Aktueller Kommentar Brasilien - weitere Aufwertung der Währung erwartet November 14, 2007 In der Amtszeit der Regierung Lula hat der brasilianische Real bereits um mehr als 100% gegenüber dem US-Dollar aufgewertet. Die reale Aufwertung des BRL fiel etwas schwächer aus. Zur Währungsstärke trugen unterschiedliche Faktoren bei. Nach einer massiven Abwertung vor den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2002 hatte sich die Währung gegen Ende des Jahres 2002 und zu Beginn 2003 wieder gefestigt und war bis 2005 stabil bis fest. Dies erlaubte Brasilien, mit Hilfe des entstehenden Leistungsbilanzüberschusses und neuerlicher Aktienkapitalzuflüsse externe Anleihe- und Kreditverpflichtungen (einschließlich der IWF-Kredite) abzulösen. 2006 waren die Nettokreditzuflüsse wieder positiv: Ein riesiger Zahlungsbilanzüberschuss entstand – mit anschließender aggressiver Intervention der Zentralbank am Devisenmarkt. Kräftige Devisenzuflüsse, die keine Mittelaufnahme darstellen, d.h. Aktienkapital, ADI und Leistungsbilanzströme, sowie der daraus resultierende Anstieg der Devisenreserven führten zu einem deutlichen Rückgang der Nettoauslandsverschuldung über den gesamten Zeitraum 2002-2007 hinweg. 2008 dürften sämtliche Zahlungsbilanzposten weitere Überschüsse verzeichnen. Daher wird der BRL unter Aufwertungsdruck bleiben, insbesondere gegenüber dem schwächeren USD. Die Kapitalzuflüsse an den Aktienmarkt dürften aufgrund des niedrigeren brasilianischen Zinsniveaus kräftig bleiben. Bessere mittelfristige Wachstumsaussichten und größere makroökonomische Stabilität Brasiliens haben das Interesse an ausländischen Direktinvestitionen im Land erhöht. Der „positive Carry“ (höheres kurzfristiges Zinsniveau) wird auch weiterhin für umfangreiche Kreditzuflüsse sorgen (s. Graphik). Wir rechnen mit einem Zahlungsbilanzüberschuss von USD 50 Mrd. Ob und um wie viel die Währung aufwertet, hängt von der Reaktion der Behörden ab. In offenen Volkswirtschaften stehen verschiedene Optionen zur Verfügung, um eine Währungsaufwertung zu verhindern. Erstens können die Behörden die kurzfristige Kreditaufnahme der Banken beschränken. Allerdings scheint die brasilianische Regierung entschlossen, die Zahlungsbilanz offen und die Änderungen bezüglich der Beschränkung kurzfristiger Devisengeschäfte aus Vorsichtsgründen aufrechtzuerhalten (z.B. die geänderten Bestimmungen bezüglich des Wechselkurs-Exposure der Geschäftsbanken vom Sommer dieses Jahres). Zweitens wird die Regierung keine drastische Kürzung der realen Primärausgaben vornehmen. Ein solcher Schritt würde die Primärausgaben senken und den primären Haushaltsüberschuss erhöhen, die Binnennachfrage belasten und den Aufwärtsdruck auf die Preise für nicht handelbare Güter schwächen, so dass Spielraum für niedrigere Zinsen entstünde. Doch eine deutliche Verlangsamung der Primärausgaben (real) ist leider unwahrscheinlich, da in weniger als einem Jahr die Wahlen zur Mitte der Legislaturperiode anstehen. Drittens wird die Zentralbank, da keine fiskalpolitische Straffung vorgesehen ist, keine großen Zinssenkungen vornehmen, um die Währung zu schwächen, wenn gleichzeitig die starke Binnennachfrage Aufwärtsdruck auf die Inflation ausübt. Vielmehr legt die Zentralbank den Schwerpunkt auf Inflationskontrolle und Wahrung ihrer Unabhängigkeit. Zudem will sie an den Märkten sicher nicht den Eindruck hinterlassen, ein bestimmtes Wechselkursniveau anzustreben. (Angesichts der Zusammensetzung der Kapitalzuflüsse – mit deutlicher Dominanz der Investitionen am Aktienmarkt – steht auch nicht fest, ob eine Zinssenkung bei der Reduzierung von Kapitalzuflüssen den gewünschten Erfolg brächte. Bei einer Lockerung durch die Fed wäre der Carry Seite 1 von 3 Aktueller Kommentar weiterhin erheblich, und niedrigere Zinsen könnten sogar zu einem weiteren starken Anstieg der Zuflüsse an den Aktienmarkt führen, da höhere Unternehmensgewinne erwartet würden.) Schließlich ist es unwahrscheinlich, dass die Zentralbank den gesamten Zahlungsbilanzüberschuss absorbieren würde. Die Vorteile einer weiteren Akkumulierung von Reserven nehmen aus Sicht der Zentralbank ab*. Allerdings dürfte sie sich sowohl aus politischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen im Vorfeld der „Mid-term elections“ nicht unnötig angreifbar für Attacken aus den Reihen der Politik machen. Die Zentralbank wird daher weiter intervenieren, wenngleich in weniger aggressiver Weise. Unter der Annahme, dass die Zentralbank 2008 USD 30 Mrd. aufkauft, würden die restlichen USD 20 Mrd. an Überschüssen für eine weitere Aufwertung der Währung ausreichen. Der BRL erscheint stark, aber im Vergleich zu seinem historischen Durchschnitt nicht massiv überbewertet. Dies bedeutet nicht, dass sich der BRL nicht zeitweilig abschwächen kann. Aus Zahlungsbilanzsicht hingegen dürfte die Währung unter Aufwertungsdruck bleiben und der Wechselkurs dürfte im nächsten Jahr auf ca. BRL 1,6/USD steigen. Einige der Kapitalzuflüsse sind offensichtlich spekulativer Natur und durch die umfangreiche globale Liquidität ausgelöst. Unterm Strich jedoch erleben wir derzeit die Entwicklung einer Volkswirtschaft und ihrer Finanzmärkte hin zu einem dauerhaft niedrigeren Risikoniveau. Ein geringeres Länderrisiko, ein niedrigeres Zinsniveau und sinkende Risikoprämien am Aktienmarkt sorgen für steigende Preise für Vermögenswerte; dies veranlasst ausländische Investoren, ihr Engagement in Brasilien zu erhöhen. Die Aussichten Brasiliens, bis zum Jahr 2009 als „Investment grade“ eingestuft zu werden, stützen die weitgehend strukturelle Tendenz ausländischer Investoren, sich in Brasilien zu engagieren. * Das gegenwärtige Niveau der Devisenreserven stellt eine mehr als angemessene „Risikoversicherung“ dar. Mit über USD 160 Mrd. verfügt Brasilien über ein gutes Polster an Devisenreserven, so dass ein plötzliches Versiegen der Kapitalzuflüsse zu verkraften wäre. Die „carrying costs” belaufen sich auf ca. 1% des BIP. Dies wird die Bank nicht sprengen, aber die Anreize, weitere Devisenreserven anzusammeln, sind eindeutig begrenzt. ...mehr zum Research-Bereich Emerging Markets Markus Jaeger +1 212 250 6971 Aktuelle Kommentare - Archiv Seite 2 von 3 Aktueller Kommentar © Copyright 2007. Deutsche Bank AG, DB Research, D-60262 Frankfurt am Main, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe „Deutsche Bank Research“ gebeten. Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Verfassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen entspricht. Alle Meinungen können ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Die Meinungen können von Einschätzungen abweichen, die in anderen von der Deutsche Bank veröffentlichten Dokumenten, einschließlich Research-Veröffentlichungen, vertreten werden. Die vorstehenden Angaben werden nur zu Informationszwecken und ohne vertragliche oder sonstige Verpflichtung zur Verfügung gestellt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Angemessenheit der vorstehenden Angaben oder Einschätzungen wird keine Gewähr übernommen. In Deutschland wird dieser Bericht von Deutsche Bank AG Frankfurt genehmigt und/oder verbreitet, die über eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht verfügt. Im Vereinigten Königreich wird dieser Bericht durch Deutsche Bank AG London, Mitglied der London Stock Exchange, genehmigt und/oder verbreitet, die in Bezug auf Anlagegeschäfte im Vereinigten Königreich der Aufsicht der Financial Services Authority unterliegt. In Hongkong wird dieser Bericht durch Deutsche Bank AG, Hong Kong Branch, in Korea durch Deutsche Securities Korea Co. und in Singapur durch Deutsche Bank AG, Singapore Branch, verbreitet. In Japan wird dieser Bericht durch Deutsche Securities Limited, Tokyo Branch, genehmigt und/oder verbreitet. In Australien sollten Privatkunden eine Kopie der betreffenden Produktinformation (Product Disclosure Statement oder PDS) zu jeglichem in diesem Bericht erwähnten Finanzinstrument beziehen und dieses PDS berücksichtigen, bevor sie eine Anlageentscheidung treffen. Seite 3 von 3