DEUTSCHES ÄRZTEBLATT ZUR FORTBILDUNG Extra- und intrakorporale Lithotripsie Christian EH', Heinrich Ird und Michael Marberger3 Minimal invasive Verfahren in der Urologie, Gastroenterologie und HNO-Heilkunde Extrakorporale Verfahren Innerhalb der letzten zehn Jahre wurden drei physikalisch unterschiedliche Prinzipien zur Erzeugung von extrakorporalen Stoßwellen genutzt und bis zur klinischen Reife entwickelt (1, 2, 3): 0 Das Urprinzip der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie basiert auf einer Unterwasser-Funkenstreckenentladung (elektrohydraulisches Prinzip). Dazu wird an Elektroden, die im Brennpunkt eines halbellipsoidförmigen Reflektors angebracht sind, Hochspannung angelegt. Der bei Entladung entstehende Funke führt zu einer kurzzeitigen Ausbildung einer Gasblase. Die sich dabei kugelförmig ausbreitende Druckwelle wird durch den halbellipsoidalen Reflektor in einem zweiten Brennpunkt, in dem sich das Konkrement befinden muß, fokussiert (Abbildung 1). Piezoelektrische Systeme erzeugen Stoßwellen durch einen kugelschalenförmigen Schallstrahler. Dieser ist mosaikartig mit bis zu mehreren tausend Piezokeramikelementen bestückt. Die Keramikelemente werden durch Spannungspulse kurzzeitig gedehnt. Die so in Flüssigkeit entstehenden Schallimpulse werden über entgastes Wasser fortgeleitet und in den Körper des Patienten eingekoppelt. Die Kalottenform des Schallwandlers ermöglicht die direkte Fokussierung der in Brennpunktnähe sich zu Stoßwellen vereinigenden Schallimpulse (Abbildung 1). Extra- und intrakorporale Lithotripsieverfahren haben die Behandlung des Steinleidens in den Fachgebieten Urologie, Gastroenterologie und HNO-Heilkunde im letzten Jahrzehnt entscheidend verändert: eingreifende chirurgische Methoden werden zunehmend durch neue, sogenannte minimal-invasive und daher den Patienten weniger belastende Verfahren wie Endoskopie, Laserund Stoßwellenapplikation ergänzt oder sogar ersetzt. Diese neuen Verfahren spielen besonders bei der Therapie der Harnund Gallengangsteine eine entscheidende Rolle und haben hier zum Rückgang der offenen Steinoperationen um mehr als 90 Prozent geführt (Nephrolithiasis). Inzwischen finden minimal-invasive Lithotripsiemethoden auch bei der Behandlung von Gallenblasen-, Pankreasgang- und Speichelgangsteinen zunehmend Verbreitung. über eine flexible Membran in den Patienten eingekoppelt (Abbildung 1). Bei nahezu allen in Deutschland zur Verfügung stehenden Systemen erfolgt die Steinortung entweder über einen in der Längsachse des Schallstrahlers eingebauten Ultraschallscanner und/oder einen in den Lithotripter integrierten beziehungsweise ankoppelbaren Röntgen-CBogen (Abbildung 2). Während die Ara der legendären „Badewanne" bereits zu Ende geht, stehen für alle drei physikalisch differenten Prinzipien inzwischen ausgereifte Lithotripter der sogenannten zweiten oder dritten Generation zur Verfügung. Sie erlauben eine genauere, schonendere und für den Patienten komfortablere Behandlung. Während bei der elektrohydraulischen „Badewanne" zu Beginn eine Vollnarkose unumgänglich war, genügt für die Steintherapie mit modernen Lithotriptern lediglich eine intravenöse Sedo-Analgesie. Dabei scheint die Schmerzempfindung um so geringer zu sein, je größer der Eintrittswinkel (Apertur) der Stoßwellen in den Körper ist. Diesbezüg- (1) Elektromagnetische Systeme erzeugen die zur Steinfragmentation erforderlichen Druckwellen ( = Stoßwelle) durch schlagartige Auslenkung einer Metallmembran, die durch einen elektromagnetischen Feldimpuls in Bewegung versetzt wird. Die Stoßwellen werden über die interne Wasservorlaufstrecke des Generators fortgeleitet, mit einer akustischen Linse fokussiert und C) Medizinische Klinik I mit Poliklinik (Direktor: Prof, Dr. med. Eckart G. Hahn), C Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenkranke (Direktor: Prof. Dr. med. Malte E. Wigand), Friedrich-Alexander-Universität Erlangen—Nürnberg Urologische Klinik (Direktor: Prof. Dr. med. Michael Marberger) der Universität Wien Gewidmet Herrn Professor Dr. med. Dr. med. h. c. Ludwig Demling zum 70. Geburtstag. A-3834 (42) Dt. Ärztebl. 88, Heft 45, 7. November 1991 e lich sind piezoelektrische Systeme vorbildlich. Bei ihnen kann nahezu ausnahmslos auf Analgetika oder Sedativa bei der Behandlung verzichtet werden (4). Hinsichtlich der Fragmentationsleistung sind dagegen die derzeit sich in Deutschland im Einsatz befindlichen Systeme der zweiten Generation, unabhängig vom physikalischen Prinzip, als nahezu gleichwertig anzusehen (5). Intrakorporale Verfahren Abbildung 1: Physikalische Prinzipien der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie Extrakorporale Lithotripsie - Physikalische Prinzipien Piezoelektrisch Elektrohydraulisch cc- -esoesa- Elektromagnetisch Mechanische Lithotripsie: Sie stellt die älteste Methode der intrakorporalen Steinzertrümmerung dar. Bereits im letzten Jahrhundert für die Fragmentation von Harnblasensteinen in der Urologie entwickelt, wurde die Methode Anfang der 80er Jahre von der Erlanger Arbeitsgruppe für die Anwendung bei Gallengangsteinen modifiziert und verbessert (6). Das Prinzip der mechanischen Lithotripsie besteht darin, zunächst das Konkrement mit einem Körbchen aus Drahtlitzen einzufangen. Die Drahtlitzen werden dann über eine Rändelschraube gegen eine in der Längsrichtung nicht komprimierbare Metallspirale so weit zurückgezogen, bis der Stein mechanisch zerbricht (Abbildungen 3a, b). Neuere mechanische Lithotripsieverfahren, die um die Längsachse rotierende Metallitzen oder druckluftgesteuerte Metallsonden zur Steinzertrümmerung nutzen, sind in klinischer Erprobung. Elektrohydraulische Lithotrip- sie: Der intrakorporalen elektrohy- -22.24,12. draulischen Lithotripsie liegt das gleiche physikalische Prinzip wie der extrakorporalen elektrohydraulischen Lithotripsie zugrunde. Durch Funkenstreckenentladung an einer unmittelbar in die Nähe des Steines vorgeschobenen Metallsonde wird im wässrigen Medium eine Stoßwelle induziert, die zur Steinfragmentation ausreicht. Bei fehlerhafter Applikation kann sie aber auch umgebendes Gewebe schädigen. Obwohl durch technische Verbesserungen in jüngster Zeit die Steuerung des Fragmentationsprozesses verbessert wurde, ist der Einsatz der intrakorporalen elektrohydraulischen Lithotripsiesonde aufgrund der potentiellen Nebenwirkungen nur unter direkter endoskopischer Sicht gestattet (7). Ultraschallinduzierte Lithotripsie: Bei der ultraschallinduzierten Lithotripsie werden Ultraschallwellen in einen metallenen Wellenleiter eingekoppelt und die akustische Energie direkt auf den Stein übertra- Abbildung 2: Prinzip eines dualen Ortungssystems bei der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie mit kontinuierlicher Ultraschall- und Röntgenlokalisation in situ gen. Das Risiko der Gewebeschädigung bei Fehlapplikation der Schallwellen ist wegen des hohen akustischen Kontrastes (Metall/Wasser) gering. Eine Einschränkung erfährt die Methode jedoch dadurch, daß sie nur dann erfolgreich eingesetzt werden kann, wenn keine wesentliche Krümmung des Wellenleiters erforderlich ist (zum Beispiel perkutan in der Niere). Andernfalls kommt es zu einer vorzeitigen Auskopplung der akustischen Energie im Bereich des größten Krümmungsradius (8). Laserinduzierte Lithotripsie: Zur Zeit steht der Laser im Mittelpunkt der industriellen Entwicklung und klinischen Forschung: die laserinduzierte intrakorporale Stoßwellenlithotripsie (LISWL) bietet im Gegensatz zu den bereits aufgeführten Verfahren alle erforderlichen Optionen wie Energieleitung über hochflexible Lichtleiter ohne wesentlichen Energieverlust bei anatomisch bedingten Krümmungen, hohe Fragmentationsleistung und geringes Risiko für umgebende Gewebestrukturen bei Fehlapplikation des Laserstrahls: Gepulste Festkörperlaser (Nd: YAG, Alexandrit) konkurrieren mit Flüssigkeits- Farbstofflasersystemen. Die Pulsdauer variiert zwischen Millisekunden und Nanosekunden, entsprechend auch die Leistungsspitzen zwischen 10 3 und 109 Wat.DsenrgichLlt wird über 0,2 bis 0,4 mm dünne, hochflexible Glasfasern transmittiert. Durch extreme Leistungsdichten unmittelbar vor der Steinoberfläche oder teilweise sogar direkt auf Dt. Ärztebl. 88, Heft 45, 7. November 1991 (45) A-3837 der Oberfläche kommt es zur sogenannten Plasmabildung, Plasmaexpansion und in der Folge zur Ausbildung einer Stoßwelle. Die durch die Stoßwelle induzierten Zug- und Druckkräfte führen bei Überschreiten der Festigkeitsgrenzen zur Steinfragmentation (Abbildung 4) (9). Um Farbstofflaser auch ohne direkte endoskopische Sicht, lediglich unter radiologischer Kontrolle betreiben zu können, wurde inzwischen ein opto-elektronisches Rückkopplungssystem entwickelt. Mit Hilfe dieses Verfahrens erfolgt eine automatische Abschaltung des Lasers, wenn der zu zertrümmernde Stein sich nicht direkt im Fokus des Laserstrahls befindet (10). Auch Excimer-Laser, welche im ultravioletten Spektralbereich arbeiten, kommen grundsätzlich für die laserinduzierte Lithotripsie in Frage. Mit ihnen sind sogenannte fotoablative Effekte, die weder thermischer noch elektromechanischer Natur sind, möglich. Die fotoablative Wirkung scheint durch direktes Aufbrechen von intramolekularen Verbindungen bedingt zu sein. Eine Umwandlung der optischen Energie in Wärme erfolgt nicht. Thermische Schäden sind deshalb nicht zu erwarten. Die mit Excimer-Lasern induzierte, ausgesprochen feine Fragmentation ist vor allem bei der Steinkrankheit kleiner Gangsysteme (zum Beispiel Speicheldrüsengänge) von Interesse (11). Abbildung 3a, b: Prinzip der mechanischen Lithotripsie eines Gallengangsteines Harnsteine Wenn noch zu Beginn der 80er Jahre die offene Schnittoperation an erster Stelle der therapeutischen Maßnahmen bei Harnsteinen stand, stellt heute in mehr als 90 Prozent aller Patienten die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) das Verfahren der Wahl dar. Hierfür besonders geeignet sind Nierensteine, die bevorzugt sonographisch geortet und während der Therapie kontinu- Abbildung 4: Prinzip der kontrollierten laserinduzierten Lithotripsie eines Gallensteines mittels gepulstem Nd:YAG-Lasers A 3840 - (48) Dt. Ärztebi. 88, Heft 45, 7. November 1991 ierlich beobachtet werden können (Abbildungen 5a, b) (12). Lediglich in Ausnahmesituationen ist die perkutane intrakorporale Lithotripsie erforderlich. Bei Konkrementen im Bereich des Harnleiters kommen Ultraschall oder — besonders im mittleren Harnleiterdrittel — Röntgen als Ortungsverfahren für die ESWL in Frage. Mehr als zwei Drittel aller Harnleitersteine können damit lokalisiert und fragmentiert werden. Lassen sich Uretersteine nicht orten und damit nicht mittels ESWL behandeln oder steht ein extrakorporaler Stoßwellenlithotripter nicht zur Verfügung, kommt die intrakorporale Lithotripsie über starre, halbstarre oder flexible Endoskope zum Einsatz. Weit verbreitet ist noch die Ultraschall-Lithotripsie, die allerdings starre Endoskope benötigt und damit eine höhere Belastung für den Patienten darstellt. Dagegen lassen sich für die elektrohydraulische Lithotripsie mit ihren bis zu 1 mm dünnen Lithotripsiesonden semiflexible Endoskope einsetzen. Die laserinduzierte Lithotripsie über halbstarre oder sogar flexible Endoskope verspricht, eine wertvolle Ergänzung der endourologischen Steintherapie zu werden, da sie den Sicherheitsansprüchen am besten genügt. Die ho- hen Anschaffungskosten behindern jedoch derzeit noch die weitere Verbreitung (13). Bei Harnblasensteinen stellen die mechanische Lithotripsie mit Fragmentextraktion und die elektrohydraulische Lithotrispie auch in Zukunft die Verfahren der Wahl dar. Tabelle: Auswahllaiterien für die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie von Gallenblasensteinen Einschlußkriterien —symptomatische Cholezystolithiasis —Kalkfreiheit (Röntgen-Leeraufnahme oder CT) —gute Gallenblasenfunktion (Ultraschall mit Reizmahlzeit) Gallenblasensteine Intrakorporale Lithotripsieverfahren spielen bei der Behandlung der symptomatischen Cholezystolithiasis derzeit keine Rolle. Dagegen kann die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie bei etwa zehn Prozent aller Patienten eine sinnvolle Maßnahme sein. Eine sorgfältige Selektion geeigneter Patienten entscheidet über den Erfolg dieses wenig belastenden Therapieverfahrens (Tabelle). Im Gegensatz zu der Harnsteinbehandlung ist bei der Therapie von Gallenblasensteinen eine adjuvante orale Litholysebehandlung mit Gallensalzen erforderlich. Die Steinortung erfolgt ausschließlich sonographisch. Werden nach der Lithotripsie noch größere Fragmente (> 4 mm) beobachtet, sollten frühzeitig Wiederholungsbehandlungen durchgeführt werden, um den Zeitraum bis zum Erreichen der kompletten Steinfreiheit zu verkürzen. Bei sorgfältiger Patientenauswahl, sachgerechter Behandlung und Nachbetreuung sind nach einem Jahr Steinfreiheitsraten von 70 bis 90 Prozent — Solitärstein (maximal 30 mm im Durchmesser) oder bis zu 3 Steine mit entsprechender Steinmasse Ausschlußkriterien — kompliziertes Gallensteinleiden (zum Beispiel akute oder chronische Cholezystitis, Steineinklemmung im Ductus cysticus etc.) —Gerinnungsstörungen, Antikoagulations-Therapie — schwerwiegende abdominelle Begleiterkrankungen (zum Beispiel Leberzirrhose), Schwangerschaft oder eine fehlende Bereitschaft zur Kontrazeption während der Therapie erreichbar (14, 15). Wie bei allen anderen organerhaltenden Therapieverfahren ist von Nachteil, daß bei einem Teil der Patienten (zirka 20 Prozent bei Solitärsteinen) mit Rezidivsteinen gerechnet werden muß (16). Gallengangsteine Bei der Therapie der Choledocholithiasis ist heute die endoskopische Papillotomie mit Steinextraktion auf endoskopisch-retrogradem Wege das Standardverfahren. Durch 911../ 19,01,88 09.14,38 STOP 35 25 iT 1. 6 FC FM Fhl E:F 24 24 HE u7 4 E2 E23 CAR 45 451 CL 50 501 51-03 03: EU 44441 12 4- * UROLOGIE UNI ERLANGEN 1 1 1 1 Abbildung 5: Nierenstein mit deutlichem Schallschatten vor extrakorporaler Stoßwellenlithotripsie im sonographischen Schnittbild (a, links). Nach Lithotripsie kompletter Fragmentabgang (b, rechts) diese Maßnahme, die 1974 von der Erlanger Arbeitsgruppe um Demling und Classen in die Klinik eingeführt wurde, wird bei etwa 80 Prozent aller Patienten der Ductus choledochus steinfrei (17, 18, 19). Die offene Operation kommt — insbesondere bei älteren Patienten — nur noch in Ausnahmefällen in Frage, da das perioperative Komplikations- und Letalitätsrisiko höher ist als das der endoskopischen Verfahren. In speziellen Situationen (zum Beispiel ausgedehnte intrahepatische Cholangiolithiasis) kann auch eine perkutane transhepatische Cholangioskopie mit intrakorporaler Lithotripsie zur bevorzugten therapeutischen Option werden. Gelingt es nach endoskopischer Papillotomie nicht, die Gallengangsteine zu entfernen, sollte als erste Zusatzmaßnahme die mechanische Lithotripsie zum Zuge kommen. Dieses Verfahren zeichnet sich durch Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit aus. Die mechanische Lithotripsie kann grundsätzlich im Rahmen der endoskopischen Erstbehandlung ohne größeren personellen oder apparativen Aufwand erfolgen (20). Ist das Gallengangkonkrement zu groß, zu hart oder impaktiert, so -daß eine mechanische Lithotripsie nicht möglich ist oder ohne Erfolg bleibt, kommen weitere intrakorpo- Dt. Ärztebl. 88, Heft 45, 7. November 1991 (51) A-3841 rale Lithotripsieverfahren oder auch die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie in Frage (21). Je nach Verfügbarkeit der Lithotripsiesysteme und der klinisch-endoskopischen Erfahrung ist das weitere Vorgehen zu gestalten: In einigen endoskopischen Zentren, in denen die intrakorporale elektrohydraulische Lithotripsiesonde zur Verfügung steht, bestehen gute Erfahrungen mit diesem System; Voraussetzung ist, daß die Zertrümmerung unter direkter endoskopischer Sicht unter Verwendung eines Mutter-Baby-Endoskopsystems erfolgt. Sicherer und ebenso effizient ist die laserinduzierte Lithotripsie (Abbildungen 6a, b, c). Perspektiven der laserinduzierten Lithotripsie sind die Anwendung ohne MutterBaby-Endoskop unter alleiniger radiologischer Kontrolle sowie die Option, aufgrund der kontrollierbaren Feinfragmentation bei kleineren Choledochuskonkrementen sogar auf die Papillotomie verzichten zu können (22). Als geeignetes und inzwischen auch etabliertes Verfahren für die Behandlung von „Problemsteinen" im Gallengang hat sich die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie erwiesen. Jedoch sollte sie ausschließlich in Verbindung mit den „klassischen" endoskopischen Maßnahmen wie Papillotomie und Fragmentextraktion angewandt werden. Die Belastung und zusätzlichen Risiken für die meist betagten Patienten sind bei den modernen Stoßwellenlithotriptern gering. Der zeitliche und apparative Aufwand ist allerdings im Vergleich zum rein endoskopisch-intrakorporalen Vorgehen mitunter größer (23). Abbildung 6: Laserinduzierte Lithotripsie eines Gallengangkonkrementes, vor Lithotripsie (a, links), während Lithotripsie mit Mutter-Baby-Scope-System (b, Mitte), steinfreier Choledochus nach Lithotripsie (c, rechts) Pankreasgangsteine Pankreasgangsteine, die den Sekretabfluß in den Dünndarm behindern, können den natürlichen Verlauf einer Pankreatitis wesentlich verschlechtern. In einzelnen Fällen gelingt es, nach endoskopischer Papillotomie des Pankreassphinkters kleinere Konkremente zu extrahieren. Jedoch immer dann, wenn es sich um große impaktierte Konkremente handelt, bleibt die alleinige endoskopische Therapie häufig ohne Erfolg. Aufgrund der anatomischen Verhältnisse und der mitunter schwierigen endoskopischen Zugänglichkeit des Pankreasgangsystems liegen für intrakorporale Lithotripsieverfahren bislang nur kasuistische Mitteilungen vor. Hier wird mit Verbesserung der Miniskopie und der Lasertechnologie in absehbarer Zeit Neuland betreten. Dagegen gibt es für die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie von Pankreasgangsteinen bereits eine Reihe vielversprechender Berichte über größere Patientenkollektive (24, 25). Liegen keine Gangstenosen vor, kommt es nach erfolgreicher Lithotripsie häufig zum Spontanabgang der Fragmente, oder sie können im Rahmen der endoskopischen Kontrolluntersuchung extrahiert werden (Abbildungen 7a, b, c). Wie bei Gallengangsteinen ist die Behandlung von Konkrementen im Pankreasgangsystem immer eine Kombination aus endoskopischen Maßnahmen und extrakorporaler Lithotripsie. Auch wenn das Risiko einer schwerwiegenden Komplikation (insbesondere akute Pankreatitis) unter ein Prozent liegt, sollte aufgrund der schwierigen Patientenselektion und den entsprechenden endoskopischen Begleitmaßnahmen (zum Beispiel Spaltung des Pankreasgangsphinkters) die Lithotripsiebehandlung von Pankreasgangsteinen auf Zentren beschränkt bleiben. Speichelsteine Abbildung 7: Pankreasgangstein vor extrakorporaler Lithotripsie (a, links), nach Lithotripsie mit Restfragmenten (b, Mitte), steinfreier Pankreasgang nach endoskopischer Fragmentextraktion (c, rechts) A-3842 (52) Dt. Ärztebl. 88, Heft 45, 7. November 1991 Die Behandlung von Speichelsteinen war bisher allein auf operati- ve Maßnahmen begrenzt und richtete sich nach der Lage der Konkremente: Neben der Papillenschlitzung und Steinextraktion bei papillennahen Konkrementen war bei allen anderen Steinlokalisationen die Exstirpation der Drüse mit dem Risiko der Verletzung von wichtigen benachbarten Nervenstrukturen (zum Beispiel N. facialis) erforderlich. Miniendoskopie und Lasertechnologie ermöglichen heute die minimal-invasive Therapie unter Belastung der Drüse und Minimierung der Risiken. Allerdings ist die Zahl der mit der laserinduzierten Lithotripsie behandelten Patienten noch gering, und die Ergebnisse an größeren Serien müssen abgewartet werden (11). Als elegantes und insbesondere bei Parotissteinen sehr erAbbildung 8: Konkrement im Ausführungsgang der Glandula submandibularis vor Lithotripsie (a, oben); unmittelbar nach extrakorporaler Stoßwellentherapie Steinfragmentation, erkennbar am unregelmäßigen Echomuster und der reduzierten dorsalen Schallauslöschung (b, links) folgreiches Verfahren erweist sich die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (26, 27, 28). Allerdings liegen bisher nur für das piezoelektrische Stoßwellenprinzip ausreichende Grundlagenuntersuchungen vor, die auch den klinischen Einsatz erlauben (29, 30). Nahezu alle Patienten mit symptomatischer Sialolithiasis werden bereits nach der ersten Lithotripsie beschwerdefrei. Bei exakter sonographischer Lokalisation der Stoßwellen kann bei Parotissteinen mit einer bis zu 85prozentigen Steinfreiheit innerhalb von drei Monaten gerechnet werden. Bei Konkrementen im Bereich der Drüsengänge der Glandula submandibularis ist die Steinfreiheitsrate jedoch maximal bei 50 Prozent anzusetzen (Abbildungen 8 a, b). Bei Anwendung der piezoelektrischen Stoßwellen kann auch im Kopf-Hals-Bereich auf die Verwendung von Anästhesie oder Analgesieverfahren komplett verzichtet werden. Über nennenswerte Komplikationen wurde bisher nicht berichtet. Die Erfahrungen mit der ESWL bei Sialothiasis sind jedoch noch auf wenige Zentren begrenzt; zur endgültigen Beurteilung auch dieses Therapieverfahrens müssen Langzeitergebnisse abgewartet werden. Für die Durchsicht des Manuskriptes in physikalisch-technischer Hinsicht möchten wir uns bei Herrn Dr. R. D. Riedlinger, Fachbereich Akustik im Institut für Höchstfrequenztechnik, Universität Karlsruhe, herzlich bedanken. Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser. Anschrift für die Verfasser: Privatdozent Dr. med. Christian Ell Oberarzt der Medizinischen Klinik I mit Poliklinik der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg Krankenhausstraße 12 W-8520 Erlangen Dt. Ärztebl. 88, Heft 45, 7. November 1991 (55) A 3843 -