Das Personal erhält regelmässig Gelegenheit zur
Aus- und Fortbildung, um die Richtlinien erfüllen zu können.
Zertifikatsübergabe
Schritt 3: Alle schwangeren Frauen werden über die Vorteile
und Praxis des Stillens informiert.
Diese erfolgt in der Regel im Rahmen eines feierlichen Anlasses, welcher vom Spital geplant wird. Seitens Stillstiftung/
UNICEF ist mindestens eine Vertretung anwesend.
Schritt 4: Den Müttern wird ermöglicht, ihr Kind innerhalb
der ersten Stunde nach der Geburt anzulegen.
Monitoring
Schritt 5: Den Müttern wird gezeigt, wie sie erfolgreich stillen
Alle ausgezeichneten Spitäler sind verpflichtet, jedes MutterKind-Paar mit der Stillstatistik zu erfassen und die Resultate
einmal pro Jahr dem ISPM zur Verfügung zu stellen. Daraus
erhalten sie einen jährlichen Einzelbericht sowie den Monitoring-Bericht, der alle zertifizierten Kliniken umfasst.
können, auch wenn sie zeitweise von ihrem Kind getrennt
sind. Die Mütter von frühgeborenen, kranken und behinderten
Neugeborenen (die noch nicht an der Brust saugen können)
erhalten spezielle Hilfe zur Förderung des späteren Stillens.
Nachevaluation
Alle 4 – 6 Jahre werden (auch abhängig von den Resultaten der
Stillstatistik) Nachevaluationen durchgeführt. Zur Vorbereitung
der Nachevaluation wird in der Regel spitalintern wiederum
7
Schritt 6: Säuglinge, die gestillt werden, erhalten nur dann
zusätzliche Nahrung, wenn die Muttermilch den Bedarf des
Kindes nicht zu decken vermag.
2. Der Evaluationsprozess heute
Schritt 7: Das System des Rooming-ins erlaubt Mutter und
Schritt 10: Die Stillberatung hört nach Verlassen des Spitals
Kind, Tag und Nacht zusammen zu sein; die Geburtsklinik
gewährleistet dieses System.
nicht auf. Deshalb sollen die Kontakte zu Stillgruppen, Hebammen, Stillberatungs- und Mütter-Väter-Beratungsstellen
gepflegt und die Mütter auf diese Hilfen aufmerksam gemacht
werden.
Schritt 8: Das Stillen wird dem Rhythmus des Kindes ange-
passt.
Schritt 9: Saughütchen, Saugflaschen und Schnuller (Nuggi)
werden in den ersten Tagen nach der Geburt vermieden, später
nur bei Notwendigkeit eingesetzt.
Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick, welcher Qualitätsaspekt beim jeweiligen Schritt im Vordergrund steht und
wie die Schritte überprüft werden.
Tabelle 2: Übersicht über die Merkmale der 10 Schritte
Form der Überprüfung
Qualitätsdimension
Schritt
OQ
SQ
1: Richtlinien
XXX
2: Weiterbildung
XX
PQ
Doku
Rundgang
Intv Personal Demo Personal Intv Mütter Demo Mütter Monit
X
X
X
X
XXX
X
3: Information der Schwangeren
XX
XX
4: frühes Anlegen, Bonding
X
XXX
5: Anleitung zum Stillen
(X)
XXX
6: ausschliessliches Stillen
7: Rooming-in
10: Übergang ins ambulante Setting
(X)
X
X
X
X
X
XXX
X
XXX
XXX
X
X
XX
XXX
XX
XX
X
XX
X
X
XX
X
8: Stillen nach Bedarf
9: keine Hilfsmittel
EQ
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
OQ = Orientierungsqualität; SQ = Strukturqualität; PQ = Prozessqualität; EQ = Ergebnisqualität
8
3. BFHI Global: Revised, updated and
expanded for Integrated Care
Im Jahr 2009 veröffentlichten WHO/UNICEF revidierte Richtlinien und Materialien mit folgenden Kapiteln und Themen:
1. Background and Implementation
2. Strengthening and sustaining the BFHI: A course
for decision-makers
3. Breastfeeding Promotion and Support in a Babyfriendly Hospital, a 20 hour course for maternity staff
4. Hospital Self Appraisal and Monitoring
5. External Assessment and Reassessment
Das Kapitel 1 beinhaltet wichtige Grundlagen zur Bedeutung
der Einbettung des BFHI-Prozesses auf politischer Ebene und
auf der Ebene der einzelnen Klinik. Weiter werden die globalen
Kriterien für die 10 Schritte diskutiert und auch Möglichkeiten
für die Ausweitung und Integration des Prozesses aufgezeigt:
Baby-friendly communities, Mother-baby friendly facilities,
Baby-friendly complementary feeding, Mother-baby friendly
health care – everywhere usw. Ein Kapitel ist auch dem Internationalen Code für die Vermarktung von Muttermilch-Ersatzprodukten gewidmet, worauf hier aber nicht weiter eingegangen wird.
3.1 Implementierung der BFHI auf nationaler Ebene
(Country Level Implementation)
Für die Implementierung auf nationaler Ebene werden folgende
9 Aktionsbereiche genannt:
Ernennung einer nationalen Stillkoordinatorin und einer
nationalen Stillkommission
Sicherstellen, dass jede Geburtsklinik nach den 10 Schritten
arbeitet
Sicherstellen, dass der Internationale Code befolgt wird
Lobbying für eine Gesetzgebung, welche das Recht auf
Stillen am Arbeitsplatz schützt
Entwicklung, Umsetzung, Monitoring und Evaluation einer
kohärenten Politik, welche alle Aspekte der Ernährung
von Säuglingen und Kleinkindern umfasst
Sicherstellen, dass das Gesundheitssystem und andere für
Mutter, Kind und Familien relevante politische Bereiche
das ausschliessliche Stillen für 6 Monate sowie fortgesetztes
Stillen bis zu zwei Jahren fördern und unterstützen, indem
Frauen in der Familie, in der Gemeinde und am Arbeitsplatz bedürfnisgerechte Unterstützung erhalten
Förderung der zeitgerechten Einführung angemessener und
sicherer Zusatznahrung in Ergänzung zum Stillen
9
Erlass von Richtlinien zur Ernährung von Säuglingen und
Kleinkindern in extrem schwierigen Situationen (Notsituationen, elterliche HIV-Infektion)
Erwägungen zur Gesetzgebung hinsichtlich eines internationalem Codes
Mit diesem Umsetzungsplan sollen Länder ermutigt werden,
ihre Aktionsprogramme wiederzubeleben. Spezielle Beachtung
wurde weltweit den spezifischen Aspekten der Säuglingsernährung im Zusammenhang mit HIV gegeben.
Um die BFHI auf nationaler Ebene (neu) zu lancieren,
werden folgende Massnahmen vorgeschlagen:
I. Einrichtung oder Revitalisierung einer nationalen Behörde/
Kommission, welche für das Stillen bzw. für die Ernährung
von Säuglingen und Kleinkindern zuständig ist, und Erhebung/
Definition ihrer Rolle und Aufgaben hinsichtlich BFHI. Sie
nimmt als nationale Stillkommisison folgende Aufgaben wahr:
Sie stellt sicher, dass die BFHI-Koordinationsgruppe ihre
Verantwortung für die Evaluation von Kliniken übernimmt.
Sie unterstützt die Planung für Aus- und Weiterbildung.
Sie stellt sicher, dass das nationale Gesundheitsinformationssystem die Ernährungssituation der Kinder < 2 Jahren
bei allen Kontakten mit Kindern erfasst.
Sie entwickelt einen Monitoring- und Evaluationsplan und
setzt diesen um.
II. Nationale BFHI-Ziele und -Strategien identifizieren oder
neu etablieren
Dieser Schritt beinhaltet auch Überlegungen zur Expansion
der Stillförderung in Bereiche ausserhalb der Geburtskliniken
und Ableitung entsprechender Kriterien aus den 10 Schritten.
III. Identifikation, Bezeichnung oder Entwicklung einer
BFHI-Koordinationsgruppe
Die BFHI-Koordinationsgruppe koordiniert die Evaluationen,
Nachevaluationen und Vergabe des Labels BFHI. Es wird
empfohlen, dass die Koordinationsaufgabe von einem anderen
Gremium als der nationalen Stillkommission wahrgenommen
wird. Die Koordinationsgruppe ist verantwortlich für die Koordination der Assessments, kann diese jedoch auch delegieren,
wobei sie sicherstellt, dass die Standardvorgehensweisen angewendet werden. Die Koordinationsgruppe sorgt für die Aus-
3. BFHI Global: Revised, updated and
expanded for Integrated Care
zeichnung der Kliniken nach positivem Evaluationsverfahren.
Die Koordinationsgruppe setzt die Prüfungskommission ein
(BFH-Designation Committee), welche die Auszeichnung
von Einrichtungen empfiehlt.
Es werden verschiedene Modelle für die Koordination/Integration der BFHI-Standards genannt:
Einschluss der Kriterien in Gesetzgebung oder in nationale
Qualitätssicherungsstandards unter der Aufsicht der nationalen Stillkommission: erfordert enges Monitoring durch
die nationale Stillkommission
Mandatierung eines Berufsverbandes (z.B. Hebammen,
SBK) oder von unabhängigen NGOs mit der Koordination
BFHI
Ausschreibung der ‹Zertifizierungslizenz› (Koordination
und Prüfung), Teilnahmemöglichkeit für verschiedene
NGOs landesweit
Übernahme der Aufgabe durch lokales UNICEF Büro,
bis die nationale Stillkommission und die Koordinationsgruppe etabliert ist.
3.2 Implementierung der BFHI auf Spital-Ebene
(Hospital Level Implementation)
Stillraten:
Die Umsetzung der BFH-Initiative folgt weiterhin den global
gültigen 10 Schritten. Einer der wichtigsten Indikatoren ist der
Anteil an Frauen, welche ab Geburt bis Austritt ausschliesslich stillen. Die Zielvorgabe liegt bei 75 Prozent, wobei Flüssigkeitsgaben aufgrund medizinischer Indikation oder nach
einem Entscheid der Mutter nach umfassender Information
(fully informed decision) nicht negativ angerechnet werden.
Im Hinblick auf die wichtiger werdenden Schritte 3 und 10 werden Kliniken ermuntert, mit Einrichtungen der Schwangerenvorsorge und Nachbetreuung von Müttern mit Neugeborenen
zusammenzuarbeiten.
Compliance mit dem Internationalen Code
Unterstützung für nicht stillende Mütter
Neu wurden in den Evaluationsinstrumenten Fragen aufgenommen, ob das Personal auch hinsichtlich der Betreuung
und Begleitung nicht stillender Mütter instruiert wurde.
Mother-friendly care
Die Evaluationsinstrumente wurden mit neuen Kriterien und
Fragen ergänzt, um die psychische und physische Gesundheit
der Mutter sicherzustellen. Einzelne Länder haben das Label
umbenannt in mother and baby friendly. Mother-friendly
Indikatoren sollen u.a. eine Betreuungskontinuität von der
Schwangerenvorsorge über Geburt und Wochenbett bis in die
Postpartalperiode beinhalten.
HIV and infant feeding
Für Länder mit hoher HIV-Prävalenz wurden spezifische
Massnahmen für diese komplexen Situationen vorgeschlagen.
Die Implementierung auf Spitalebene erfolgt im Übrigen wie
bisher.
3.3 Modifizierungen in den globalen Kriterien für
die 10 Schritte
Massgebend sind weiterhin die Kriterien für die zehn Schritte.
Ergänzt wurden Kriterien zur «Mutterfreundlichkeit», zur Unterstützung nicht stillender Mütter sowie zu «HIV und Säuglingsernährung». Empfohlen wird zudem, dass Kliniken das
Stillmonitoring in die elektronischen Patientinnendossiers
einbauen.
In den Details zu den 10 Schritten fallen folgende Präzisierungen auf:
Schritt 2: Die Weiterbildung muss auch die Unterstützung
nicht stillender Mütter umfassen, z.B. Instruktion der Zubereitung von Formula.
Schritt 5: Es wurde eine Frage an nicht stillende Mütter eingebaut, ob sie Unterstützung bei der Zubereitung der Schoppen
erhielten.
Schritt 6: In den Details zu Schritt 6 wird dargestellt, dass
dokumentierte medizinische Gründe für Flüssigkeitsgabe/
Formulagabe akzeptiert werden. Der «Wunsch der voll informierten Mutter» wird hier nicht speziell erwähnt, wurde aber
andernorts im Dokument als gleichwertig wie ein «akzeptabler medizinischer Grund» bezeichnet.
10
Schritt 7: Erreicht werden soll 80 Prozent Rooming-in, falls
die Rate darunter liegt, muss es Rechtfertigungsgründe geben.
Welcher Natur diese sind, ist jedoch nicht präzisiert.
Schritt 9: Ziel sind 80 Prozent Kinder ohne Sauger oder
Nuggi. Wenn die Rate tiefer liegt, müssen Mütter darlegen
können, dass sie über die Risiken informiert wurden.
Zudem werden (neue) Kriterien für Mother-friendly care aufgeführt, welche sich jedoch ausschliesslich auf die Geburtsphase beziehen:
Begleitung bei Geburt durch Person des Vertrauens
Erlaubnis für die Einnahme von Getränken und leichter
Nahrung
Ermutigung, auf Medikamente zur Schmerzbekämpfung
zu verzichten
Ermutigung, sich während der Eröffnungsphase nach
individuellem Bedürfnis frei zu bewegen
Keine routinemässigen invasiven Massnahmen (Einleitung, Blasenstich, instrumentell assistierte Geburt, Kaiserschnitt, Episiotomie)
Weiter werden in diesem Kapitel die Kriterien für die Compliance mit dem Internationalen Code für die Vermarktung
von Muttermilch-Ersatzprodukten sowie Details zum Umgang
mit BFHI in Ländern mit hoher HIV-Prävalenz präzisiert.
3.4 Erweiterung der Baby-friendly Initiative über
die Geburtsklinik hinaus
Zitat BFHI Global: «Perhaps the clearest lesson which
has been learned is the need for more attention to Step 10
and the community.»
In einigen Ländern ist daraus die Initiative ‹Baby-friendly
Communities› entstanden, um
BFHI-Kriterien in die spitalexternen Settings einzubringen
BFHI-Kriterien in Geburtsstationen einzubringen, in deren
Umfeld es keine ambulanten Gesundheitsdienste der Gemeinde gibt
Schritt 10 zu stärken und bestes Vorgehen und Unterstützung für jede Mutter sicherzustellen
11
Relevant für Schweizer Verhältnisse sind die folgenden Vorschläge:
Einbezug politischer und sozialer «Leadership» durch an
dem Thema interessierte und engagierte Personen (Männer und Frauen)
Einbezug aller Gesundheitsangebote für Mutter und Kind
Gestaltung von «Anlaufstellen», an denen Mütter Unterstützung von erfahrenen Fachpersonen erhalten (Community access to referral site (s) )
Gegenseitige Hilfe
Nebst der zunehmenden Bedeutung der Postpartalphase (DRGs!)
wurden in verschiedenen Ländern auch Massnahmen in folgenden Bereichen erwogen oder umgesetzt:
Mutterfreundliche Betreuung (mother-friendly care)
Unterstützung des Stillens bei Hospitalisation im Kinderspital
Mutter- und Baby-freundliche neonatologische Intensivstationen
Mutter- und Baby-freundliche Arztpraxen
Unterstützung der vollstillenden Mutter bei der Einführung von ergänzender Nahrung nach 6 Monaten
Für alle diese Ausweitungen der Baby-friendly-Initiative werden mögliche Vorgehensweisen oder Kriterien vorgeschlagen.
Da sich hier die Rahmenbedingungen in den Ländern, insbesondere zwischen Entwicklungsländern und den westlichen
Ländern, sehr unterscheiden, müssen auch diese Kriterien an
lokale Gegebenheiten angepasst werden.
Wichtig in diesem Zusammenhang erscheint das Prinzip
«Mother-baby friendly health care – everywhere».
Die Bereitstellung von optimalen Rahmenbedingungen für
Mutter und Kind, Respekt und Unterstützung der MutterKind-Dyade sind die Grundlagen für alle Projekte und Massnahmen, welche eine Erweiterung der BFHI auf weitere Settings anstreben:
Kinder- und Frauenkliniken, allgemeine Medizin und
Chirurgie
Gesundheitszentren für Mutter und Kind
Aufsuchende Angebote in den Gemeinden
Praxen/Konsultationen von Ärzten/-innen, Hebammen,
Mütter- und Väterberatung
4. Analyse der Wahrnehmungen zur
BFH-Initiative in der Schweiz
Die Sichtweisen und Wahrnehmungen zur BFH-Initiative wurden auf drei Ebenen abgeklärt. Zunächst wurden Personen
aus dem Stiftungsrat und der Prüfungskommission sowie vom
ISPM Basel (neu: Swiss Tropical and Public Health, Swiss
TPH) mündlich mittels leitfadengestützter Interviews befragt.
Weiter wurden sämtliche zertifizierten Kliniken sowie alle
Kliniken, welche auf das Label verzichtet hatten, mittels
schriftlichen Fragebogens befragt. Nach der Fragebogenerhebung wurden in einzelnen Kliniken zusätzlich leitfadengestützte Gespräche geführt.
4.1 Befragung von Personen aus Stiftungsrat und
Prüfungskommission
Leitfadengestützte Gespräche wurden mit folgenden Personen
geführt:
Prüfungskommission:
Prof. Kurt Bärlocher, früherer Chefarzt Pädiatrie St. Gallen,
Präsident der Prüfungskommission
Ruth Brauen, freischaffende Hebamme und frühere
Präsidentin des Hebammenverbandes, gemeinsam mit
Christina Spiri, Stillberaterin IBCLC
Stiftungsrat:
Ursula Zybach, Präsidentin, gemeinsam mit
Clara Bucher, Mitglied des Ausschusses
Dr. Nicole Ochsenbein, Oberärztin Gynäkologie und
Geburtshilfe USZ
Prof. Chr. Brägger, Präsident der pädiatrischen
Ernährungskommission
Rita Bieri, Schweizerischer Verband der Mütter- und
Väterberaterinnen (SVM), früher im Stiftungsrat,
gemeinsam mit
Elisabeth Schneider, SVM, heutiges Mitglied Stiftungsrat.
Caroline El Bouhali (Helsana) gemeinsam mit
Nicole Guggisberg (Concordia)
Die Vertreterin der CSS im Stiftungsrat delegierte das
Gespräch an Frau Ines Horstmann
Weitere Gespräche:
Nicole Sid’Amar, Hebamme, Mitglied der Fachkommission
Doris Güttinger, Geschäftsleiterin des Schweizerischen
Hebammenverbandes
Prof. Elisabeth Zemp, am Swiss TPH in Basel
verantwortlich für das Monitoring
Stärken/Chancen des Labels
Hinter dem Label stecken wichtige Organisationen (WHO/
UNICEF), es ist global und hat eine Geschichte. Eine Mehrheit der Befragten erachtet die Einheitlichkeit der Qualitätsvorgaben, die gemeinsamen Grundlagen und das Wissen der
Fachpersonen in den zertifizierten Kliniken als die grosse
Stärke, auf der es aufzubauen gilt. Zukunftschancen liegen in
der Neugewichtung der Prozesse, der Gesamtphilosophie,
evtl. auch in der Kooperation mit anderen Gütesiegeln. Das
Label bringt Gesundheitsförderung und Chancengleichheit auf
struktureller Ebene.
Schwächen, Risiken des Labels
Schwächen werden in den Strukturen und im Umsetzungsprozess geortet: Die mangelnde Kontinuität in der Geschäftsstelle sowie unklare Rollenverteilungen kosten viel Energie
und behindern den Informationsfluss. Das Label bzw. die
damit verbundenen Evaluationsprozesse wurden während 15
Jahren kaum angepasst. Nicht alle Evaluatorinnen arbeiten
professionell. Problematisch sind die Schritte «ausschliesslich
Stillen» (6), «Verzicht auf Hilfsmittel» (9) sowie «Roomingin» (7). Es besteht die Gefahr des Fundamentalismus, des
Stillzwangs, da die Kriterien wenig Individualität zulassen.
Bekanntheitsgrad, Image, Nutzen
Der Bekanntheitsgrad wird je nach Zielgruppe unterschiedlich wahrgenommen. Z.B. sei das Label bei den Pädiatern
kaum ein Thema, es kommen kaum Anfragen an die Ernährungskommission. Es wird erwähnt, dass Spitalleitungen oft
nicht ganz dahinterstehen. Einen gewissen Bekanntheitsgrad
dürfte das Label bei Schwangeren und Fachpersonen haben
(bei diesen wird auch ein positives Image des Labels angenommen), währenddem die Allgemeinbevölkerung davon
kaum Kenntnis hat. Die wahrgenommene Abnahme des Bekanntheitsgrades wird mit einer generellen Verbesserung der
Stillfreundlichkeit in allen Spitälern in Zusammenhang
gebracht.
Statistik
Dass eine Statistik geführt werden soll, ist an sich unbestritten.
Die Kritik richtet sich gegen den Aufwand (personell und
finanziell) und die Verwendung von Schwellenwerten, die pro
oder contra Label entscheidend sind. Auch technische Mängel
werden aufgeführt.
12
Spezielle Sichtweisen der Krankenkassen
Bemerkenswert ist, dass eine Krankenkasse, die im Stiftungsrat vertreten ist, keine Kenntnis vom Label hatte und zum
Thema Stillförderung auch keine Gesprächspartnerin vorgeschlagen werden konnte.
Die Vertreterinnen der anderen beiden Krankenkassen waren
jedoch gut informiert. Prävention ist für Krankenkassen v.a.
interessant, wenn die Wirkung zeitnah ist, also z.B. Unterstützung der Rückbildung, Stärkung der Mutter-Kind-Beziehung,
Allergieprophylaxe. Die langfristigen Wirkungen (Prävention
von Adipositas und Brustkrebs, niedrigere Infektanfälligkeit
der Kinder usw.) treten möglicherweise erst auf, wenn die
Familie nicht mehr beim gleichen Versicherer ist. Hier müsste
Druck von der Politik kommen und das BAG oder die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz ein Interesse haben. Das
Qualitätsmanagement ist im Gesundheitswesen noch wenig
ausgeprägt. Mit der Einführung der DRGs werden Qualitätsdiskussionen zunehmen. Viele Versicherungen führen Kundenbefragungen durch. Zu prüfen wäre, ob für zertifizierte
Geburtskliniken ein Anreiz geschaffen werden könnte mit
einem höheren Basiswert oder Zuschlägen pro Geburt – dann
könnten die Versicherer auch mehr Vorgaben machen, z.B.
Stillberaterin inhouse usw. Die ambulante Nachbetreuung,
die Dienstleistungen von Hebammen, Stillberatung und der
Mütter- und Väterberatung sowie deren Abgrenzung gibt zu
vielen Diskussionen Anlass. Die Dauer der Zuständigkeit der
Hebammen (10 Tage nach Geburt) und die Zusammenarbeit
Hebammen- Mütter- und Väterberatung ist nicht abschliessend
geklärt. Es gibt auch Lücken, z.B. bei der Betreuung behinderter Kinder (hier sind nur Pflegefachfrauen von der IV zugelassen und finanziert). Dieser ganze Bereich sollte politisch
neu geregelt werden. Paramedizinische Zentren als Pilotprojekte für die prä-/postpartale Betreuung analog HMO wären
sicher prüfenswert. Solche Strukturen könnten u.U. auch zertifiziert werden.
Vorgeschlagene Verbesserungen
Die Verbesserungsvorschläge betreffen vielfach die Strukturen
und Aufgaben der Stiftung/UNICEF. Es soll eine Rollenklärung zwischen den beteiligten Gremien herbeigeführt werden.
Von der Stiftung wird eine bessere Dienstleistung gegenüber
den Kliniken erwartet, wie mehr Kontakte, Organisation von
Austausch zwischen den Kliniken, Weiterbildungsangebote
13
auch für Ärzte/-innen. Die Geschäftsstelle soll das Argumentarium für die Stillförderung laufend aktualisieren und kommunizieren und für eine zeitnahe Bearbeitung von Fragestellungen
durch die Fachkommission (z.B. Vorgaben Frühernährung,
Schmerzbekämpfung nach Sectio u.a.) sorgen.
Weiter soll die Stiftung bei Bund, Kantonen und Krankenkassen
für Stillförderung und Label lobbyieren und auch finanzielle
Anreize für die Kliniken schaffen.
Hinsichtlich Statistik sollen heutige technische Möglichkeiten
ausgeschöpft werden (Einbau in elektronische Patientinnendossiers), evtl. soll sie auch verschlankt oder nur zu bestimmten Perioden durchgeführt werden. Die Kliniken sollen (nebst
dem personellen Aufwand für die Führung der Statistik) von
weiteren Kosten befreit und die Zusammenarbeit mit BAG,
BfS, NF gesucht werden. Es soll auch geprüft werden, ob die
Statistik mittels einer Befragung der Frauen 3– 4 Wochen
nach der Geburt ergänzt werden könnte.
Weitere Nennungen betrafen die Erreichbarkeit der werdenden
Mütter schon vor der Geburt, die Erreichbarkeit von Migrantinnen sowie die Gestaltung und Auszeichnung ambulanter
Strukturen.
Schliesslich soll die Interpretation der 10 Schritte von Fundamentalismus befreit werden.
4.2 Fragebogenerhebung bei Kliniken
und Evaluatorinnen
Alle zertifizierten Geburtskliniken sowie alle Kliniken, die
früher zertifiziert worden waren und seither auf eine Weiterführung des BFHI-Prozesses verzichtet hatten, wurden um
eine Rückmeldung mittels Fragebogen gebeten, desgleichen
16 Evaluatorinnen. Gefragt wurde nach der Beurteilung des
Bekanntheitsgrades, des Images sowie des Nutzens der Initiative. Weiter wurde um eine Einschätzung hinsichtlich Praxistauglichkeit und Messung der 10 Schritte gebeten. Schliesslich wurde auch erfasst, wie die Kliniken die Zusammenarbeit
mit der Stillstiftung, den Evaluatorinnen, mit UNICEF und
mit der Prüfungskommission erleben.
4. Analyse der Wahrnehmungen zur
BFH-Initiative in der Schweiz
Grafik 1: Bekanntheitsgrad des Labels
Grafik 2: Nutzen des Labels (1)
70
70
60
60
50
50
40
40
30
30
20
20
10
10
0
0
ambulante
Dienste
Schwangere
zuweisende
Ärzte
polit. Behörden,
KK
Qualitätsmanagement
sehr hoch
eher hoch
eher tief
sehr tief
trifft völlig zu
4.2.1 Teilnahmerate
Insgesamt wurden 60 zertifizierte Kliniken sowie neun Kliniken, welche auf eine Weiterführung des Labels verzichtet hatten, in der jeweiligen Landessprache angeschrieben. 56 der
60 zertifizierten Kliniken füllten einen oder mehrere Fragebogen aus, von den nicht mehr zertifizierten Kliniken erhielten
wir nur in einem Fall eine Rückmeldung. Insgesamt erhielten
wir demnach Rückmeldungen von 81 Personen aus 57 Kliniken. Ein weiterer Fragebogen kam erst Mitte Juni zurück und
wurde in den Auswertungen nicht mehr berücksichtigt.
Weiter wurden 16 Evaluatorinnen angeschrieben, von 12 erhielten wir Antworten. Bei den fehlenden 4 handelte es sich
im einen Fall um eine Evaluatorin, welche als Mitarbeiterin
einer Geburtsklinik den Fragebogen beantwortete.
Der hohe Rücklauf und auch die zahlreichen Rückmeldungen
in Textform weisen darauf hin, dass die Thematik bei den
Partnern/-innen in den Kliniken sehr aktuell ist und dass diese
bereit sind, mit ihren Erfahrungen und Überlegungen zur
Neupositionierung des Labels beizutragen.
Die ausgefüllten Fragebogen verteilten sich auf
die verschiedenen Merkmale wie folgt:
Landesteil:
Deutschschweiz: 46; französische Schweiz: 9; italienische
Schweiz: 2
Städtisch: 29; ländlich: 28
Aufwertung der
Arbeit der Pflegenden
trifft eher zu
Prestige
trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu
Spitalkategorie:
Kategorie A: 9; Kategorie B: 34; Privatklinik/Geburtshaus: 14
Score 2008 (Anzahl der in der Statistik erfassten Schritte, die
erfüllt werden):
Score 3: 12; Score 3,5: 17; Score 4: 24
Verteilung aller Antwortenden auf die Funktionen im Spital:
Leitung Pflege: 35; Pflege/Hebamme: 19; Stillberatung: 21
4.2.2 Bekanntheitsgrad, Image, Nutzen (vgl. Tabelle 3)
Der Bekanntheitsgrad und das Image des BFHI-Labels werden bei den ambulanten Diensten sowie bei den Schwangeren
bzw. Frauen im Wochenbett als eher gut eingeschätzt. Hingegen wird der Bekanntheitsgrad des Labels bei politischen
Behörden oder bei den Krankenkassen als eher tief bis sehr
tief beurteilt (Grafik 1). Hier scheint mit 20 Nennungen auch
der Handlungsbedarf hoch. Kliniken mit einem PerformanceScore von 3 (Statistik) schätzten das Image bei den politischen Behörden und Krankenkassen sowie beim internen
ärztlichen Personal tiefer ein als Kliniken mit einem höheren
Score. Die Evaluatorinnen beurteilen Bekanntheitsgrad und
Image kritischer als die Antwortenden aus den Kliniken.
Dem Label wird hinsichtlich Qualitätsmanagement in der
Geburtsklinik ein sehr hoher Nutzen beigemessen. Auch der
Aussage zur Aufwertung der Arbeit der Pflegenden wird in
über 70 Prozent zugestimmt. Die Zustimmung zu Letzterem
ist am geringsten bei den Kliniken mit Score 3. Fast 70 Prozent
betrachten die Verbindung mit UNICEF als Prestigegewinn
(Grafik 2).
14
Tabelle 3: Bekanntheitsgrad, Image und Nutzen:
% positive Nennungen
von n total
HB
Alle
KI
Bekanntheitsgrad bei den
Schwangeren/im Wochenbett
62% / 79
8
2,28
Image bei den Schwangeren/
im Wochenbett
78% / 77
9
2,06
Bekanntheitsgrad bei
politischen Behörden, KK
27% / 44
20
2,83
Image bei politischen
Behörden, KK
48% / 29
12
2,6
Bekanntheitsgrad bei den
zuweisenden Ärzten/-innen
53% / 68
13
2,47
Image beim internen
ärztlichen Personal
68% / 76
5
2,22
Systematisierung
Betreuungsprozess
97% / 81
Qualitätsmanagement im Spital
76% / 80
1
1,33
Aufwertung der Arbeit der
Pflegenden
75% / 81
1
1,94
Prestigegewinn dank UNICEF
69% / 80
6
1,97
Klinik wegen Label gewählt
18% / 72
6
3,05
Beeinflusst Verhandlungen
mit KK
12% / 33
15
3,47
Verbesserung Betreuung
Mutter-Kind-Paare
86% / 81
Negative Auswirkung auf
Frauen, die nicht stillen
28% / 79
D
2,36
F/I
3
Score
3
Score
3,5
Score
4
Leitung
Pflege
Stillberatung
3,08
2,36
2,67
2,81
2
2,43
2,17
2,61
2,7
2,45
2,7
2,21
2,55
1,99
2,23
2,54
1,67
1,82
2,75
3,42
2,98
2,72
1,83
2,2
1,54
2,06
1,5
3,37
3,83
1,71
4
3,05
Beitrag zur Stillförderung
insgesamt
91% / 80
1
1,73
Aufwand lohnt sich
61% / 70
5
2,23
Stellenwert sinkt wegen DRGs
49% / 69
7
2,54
Auszeichnung ambulanter
Dienste
91% / 75
23
1,6
2,33
1,86
Legende für die Tabellen 3–5:
Spalte 4:
Score:
Spalte 2:
Mittelwert aller Bewertungen der Ausprä-
Performance-Scores gemäss Statistik
Prozent positiver Nennungen (ankreuzen
gungen 1– 4; Bei Werten > 2,5 überwiegt
Leitung/Pflege/Stillberatung: bezieht sich
der Werte 1 und 2), bezogen auf die
Ablehnung/tiefe Einschätzung;
auf die Person, die den FB ausgefüllt hat
Anzahl Personen, die die jeweilige Frage
Weitere Spalten:
Kat.:
überhaupt beantwortet haben;
Mittelwerte in Untergruppen, falls sie
Spitalkategorien A, B bzw.
Spalte 3:
deutlich voneinander abweichen.
G (Geburtshäuser) oder P (Privatkliniken)
HB: Nennungen Handlungsbedarf;
Untergruppen:
D: Deutschsprachige Schweiz
F/ I: Französisch- oder italienischsprachige
Schweiz
15
4. Analyse der Wahrnehmungen zur
BFH-Initiative in der Schweiz
Grafik 3: Nutzen des Labels (2)
Grafik 4: Nutzen des Labels/Notwendigkeit der
Auszeichnung ambulanter Dienste
70
70
60
60
50
50
40
40
30
30
20
20
10
10
0
0
Aufwand lohnend
trifft völlig zu
Klinik-Wahl wegen
Label
trifft eher zu
wichtig bei
Verhandlungen
Stillförderung
trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu
trifft völlig zu
neg. Auswirkung auf
nicht stillende
trifft eher zu
Zertifizierung ambulanter Dienstleistungen
trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu
Für mehr als 60 Prozent ist der finanzielle und personelle
Aufwand lohnenswert. Die Aussagen, dass Kliniken wegen
des Labels gewählt werden oder dass das Label für die Verhandlungen mit Krankenkassen oder politischen Behörden
eine Rolle spiele, werden jedoch überwiegend abgelehnt, die
Ablehnung ist in der welschen Schweiz deutlicher als in der
Deutschschweiz (Grafik 3).
der Ansicht, dass sich das Label nicht negativ auf nicht stillende
Frauen auswirkt, wobei Kliniken mit Score 3 eine negative Auswirkung am wenigsten ablehnen. Über 90 Prozent der Antwortenden sind der Ansicht, dass auch ambulante Dienste, welche
nach dem Spitalaufenthalt zum Tragen kommen, mit dem Label
ausgezeichnet werden sollten. Dieser Punkt erhält mit 23 auch
die meisten Nennungen hinsichtlich Handlungsbedarf (Grafik 4).
Gross ist die Zustimmung auch zur Aussage, dass das Label
zur Stillförderung insgesamt beiträgt. Mehr als 70 Prozent sind
Die Einschätzung durch die Evaluatorinnen deckt sich weitgehend mit den Rückmeldungen der Kliniken.
Tabelle 4: Umsetzbarkeit und Realitätsbezug der Kriterien
Umsetzbarkeit
Häufigkeit:
% positive Nennungen
von n total
HB
Alle Kl
Schritt 3 (Info an Schwangere)
78% / 80
5
Schritt 6 (ausschliesslich stillen)
58% / 79
14
Schritt 7 (Rooming-in)
83% / 80
2
1,72
Schritt 9 (Hilfsmittel)
43% / 79
12
Schritt 3 (Info an Schwangere)
81% / 77
4
1,83
Schritt 6 (ausschliesslich stillen)
47% / 79
13
2,56
Schritt 7 (Rooming-in)
76% / 80
4
1,93
Schritt 9 (Hilfsmittel)
31% / 80
16
2,81
D
Score 3
Score 3,5
Score 4
2,03
2,58
1,69
1,95
2,35
2,83
2,09
2,26
2,71
F/I
2,14
Kat A
Kat B
Kat G/P
3,08
2,32
1,92
2,93
2,67
2,15
3,29
2,5
2,23
3,24
2,89
2,27
3,13
2,57
2,42
Realitätsbezug
2,83
2,91
2,43
2,64
2,29
Prozessorientiertheit
Schritt 6 (ausschliesslich stillen)
39% / 75
15
2,63
2,7
2,3
2,96
2,49
2,39
Schritt 9 (Hilfsmittel)
37% / 75
10
2,75
2,96
1,8
2,88
2,5
2,7
16
4.2.3 Umgang mit den 10 Schritten (vgl. Tabelle 4)
Grafik 6: Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit zwischen
Stillstiftung und Klinik
Umsetzbarkeit in der Klinik (Grafik 5, graue Linie):
Die Frage nach der Umsetzbarkeit der Anforderungen an die
10 Schritte wurde für alle Schritte mit Ausnahme des Schrittes
neun (Hilfsmittel, z.B. Nuggi) mehrheitlich mit «eher gut»
bis «sehr gut» beantwortet. Auch der Schritt 6 (ausschliessliches Stillen) erhielt eine Zustimmung von knapp 60 Prozent.
Die Umsetzbarkeit von Schritt 9 wurde in den Spitälern der
deutschsprachigen Schweiz als schwieriger erachtet als in der
französischen/italienischen Schweiz.
70
60
50
40
30
20
10
0
Hinsichtlich Schritt 6 und 9 zeigten sich Unterschiede zwischen den Spitalkategorien: Am meisten Probleme bereiten
diese Schritte den Kliniken mit Kategorie A, am wenigsten den
Privatkliniken/Geburtshäusern. Ebenfalls zeigten sich Unterschiede nach Statistik-Score: Kliniken mit Score 3 beurteilten
die Umsetzung von Schritt 3 und 6 deutlich schwieriger als
Kliniken mit höherem Score.
Grafik 5: Bewertung der 10 Schritte
Mittelwerte der Bewertungen der einzelnen Schritte; bei
Werten über 2,5 (schwarze Linie) ist die Bewertung
mehrheitlich negativ.
Infofluss
sehr zufrieden
Erreichbarkeit
zufrieden
eher nicht
zufrieden
Begleitung
gar nicht
zufrieden
negativer beurteilt als in jenen mit höheren Scores. Schritt 9
wurde in der Deutschschweiz kritischer beurteilt als in der
französisch-/italienischsprachigen Schweiz.
Prozessorientiertheit der Kriterien (Grafik 5, blaue Linie):
Die Frage nach Prozessorientiertheit und nach dem Spielraum
wurde für Schritt 6 und Schritt 9 überwiegend negativ beantwortet.
3
4.2.4 Rahmenbedingungen, Evaluationsprozess und
Statistik (vgl. Tabelle 5)
2.5
2
1.5
1
1
2
3
Umsetzung Klinikalltag
4
5
6
Realität MuKi
7
8
9
10
Prozessorientiert
Realitätsbezug zu den Mutter-Kind-Paaren
(Grafik 5, schwarze Linie):
Bei der Frage, wie gut die Schritte zur Realität der MutterKind-Paare passen, wurden sowohl Schritt 6 als auch Schritt 9
mehrheitlich als negativ beurteilt, am negativsten bei Kliniken der Kategorie A. Schritt 6 wurde in Kliniken mit Score 3
17
In diesem Fragenblock wurden Erwartungen an und Zufriedenheit mit den Dienstleistungen der Stiftung sowie die
Zufriedenheit mit dem Evaluationsprozess erfasst. Es wurde
auch nach der Nützlichkeit und den Rahmenbedingungen für
die Statistik gefragt. Es ist eine Unzufriedenheit mit dem
Informationsfluss zwischen Stillstiftung und Kliniken sowie
mit der Begleitung zwischen Erst- und Nachevaluation festzustellen (Grafik 6).
Kliniken wünschen sich, dass die Stiftung/UNICEF sie viel
mehr beim gegenseitigen Austausch unterstützen. Sie erwarten auch Angebote an Weiterbildung zur Umsetzung der 10
Schritte sowie in Prozess- und Projektmanagement, Leistungen, die bisher von der Stiftung kaum angeboten werden
(Grafik 7).
4. Analyse der Wahrnehmungen zur
BFH-Initiative in der Schweiz
Tabelle 5: Rahmenbedingungen, Evaluationsvorgang und Statistik
Rahmenbedingungen
% positive
Nennungen
von n total HB
Alle
Kl
Informationsfluss zwischen
Klinik und Stillstiftung
46% / 70
17
2,56
3,3
2,44
2,38
Erreichbarkeit
der Geschäftsstelle
73% / 62
3
2,19
2,67
2,2
1,85
2,89
2,37
1,92
2,75
2,24
2,22
3,12
2,65
2,09
3,29
3,16
3,08
D
F/I
Score 3 Score 3,5 Score 4 Leitung Pflege
Stillberatung Kat A Kat B
Kat P/G
Reaktionszeit
der Geschäftsstelle
57% / 61
5
2,36
Nützlichkeit der Antworten
75% / 60
4
2,26
2,11
2,77
Begleitung durch Stillstiftung
bis zur Erstevaluation
73% / 45
5
2,32
2,26
2,57
Begleitung durch Stillstiftung
zwischen Erst- und
Nachevaluation
53% / 57
10
2,57
2,5
2,88 3
Austauschmöglichkeiten
zwischen den Kliniken
24% / 55
15
3,17
3,06
3,56
2,96
3,5
3
Weiterbildungsangebot
Umsetzung 10 Schritte
33% / 58
14
3,02
2,91
3,46
2,79
3,47
3,13
Weiterbildungsangebot
Prozess-/Projektmanagement
23% / 39
12
3,14
3
3,42
3,5
3,8
3,02
3
Professionelle Prozessbegleitung
30% / 44
10
2,99
2,95
3,42
3,1
3,83
2,86
2,67
Nützlichkeit Vorgespräche
84% / 62
3
2,04
2,94
1,87
1,75
Auftritt Evaluatorinnen
gegenüber Personal
85% / 62
1
1,87
2,67
1,68
1,73
Nachvollziehbarkeit
Entscheide PK
75% / 59
6
2,07
2,56
2,04
1,83
2,5
1,95
1,42
2,03
2,71
2,64
2,84
2,58
2,32
3,44
Evaluationsvorgang
Statistik
Finanzieller Aufwand
vertretbar
45% / 58
4
2,63
Dienstleistung ISPM gut
80% / 59
3
1,9
Erfolgsdruck führt zu
‹Schönung›
51% / 81
4
2,58
2,51
2,91
Statistikresultate werden
überbewertet
55% / 75
3
2,33
2,21
2,85
2,8
2.,31
2,61
18
Grafik 7: Zufriedenheit mit den Angeboten
Grafik 8: Beurteilung des Evaluationsvorganges
70
70
60
60
50
50
40
40
30
30
20
20
10
10
0
0
Austausch zwischen
Kliniken
sehr zufrieden
Stillmanagement
zufrieden
eher nicht
zufrieden
Projektmanagement
gar nicht
zufrieden
Der Evaluationsvorgang selber wird mehrheitlich positiv beurteilt (Grafik 8)
Planung und Ablauf
Fachkompetenz Evaluatorinnen
sehr zufrieden
eher nicht
zufrieden
zufrieden
gar nicht
zufrieden
Grafik 9: Bewertung Statistik
Die Bedeutung der Statistik als Instrument zur Qualitätssicherung ist unbestritten, der personelle Aufwand wird als
vertretbar und die Dienstleistung des ISPM zu fast 80 Prozent
als gut erachtet. Hingegen wird der finanzielle Aufwand kritisiert, eine Mehrheit ist auch der Ansicht, dass die Statistikresultate überbewertet werden (Grafik 9).
Die Einschätzungen decken sich weitgehend mit den Rückmeldungen der Evaluatorinnen.
Qualitätssicherung
finanzieller Aufwand
vertretbar
Statistik
überbewertet
4.3 Auswertung der Rückmeldungen in Textform
sowie der Leitfadengespräche
Viele der Personen, welche die Fragebogen beantworteten,
gaben auch Rückmeldungen in Textform, welche die quantitativen Rückmeldungen (Bewertung durch Ankreuzen) ergänzten oder erläuterten. Zudem wurden Gespräche mit Evaluatorinnen und Mitarbeitenden einzelner Kliniken geführt:
Engeried Spital Bern; Salem Spital Bern; Ospedale Regionale
di Lugano, Ospedale San Giovanni, Bellinzona
Evaluatorinnen:
Verena Marchand; Vera Kuhn; Christa Herzog; Cinzia Biella
(telefonisch)
Kliniken:
Universitätsklinik Genf (HUG); Universitätsspital Zürich;
Universitätsfrauenklinik Basel;
Kantonsspital Solothurn; Kantonsspital Baden; Kantonsspital
Freiburg; Spital Morges; Spital Münsterlingen; Stadtspital
Triemli, Zürich; Spital Visp; Spital Männedorf; Spital Neuchâtel;
19
Die schriftlichen Textrückmeldungen bestätigten die Erkenntnisse aus der quantitativen Fragebogenauswertung. Zudem
illustrieren und erläutern sie die Rückmeldungen und machen
das Engagement und die Besorgnis der involvierten Kliniken
und Fachpersonen deutlich.
4. Analyse der Wahrnehmungen zur
BFH-Initiative in der Schweiz
In den Gesprächen mit den Fachpersonen einzelner Kliniken
und mit einzelnen Evaluatorinnen kam zum Ausdruck, dass
die Kliniken das Interesse von Stiftung/UNICEF an ihren
Sichtweisen ausserordentlich schätzten. Auch für die Studienbeauftragte war es illustrativ, die unterschiedlichen Settings
(Einzelgespräche versus Teamdiskussionen, Führungspersonen
als Gesprächspartnerinnen versus Stabsmitarbeiterinnen), das
Engagement und die Klinikphilosophien wahrzunehmen und
die vielfältige Kliniklandschaft kennen zu lernen, in welcher
das Label umgesetzt und eingebettet wird. Für die folgende
Darstellung wurde aus den Rückmeldungen ein Extrakt hergestellt und mit einzelnen Zitaten unterlegt.
Argumente für das Label
Das Hauptargument, welches in grosser Übereinstimmung
von allen Kliniken genannt wird, ist die zentrale Bedeutung
des Labels für die Qualität. Es entstand dadurch eine ‹unité de
doctrine›, eine gemeinsame Basis für alle Pflegenden rund
um Mutter und Kind. Dank dem Label ist auch die kontinuierliche Weiterbildung gesichert (Budgetprozesse).
Argumente gegen das Label
Das enge Korsett der BFHI-Vorgaben passt nicht mehr zur
heutigen Situation. Im Wochenbett geht es um einen optimalen
Start für Mutter und Kind, nicht nur ums Stillen. Wenn der
Fokus vor allem auf die Zahlen der Statistik gerichtet wird,
kommen die Bedürfnisse der Mütter zu kurz. Es ist eine Gratwanderung zwischen einer Öffnung und Flexibilisierung der
Kriterien und der Gefahr einer Verwässerung. Erwerb und
Aufrechterhaltung des Labels sind auch mit erheblichen Kosten
(Weiterbildung, Statistik, Evaluationen, Nachevaluationen)
verbunden und es kommt, ausser dem Zertifikat, von der Stiftung wenig zurück.
Veränderungen in den letzten Jahren
Viele Frauen sind berufstätig und arbeiten bis kurz vor der
Geburt. Sie haben kaum die Zeit gefunden, sich darauf einzustellen. Oft sind es ältere Primiparas, sie möchten sich erholen,
sind nicht mehr so «leidensbereit» und völlig überrascht,
wenn sie pro Nacht 2–3x aufstehen und stillen müssen. Es
gibt in den letzten Jahren viel mehr Sectios (35 Prozent) und
auch viel mehr eingeleitete Geburten.
Zitate:
Le donne sono molto meno motivate ad allattare e mollano
alla prima difficoltà. Anche le informazioni non bastano a
motivarle, nè a elencarle i vantaggi dell’allattamento.
Image des Labels durch sektiererische Umsetzung gesunken.
UNICEF verkauft uns Telefone mit Wählscheiben – dabei
ist längst das digitale und Handy-Zeitalter angebrochen.
Was ist Stillfreundlichkeit im Kern?
Stillfreundlichkeit heisst, eine Frau mit ausdrücklichem Stillwunsch optimal zu unterstützen.
Mütter und Väter müssen optimal informiert werden. Mit guter
Information lässt sich in der Regel die Stillmotivation erhalten.
Mütter müssen in die Lage versetzt werden, einen Entscheid
zu fällen, der zu respektieren ist. Die Bedürfnisse von Mutter
und Kind müssen optimal wahrgenommen werden, manchmal
helfen entlastende Massnahmen (MD, Kind vorübergehend in
Betreuung der Pflegenden, Stillhüetli usw.), das Stillen auf
lange Sicht zu erhalten. Die Stillfreundlichkeit sollte am Vollstillen bei Austritt gemessen werden. Das Label kann auch
negative Auswirkung auf nicht stillende Mütter haben, welche
noch nach Jahren ein schlechtes Gewissen haben.
Umgang mit den problematischen Schritten 6, 7, 9
Die Kriterien für die Schritte 6 und 9, z.T. auch 7, werden als
statisch, dogmatisch, ja sogar fundamentalistisch und sektiererisch bezeichnet. Dadurch entsteht Druck bis hin zum Stillzwang, ein Eingehen auf individuelle Bedürfnisse ist kaum
mehr möglich. Die Pflegepersonen erleben ein Dilemma zwischen den Bedürfnissen der Frauen und der Kinder und finden
gegenüber den Frauen in bestimmten Situationen keine Argumente mehr, ihnen Entlastungsmöglichkeiten (Tee, Nuggi,
Kind mal abgeben) vorzuenthalten. Solche Entlastung könnte
aber manchmal einen Teufelskreis durchbrechen und das
langfristige Stillen erhalten.
Dadurch kann Stress mit allen seinen negativen (stillbehindernden) Auswirkungen abgebaut werden. Sonst kippt Stillmotivation in Stillzwang, der dem langfristigen Stillen abträglich ist.
Die Möglichkeit, den «ausdrücklichen Wunsch der Mutter»
als Grund für die Gabe von MD/Nuggi o.a. Hilfsmittel zu
akzeptieren, könnte Abhilfe schaffen. Wichtig wäre, dass
dokumentiert würde, ob die Mutter ausreichend informiert
und Alternativen ausgeschöpft wurden.
20
Zitate:
Fokus mehr auf Stillsituation bei Austritt richten und in
den ersten drei Tagen mehr Spielraum ermöglichen.
Lockern der Kriterien birgt sicher das Risiko, dass vermehrt zugefüttert wird. Mit guter Führung und Einhaltung
von spitalinternen Richtlinien kann die Qualität gesteuert
und beibehalten werden.
Von «Mutter speziell gewünscht» sollte nicht negativ zu
Buch schlagen! Es darf kein Druck auf die Mutter ausgeübt werden.
MD-Gabe wird völlig überbewertet. Es sollte mehr Gewicht
auf dem vollen Stillen, Bonding im Wochenbett und Vollstillen/langes Stillen bei/nach Austritt liegen (mehrfach!).
Quel peut être l’impact d’une maternité si nous stressons
les mères avec le MD?
Les conditions 6 et 9 correspondent aux principaux désaccords rencontrés avec les mères tant ces deux critères sont
rigides.
Stillpause ist manchmal ein wichtiger Schritt, um die
Mütter vor dem Abstillen zu bewahren, auch wenn vorübergehend Formula gegeben wird.
Nicht nur Statistik bewerten, sondern v.a. die Prozesse, die
dahinterstehen
Erschöpfte Mütter nehmen ein Babysitting dankbar an.
Sind danach wieder gestärkt und motiviert: Differenziertes Rooming-in anbieten!
Stillhüetli sollte nicht mit Nuggi gleichgesetzt werden:
manchmal führt der Weg zum Stillen über das Stillhüetli.
Statistik
Die Statistik wird als gutes Controlling-Instrument geschätzt,
aber die Handhabung sollte verbessert werden. Das Führen
der Statistik ist aufwändig. Es wurden auch Bedenken hinsichtlich Datenschutz geäussert: Einzelfälle sind identifizierbar; was geschieht mit den Daten? Die Statistik wird als Führungsinstrument genutzt, anhand der Statistik wird diskutiert,
welches die Gründe für allfällige Veränderungen sind und mit
welchen Massnahmen gute Resultate erhalten oder problematische Resultate wieder verbessert werden können. Dass
jedoch die Statistik massgebend ist, ob das Spital das Label
erhalten und weiterführen kann, führt zu grosser Frustration.
21
Zitate:
Instrument und Support verbessern
Z.B. Angaben über Narkose oder Analgesie, Diabetes usw.
Regelmässige Schulung wäre nötig, v.a. bei Neuerungen
Statistik sagt nichts aus über Zufriedenheit der Mütter
oder längerfristigen Stillerfolg
Quelle garantie éthique a-t-on lorsque l’on transmet les
données? Les résultats ne sont pas confidentiels et on peut
retrouver les patientes. Au niveau statistique, un échantillon
suffirait pour l’évaluation d’une maternité de grande taille.
Est-ce que ces statistiques sont utilisées pour autre chose,
transmises à d’autres organismes? Quelles sont vos garanties?
Rolle von Spitalleitung, Pädiater und Gynäkologen
Es sei enorm wichtig, dass auch die Spitalleitung, die Kaderoder Belegärzten/-innen dahinter stehen. Wenn das Projekt
allein auf dem Engagement der Pflege basiert, hat es früher
oder später einen schweren Stand. Die Empfehlungen der
Pädiater sind teilweise nicht kompatibel mit den BFHI-Kriterien.
Hier braucht es klare Richtlinien der Neonatologen, an welche
sich alle Pädiater halten sollten. Pädiater anerkennen oft nicht,
welche Arbeit durch die Pflegenden im Wochenbett geleistet
wird. Pädiater und Gynäkologen sollten auch mehr zum Stillen/
zur Stillförderung geschult werden.
Zitate:
Das Label hat bei vielen Ärzten und Laien den Ruf, militant und dogmatisierend zu sein; es soll unter allen Umständen gestillt werden, egal, ob die Mutter müde ist, wunde
Brustwarzen hat usw.
Leider ist für Gynäkologen das Thema Stillen und Brustwarzen kaum gegenwärtig.
Tanto lavoro in reparto, poco personale per occuparsi esclusivamente degli allattamenti!
Difficultés pour les soignantes d’adopter des pratiques favorables à l’allaitement maternel quand de jeunes médecins
ne voient plus la physiologie.
Infos vor/nach Geburt schwer kontrollierbar, da bei den
niedergelassenen Ärzten/-innen. Diese engagieren sich
wenig fürs Stillen.
Pädiater und Anästhesisten besser ausbilden.
4. Analyse der Wahrnehmungen zur
BFH-Initiative in der Schweiz
Zukunft mit DRGs
Die Bedeutung des Labels während der verbleibenden 3 Spitaltage wird nicht grundsätzlich in Frage gestellt, aber die
ambulante Nachsorge erhält ein viel grösseres Gewicht. Es
wird festgestellt, dass der frühere Austritt (nach DRGs im
Durchschnitt am 3. Tag) mit dem Milcheinschuss zusammenfällt, was sehr problematisch sei. Hebammen in der ambulanten Nachsorge würden sehr unterschiedliche Philosophien,
Haltungen und Ratschläge hinsichtlich Stillen vertreten, es
wäre gut, wenn es hier Vorgaben z.B. für kontinuierliche Weiterbildung gäbe. Die Zertifizierung ambulanter Strukturen
würde als sinnvoll erachtet. Den Schritten 3 und 10 kommt
grössere Bedeutung zu. Zudem wird oft vorgeschlagen, dass
zertifizierte Kliniken auch einen finanziellen Vorteil haben
sollten (z.B. höhere Baserate mit DRGs).
Zitate:
Jede Frau sollte mindestens einmal pro Schwangerschaft
mit Hebamme oder Stillberaterin ein Gespräch zum Stillen
usw. haben.
Die ambulanten Dienste sollten unbedingt eine qualifizierte
Stillberatung anbieten können, ansonsten ist 6 Monate
voll stillen gefährdet.
Qualitätsüberprüfungen bei den freiberuflichen Hebammen
sollten obligatorisch sein.
Wir werden weniger Zeit für Stillinstruktionen haben –
Milcheinschuss wird für die ambulante Nachbetreuung
ein Thema.
Zentren, in denen Mütterberatung, Stillberatung und ambulante Wochenbettnachsorge angeboten wird, könnten den
zu erwartenden Mangel an Nachbetreuung möglicherweise
ausgleichen helfen.
Faire des statistiques après la sortie des maternités. Il manque d’indicateurs fiables.
Interêt financier, un retour sur investissement: forfait plus
important avec le DRG.
Label zu erwerben. Erwünscht wäre zudem mehr Austausch,
ein umgehender Informationsfluss, Stellungnahmen z.B. zu
wichtigen neu auftauchenden Themen wie Nuggi und SIDS,
Stillen bei Schweinegrippeverdacht usw. Die Stiftung sollte
auch mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten.
Zitate:
Initiative soll nicht nur Baby- oder stillfreundlich, sondern
«familienfreundlich» sein!
Faire connaître ce label à uns plus large échelle: médecins,
politiques, assurance, population.
Avere una persona della Fondazione/UNICEF che sia a
disposizione per ev. formazioni tematiche/mettere a disposizioni degli ospedali documentazione sugli ultimi aggiornamenti in materia di allattamento, in modo da poter
organizzare delle formazioni ad hoc.
Stillstiftung sollte mehr in den Kliniken präsent sein:
Netzwerkarbeit, Austausch, Konferenzen, professionelle
Weiterbildungsangebote und Prozessbegleitung.
Jährliches halbtägiges Audit durchführen.
Evaluatorinnen, die Spitäler überprüfen, sollten auch in
Spitälern arbeiten!
Einbettung in bestehendes Label
Die Qualitätssicherung der Kliniken scheint sehr heterogen,
unterschiedliche Institutionen führen unterschiedliche QSMassnahmen durch (u.a. ISO, EFQM, konkret, outcome,
Sancert), oft auch nur bei einem Teil der Abteilungen einer
Klinik. Grundsätzlich stellt sich aber niemand gegen die Prüfung einer Einbettung des BFHI-Labels in ein bestehendes
Qualifizierungssystem.
Zusammenarbeit mit Stiftung, UNICEF, ISPM
Die Strukturen und Rollen sind dringend zu klären. Die Gruppe
der Evaluatorinnen muss verjüngt werden. Die Stiftung sollte
als Referenzzentrum funktionieren und z.B. aktuelle, relevante Studien auf ihrer Website publizieren. Sie sollte mehr
Lobbying-Arbeit wahrnehmen und z.B. daran arbeiten, dass
es auch einen finanziellen Anreiz gibt für die Kliniken, das
22
5. Schlussfolgerungen Neupositionierung BFHI
5.1 Befunde
1. Die Initiative hat massgeblich zur Stillförderung in der
Schweiz beigetragen und zu einer nachhaltigen Qualitätsentwicklung in den Geburtskliniken geführt.
Die Stilldauer in der Schweiz hat zwischen 1993 und 2003
deutlich zugenommen, bei Mutter-Kind-Paaren aus zertifizierten Kliniken noch mehr als aus anderen Kliniken.
Die Initiative und die klaren Vorgaben aufgrund der zehn
Schritte haben das Qualitätsmanagement der Geburtskliniken nicht nur im Hinblick auf die Stillfreundlichkeit,
sondern insgesamt auf die Mutter-Kind- und Familienfreundlichkeit in hohem Ausmass positiv beeinflusst
(Zitate: C’était dynamisant!; Il n’y a rien de comparable.
Darauf möchten wir unter gar keinen Umständen mehr
verzichten. Endlich reden alle vom Gleichen usw.). Es
kann davon ausgegangen werden (wurde jedoch in dieser
Studie nicht untersucht), dass die BFH-Initiative auch die
Qualitätssicherung in den nicht zertifizierten Kliniken
beeinflusst hat: Dadurch dürften die Unterschiede zwischen den Kliniken nicht mehr so gross sein wie bei der
Lancierung der Initiative.
Das einheitliche Qualitätsmanagement auf hohem Niveau
(und nicht mehr das Argument des Marketingvorteils) ist
die Hauptmotivation, im BFHI-Prozess zu bleiben – wobei
einige Gesprächspartnerinnen auch darauf hinweisen,
dass im Prinzip auch ohne Label nach diesen Vorgaben
gearbeitet werden könnte, allerdings mit dem Risiko eines
allmählichen Nachlassens.
2. Es besteht eine Unzufriedenheit mit Strukturen,
Rahmenbedingungen und Art der Überprüfung der
Kriterien.
Die Rollen der Geschäftsstelle und UNICEF sind nicht
klar.
Die Erwartungen an die Geschäftsstelle/(UNICEF) werden
nicht erfüllt, z.B. hinsichtlich
Begleitung, regelmässige Kontakte, Erreichbarkeit
Wertschätzung
Organisation von Austausch, Fort- und Weiterbildung.
Die Vorgaben an die Umsetzung der 10 Schritte, insbesondere die Bedeutung der Statistik, werden als dogmatisch
wahrgenommen.
23
3. Ein Beenden der Initiative in der Schweiz würde bei
den Kliniken auf Unverständnis stossen und der Stillförderung in der Schweiz den Wind aus den Segeln
nehmen.
Der Stellenwert der Arbeit der Pflegenden würde dadurch
einen empfindlichen Rückschlag erleiden und ihr Engagement, ihre Motivation in Frage stellen.
Über die Kliniken hinaus würde ein Stopp die Stillförderung in der Schweiz generell in Frage stellen.
5.2 Massnahmen zur Neupositionierung
1. Neupositionierung der politischen Einbettung
a. Gestaltung eines Gremiums, welches die gesundheitspolitische Bedeutung wahrnimmt und das Anliegen an oberster
Stelle vertritt.
b. Lancierung der Diskussion um eine finanzielle Anerkennung der zertifizierten Spitäler beim DRG-Tarif.
2. Optimierung der Strukturen und Abläufe für die Umsetzung der Initiative mit den Kliniken
a. Nachhaltige Einbettung einer Koordinationsstelle BFHI,
welche folgende Aufgaben wahrnimmt:
Koordiniert zwischen den Kliniken, der Monitoring- und
Zertifizierungsstelle sowie den Fachgremien
Begleitet die Kliniken in den verschiedenen Stadien des
Prozesses, gibt der BFHI ein Gesicht und den Personen in
den Kliniken Wertschätzung
Gestaltet (in Zusammenarbeit mit Aus-/Weiterbildungsinstitutionen im Gesundheitsbereich, Unis, Fachhochschulen)
Dienstleistungen für die Kliniken
Weiterbildungsangebote für verschiedene Zielgruppen
in Klinik und Praxis
Beratungsangebote für Kliniken: z.B. jährliches
Monitoring-Audit
Regelmässige Austauschgefässe unter den Kliniken
PR rund um Zertifizierung und Stillwoche
Bearbeitung von Fachfragen und rasche Rückmeldungen an die Kliniken (z.B. Hypoglykämierisiken, Nuggi und SIDS usw.)
Website, Newsletter
b. Prüfung der Zusammenarbeit mit einer Zertifizierungsstelle
im Gesundheitswesen
5. Schlussfolgerungen Neupositionierung BFHI
3. Modifikation der Messkriterien für die 10 Schritte
Die Kriterien für die zehn Schritte müssen so überarbeitet werden, dass sie ihren Stellenwert für eine nachhaltige Qualitätsentwicklung und -sicherung in den Geburtskliniken beibehalten. Die für die zehn Schritte angewendeten Kriterien
sollen in ihrer Gesamtheit der heutigen Situation von MutterKind-Paaren Rechnung tragen und nachhaltig zur Stillförderung beitragen.
4. Klärung des Umgangs mit Statistik und Monitoring
Der wichtige Stellenwert der Statistik als internes Führungsinstrument sowie als Grundlage für die gewünschten jährlichen
Begleitgespräche soll erhalten bleiben. In Rücksprache mit
den Kliniken sollen Inhalte und Nutzerfreundlichkeit überprüft
und angepasst werden. Im Zusammenhang mit dem Monitoring
sollen Fragen hinsichtlich Kosten/Finanzierung, Datenschutz
und Dateneignerschaft überprüft werden.
24
Studie im Auftrag von UNICEF Schweiz
Neupositionierung des BFHI-Labels
in der Schweiz
Dr. med. Cornelia Conzelmann
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