Das Sentinel-Lymphknotenkonzept beim

Werbung
Persönliche PDF-Datei für
N. Czech
www.thieme.de
Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag
Das SentinelLymphknotenkonzept beim
Mammkarzinom und anderen
gynäkologischen Tumoren
DOI 10.1055/s-0034-1398675
Der Nuklearmediziner 2015; 38: 34–39
Nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt.
Keine kommerzielle Nutzung, keine Einstellung
in Repositorien.
Verlag und Copyright:
© 2015 by
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14
70469 Stuttgart
ISSN 0723-7065
Nachdruck nur
mit Genehmigung
des Verlags
34 Normalbefunde Konventioneller NUK-Diagnostik (non-PET)
Das Sentinel-Lymphknotenkonzept beim Mammkar­
zinom und anderen gynäkologischen Tumoren
The Concept of the Sentinel Lymphnode in Carcinoma of the Breast and other
Gynaecological Tumors
Autor
N. Czech
Institut
Zentrum für Nuklearmedizin und PET/CT Bremen
Schlüsselwörter
▶ präoperative Diagnostik
●
▶SLN-Konzept
●
▶ SLN-Szintigrafie
●
▶SPECT/CT
●
Zusammenfassung
Abstract
Das Konzept der Sentinel-Lymphknoten ist von
immer größer werdender Bedeutung, um das
therapeutische Management bei Krebspatienten
zu stratifizieren. Seit Langem wird der große
Stellenwert dieser Methode durch die vielen Veröffentlichungen in der Fachliteratur und bereits in
seinen Anfängen durch Editorials in den wichtigsten medizinischen Fachzeitschriften [7, 10] unterstrichen. Dieses Verfahren hat sich in der Routine
etabliert, wird präoperativ beim Mammakar­
zinom und auch beim Malignen Melanom eingesetzt und ist dort bereits Bestandteil der Leitlinien.
Da Unterschiede in der Praxis in fast allen
­Aspekten der SLN-Technologie festzustellen sind,
gibt diese Arbeit einen Überblick über den aktuellen Stand der SLN-Diagnostik beim Mammakarzinom und anderen gynäkologischen Tumoren.
The concept of the sentinel lymph node gains increasing importance to stratify patients for
appropriate surgery in cancer. The great relevance is judged by many studies and attention has
been paid to this subject by editorials in the major medical journals since early publications
[7, 10]. This method is an established part of clinical routine procedures and clinical guidelines
in the treatment of breast cancer and of malignant melanoma. Since there are significant differences in practice related to almost all aspects of
the technology involved, this paper summarizes
the current situation of SLN diagnostics in carcinoma of the breast and other gynaecological
­tumors.
Key words
▶ preoperative diagnostic
●
▶ concept of SLN
●
▶ SLN scintigraphy
●
▶SPECT/CT
●
▼
Lymphatisches System und Lymphknotenszintigrafie
▼
Bibliografie
DOI http://dx.doi.org/
10.1055/s-0034-1398675
Der Nuklearmediziner 2015;
38: 34–39
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York
ISSN 0723-7065
Korrespondenzadresse
Norbert Czech
Zentrum für Nuklearmedizin
und PET/CT Bremen
Schwachhauser Heerstraße 54
28209 Bremen
Tel.: + 49/421/84131 313
Fax: + 49/421/84131 314
[email protected]
In den letzten 50 Jahren hat sich über das
lymphatische System, seine Dynamik und Funktion eine enorme Menge von Kenntnissen angesammelt. Etwa 2–3 Liter Lymphe fließen jeden
Tag in den Lymphkreislauf, gleichbedeutend mit
einem Lymphfluss von etwa 120 ml/h unter
­Ruhebedingungen. Der lymphatische Strom kann
unter Belastung um einen Faktor 10–30 zunehmen. Die lymphatischen Kanäle kontrahieren
und entspannen sich alle 2–3 min. Das lymphatische System ist folglich ein äußerst dynamisches
und reagibles System. Es ist bekannt, dass Lymphgefäße größer sind als die umgebenden Kapillaren und dass diese Endgefäße darstellen, deren
unidirektionale Flussrichtung durch Gefäßklappen gesichert werden. Ungebundene bzw. von
einem Primärtumor abgelöste Zellen gelangen
über interstitielle Spalten und Kanäle zum initia-
▼
len Lymphgefäß und mit dem Lymphstrom über
pränodale, afferente Gefäße zu den zwischengeschalteten Lymphknoten.
Das Konzept der SLN-Biopsie (Sentinel-Lymph-­
Node-Biopsie) geht davon aus, dass im Falle des
Fehlens von Karzinomzellen in den Sentinel-Lymphknoten auch kein Tumorbefall in den
weiteren nachgeschalteten Lymphknoten vorliegt. Nach operativer Entfernung nur der SLN
kann im Fall eines negativen Befundes auf eine
radikale Lymphadenektomie einhergehend mit
erhöhter Morbidität verzichtet werden. Die heutigen Verfahren für die SLN Detektion und Lokalisation schließen auch Kombinationen von Radiopharmazeutika, Färbemitteln (z. B. blue dye),
präoperativer szintigrafischer Bildgebung sowie
intraoperativer Gammasondendetektion ein, gefolgt von einer chirurgischen Entfernung der entdeckten Lymphknoten. Bei Kombination mit der
intraoperativen Applikation von blue dye wird
eine falsch-negative Rate von bis zu 7,3 % mit
Czech N. Das Sentinel-Lymphknotenkonzept beim Mammkarzinom … Der Nuklearmediziner 2015; 38: 34–39
Normalbefunde Konventioneller NUK-Diagnostik (non-PET) 35
­ iner hohen Präzision (Detektion der SLN) von 91,9–95 % beim
e
Mammakarzinom berichtet [34]. Die Präzision ist um so ausgeprägter, je erfahrener das Untersucherteam ist [6]. Etwa 1–2 %
der SLN werden weder präoperativ noch intraoperativ nachgewiesen.
Es gibt keine Einigkeit bezüglich aller Durchführungsdetails.
Meinungsverschiedenheiten bestehen hinsichtlich der Größe
der radioaktiven Partikel, des Zeitpunktes der Szintigrafie und
der intraoperativen Detektion. Soweit möglich, sollte jedoch
eine präoperative Bildgebung verwendet werden, da diese im
Vergleich zu einer alleinigen Nutzung einer Gammasonde zu
­einer verbesserten Präzision und Verminderung der operationsbedingten Morbidität führt [25]. Außerdem kann die Lymph­
szintigrafie ungewöhnliche Drainagemuster nachweisen, wie
z. B. paraaortale oder präsakrale Lymphknoten, die im Rahmen
der Behandlung des Vulvakarzinoms hilfreich sein können [2].
Unterschiedliche 99mTc-markierte Radiopharmaka werden in
der radioguided SLN-Detektion beim Mammakarzinom und an▶ Tab. 1) [33].
deren gynäkologischen Karzinomen angewandt ( ●
Das ideale Radiopharmazeutikum sollte einen zügigen Abstrom
in Richtung der SLN aufweisen mit einer dann anhaltenden Retention in den Lymphknoten [20]. Im Allgemeinen variieren der
Abfluss, die Verteilung und der Abtransport der radioaktiven
Kolloide in Abhängigkeit von der Partikelgröße. Kleine Partikel
werden schneller drainiert und abgeräumt, während bei größeren Partikeln dies verzögert geschieht. Mehrere Studien zeigten,
dass die Nachweisrate von SLN im Wesentlichen nicht durch die
Partikelgröße der Radiotracer beeinflusst wird [4]. Die Wahl des
Tracers basiert daher eher auf dessen Verfügbarkeit als auf den
Unterschieden in der SLN-Detektion. Beispielhaft ist das
99m
Tc-Nanokolloid (Nanocoll) in Europa zugelassen und wird
­daher bevorzugt eingesetzt.
Die Partikelgröße bestimmt jedoch den Zeitpunkt der präoperativen Szintigrafie und der intraoperativen Detektion der SLN:
während kleine Partikel einen schnellen Nachweis der SLN ermöglichen haben größere Partikel den Vorteil einer längeren
Retention im SLN. Das erlaubt auch eine intraoperative Detek­
tion am Folgetag und reduziert den Abfluss in nicht sentinel
lymph nodes. Die SLN sind generell bis spätestens nur 2 h nach
Tracerapplikation nachweisbar und die Patientin sollte ­innerhalb
von 24 h p. i. operiert werden [4, 12, 13].
Eine Gesamtaktivität von 5–30 MBq wird beim Mammakar­
zinom allgemein als ausreichend für eine am selben Tag geplante chirurgische Maßnahme angesehen. Wenn die Tracerapplika­
tion am Nachmittag vor der Operation erfolgt, werden bis zu
150 MBq als nötig erachtet [12]. Bei oberflächlicher Applikation
(periareolär, subcutan, intradermal oder subareolär) können
große Tracervolumina den normalen lymphatischen Fluss stören. Deshalb werden Volumina von 0,05–0,5 ml [4] bevorzugt.
Größere Volumina (z. B. 0,5–1,0 ml) werden bei peritumoraler
Injektion verwendet [15]. Beim Cervixcarcinom werden zumeist
Aktivitäten von bis zu 110 MBq in einem Gesamtvolumen von
2 ml angewandt. Die Spritze sollte auch eine ähnliche Menge an
Luft enthalten, um den Totraum der Spritze und Kanüle [13] zu
Radiopharmakon, z. B.
klären. Für die komplexere endometriale Applikation sind mehrere Techniken beschrieben worden. So kann die eingespritzte
Gesamtaktivität von 40 bis 185 MBq und das Volumen von 0,5
bis 8 ml [32] variieren. Beim Vulvakarzinom werden 2–4 Einspritzungen des Radiotracers mit einer Gesamtdosis von
20–150 MBq in einem Volumen von 0,4–0,5 ml (0,1 ml pro Einspritzung) [26] durchgeführt. Je höher die spezifische Traceraktivität ist, desto höher sind die Lymphknotenaktivitäten bei derselben applizierten Aktivität.
Tracerapplikation und szintigrafische Bildgebung
▼
Weit verbreitete Applikationstechniken umfassen beim Mammakazinom die peritumorale, subdermale, periareoläre, subareoläre und intradermale Injektionen. Alle genannten Techniken
ermöglichen eine SLN-Detektion. Die Methode der Einspritzung
beeinflusst die Identifikation der axillären SLNs nicht wesentlich. Eine anschließend durchgeführte Massage des Injektionsortes erhöht den Tracerabstrom und kann auch bei verzögertem
Abfluss zu jedem Untersuchungszeitpunkt angewandt werden
[22].
Beim Cervixkarzinom wird das Radiopharmazeutikum peritumoral in die 4 Quadranten der Cervix mit 20er oder 22er-Gauge-Spinalkanülen eingespritzt. Eine oberflächliche Injektion
wird bei kleinen Tumoren bevorzugt, die Einspritzung in den
nekrotischen Teil eines größeren Tumors sollte vermieden
­werden.
Die Cervixinjektion stellt beim Endometriumkarzinom die einfachste Art der Tracerinstillation dar und ist mit der o. g. Applikationsart wie beim Cervixkarzinom vergleichbar. Es ist ein
2-Tages-Protokoll möglich mit Lymphknotenmapping mittels
Szintigrafie, SPECT und/oder SPECT/CT. Mithilfe der Hysteroskopie ist eine endometriale, peritumorale Applikation zu Beginn
einer Operation möglich, jedoch wäre dann ein szintigrafisches
Lymphmapping ausgeschlossen. Einen neuen Ansatz stellt die
mit transvaginalem Ultraschall gesteuerte subseröse Tracerapplikation dar [32].
Die oberflächliche Lage der Vulvakarzinome gestaltet die Tracer­
injektion einfacher als bei anderen gynäkologischen Tumoren.
Nach Lokalanästhesie auf Creme- oder Spraybasis sind 3–4
­intradermale, peritumorale Injektionen ausreichend.
Sobald der Radiotracer appliziert wurde, kann die Passage durch
das lymphatische System dokumentiert werden. Die Bildgebung
konventioneller Gammakameras sollte an den zeitigen Abstrom
des Tracers in das lymphatische System angepasst sein. Es ist so
der zügige Abtransport des Radiokolloids von der Applikationsstelle nachweisbar. Frühzeitig wird aber ein fehlender Abfluss
dokumentiert.
Für Endometrium- und Ovarialkarzinome wird eine dynamische
Studie nicht verwendet, während beim Mammakarzinom häufiger dynamische Studien angefertigt werden. Die meisten Zen­
tren fertigen Szintigramme 15–30 und 60–120 min nach der
Einspritzung an, gelegentlich bis zu 18–24 h p. i. Die Injektion
Partikelgröße (nm) Maximum
®
Nanokolloidales Albumin (Nanocoll )
Zinnkolloid
Dextran
Nanokolloidales Sulfid (Lymphoscint®)
Nanokolloidales Rheniumsulfid (Nanocis®)
100
800
800
80
500
durchschnittliche Größe
5–80
30–250
10–400
10–50
50–200
Tab. 1 (99mTc-markierte Pharmaka
in Europa).
Czech N. Das Sentinel-Lymphknotenkonzept beim Mammkarzinom … Der Nuklearmediziner 2015; 38: 34–39
36 Normalbefunde Konventioneller NUK-Diagnostik (non-PET)
a
b
L
L
Y
Abb. 1 2 h p. i., Mammakarzinom links, Untergrundkontrastierung mit 99 mTc-Flächenphantom;
a ventrales Szintigramm y – Yugulummarkierung,
x – Xiphoidmarkierung; b LAO 45 ° Szintigramm;
jeweils Bleiabdeckung der Applikationsstelle.
X
Abb. 2 Ventrales
Szintigramm 2 h p. i.,
Mammakarzinom links,
mit Konturmarkierung.
und Bildgebung können am Tag vor dem Eingriff oder am Tag der
chirurgischen Maßnahme ausgeführt werden. Spät-Szintigramme sind nützlich, um die Drainage zu weiteren Lymphabflussregionen nachzuweisen. Planare Aufnahmen werden über mindestens 3–5 min in ventraler und seitlicher Sicht angefertigt, im
Fall einer Mammauntersuchung ist auch eine anterior-oblique-45 °-Sicht der betroffenen Seite sinnvoll. Eine 256 × 256 oder
eine 128 × 128 Matrix mit dem Zoom 1 bzw. 2 sind die meistens
verwendeten Optionen. Ein 57Co- oder 99mTc-Flächenphantom
kann für eine gute Abgrenzung der Körperkontur der Patientin
▶ Abb. 1). Ansonsten sollte die Kontur mit
genutzt werden ( ●
­einer z. B. 99mTc-Punktquelle (Spritze) nachgezogen werden
▶ Abb. 2). Die Stelle der vermuteten SLN’s sollte mittels
( ●
­Punktquelle aufgesucht und auf der Haut farblich gekennzeichnet werden.
Die herkömmliche planare Bildaufbereitung hilft, ist jedoch
nicht in der Lage, die entdeckten SLN anatomisch genau zu lokalisieren [30]. Die bekannten Hybridsysteme mit einer Kombination aus SPECT-Gammakamera und integriertem CT-Scanner
(SPECT/CT) verschmelzen die tomografischen Lymphszintigramme mit den morphologischen Daten. Diese Gerätekombination
ermöglicht eine genaue anatomische Lokalisierung des SLN und
leistet einen wertvollen Beitrag zur Operationsplanung [24]. Die
Anwendung der planaren szintigrafischen SLN-Detektion ist
auch beim Malignen Melanom sowie den Kopf- und Halstumoren mit eher oberflächlichen Lymphabstrom weiter entwickelt
worden. Jedoch kann es schwierig sein, die tiefe Lymphdrainage
wie beim Mammakarzinom oder gynäkologischen Tumoren,
insbesondere beim Cervixkarzinom und Uteruskarzinom allein
mit planaren Szintigrammen zu lokalisieren. Hier sollte eine
SPECT/CT-Untersuchung bevorzugt eingesetzt werden, da sie
▶ Abb. 3). Dennoch gibt
eine bessere Orientierung geben kann ( ●
es noch sehr wenige Studien, die SPECT/CT bei gynäkologischen
Tumoren evaluierten und die Untersuchungsserien waren eher
klein.
Eine SPECT/CT wird gewöhnlich sofort nach der letzten planaren
Szintigrafie durchgeführt. Es gibt kein festgelegtes Protokoll für
die SPECT-Untersuchung. Im Allgemeinen sind 120 Projektionen
(60 pro Detektorkopf), 3 °-Winkelschritt und 15–25 s pro Projektion, 128 × 128 Matrix mit Zoom 1 die akzeptierten Parameter.
Die CT-Parameter sind abhängig vom jeweiligen CT-Gerät. Die
low dose CT (140 kV, 2,5 mA) und die konventionelle CT (140 kV,
30–150 mA) liefern anatomische Informationen für die SLN-­
Lokalisation und Schwächungskorrektur. Während die low
dose-Untersuchungstechnik ein strahlungsarmes Routinever­
fahren darstellt, ist die konventionelle CT insbesondere den
adipösen Patientinnen oder Patientinnen mit Kontrastmittel­
gabe vorbehalten.
Beim Vulva- und Cervixkarzinom sind die SPECT/CT-Aufnahmen
besonders hilfreich im Nachweis von SLN in unübliche Regionen
und weisen eine höhere Detektionsrate im Vergleich zur
▶ Abb. 4).
blue dye-Methode und Sondenmessung auf [35] ( ●
­Pandit-Taskar et al. [24] berichteten über SPECT/CT-Untersuchungen bei 40 Patientinnen mit Endometriumkarzinom. Auch
hier lag die Detektionsrate höher (100 %) als allein in der planaren Szintigrafie, mit der Gammasonde oder blue dye (75 % vs.
93 % vs. 83 %). Die SPECT/CT beim Mammakarzinom ist insbesondere indiziert bei negativer oder schwierig zu interpretierender planarer Szintigrafie, Adipositas, extraaxillären SLN’s und
atypischen Lymphabfluss [24, 30].
Fluoreszenzbildgebung, Minigammakameras und freihändige
SPECT (FhSPECT) werden als Alternativen zur Bild-gestützten
SLN-Resektion aufgeführt. Die beiden zuerst genannten Techniken liefern 2D-Bildmaterial von fluoreszierend bzw. radioaktiv
markierten SLNs [16, 28]. Das FhSPECT generiert intraoperativ
3D-Darstellungen der Radioaktivitätsverteilung [3]. Die hohe
patientenbasierte Detektionsrate von 92,3 % und die läsionsbasierte Nachweisrate von 92,7 % zeigen, dass die FhSPECT-Methode mit der Sensitivität der planaren Szintigrafie vergleichbar ist
und die Empfindlichkeit der Gammasonde sogar übersteigt. Zudem kann das Verfahren gut in den operativen Ablauf integriert
werden und ist zur bildgestützten Qualitätskontrolle geeignet.
Die Gammasonden stellen nicht bildgebende Untersuchungstechniken dar, die für den intraoperativen Gebrauch optimiert
sind. Sie erlauben den Nachweis eines spezifischen Signals die
von einer bestimmten Körperregion mit der größten Radiotracerkonzentration ausgeht. Aufgrund des zunehmenden Einsat-
Czech N. Das Sentinel-Lymphknotenkonzept beim Mammkarzinom … Der Nuklearmediziner 2015; 38: 34–39
Normalbefunde Konventioneller NUK-Diagnostik (non-PET) 37
a
Abb. 3 SPECT/CT 2,5 h p. i., Mammakarzinom
links, gleiche Patientin aus ●
▶ Abb. 2; a coronal, b
transversal.
b
Abb. 4 a Ventrales Szintigramm, Vulvakarzinom,
1,5 h p. i. ohne/mit Bleiabdeckung der Applika­
tionsstelle; b SPECT/CT 2 h p. i., SLN-Kette rechts
iliakal und paraaortal.
a
R
ventral
L
R
ventral
L
b
zes der sondengestützten SLN-Detektion in der Onkologie hat
sich die Sondentechnologie im Laufe der letzten Jahre deutlich
verbessert, um die Tragbarkeit, Handhabung und die Signaldetektion zu optimieren. Die Qualität der Geräte wird gewöhnlich
bestimmt durch die Empfindlichkeit, Auflösung, Energieauflösung, Kollimierung und weitere Eigenschaften, die durch Routinetests überprüfbar sind [27].
Klinische Ergebnisse bei der SLN-Markierung beim
Mammakarzinom
▼
Seit 2 Jahrzehnten wird die SLN Detektion und Biopsie routinemäßig im Brustkrebsmanagement, insbesondere zur Planung
einer ALND (axilläre Lymphknotendissektion) eingesetzt und
trägt zur Verminderung der Invasivität von Operationsverfahren
bei [25, 31]. Die genauen Indikationsstellungen sind in vielen
­Publikationen und Leitlinien, z. B. der ASCO (American Society of
Clinical Oncology), aufgeführt [11, 20, 31]. Für die Prognose und
die Therapieentscheidung ist bei Patientinnen mit Mammakar­
zinom ein akkurater Lymphknotenstatus notwendig. Die SLN
Biopsie ist eine zuverlässige Methode, um axilläre Lymphknoten
zu untersuchen und einen metastatischen und/oder mikrometastatischen Befall zu identifizieren [11, 31, 33]. Die Schwankungsbreite von falsch-negativen Ergebnissen und die Deteke­
tionsraten der SLN betonen die Variabilität des Verfahrens.
Ebenso variieren die Lernkurven für dieses technische Verfahren
[6]. Es werden in der Routine Identifizierungsraten der SLN von
mehr als 95 % berichtet [34]. In der Gruppe der Patienten mit
SLN Biopsie ist die Rate der positiven Lymphknoten mit der Anzahl vergleichbar, die bei Patienten im Rahmen der axillären
Lymphknotendissektion, s. Anfang des Kapitels bei ALND beobachtet wurde [17, 31]. Die SLN Biopsie hat eine signifikant niedrigere Morbidität als die ALND und hat ähnliche 5-Jahres-­
Rezidivraten der Lymphknoten wie bei Z. n. ALND. Ebensowenig
finden sich bei negativen SLN weder Unterschiede im krankheitsfreien Überleben, dem Gesamtüberleben noch in der
­lokalen Kontrolle der Erkrankung [17].
Czech N. Das Sentinel-Lymphknotenkonzept beim Mammkarzinom … Der Nuklearmediziner 2015; 38: 34–39
38 Normalbefunde Konventioneller NUK-Diagnostik (non-PET)
Klinische Ergebnisse der SLN-Markierung bei weiteren gynäkologischen Tumoren
▼
Cervixkarzinom
Die SLN-Detektionsraten bei Cervixkarzinomen liegen höher
unter Verwendung von Radiokolloiden oder einer Kombination
von Radiopharmazeutika mit blue dye im Vergleich zum alleinigen blue dye-Verfahren [19]. Verheijen et al. [29] hat als einer
der ersten Autoren eine Detektionsrate von 80 % bei einer Kombination von blue dye und Radiokolloid beschrieben. Lantzsch et
al. [18] und Levenback et al. [19] zeigten bei alleiniger Nutzung
des radioaktiven SLN Nachweises Detektionsraten von 93 % bzw.
100 %. In der Einschätzung des Erfolgs des SLN Verfahrens sind
die SLN Detektionsrate und die falsch-negative SLN Rate die 2
wichtigsten Parameter. Die Detektionsraten sind in Studien mit
radioaktiver SLN-Technik höher als in Studien mit blue dye
(93,5 % bzw. 96 % vs. 87,5 %) [1]. Eine Kombination der 2 Techniken stellt wiederum bessere Ergebnisse dar [14]. Falsch negative
Ergebnisse werden in der Literatur mit ca. 8 % in Cervixkar­
zinompatientinnen angegeben mit einem hohen negativen Vorhersagewert von 94–97 %. Die Vorteile der SLN-Detektion sind
eine bessere Kenntnis des Lymphknotenstatus (Entdeckung von
ungewöhnlichen Drainagemustern mit präsakralen oder paraaortalen Lymphknoten und die Möglichkeit der Entdeckung
von Mikrometastasen) und eine Verminderung der Morbidität.
Die Morbidität ist insbesondere die Folge einer unnötigen
Lymphadenektomie oder einer Überbehandlung von Patientinnen insbesondere mit laparoskopischer SLN-Detektion, die
­anschließend neben einer Operation noch eine kombinierte
­Radio-/Chemotherapie benötigen. Frauen mit einem Cervixkarzinom kleiner als 4 cm und in frühen Tumorstadien (Ia2/Ib1,
IIa1) profitieren am meisten von dem SLN-Verfahren [1].
Vulvakarzinome
Der regionale Lymphknotenstatus hat bei Patientinnen mit Vulvakarzinom einen wichtigen prognostischen Wert. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt beim negativen SLN-Befund bei 94,7 %
und nimmt bei positivem Befund auf 62 % ab [5]. Bei 30 % der
Vulvakarzinompatientinnen zeigt sich bereits zum Zeitpunkt
der Diagnosestellung eine Lymphknoteninfiltration, etwa 10–20 %
dieser Knoten liegen im Beckenbereich. Wenn ein Tumor auf
eine Seite der Vulva beschränkt ist, liegen mehr als 80 % der
Lymphknotenmetastasen ipsilateral vor. Die Behandlung umfasst eine radikale Vulvektomie und inguinale Lymphadenektomie, die mit einer hohen Morbidität verbunden sind. Diese erklärt sich durch Wundheilungsstörungen und Lymphödeme. Die
SLN Biopsie reduziert die Morbidität, führt zu einem Up-Staging
und einige Autoren berichten zudem von einer Verminderung
der Operationszeiten [26]. Außerdem hat sich gezeigt, dass bei
steigender Zahl positiver SLN weitere Metastasen im Leistenbereich häufiger auch in nicht-SLN nachweisbar sind. Deshalb ist
bei allen Patienten mit SLN Metastasen eine zusätzliche Therapie der Leistenregion zu fordern [23].
Endometrium-, Vaginal- und Ovarialkarzinome
Zurzeit wird die SLN-Biopsie beim Endometrium-, Vaginal- und
Ovarialkarzinom als fakultatives Verfahren betrachtet. Die Aussagekraft ist noch nicht hinreichend genug belegt, um die SLN
Detektion in das klinische Management der entsprechenden
­Patientinnen einzuschließen. Es gibt nur wenige Studien, insbesondere beim Vaginalkarzinom, die den SLN in Einzelfällen
­erfolgreich nachweisen konnten [8, 9]. In frühen Stadien des
­ ndometriumkarzinoms kann das SLN Verfahren unnötige radiE
kale Lymphadenektomien vermeiden. Es könnte auf der Grundlage vom SLN Status auch einen Einfluss auf die paraaortale
Lymphknotendissektion haben [21].
Zusammenfassung
▼
Es findet sich eine große Anzahl an Publikationen zum Thema
Detektion von Sentinel-Lymphknoten und dessen Einfluss auf
das chirurgische Management bei Krebserkrankungen. Während aktuell die meisten Daten Erfahrungen beim Mammakar­
zinom widerspiegeln, gibt es ein wachsendes Interesse, das
SLN-Konzept auch bei anderweitig lokalisierten Erkrankungen
wie den gynäkologischen Karzinomen (Cervix, Vulva, Endometrium, usw.), urologischen Tumoren (z. B. Prostatakarzinom,
usw.), aber auch bei den HNO-Tumoren anzuwenden. Es bleibt
festzuhalten, dass die SLN Detektion/Methodik als sehr erfolgreich und präzise gilt und eine hohe Korrelation zwischen einer
SLN Infiltration und einer weiter entfernten Lymphknotenbeteiligung besteht. Da es genügend Literaturstellen gibt, die eine
ausgesprochen positive Kosten-Nutzen-Rechnung der SLN-Technik belegen, ist schon jetzt diese Methode nicht nur im Bereich
der Mammakarzinome und gynäkologischen Tumore als Teil der
chirurgischen Behandlung etabliert. Dennoch gibt es offensichtlich Verbesserungsmöglichkeiten in der Technologie (z. B. SPECT/
CT, Freehand SPECT-Verfahren, usw.) und in den Untersuchungsprotokollen.
Literatur
1 Altgassen C, Hertel H, Brandstädt A et al. Multicenter validation study
of the sentinel lymph node concept in cervical cancer: AGO Study
Group. J Clin Oncol 2008; 26: 2943–2951
2 Bats AS, Mathevet P, Buenerd A et al. The sentinel node technique
detects unexpected drainage pathways and allows nodal ultrastaging
in early cervical cancer: insights from the multicenter prospective
SENTICOL study. Ann Surg Oncol 2013; 20: 413–422
3 Bluemel C, Schnelzer A, Okur A et al. Freehand SPECT for imaged-guided sentinel lymph node biopsy in breast cancer. Eur J Nucl Med Mol
Imaging 2013; 40: 1656–1661
4 Bourgeois P. Scintigraphic investigations of the lymphatic system: the
influence of injected volume and quantity of labeled colloidal tracer.
J Nucl Med 2007; 48: 693–695
5 Burger MP, Hollema H, Emanuels AG et al. The importance of the groin
node status for the survival of T1 and T2 vulval carcinoma patients.
Gynecol Oncol 1995; 57: 327–334
6 Buscombe J, Paganelli G, Burak ZE et al. Sentinel node in breast c­ ancer
procedural guidelines. Eur J Nucl Med Mol Imaging 2007; 34: 2154–
2159
7 della Rovere G, Bird PA. Sentinel-lymph-node in breast cancer. Lancet
1998; 352: 421–422
8 Descheemaeker V, Garin E, Morcel K et al. Radioisotopic location of
the sentinel node in vaginal mucous melanoma before laparoscopic
sampling. Surg Laparosc Endosc Percutan Tech 2008; 18: 195–196
9 Dhar KK, Das N, Brinkmann DA et al. Utility of sentinel node biopsy
in vulvar and vaginal melanoma: report of two cases and review of
the literature. Int J Gynecol Cancer 2007; 17: 720–723
10 Dixon M. Sentinel node biopsy in breast cancer. Br Med J 1998; 317:
295–296
11 Edge SB, Compton CC. The American Joint Committee on Cancer: the
7th edition of the AJCC cancer staging manual and the future of TNM.
Ann Surg Oncol 2010; 17: 1471–1474
12 Gray RJ, Pockaj BA, Roarke MC. Injection of 99 mTc-labeled sulfur colloid the day before operation for breast cancer sentinel lymph node
mapping is as successful as injection the day of operation. Am J Surg
2004; 188: 685–689
13 Holub Z, Jabor A, Kliment L. Comparison of two procedures for sentinel
lymph node detection in patients with endometrial cancer: a pilot
study. Eur J Gynaecol Oncol 2002; 23: 53–57
Czech N. Das Sentinel-Lymphknotenkonzept beim Mammkarzinom … Der Nuklearmediziner 2015; 38: 34–39
Normalbefunde Konventioneller NUK-Diagnostik (non-PET) 39
14 Kara PP, Ayhan A, Caner B et al. Sentinel lymph node detection in early stage cervical cancer: a prospective study comparing preoperative
lymphoscintigraphy, intraoperative gamma probe, and blue dye. Ann
Nucl Med 2008; 22: 487–494
15 Kaufmann M, Morrow M, von Minckwitz G et al. Biedenkopf Expert
Panel Members. Locoregional treatment of primary breast cancer:
consensus recommendations from an International Expert Panel.
Cancer 2010; 116: 1184–1191
16 Kerrou K, Pitre S, Coutant C et al. The usefulness of a preoperative
compact imager, a hand-held gamma-camera for breast cancer sentinel node biopsy: final results of a prospective double-blind, clinical
study. J Nucl Med 2011; 52: 1346–1353
17 Krag DN, Anderson SJ, Julian TB et al. Technical outcomes of sentinel-lymph-node resection and conventional axillary-lymph-node dissection in patients with clinically node-negative breast cancer: results
from the NSABP B-32 randomised phase III trial. Lancet Oncol 2007;
8: 881–888
18 Lantzsch T, Wolters M, Grimm J et al. Sentinel node procedure in Ib
cervical cancer: a preliminary series. Br J Cancer 2001; 85: 791–794
19 Levenback C, Coleman RL, Burke TW et al. Lymphatic mapping and
sentinel node identification in patients with cervix cancer undergoing radical hysterectomy and pelvic lymphadenectomy. J Clin Oncol
2002; 20: 688–693
20 Lyman GH, Giuliano AE, Somerfield MR et al. American Society of Clinical Oncology guideline recommendations for sentinel lymph node
biopsy in early-stage breast cancer. J Clin Oncol 2005; 23: 7703–7720
21 Maccauro M, Lucignani G, Aliberti G et al. Sentinel lymph node detection following the hysteroscopic peritumoural injection of 99mTc-labelled albumin nanocolloid in endometrial cancer. Eur J Nucl Med Mol
Imaging 2005; 32: 569–574
22 Noguchi M, Inokuchi M, Zen Y. Complement of peritumoral and subareolar injection in breast cancer sentinel lymph node biopsy. J Surg
Oncol 2009; 100: 100–105
23 Oonk MH, van Hemel BM, Hollema H et al. Size of sentinel-node metastasis and chances of non-sentinel-node involvement and survival
in early stage vulvar cancer: results from GROINSS-V, a multicentre
observational study. Lancet Oncol 2010; 11: 646–652
24 Pandit-Taskar N, Gemignani ML, Lyall A et al. Single photon emission
computed tomography SPECT-CT improves sentinel node detection
and localization in cervical and uterine malignancy. Gynecol Oncol
2010; 117: 59–64
25 Pijpers R, Meijer S, Hoekstra OS et al. Impact of lymphoscintigraphy on
sentinel node identification with technetium-99m-colloid albumin in
breast cancer. J NuclMed 1997; 38: 366–368
26 Radziszewski J, Kowalewska M, Jedrzejczak T et al. The accuracy of
the sentinel lymph node concept in early stage squamous cell vulvar
carcinoma. Gynecol Oncol 2010; 116: 473–477
27 Sokole EB, Płachcínska A, Britten A, on behalf of the EANM Physics Committee. Acceptance testing for nuclear medicine instrumentation. Eur
J Nucl Med Mol Imaging 2010; 37: 672–681
28 Troyan SL, Kianzad V, Gibbs-Strauss SL et al. The FLARE intraoperative
near-infrared fluorescence imaging system: a first-in-human clinical
trial in breast cancer sentinel lymph node mapping. Ann Surg Oncol
2009; 16: 2943–2952
29 Verheijen RH. Laparoscopic detection of sentinel lymph nodes followed
by lymph node dissection in patients with early stage cervical cancer.
Gynecol Oncol 2003; 90: 290–296
30 Vermeeren L, van der Ploeg IM, Olmos RA et al. SPECT/CT for preoperative sentinel node localization. J Surg Oncol 2010; 101: 184–190
31 Veronesi U, Paganelli G, Viale G et al. Sentinel-lymph-node biopsy as a
staging procedure in breast cancer: update of a randomized controlled
study. Lancet Oncol 2006; 7: 983–990
32 Vidal-Sicart S, Doménech B, Lujan B et al. Sentinel node in gynaecological cancers. Our experience. Rev Esp Med Nucl 2009; 28: 221–228
33 Wilhelm AJ, Mijnhout GS, Franssen EJF. Radiopharmaceuticals in sentinel lymph-node detection – an overview. Eur J Nucl Med 1999; 26:
S36–S42
34 Zaknun JJ, Giammarile F, Valdes Olmos RA et al. Changing paradigms in
radioguided surgery and intraoperative imaging: the GOSTT concept.
Eur J Nucl Med Mol Imaging 2012; 39: 1–3
35 Zhang WJ, Zheng R, Wu LY et al. Clinical application of sentinel lymph
node detection to early stage cervical cancer. Ai Zheng 2006; 25:
224–228
Czech N. Das Sentinel-Lymphknotenkonzept beim Mammkarzinom … Der Nuklearmediziner 2015; 38: 34–39
Herunterladen