Collider

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Zusammenfassung des Seminarvortrags zum Thema
Collider
von Dominik Will
Die hauptsächliche wissenschaftliche Motivation für den Betrieb von Teilchenbeschleunigern ist
die Erzeugung neuer Teilchen zur Verifikation der theoretischen Modelle in der Teilchenphysik. Im Moment ist dies das Standardmodell, das zwar weitestgehend sehr gut experimentell
bestätigt ist, es steht aber immer noch der experimentelle Nachweis des vom Standardmodell vorhergesagten Higgs-Bosons aus, das man nun an dem vor Kurzem in Betrieb gegangenen
Large Hadron Collider (LHC) nachweisen möchte. Neben der endgültigen Verifikation des Standardmodells durch den Nachweis des Higgs-Boson stellt jedoch auch die Suche nach Teilchen
und Kräften jenseits des Standardmodells eine ganz wesentliche Motivation dar.
Die zentrale Frage bei Beschleunigern ist, auf welche Energie man die Teilchen eigentlich beschleunigen muss. Zum einen muss man die Summe der Ruheenergien aller Teilchen, die man
erzeugen möchte, sowie deren kinetische Energie nach der Erzeugung aufbringen, da die Impulserhaltung oftmals nicht ruhende Reaktionsprodukte bedingt, und zum anderen wächst mit der
zur Verfügung stehenden Energie das Volumen des Phasenraums, in dem die Teilchen erzeugt
werden können, und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilchen überhaupt erzeugt
werden. Generell gilt daher für Teilchenbeschleuniger die Formel je mehr Energie, desto bes”
ser“.
Ein entscheidender Punkt dabei ist, dass wenn zwei Teilchen kollidieren, nur die Energie in ihrem Schwerpunktsystem zur Erzeugung neuer Teilchen zur Verfügung steht. Folglich ist es, um
möglichst große Energien zu erreichen, unvermeidlich, beide Teilchen zu beschleunigen und gegeneinander zu schießen, womit man bei der Bauform des Colliders ist. Üblicherweise realisiert
man Collider in Form von Speicherringen, in denen die Teilchen auf einer konstanten Energie
gehalten werden. Den limitierenden Faktor bei der Energie für leichte Teilchen wie Positronen
und Elektronen stellt die sog. Synchrotronstrahlung dar, die geladene Teilchen emittieren, wenn
sie abgelenkt werden, denn man gelangt schnell in einen Bereich, in dem die Verluste durch
Synchrotronstrahlung pro Umlauf im Prozentbereich liegen. Für schwerere Teilchen wie Protonen spielen jedoch diese Synchrotronstrahlungsverluste keine wesentliche Rolle, da sie mit
zunehmender Masse in der vierten Potenz abnehmen.
Verwendet man nun in einem Collider etwa Teilchen und Antiteilchen, so können die Teilchen aufgrund ihrer entgegengesetzten Ladung in der gleichen Strahlröhre in entgegengesetzter
Richtung umlaufen. In dezidierten Wechselwirkungspunkten (WWP) lässt man die Strahlen
sich kreuzen und positioniert dort die Detektoren. Das Problem dabei ist, dass die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Teilchen aus den Strahlen tatsächlich miteinander kollidieren, relativ gering
ist. In einem Speicherring jedoch können die Strahlen ständig umlaufen und nach einem Umlauf besteht erneut die Möglichkeit einer Kollision. Man kann daher in den WWPen so lange
Ereignisse detektieren – in der Regel über einige Stunden –, bis durch Kollisionen die Strahlintensität so weit abgefallen ist, dass der Speicherring neu befüllt werden muss.
Dennoch ist die Ereignisrate in einem Collider die kritische Größe, die es zu maximieren gilt.
Es liegt auf der Hand, dass die Ereignisrate Ṅ proportional zum Wirkungsquerschnitt σ der
Reaktion ist, die man beobachten möchte. Als Proportionalitätsfaktor führt man die sog. Lu1
Luftbild mit eingezeichneter Position des LHC
Bild des LHC-Tunnels
minosität L ein: Ṅ = σL. Die Luminosität ist eine für jeden Collider spezifische Größe und
berechnet sich nach der Formel
bf N1 N2
,
L=
4πσx σz
wobei b die Anzahl der Pakete, auch Bunches genannt, pro Strahl ist, f die Umlauffrequenz,
N1 und N2 die Anzahl der Teilchen pro Paket für den entsprechenden Strahl und σx bzw.
σz die Strahlbreiten in den Komponenten senkrecht zur Strahlrichtung, wobei man von einer
gaußförmigen Verteilung der Teilchen in beiden Komponenten ausgeht.
Um nun die Luminosität und damit die Ereignisrate bei einem Collider zu maximieren, gibt
es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten. Eine dieser Möglichkeiten ist, den Strahlquerschnitt
im WWP, also σx σz , zu minimieren. Die Teilchen führen sog. Betatronschwingungen um den
Sollorbit aus, deren Amplitude durch das Produkt der sog. Emittanz und der sog. Betafunktion, die mit der Position auf dem Sollorbit variiert, beschrieben wird. Da die Emittanz auch
dem Volumen der Teilchen im Phasenraum entspricht, ist sie gemäß dem Satz von Liouville
eine Konstante der Bewegung und muss möglichst schon bei der Teilcheninjektion minimiert
werden. Man kann jedoch auch die Emittanz durch Strahlkühlung, etwa Laser-, Elektronenoder stochastische Kühlung, reduzieren. Die Betafunktion ist mit Hilfe der fokussierenden Quadrupolmagnete modellierbar und es bilden sich Bäuche und Knoten der Betatronschwingungen
aus. Erzwingt man nun im WWP einen Knoten, so kann man den Strahlquerschnitt sehr stark
reduzieren. Da allerdings das Phasenraumvolumen des Strahls konstant ist, muss man dann
sehr große transversale Impulse im WWP in Kauf nehmen, sodass die Strahlen hinter dem
WWP sehr stark divergieren. Um sie noch einfangen und fokussieren zu können, muss man
daher die fokussierenden Quadrupolmagnete möglichst nah an den WWP heranbringen, was
man auch als das Mini-Beta-Prinzip bezeichnet.
Die andere Möglichkeit zur Maximierung der Luminosität ist die Maximierung des Strahlstroms,
indem man einfach immer mehr Pakete mit immer mehr Teilchen in den Speicherring injiziert.
Der limitierende Faktor dabei sind jedoch Raumladungseffekte, die zu einer Phasendivergenz
des Strahls führen, die wiederum dazu führt, dass die Phase von einem Teil der Teilchen in
Resonanz mit der Umlauffrequenz gerät und die Teilchen verloren gehen. Diese sog. optischen
Resonanzen treten gerade dann auf, wenn die Teilchen nach einem Umlauf wieder genau die
gleiche Phasenposition haben, sodass sie durch Feldfehler immer in die gleiche Richtung falsch
abgelenkt werden, bis sie schließlich gegen die Wand des Strahlrohrs prallen und verloren gehen.
2
2 in 1“-Design der Dipole im Querschnitt
”
im Aufbau befindlicher ATLAS-Detektor
Ein aktuelles Beispiel für einen Collider ist der Large Hadron Collider (LHC) am CERN am
Genfer See, der vor einigen Wochen in Betrieb gegangen ist. Am LHC laufen in einem unterirdischen Tunnelring mit einem Umfang von 26,66 km Protonen mit einer Energie von 7 TeV
um und werden zur Kollision gebracht. Um Protonen einer so hohen Energie abzulenken, sind
Magnetfelder mit einer Stärke von etwa 8,3 Tesla notwendig. Da man mit konventionellen
Magneten etwa nur 2 Tesla erreichen kann, werden beim LHC supraleitende Magnete aus NiobTitan eingesetzt. Damit diese supraleitend werden und einen ausreichend großen Strom leiten
können, um ein so starkes Feld zu erzeugen, werden sie auf eine Temperatur von nur 1,9 Kelvin
abgekühlt. Ein weiterer Vorteil dieser geringen Betriebstemperatur ist, dass das zur Kühlung
eingesetzte Helium superfluid und damit sehr gut wärmeleitend wird.
Man verwendet beim LHC nur Protonen, weil man Antiprotonen nicht in einer ausreichenden
Rate herstellen kann, um die angepeilte Luminosität von etwa 1034 cm−2 s−1 zu erreichen. Allerdings müssen aufgrund der gleichen Ladung die beiden Strahlen in getrennten Strahlröhren mit
entgegengesetztem Feld geführt werden, was die Entwicklung eines speziellen 2 in 1“-Designs
”
notwendig machte.
Da die beim LHC eingesetzten Detektoren riesig sind – der Multifunktionsdetektor ATLAS,
in dem das Higgs-Boson nachgewiesen, aber auch Messungen zur CP-Verletzung und weiteren Fragestellungen durchgeführt werden sollen, ist 46 m lang und hat einen Durchmesser von
25 m –, ist auch ein besonders aufwendiges Fokussierungssystem notwendig, dass aus einem
Triplet von Quadrupolmagneten zu beiden Seiten der Detektoren sowie zwei Dipolmagneten
zur Strahltrennung besteht. Die Strahlen kreuzen sich in einem Winkel von 0,3 mrad, was zwar
sehr klein klingt, für einen Collider aber relativ groß ist. Je kleiner der Kreuzungswinkel, desto
größer ist das Volumen, in dem Teilchen kollidieren können. Der verhältnismäßig große Kreuzungswinkel beim LHC ist notwendig, damit die Strahlen ausreichend getrennt werden und
Kollisionen wirklich nur in den dezidierten WWPen und nicht etwa schon einige Meter davor auftreten. Außerdem muss eine gegenseitige Strahlbeeinflussung durch Raumladungseffekte
vermieden werden, denn es wird eine Zahl von 2808 Paketen pro Strahl mit je 1, 1·1011 Teilchen
im Abstand von 25 ns angestrebt.
Für die Vorbeschleunigung kommt beim LHC ein System aus einem Linearbeschleuniger und
drei Synchrotrons zum Einsatz, darunter als letztes das Super-Proton-Synchrotron (SPS), das
zuvor als eigenständiger Beschleuniger betrieben wurde und nun die Protonen auf eine Energie
von 450 GeV beschleunigt, mit der sie dann schließlich in den LHC injiziert werden.
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