Allgemeine Algebren

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Allgemeine Algebren
Bernhard Ganter
Institut für Algebra
TU Dresden
D-01062 Dresden
[email protected]
Bernhard Ganter, TU Dresden
Mathematik I für Informatiker
Operationen
Eine Operation auf einer Menge A ist eine Abbildung
f : An → A.
An ist dabei die Menge aller n-Tupel mit Einträgen aus A.
Man nennt n die Stelligkeit der Operation f ; dies wird auch durch
σ(f ) = n
ausgedrückt.
Die Menge A ist die Trägermenge der Operation f .
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Mathematik I für Informatiker
Schreibweisen (1)
Für zweistelligen Operationen verwendet man gern Symbole,
die an die Zeichen erinnern, die man beim Rechnen benutzt,
wie +. Man benutzt dann die Infixnotation, bei der das
Operationssymbol zwischen die Argumente geschrieben wird,
d.h., man schreibt
a1 f a2
statt f (a1 , a2 ).
Einstellige Operationen stellt man oft in der
Exponentenschreibweise dar, schreibt also
af
statt f (a).
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Mathematik I für Informatiker
Schreibweisen (2)
Nullstellige Operationen benötigen kein Argument und liefern
ein konstantes Ergebnis. Man kann sie mit den Elementen von
A identifizieren ( Konstanten“).
”
In der Informatik betrachtet man oft allgemeiner mehrsortige
Operationen, bei denen es mehrere Trägermengen gibt. Das
wird in etwa so angegeben:
wohnt in : Person × Stadt → boolean.
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Signatur
Eine Signatur Σ := (F, σ) einsortiger Algebren (auch
Rangalphabet genannt), besteht aus einer Menge F, deren
Elemente wir Operationssymbole nennen, und einer Abbildung
σ : F → N0 , die jedem Operationssymbol eine Stelligkeit zuordnet.
Um eine Signatur anzugeben, schreibt man meist nur σ als Menge
von Paaren auf.
Die Signatur {(◦, 2), (−1 , 1), (e, 0)} kann man z.B. für Gruppen
verwenden.
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Mathematik I für Informatiker
Algebra
Eine (allgemeine) Algebra zur Signatur Σ := (F, σ) ist ein Paar
A := (A; F ), wobei A eine Menge und F eine Folge von
Operationen auf A ist mit der Eigenschaft, dass es in F zu jedem
Operationssymbol aus F genau eine Operation der entsprechenden
Stelligkeit gibt (und keine weiteren Operationen).
Die Folge der Stelligkeiten nennt man den Typ der Algebra. Die
Menge A ist die Trägermenge der Algebra.
Die Operationen in F sind die fundamentalen Operationen der
Algebra.
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Strukturenzoo: Binar und Halbgruppe
Eine Algebra vom Typ (2) ist ein Binar (auch Gruppoid
genannt). Ein assoziatives Gruppoid ist eine Halbgruppe.
Ein besonders wichtiges Beispiel einer Halbgruppe erhält man
folgendermaßen: Zu einer Menge S (dem Alphabet“) bildet
”
man die Menge aller Tupel ( Wörter“). Als zweistellige
”
Operation nimmt man die Verkettung, die Wörter einfach
aneinanderhängt. Man erhält so die Worthalbgruppe über
dem Alphabet M.
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Strukturenzoo: Monoid
Eine Halbgruppe mit neutralem Element, also eine Algebra der
Signatur((◦, 2), (e, 0)), die für alle Elemente a, b, c aus der
Trägermenge die Gesetze a ◦ (b ◦ c) = (a ◦ b) ◦ c und
a ◦ e = e ◦ a = a erfüllt, ist ein Monoid. Es kann in einem
Monoid nur ein neutrales Element geben.
Lässt man bei der Worthalbgruppe das leere Wort zu (das
Nulltupel), dann wird die Worthalbgruppe zu einem Monoid.
Ein weiteres wichtiges Beispiel eines Monoids besteht aus allen
Abbildungen einer Menge in sich; neutrales Element ist dabei die
identische Abbildung, die zweistellige Operation ist die
Hintereinanderausführung der Abbildungen.
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Strukturenzoo: Halbverband
Ein Halbverband ist eine kommutative idempotente
Halbgruppe, d.h. eine Halbgruppe (H; ∨) mit
x ∨y =y ∨x
x ∨x =x
und
für alle x, y ∈ H.
Einfache Beispiele von Halbgruppen erhält man aus Wurzelbäumen.
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Strukturenzoo: Quasigruppe
Eine Quasigruppe ist ein Gruppoid, in dem zu je zwei
Elementen a, b stets genau ein Element x und genau ein
Element y existieren mit
a·x
sowie
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= b
y · a = b.
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Strukturenzoo: Gruppe
Eine Gruppe ist eine Algebra (G ; ◦,−1 , e) vom Typ (2, 1, 0)
mit folgenden Eigenschaften:
(G , ◦, e) ist ein Monoid,
es gilt g ◦ g −1 = g −1 ◦ g = e für alle g ∈ G .
Die Gestalt der Operationssymbole ist dabei nebensächlich, oft
werden z.B. auch die Symbole +, −, 0 benutzt.
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Strukturenzoo: Gruppe (2)
Durch die zweistellige Operation sind die anderen fundamentalen
Operationen einer Gruppe eindeutig bestimmt. Manche Autoren
definieren deshalb eine Gruppe als eine Algebra (G ; ◦) vom Typ
(2), die folgenden Gesetzen genügt:
Die Operation ◦ ist assoziativ.
Es gibt ein Element e ∈ G , so dass für alle g ∈ G die
Gleichung e ◦ g = g ◦ e = g gilt.
Zu jedem Element g ∈ G existiert ein Element g −1 ∈ G mit
g ◦ g −1 = g −1 ◦ g = e.
Wir bevorzugen die erste Definition, weil sie logisch etwas einfacher
ist: alle Bedingungen sind Gleichungen.
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Beispiele von Gruppen
Gruppen tauchen vielfältig in der Arithmetik auf:
die ganzen Zahlen,
die rationalen Zahlen,
die reellen Zahlen und
die komplexen Zahlen
bilden jeweils mit der Addition eine Gruppe,
die von Null verschiedenen rationalen Zahlen,
die von Null verschiedenen reellen Zahlen bzw.
die von Null verschiedenen komplexen Zahlen
mit der Multiplikation als zweistellige Operation bilden ebenfalls
eine Gruppe.
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Beispiele von Gruppen (2)
All diese Gruppen sind abelsch, was das gleiche bedeutet wie
kommutativ. Diese Eigenschaft haben auch die Gruppen
Zn := ({0, 1, . . . , n − 1}; + mod n) der ganzen Zahlen modulo n.
Nichtabelsche Gruppen spielen ebenfalls eine große Rolle. Die
Menge alle bijektiven Abbildungen einer Menge S auf sich ist, mit
der Hintereinanderausführung von Abbildungen als Operation, eine
Gruppe. Sie wird die symmetrische Gruppe auf S genannt. Hat S
mehr als zwei Elemente, dann ist die symmetrische Gruppe nicht
abelsch.
Als Faustregel kann man sich merken, dass Monoide zur
Beschreibung von Vorgängen taugen, während Gruppen zur
Beschreibung reversibler Vorgänge geeignet sind.
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Strukturenzoo: Ring
Ein Ring eine Algebra (R; +, −, 0, ·) vom Typ (2, 1, 0, 2) mit
der Eigenschaft, dass (R; +, −, 0) eine abelsche Gruppe ist
und die Operation · assoziativ sowie über der Operation +
distributiv ist.
Hat man zusätzlich noch ein neutrales Element der
Multiplikation · (als Operationssymbol nimmt man dafür gern
das Symbol 1), dann spricht man von einem Ring mit Eins.
Neben den ganzen Zahlen und den Körpern bekommt man auf
folgende Weise eine wichtige Beispielklasse:
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Polynomringe
Ist (R; +, −, 0, ·, 1) ein Ring mit Eins und ist X ein Symbol,
welches nicht in R liegt, dann bezeichnet R[X ] die Menge aller
Ausdrücke der Form
{r0 + r1 X + r2 X 2 + . . . + rn X n | n ∈ N, alle ri ∈ R}.
Man nennt diese Ausdrücke Polynome über dem Ring R. Solche
Polynome kann man auf die gewohnte Weise miteinander addieren
und multiplizieren. Dadurch wird R[X ] zum Polynomring über R.
Man kann eine Division mit Rest auch für Polynome definieren.
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Strukturenzoo: Körper
Ein Körper ist ein Ring (K ; +, −, 0, ·, 1) mit Eins, bei dem die
Multiplikation · eine Gruppenoperation auf K \ {0} ist.
Die bekanntesten Beispiele von Körpern sind die rationalen, die
reellen und die komplexen Zahlen. Diese Körper sind sogar
kommutativ (was bedeuten soll, dass auch die Multiplikation
kommutativ ist). Nichtkommutative Körper nennt man echte
Schiefkörper. Sie spielen in unserer Vorlesung keine Rolle.
Für die Informatik wichtig sind auch die endlichen Körper, die
man aus dem Modulo-Rechnen gewinnt.
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Strukturenzoo: Vektorraum
Ein Vektorraum über einem Körper K ist eine abelsche
Gruppe mit der Eigenschaft, dass es zu jedem Element k von
K ( Skalar“) eine einstellige Operation
”
( Skalarmultiplikation“)
”
v 7→ kv
auf V gibt mit folgenden Eigenschaften:
k1 (k2 v ) = (k1 k2 )v ,
k(v1 + v2 ) = kv1 + kv2 ,
(k1 + k2 )v = k1 v + k2 v
1v = v .
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Beispiele von Vektorräumen
Die Menge Kn aller n-Tupel mit Komponenten aus einem
Körper K bildet mit der komponentenweisen Addition
(a1 , a2 , . . . , an )+(b1 , b2 , . . . , bn ) := (a1 +b1 , a2 +b2 , . . . , an +bn )
und der Skalarmultiplikation
λ(a1 , a2 , . . . , an ) := (λa1 , λa2 , . . . , λan )
einen Vektorraum.
Die Polynome K[X ] bilden einen K-Vektorraum.
Die Abbildungen von K nach K bilden einen K-Vektorraum.
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Strukturenzoo: Verband
Ein Verband (V ; ∨, ∧) ist eine Algebra vonm Typ (2, 2), bei
der (V ; ∨) und (V ; ∧) Halbverbände sind, die durch die
folgenden Absorptionsgesetze miteinander verbunden sind:
x ∨ (x ∧ y ) = x
für alle x, y ∈ V .
x ∧ (x ∨ y ) = x
Verbände tauchen unablässig in Mathematik und Informatik auf,
typischerweise dann, wenn es gilt, die Teile einer Struktur
bezüglich ihrer Enthaltenseinsordnung zu beschreiben.
Begriffsverbände sind natürlich Beispiele von Verbänden. Jeder
vollständige Verband ist zu einem Begriffsverband isomorph.
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Distributive Verbände
Ein Verband heißt distributiv, falls die folgenden
Distributivgesetze erfüllt sind:
x ∨(y ∧z) = (x ∨y )∧(x ∨z)
für alle x, y , z ∈ V .
x ∧(y ∨z) = (x ∧y )∨(x ∧z)
Jedes dieser beiden Gesetze impliziert das andere.
Die Menge aller Teilmengen einer beliebigen Menge M bildet einen
distributiven Verband, wobei die Verbandoperationen die
Vereinigung und der Durchschnitt von Mengen ist.
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Strukturenzoo: Boolesche Algebra
Eine Boolesche Algebra1
(B; ∨, ∧, 0 , 0, 1)
ist vom Typ (2, 2, 1, 0, 0), wobei (B; ∨, ∧) ein distributiver
Verband ist und für alle x, y ∈ B folgende Gleichungen gelten:
x 00 = x,
x ∨ 1 = 1,
x ∧ 0 = 0,
x ∨ x 0 = 1,
x ∧ x 0 = 0,
0
0
(x ∨ y ) = x ∧ y 0 ,
(x ∧ y )0 = x 0 ∨ y 0 .
1
Nach George Boole (1815–1864). Also bitte nicht: Bolsche Algebra,
Boolsche Algebra, Bollesche Algebra, Boule-Algebra, Boulez’sche Algebra,. . .
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