EINLEITUNG Isaac Newton Philosophiae Naturalis Principia

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EINLEITUNG
Die Mechanik { genauer gesagt die klassische Mechanik, um sie von zum Beispiel der
Quantenmechanik zu unterscheiden { stellt zugleich den Beginn und die Grundlage
nicht nur der heutigen Physik, sondern in hohem Mae der modernen Naturwissenschaft
u berhaupt dar. Begrundet wird sie durch ein Buch, das durch seine Folgen die Welt
wohl starker verandert hat als das Neue Testament, der Koran oder das Kapital von Marx:
Isaac Newton
Philosophiae Naturalis Principia Mathematica
Cambridge 1687
Um die Bedeutung dieser Neuerung einzuschatzen, ist es zweckmaig, sich mit den
vorhergehenden Anschauungen zu beschaftigen.
Das ursprungliche Weltbild ist in allen Kulturen ein magisch-religioses. Die Vorgange in der
Natur, also in der den Menschen umgebenden Welt, werden gedeutet als Folgen bewuter
Handlungen u bernaturlicher Wesen: Gotter, Geister, Damonen. Die \Wissenden" sind
daher Priester, auch wenn die Naturbeobachtung, wie in Babylon, schon quantitativ ist.
Raum und Zeit haben eine absolute Bedeutung. Die Welt ist ach und begrenzt, und das
Zentrum der eigenen Kultur ist zugleich auch das der Welt, sei es nun A gypten, Babylon,
Rom oder das \Reich der Mitte" China. Daruber wolbt sich die recht ache Schale des
Himmels, die am Weltrand aufliegt. Quantitative Angaben, soweit sie u berhaupt gemacht
werden, sind rein spekulativ. Der Raum ist also inhomogen, zugleich aber auch anisotrop:
\oben" und \unten" sind absolute Kategorien. Auch die Zeit ist im allgemeinen absolut
und inhomogen. Sie hat einen Anfang und ein Ende.
Zu einem volligen Umbruch, der einen fast an das Auftreten einer neuen Menschenart
glauben lassen konnte, und damit zum Beginn dessen, was wir heute Naturwissenschaft
nennen, kommt es um das Jahr - 700 herum mit dem Auftreten der griechischen Naturphilosophen, die eine ganz neue Haltung gegenuber der Welt einnehmen. Bezeichnenderweise
sind sie keine Priester, sondern praktisch tatige, weitgereiste und weitgehend vorurteilsfreie Manner, in der Regel Atheisten oder allenfalls Pantheisten, was nach Schopenhauer
ja nur eine hofliche Form des Atheismus ist. Sie stellen sich bewut als Subjekt der Natur
als Objekt gegenuber, betrachten die Welt also gewissermaen von auen. Das Naturgeschehen ist fur sie nicht eine Folge willkurlicher Akte u bernaturlicher Wesen, sondern von
inneren Gesetzmaigkeiten beherrscht, die der Mensch mit seiner Vernunft erkennen kann.
Ihr Weltbild ist also rational, aber anders als unser heutiges nicht kausal, sondern nal,
teleologisch. Das Weltgeschehen hat fur sie einen Zweck, einen Sinn. Es wird beherrscht
durch universelle Entwicklungs- und Ordnungsprinzipien { \Kosmos".
Zusammengefat und in einem gewissen Sinne abgeschlossen wird diese idealistische Naturphilosophie durch das Werk des Aristoteles, dessen Weltbild erst durch das von Newton
begrundete abgelost wurde. Danach ist die Welt im wesentlichen kugelformig, hat ein Zentrum und eine auere Berandung, die Fixsternsphare. Auerhalb ihrer bendet sich nichts,
auch kein leerer Raum, der als denkunmoglich angesehen wird. Der Raum ist also nach
wie vor inhomogen und anisotrop. Es gibt eine Vorzugsrichtung: hin zum Weltmittelpunkt,
aber um diesen herum ist die Welt im wesentlichen isotrop. Die Begrie \oben" und \unten" sind also relativ. Das Universum war schon immer und wird immer sein. Die Zeit hat
also weder einen Anfang noch ein Ende, sie ist absolut, aber homogen.
1
Die Welt zerfallt in zwei Teile, den irdischen und den himmlischen, die aber beide rational betrachtet werden. Die quantitative Beschreibung von Bewegungen in Raum und Zeit
(Kinematik) ist fur beide die gleiche, insbesondere gelten auch im himmlischen Bereich die
Gesetze der Geometrie, verschieden ist die Erklarung der Ursachen der Bewegung (Dynamik). Im heutigen Verstandnis bilden Kinematik und Dynamik zusammen die Mechanik,
fur Aristoteles bleiben sie getrennt. Wegen ihres quantitativen geometrischen Charakters
zahlt fur ihn { und bis in die Zeit Keplers { die Kinematik zur Mathematik, die nichtquantitative Dynamik und die damit zusammenhangende Struktur der Materie zur Physik.
Diese Struktur ist nun in beiden Teilen der Welt wesentlich verschieden. Die irdische Materie ist aus vier Elementen (Erde, Wasser, Luft, Feuer) aufgebaut und hat, je nach ihrer
Zusammensetzung, Anteil an deren Eigenschaften. Sie ist zum Beispiel absolut schwer
oder leicht, dabei ist \leicht" nicht ein geringerer Grad von \schwer", sondern ihm entgegengesetzt. Es gibt keine Bewegung ohne Beweger. Schwere Korper streben auf Grund
einer inneren oder \lebendigen" Kraft zum Weltmittelpunkt. Ihre freie Bewegung ist also
stets abwarts gerichtet, sie suchen dort ihren \naturlichen Ort". Sie fallen umso schneller, je schwerer sie sind. Umgekehrt strebt absolut leichte Materie stets aufwarts und
steigt auerstenfalls bis zur unteren Begrenzung des Himmels, der Sphare des Mondes,
auf. Jede seitliche Bewegung eines Korpers mu dagegen erzwungen werden durch eine
auere oder \tote" Kraft und hort ohne Antrieb auf. Die irdische oder sublunare Welt
ist unvollkommen und standigem Wandel unterworfen. Im Gegensatz dazu besteht die
himmlische Materie aus dem funften Grundsto, der schwerelosen \quinta essentia". Sie
ist vollkommen und unwandelbar. Das gleiche gilt von ihrer Bewegung. Diese erfolgt daher
gleichmaig in Kreisen und auf Kugelschalen um den Weltmittelpunkt herum.
Die Erde ist kugelformig, und, wie Aristoteles sagt, \nicht sehr gro". Eratosthenes hat
auf geistreiche Weise (Brunnen von Syene) ihren Umfang zu 252000 Stadien gemessen.
Da die Lange eines Stadions nicht einheitlich festgelegt war, kann man bei entsprechender
Auswahl zu einem Wert des Erdumfangs von 39690 km kommen, der fast exakt mit dem
modernen Wert von 40075 km ubereinstimmt, realistisch durfte eine Genauigkeit von etwa 10% sein. Auch zu dieser umwalzenden Erkenntnis ist keine andere Kultur unabhangig
von der griechischen fahig gewesen. Da der Erdkorper aus schwerer Materie besteht, fallt
sein Mittelpunkt mit dem der Welt zusammen, nicht umgekehrt! Die Himmelskorper sind
ebenfalls Kugeln mit mebaren Radien. Die Phasen des Mondes und Mond- und Sonnennsternisse werden geometrisch als Beleuchtungs- und Schatteneekte gedeutet und
zur Bestimmung von Radien und Entfernungen benutzt, wiederum eine einzig dastehende
Leistung der Griechen. Wegen der unzureichenden Megenauigkeit werden allerdings Radius und Entfernung der Sonne und damit die Dimensionen des Sonnensystems um einen
Faktor 25 unterschatzt.
Zur Physik des Aristoteles gibt es in der griechischen Naturphilosophie durchaus Gegenmeinungen. Nach Demokrit ist alle Materie aus verschiedenen Arten von nicht weiter zerlegbaren Teilchen, den Atomen, aufgebaut, die sich ziellos im unbegrenzten leeren Raum
bewegen und bei Zusammenstoen wechselwirken. Das Naturgeschehen verlauft kausal,
nicht nal. Dieses rational-materialistische Weltbild steht im scharfen Gegensatz zu dem
rational-idealistischen des Aristoteles und gilt sogar bei den sehr freigeistigen Griechen
als atheistisch. Ebenfalls im Gegensatz zu Aristoteles steht die viel spater von Kopernikus wieder aufgenommene Lehre des Aristarch von Samos, da sich die Erde bewegt. Da
diese konkurrierenden Auassungen rein spekulativ sind und keine Stutze in den damals
bekannten Naturerscheinungen nden, bleiben sie in einer Auenseiterrolle. Das ist nicht
der Fall mit den kinematischen Theorien von Hipparch und Ptolemaus. Die sehr genauen astronomischen Beobachtungen zeigen, da die Bewegung der Himmelskorper, speziell
2
der Sonne, um die Erde und damit um den Weltmittelpunkt herum keine gleichformige
Kreisbewegung sein kann. Um die Beobachtungen darzustellen, \die Phanomene zu retten", werden exzentrische Kreise und Bewegungsmittelpunkte oder Epizykel verwendet,
was notwendig die Veranderung des Abstandes vom Weltmittelpunkt zur Folge hat. Dieser
Widerspruch zur Theorie des Aristoteles wird zwar gesehen, aber nicht sehr ernst genommen, da man die Bahnen ohnehin nur als mathematische Konstruktionen betrachtet. Ihren
Hohepunkt erreicht diese Kinematik der Himmelskorper um das Jahr 150 herum im zusammenfassenden Werk des Ptolemaus: \matematike syntaxis", woraus die Zeitgenossen
zunachst \megale syntaxis", dann sogar \megiste syntaxis" machen. Bei der U bersetzung
ins Arabische wird daraus \al magisti" und schlielich bei der U bertragung ins Lateinische
\almagestum".
Zwischen der \syntaxis" und dem Almagest liegt ein Jahrtausend ohne nennenswerten
Fortschritt. Das ist im wesentlichen darauf zuruckzufuhren, da sich im niedergehenden
romischen Reich etwa ab dem Jahre 300 eine weltabgewandte, wissenschaftsfeindliche und
extrem intolerante Ideologie durchsetzt und 394 zur Staatsreligion wird: das fundamentalistische Christentum. Fur die geistigen Fuhrer dieser Bewegung, die Kirchenvater, insbesondere Lactantius, Augustinus und Hieronymus, handelt es sich bei der griechischen
Naturwissenschaft um die \torichte Weisheit der heidnischen Philosophen", die sowohl dem
gesunden Menschenverstand, als auch, und das ist entscheidend, der \Heiligen Schrift" widerspricht. Insbesondere konnen sie sich nicht von der Vorstellung eines absoluten \oben"
und \unten" losen. Sie stellen dem ein eigenes Weltbild entgegen, das aus Bibelstellen
begrundet wird und seine Zusammenfassung um 500 herum in der \Topographia Christiana", der christlichen Weltbeschreibung des Cosmas Indicopleustes, ndet. Danach ist
die Erde ach und viereckig. Die Welt ahnelt einer Truhe, deren gewolbter Deckel einerseits die \Wasser u ber der Feste" enthalt und andererseits den Wohnsitz der himmlischen
Heerscharen bildet. Sonne, Mond und Sterne werden von Engeln herumgetragen, und das
Dunkel der Nacht entsteht dadurch, da die Sonne sich hinter einem hohen Berg im Norden bendet. Es handelt sich also um eine primitive Version des tausend Jahre alteren
babylonischen Weltbildes. Gleichzeitig wird, besonders im westromischen Reich, die philosophische und wissenschaftliche Literatur der Antike bis auf ein paar Werke lateinischer
Kompilatoren fast vollstandig vernichtet. Es beginnt im Jahre 391 mit dem Niederbrennen des Museion, der weltberuhmten Bibliothek von Alexandria, an der unter anderem
Eratosthenes und Ptolemaus gewirkt haben, und fuhrt dazu, da um das Jahr 700 im
gesamten Abendland weder die Werke von Aristoteles und Ptolemaus noch die von Euklid
und Apollonius oder Hippokrates und Galenus mehr zu nden sind.
Da das Erbe der antiken Kultur nicht unwiederbringlich verloren ging, ist dem Auftreten
einer konkurrierenden Ideologie, des Islam, zu verdanken, der zwar ahnlich intolerant, aber
nicht in gleichem Mae mystisch-irrational eingestellt ist. Ab dem Jahre 700 beginnen die
Kalifen Al Mansur, Harun al Raschid und Al Mamun in Bagdad mit dem systematischen
Sammeln aller Reste der griechischen Wissenschaft, dabei wird insbesondere der Almagest
auf dem Umwege uber das Syrische ins Arabische ubersetzt und intensiv studiert.
Ab der Mitte des 10. Jahrhunderts setzt sich auch im Abendland durch den Kontakt
mit der arabischen Welt die Lehre von der Kugelgestalt der Erde wieder durch, und von
1100 bis 1300 werden die Werke von Aristoteles, Euklid und Ptolemaus neben vielen
anderen aus dem Arabischen ins Lateinische ubersetzt. Es kommt zu einer Wiedergeburt { \Renaissance" { der antiken Kultur. Auf die Herabwurdigung folgt eine kritiklose
U berschatzung insbesondere der Schriften des Aristoteles, zunachst der u ber Logik, dann
auch der u ber Naturphilosophie. \Der Philosoph" wird zur unumstrittenen Autoritat in
allen auer Glaubensfragen. Sein Weltbild wird nur insofern modiziert, als jetzt auer3
halb der Fixsternsphare der Wohnsitz Gottes und der Engel, innerhalb der Erde die Holle
angesiedelt wird.
In den folgenden zwei Jahrhunderten kommt es aber auch gerade durch die Beschaftigung
mit der aristotelischen Logik zur Kritik an Einzelheiten seiner Naturphilosophie. Nikolaus
von Kues erortert zum Beispiel spekulativ-philosophisch die Moglichkeit eines unendlich
ausgedehnten Raumes ohne Mittelpunkt und Berandung. Im besonderen ist Gegenstand
der Kritik aber die Lehre von der Wurfbewegung, die schon im Altertum als nicht sehr
u berzeugend angesehen wurde. Dazu tragt unter anderem auch die Entwicklung der Artillerie nach der Erndung des Schiepulvers bei. Im 17. Jahrhundert wird schlielich die
These von der Unmoglichkeit eines leeren Raumes (\horror vacui") durch Torricelli und
von Guericke widerlegt, was zur Neubewertung des Atomismus fuhrt.
Noch wichtiger sind die Entwicklungen in der Kinematik der Himmelskorper. Um 1500
greift Kopernikus die Lehre von der Bewegung der Erde wieder auf, nimmt die Sonne als
im Weltzentrum bendlich an und ersetzt die Rotation der Fixsternsphare durch die der
Erde. Obwohl das neue Weltbild dem alten kinematisch fast vollig aquivalent ist und auch
fur die Positionsberechnungen keine wesentliche Verbesserung darstellt, sind seine dynamischen Konsequenzen revolutionar. Die Erde verliert ihre Sonderstellung und wird ein
Planet unter anderen. Die Fixsterne mussen nicht mehr von einer Sphare getragen werden
und brauchen daher auch nicht im gleichen Abstand vom Mittelpunkt zu stehen, sondern
konnen im Raum verteilt sein. In noch starkerem Gegensatz zum antiken Weltbild stehen
die Keplerschen Gesetze, wonach die relativen Bewegungen der Himmelskorper nicht aus
gleichformigen Kreisbewegungen, sondern aus ungleichformig durchlaufenen Ellipsen zusammengesetzt sind. Gleichzeitig, also zu Beginn des 17. Jahrhunderts, widerlegt Galilei
sowohl durch seine quantitativen Fallversuche als auch durch seine Beobachtungen mit
dem Teleskop (Berge auf dem Mond) das Dogma vom grundsatzlichen Unterschied zwischen himmlischer und irdischer Materie. Er gibt auch die Trennung zwischen Kinematik
und Dynamik auf: \Das Buch der Natur ist in der Sprache der Mathematik geschrieben."
Die Kirche fuhlt, durchaus nicht ohne Grund, die Basis ihrer Anschauungen bedroht und
versucht mit Hilfe der Inquisition die neuen Erkenntnisse zu unterdrucken, aber erfolglos.
Schon 12 Jahre nach dem Proze gegen Galilei (1633) kommt es in London zur Grundung
einer Vorlauferin der spateren Royal Society. Hier nimmt auch die Trennung der beiden
Kulturen, wie C.P. Snow sie spater genannt hat { namlich der literarisch-philosophischen
und der naturwissenschaftlich-technischen { ihren Anfang, denn das Programm der Royal
Society ist: \To improve the knowledge of natural things, and all useful Arts, Manufactures,
Mechanick practices, Engynes and Inventions by Experiments (not meddling with Divinity,
Metaphysics, Moralls, Politicks, Grammar, Rhetorick or Logick)". Im Jahre 1672 wird der
1642 { also im Todesjahr Galileis { geborene Isaac Newton Fellow und 1703 Prasident
dieser Gesellschaft. Ihr langjahriger Sekretar Edmund Halley bringt ihn mit vieler Muhe
1687 dazu, die \Principia" auf Kosten der Gesellschaft zu veroentlichen. Die Wirkung
auf die Zeitgenossen geben die Verse von Alexander Pope wieder:
Nature and Nature's Laws
Lay hid in Night.
God said: Let Newton be!
And all was Light.
Damit ist das neue Weltbild weitgehend vollendet und bildet eine der Grundlagen des
folgenden Jahrhunderts der Aufklarung (\Enlightenment", \Siecle des Lumieres"). Auf
dem Kontinent werden Newtons Arbeiten nach 1738 popular durch die \E lemens de la
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philosophie de Neuton" von Voltaire und Emilie du Ch^atelet, die spater auch die \Principia" ins Franzosische ubersetzt. Es folgt, hauptsachlich in Frankreich und der Schweiz,
eine sturmische Entwicklung der theoretischen Mechanik und ihrer analytischen Grundlagen durch eine Reihe genialer Mathematiker: die Bernoullis, Euler, Clairaut, d'Alembert,
Lagrange, Laplace, Legendre. Sie tragen wesentlich zur Entwicklung eines mechanistischrationalistischen Weltbildes bei, einer der Grundlagen der franzosischen Revolution. Zu
einer kurzlebigen Gegenreaktion kommt es um 1800 mit der \romantischen Physik", der
spekulativen Naturphilosophie der Vertreter des deutschen Idealismus, insbesondere Hegel, die aber eher ein Kuriosum bleibt. Gleichzeitig wird die analytische Mechanik weiterentwickelt durch Gau, Jacobi und Hamilton und erreicht einen gewissen Abschlu um
1900 herum mit den Arbeiten von Poincare, die schon in Verbindung mit der speziellen
Relativitatstheorie einerseits und dem Stabilitatsverhalten nichtlinearer Systeme (ChaosTheorie) andererseits stehen.
Die wissenschaftliche Methode Newtons, die bis heute die der Naturwissenschaft geblieben
ist, unterscheidet sich grundlegend von der der idealistischen Naturphilosophie, sowohl seines Vorgangers Aristoteles, als auch seines Zeitgenossen Descartes und seines Nachfolgers
Hegel. Wahrend diese der Meinung waren, die Naturgesetze durch reines Denken aus allgemeinen metaphysikalischen Grundsatzen logisch ableiten zu konnen, ist fur Newton die
Erfahrung, sowohl die zufallige, als auch die durch systematische Experimente gewonnene,
die einzige Quelle naturwissenschaftlicher Erkenntnisse. Eine Erklarung aus philosophischen Prinzipien lehnt er ab: \Hypotheses non ngo." Seine induktiv-deduktive Methode
besteht darin, zunachst aus gesammelten Erfahrungen induktiv auf Gesetzmaigkeiten zu
schlieen. Aus ihrer Annahme werden dann deduktiv weitere Phanomene vorhergesagt
und die Theorie im Experiment u berpruft. Bei einer Falsikation mu sie aufgegeben oder
modiziert werden.
Gegenstand der Physik sind ausschlielich Erscheinungen, die sich zumindest prinzipiell
messen lassen. Physikalische Groen werden durch Meprozesse deniert, nicht verbal
(\Wortgeklingel"), wie etwa in der Naturphilosophie von Hegel und Schelling. Da die
Erfahrungen als Ergebnisse von Messungen in der Regel als Zahlen vorliegen, sind die
Gesetzmaigkeiten in der physikalischen Theorie notwendig mathematische Beziehungen,
aus denen ebenfalls quantitative Vorhersagen abgeleitet werden. Die Welt der Erfahrungen
wird so auf eine mathematische Modellwelt abgebildet, an die als einzige Bedingung die
der logischen Konsistenz gestellt wird. Sie braucht nicht \hoheren Prinzipien" oder dem
\gesunden Menschenverstand" zu genugen, sofern sie nur in der Lage ist, die Gesamtheit
der Erfahrungen im Rahmen der Megenauigkeit zu reproduzieren.
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A. NEWTON-MECHANIK
Fur Newton bilden Kinematik und Dynamik { im Gegensatz zu Aristoteles, aber in U bereinstimmung mit Galilei { eine Einheit, die quantitative, also mathematisierte, Mechanik.
Er baut sie nach dem Muster der \Elemente" des Euklid (\more geometrico") auf, geht
also aus von einer Reihe von Begriserklarungen (Scholien) und Axiomen (Bewegungsgesetze). Diese folgen letztlich induktiv aus der Erfahrung, dem Experiment, und nicht
aus metaphysikalischen U berlegungen. Sie werden bestatigt (oder falsiziert), indem aus
ihnen deduktiv Voraussagen hergeleitet und mit weiteren Experimenten verglichen werden.
1. Die Newtonschen Axiome
Newton beginnt mit Aussagen u ber Raum und Zeit (Kinematik). Der absolute Raum ist
leer, unendlich ausgedehnt, homogen und isotrop, die absolute Zeit homogen. Durch die
Einfuhrung eines Koordinatensystems werden den Raumpunkten { letztlich durch Messungen mit Mastaben { Zahlentripel r zugeordnet. Der Raum wird dadurch auf ein mathematisches Objekt, einen dreidimensionalen anen Vektorraum IR3 , abgebildet. Ebenso
werden den Zeitpunkten { durch Messungen mit Uhren { die Elemente t eines eindimensionalen Raumes IR1 zugeordnet und damit den Ereignissen (r ; t) das Kroneckerprodukt
IR3 IR1 . Die Eigenschaften von Raum und Zeit selbst sind auf diese Weise grundsatzlich
Gegenstand von Experimenten (Messungen) und somit der Erfahrung und { im Gegensatz
etwa zur Auassung von Kant { keine a-priori-Kategorien.
Es folgen drei Axiome uber die Bewegung materieller Korper und ihre Ursachen (Dynamik). Materielle Objekte sind aus Massenpunkten, von Newton \Korper" genannt, aufgebaut, die in vielen Eigenschaften mit den Atomen des Demokrit u bereinstimmen, aber
von beliebiger Groe sein konnen. Sie haben einen wohldenierten Ort, beschrieben durch
einen Ortsvektor r (t). Die Ursachen fur ihre Bewegung sind nicht nal, sondern kausal. Sie agieren nicht, wie bei Aristoteles, auf Grund eines inneren Bestrebens, sondern
reagieren nur auf auere Einwirkungen, von Newton \Krafte" genannt, die letzlich von
anderen Korpern ausgeubt werden, sind also \trage" (inert). Im volligen Gegensatz zur
aristotelischen Physik konnen sie sich aber auch ohne Beweger bewegen:
LEX I.
Jeder Korper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder gleichformigen geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch einwirkende Krafte gezwungen wird,
seinen Zustand zu andern.
Liegt eine solche Einwirkung vor, dann wird durch sie primar nicht der Ort verandert - das
geschieht ja auch bei der geradlinig-gleichformigen Bewegung - sondern die Geschwindigkeit. Wahrend alle Vorganger, auch Demokrit, davon ausgingen, da eine Kraft auf einen
Korper nur bei direktem Kontakt wirken kann, nimmt Newton an, da die Kraftwirkung
wie beim Magnetismus durch den leeren Raum hindurch erfolgt (Fernkraft, \action at
a distance"). Sie mu daher momentan vor sich gehen. Die entsprechende Geschwindigkeitsanderung geschieht nicht sprungweise, wie zum Beispiel bei einzelnen Stoen, deren
Wahrscheinlichkeit fur punktformige Korper ohnehin verschwindend klein ist, sondern kontinuierlich. Eine solche veranderliche Geschwindigkeit kann exakt nur durch einen Grenzwertproze deniert werden, namlich als Dierentialquotient:
v = ddtr :
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Zur Formulierung der Newtonschen Theorie ist deshalb die Innitesimalrechnung erforderlich, was mathematischen Laien den Zugang sehr erschwert.
Bei gleicher auerer Einwirkung ist die Geschwindigkeitsanderung fur verschiedene Massenpunkte unterschiedlich. Newton schreibt deshalb den Korpern eine invariante innere
Eigenschaft zu: die trage Masse. Er deniert sie als \Menge der Materie" oder als Produkt
von Volumen und Dichte. Das ist zunachst eine Zirkeldenition und keine Mevorschrift.
Sie erhalt einen Sinn, wenn man bedenkt, da vom atomistischen Standpunkt aus jeder
Korper aus einer bestimmten Anzahl gleichartiger Elementarteilchen aufgebaut ist. Die
Masse ist dann proportional zu dieser Anzahl. Je groer die Masse m eines Korpers ist,
desto kleiner fallt die durch eine gegebene Einwirkung F erzeugte Geschwindigkeitsanderung aus. Es gilt also:
d (mv ) = F :
dt
Mit der Bewegungsgroe mv lautet dann das fur die Newtonsche Mechanik grundlegende
Kraftwirkungsgesetz, die Bewegungsgleichung:
LEX II.

Die Anderung
der Bewegung ist der Einwirkung der bewegenden Kraft proportional und geschieht nach der Richtung derjenigen geraden Linie, nach welcher
jene Kraft wirkt.
Auch die Kraft wird nicht durch eine Mevorschrift deniert. Die in der LEX II genannte
Proportionalitat ist so zu verstehen, da wenn ein kraftausubender Korper an einem gegebenen Ort durch eine Anzahl N gleichartiger ersetzt wird, die Wirkung auf das N -fache
steigt. Da die Masse eines Korpers als invariante Groe betrachtet wird, kann man die
A nderung der Bewegungsgroe (Linearimpuls) durch die Beschleunigung a ersetzen:
d (mv ) = m dv = m d2 r = m a ;
dt
dt
dt2
und die Bewegungsgleichung fur einen Massenpunkt erhalt die Form
F = ma :
Die auf den Korper von den umgebenden Objekten ausgeubte Kraft kann nur von seinem
relativen Ort r und seiner relativen Geschwindigkeit v in Bezug auf diese Umgebung
abhangen, da der leere Raum einerseits homogen ist und andererseits nicht selbst auf den
Korper einwirken kann. Es gilt daher:
2
m ddtr2 = F (r ; ddtr ; t) :
Wenn also der Ort r und die Geschwindigkeit v eines Korpers zu einem Zeitpunkt t gegeben sind, folgt daraus zwangslaug zunachst die A nderung v der Geschwindigkeit und
damit r des Ortes im Zeitintervall t. Damit sind Ort und Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t + t gegeben. Dieses Verfahren kann unbegrenzt fortgesetzt werden. Die Bahn
r (t) ist also durch die kausale Wechselwirkung F und die Anfangswerte r 0 und v 0 fur
alle Zeiten eindeutig festgelegt, determiniert. Die Bewegungsgleichung hat eine vollig andere Bedeutung als etwa das Ohmsche Gesetz U = R I . Es handelt sich nicht um eine
u berprufbare Beziehung zwischen zwei mebaren physikalischen Groen, sondern um eine gewohnliche Dierentialgleichung 2. Ordnung mit Randbedingungen, der die gesuchte
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Bahn r (t) bei gegebener Wechselwirkung genugen mu. Sie ist also auch nicht etwa eine
bloe Denitionsgleichung fur F . Die Unscharfe des Begries \Kraft", die noch dadurch
verstarkt wird, da dieses Wort umgangssprachlich in sehr verschiedener Bedeutung gebraucht wird (Muskelkraft, Ausdruckskraft, Manneskraft, \Atomkraft" usw.), spielt zwar
bei der Anwendung der Bewegungsgleichung in konkreten Situationen keine Rolle, hat aber
langwierige methodische und philosophische Diskussionen ausgelost. In der Lagrange- und
Hamilton-Formulierung der Mechanik wird der Begri der Wechselwirkungskraft deshalb
ersetzt durch den prazisen der Wechselwirkungsenergie.
U ber die Natur der auf einen Korper einwirkenden Objekte wurde bisher keine Aussage gemacht. Entsprechend dem Newtonschen Weltbild mu es sich dabei naturlich um
Aggregate von Massenpunkten handeln. Das einfachste physikalische System, in dem eine Einwirkung stattndet, besteht daher aus zwei Korpern mit den Massen m1 und m2 .
Wenn der Korper 2 auf den Korper 1 eine Kraft F 12 ausubt:
m1 ddtr21 = F 12 ;
2
mu aus Symmetriegrunden auch gelten:
m2 ddtr22 = F 21 :
2
Newton postuliert daher als drittes Axiom:
LEX III.
Die Wirkung ist stets der Gegenwirkung gleich, oder die Wirkungen zweier
Korper aufeinander sind stets gleich und von entgegengesetzter Richtung.
Dieses sogenannte Reaktionsprinzip (\actio = reactio") fuhrt im vorliegenden Fall zu
F 12 = ? F 21 :
Es ist zu beachten, da die Krafte zwischen zwei wechselwirkenden Massenpunkten zwar
entgegengesetzt gleich sind, aber mit der Verbindungslinie der beiden Korper einen Winkel
bilden konnen und auer von ihrer relativen Lage auch von ihrer relativen Geschwindigkeit und eventuell explizit von der Zeit abhangen konnen. Im Grunde widerspricht das
dem Begri von ausdehnungslosen Massenpunkten, deren Wechselwirkung momentan erfolgt. Wegen der Isotropie des leeren Raumes mu die Kraft aus Symmetriegrunden in der
Verbindungslinie liegen. Wegen der momentanen Ausbreitung der Wirkung kann nur der
augenblickliche Ort, nicht ein vorheriger und damit auch nicht die Geschwindigkeit, eine
Rolle spielen. Da Korper letztlich aus unveranderlichen Bausteinen (Atome) aufgebaut
sind, kann ihre Wechselwirkung auch nicht explizit von der Zeit abhangen. Die Wechselwirkungskrafte zwischen zwei Massenpunkten mussen daher in ihrer Verbindungslinie
liegen und eine Funktion allein ihres Abstands sein.
Diese U berlegungen lassen sich ohne A nderung auf den Fall von N wechselwirkenden
Massenpunkten ubertragen. Es mu dann gelten:
F ik = ? F ki :
Bei mehr als zwei Korpern entsteht das Problem der U berlagerung von mehreren gleichzeitigen Einwirkungen auf einen Massenpunkt. Da die Krafte Vektoren im physikalischen
Sinn, also gegenuber Drehungen des Koordinatensystems im Raum invariante Groen mit
9
Richtung und Betrag sind, bedeutet nicht notwendig, da sie auch einen linearen Vektorraum im mathematischen Sinn bilden. Ein Gegenbeispiel liefert die Darstellung raumlicher
Drehungen durch \Drehvektoren", deren Richtung mit der Drehachse ubereinstimmt und
deren Betrag gleich dem Tangens des halben Drehwinkels ist. Da diese Drehungen, auer
fur innitesimale Drehwinkel, nicht miteinander kommutieren, erhalt man den Drehvektor
einer zusammengesetzten Drehung im allgemeinen nicht durch Vektoraddition (Parallelogrammkonstruktion) aus den Drehvektoren der beiden Teildrehungen. In entsprechender
Weise konnten sich auch Krafte bei der Zusammensetzung gegenseitig beeinussen. Die
Bewegung unter dem Einu der resultierenden Kraft mute nicht notwendig durch lineare Zusammensetzung der beiden Teilbewegungen entstehen. Nach Aristoteles storen sich
sogar verschiedene Bewegungen grundsatzlich, ein Korper kann daher in jedem Augenblick nicht mehr als eine Bewegung ausfuhren. Von gleicher Bedeutung wie die drei ersten
Axiome ist deshalb Newtons
COROLLARIUM I.
Wirken auf einen Korper zwei Krafte gleichzeitig, so setzen sie sich zur Diagonale des Parallelogramms zusammen.
Teilkrafte erzeugen also unabhangige Teilbewegungen. Eine Kraft kann daher in beliebiger
Weise in Komponenten zerlegt werden.
Fur ein System von N Massenpunkten lauten die Bewegungsgleichungen dann
mi ddtr2i =
2
X
j 6=i
F ij (r i ? r j ; v i ? v j ; t)
;
i = 1; :::; N :
Das ist ein System von 3N gekoppelten (simultanen) gewohnlichen Dierentialgleichungen
2. Ordnung. Mit den Anfangsbedingungen
r i(0) = r i0
;
v i (0) = v i0
ergeben sich daraus nach dem Existenz- und Eindeutigkeitssatz die vollstandig determinierten Bahnen
r i = r i(r 10; : : : ; r N 0 ; v 10; : : : ; v N 0; t) :
Wenn man sich auf den extremen Standpunkt des Demokrit (\Wirklich sind nur Atome
und Leeres") stellt, da die Welt ausschlielich aus einer sehr groen Anzahl wechselwirkender Massenpunkte aufgebaut ist, liefe das Geschehen in der Welt also wie ein Uhrwerk
ab (mechanistisches Weltbild) und liee zum Beispiel die Existenz eines freien Willens
nicht zu. Die einzige, allerdings recht umfangreiche, Aufgabe der Mechanik ware dann die
Integration dieses riesigen Systems von Dierentialgleichungen.
Eine solche Behandlung der Welt als Ganzes ist naturlich unmoglich. Man zerlegt sie daher in den Teil, fur den man sich im wesentlichen interessiert, das physikalische System,
und den Rest, die Umgebung. Wenn zwischen beiden keine Wechselwirkung besteht, nennt
man das System abgeschlossen. Seine zeitliche Entwicklung verlauft dann genauso, als ob
es sich allein im leeren Raum befande. Exakt ist dieser Fall naturlich nie realisiert. Wenn
die Wechselwirkung mit der Umgebung nicht vernachlassigbar ist, kann man versuchen,
das System durch Hinzunahme derjenigen Massenpunkte der Umgebung, mit denen es
wechselwirkt, zu erweitern, aber auch dieses Verfahren ist nie exakt moglich und fuhrt
zudem im allgemeinen zu einer wesentlichen Komplizierung. Haug ist aber zwar eine erhebliche Einwirkung der Umgebung auf das System vorhanden, wahrend die Ruckwirkung
10
des Systems auf die Umgebung vernachlassigt werden kann. Fur das betrachtete System
ist der umgebende Raum dann im allgemeinen weder homogen noch isotrop und, da die
Vorgange in der Umgebung von ihm unbeeinut ablaufen, die Zeit nicht mehr homogen.
Die Bewegungsgleichungen nehmen dann die Form an:
mi ddtr2i =
2
X
j 6=i
F ij (r i ? r j ; v i ? v j ; t) + F i(e)(r i ; v i ; t)
Hier stellen die F (ie) die einseitige Wechselwirkung mit der Umgebung (auere Krafte) dar.
Aus dem dritten Axiom lat sich eine sehr wichtige Folgerung ziehen. Fur ein abgeschlossenes System von zwei Korpern ist
F 12 = ? F 21
m1 ddtr21 = ? m2 ddtr22 :
2
!
Daraus folgt durch Integration nach der Zeit
2
m1 v 1 + m2 v 2 = P ;
wobei P ein zeitlich konstanter Vektor ist. Fur N Massenpunkte gilt entsprechend
N
X
i=1
miv i = P :
Der gesamte Linearimpuls eines abgeschlossenen Systems von wechselwirkenden Massenpunkten bleibt also bei der Bewegung des Systems erhalten, er ist ein Bewegungsintegral
(\(rst) integral of motion"). Damit bezeichnet man allgemein eine Funktion der Ortsund Geschwindigkeitsvektoren
f (r 1 ; : : : ; r N ; v 1 ; : : : ; v N ; t) ;
deren Wert sich bei der zeitlichen Bewegung des Systems nicht andert, also nur von den Anfangswerten r i0 ; v i0 abhangt. Falls diese Funktion nicht explizit von t abhangt, nennt man
sie eine Erhaltungsgroe (\conserved quantity"). Nach dem Theorem von Noether folgt
aus jeder Symmetrie eines physikalischen Systems die Existenz eines Bewegungsintegrals
und umgekehrt. Eine solche Symmetrie liegt vor, wenn bei der Symmetrietransformation
r i = r i(r 1 ; : : : ; r N ; t)
die Bewegungsgleichungen des Systems ihre Gestalt nicht andern (Forminvarianz). Aus den
Symmetrieeigenschaften von Raum und Zeit (Homogenitat und Isotropie) folgt, da die
Bewegungsgleichungen eines abgeschlossenen Systems invariant gegenuber Verschiebungen
und Drehungen im Raum und Verschiebungen des Zeitanfangspunktes sein mussen. Wie
noch gezeigt werden wird, fuhrt die Invarianz gegenuber Verschiebungen zur Erhaltung
des Gesamtlinearimpulses, gegenuber Drehungen zur Erhaltung des Gesamtdrehimpulses
und gegenuber Zeitverschiebungen zur Erhaltung der Gesamtenergie eines abgeschlossenen
Systems.
Fur Systeme, die nur aus Massenpunkten mit einer Wechselwirkung entsprechend den
Newtonschen Axiomen bestehen, ist zwar der Linearimpuls immer eine Erhaltungsgroe,
Drehimpuls und Energie aber nur bei Beschrankung auf nur abstandsabhangige Krafte,
die in der Verbindungslinie wirken. Im Fall geschwindigkeits- oder zeitabhangiger Krafte
gilt das nicht. Die magnetische Wechselwirkung bewegter geladener Teilchen erzeugt zum
11
Beispiel ein Drehmoment, das den Drehimpuls verandert. Bei Reibungskraften, etwa nach
der Stokes-Formel, nimmt die Energie mit wachsender Zeit ab. In Wirklichkeit ist das
betrachtete System in diesen Fallen nicht abgeschlossen, und es ndet ein U bergang von
Drehimpuls und Energie auf nicht berucksichtigte Systemteile oder die Umgebung { wie
das magnetische Feld oder das widerstehende Medium { statt.
Nach dem Tragheitsprinzip zeichnen sich Koordinatensysteme im absoluten leeren Raum
dadurch aus, da sich in Bezug auf sie wechselwirkungsfreie Korper geradlinig-gleichformig
bewegen. Das ist aber auch der Fall bezuglich Systemen, die sich gegenuber dem absoluten
Raum mit konstanter Geschwindigkeit bewegen. Auch in ihnen gilt also das Tragheitsgesetz, sie heien daher Inertialsysteme. Da auerdem Wechselwirkungen zwischen Korpern
nur von ihren relativen Positionen und Geschwindigkeiten abhangen konnen, fuhrt die
Galilei-Transformation:
r i = r i ? V t ; t = t ! v i = v i ? V
auf ein anderes, mit der konstanten Geschwindigkeit V bewegtes, Inertialsystem ebenfalls
zu keiner A nderung der Form der Bewegungsgleichungen eines abgeschlossenen Systems :
mi ddtr2i =
2
X
j 6=i
F ij (r i ? r j ; v i ? v j ; t) :
Inertialsysteme sind also im Rahmen der Newtonschen Mechanik grundsatzlich ununterscheidbar, und das ursprungliche Newtonsche Konzept eines absoluten Raumes verliert
damit seinen physikalischen Sinn. Die Trennung von Raum und Zeit wird teilweise aufgegeben. In der vierdimensionalen Raumzeit der Ereignisse (r ; t) wird der Raum relativiert,
wahrend die Zeit absolut bleibt (Galilei-Relativitat). Im Gegensatz dazu behalten in der
speziellen Relativitatstheorie Einsteins zwar die Inertialsysteme ihre Sonderrolle bei, aber
die Zeit verliert ihren absoluten Charakter und wird bei der Lorentz-Transformation in
gleicher Weise wie die Raumkoordinaten behandelt.
Die Bewegungsgleichungen eines abgeschlossenen Systems von Massenpunkten sind damit
invariant gegenuber beliebigen Verschiebungen a , Drehungen mit den Drehwinkeln ; ; ,
Zeitverschiebungen um b und Galilei-Transformationen mit der Geschwindigkeit V :
r i = D^ (; ; ) r i + a ? V t
t = t + b
Diese Transformationen bilden eine Gruppe im mathematischen Sinn, namlich eine Lie Gruppe mit zehn Gruppenparametern a ; ; ; ; b; V ; die Galilei-Gruppe. Nach dem
Noether-Theorem fuhrt das zu ebenfalls zehn Bewegungsintegralen P ; L; E; R0 . Andererseits sind die Bewegungsgleichungen eines nichtabgeschlossenen Systems im allgemeinen
nicht mehr invariant gegenuber den Operationen der Galilei-Gruppe, und die entsprechenden Erhaltungssatze verlieren ihre Gultigkeit. Ob und welche Bewegungsintegrale trotzdem
existieren, hangt dann von den speziellen Symmetrien des Systems ab.
Die Newtonsche Mechanik ist begrilich nicht einfach. Der Kosmologe Hermann Bondi
hat gesagt: \Einstein's contribution has a name for being dicult, but this is quite
wrong. Einstein's contribution is very easy to understand, but unfortunately it rests on
the theories of Galilei and Newton which are very dicult to understand."
12
2. Integration der Bewegungsgleichungen
Ein allgemeines Verfahren zur Losung (Integration) der Bewegungsgleichungen eines Systems von Massenpunkten existiert nicht. Das gilt auch fur den Sonderfall eines abgeschlossenen (F (ie) 0) Systems, bei dem die Wechselwirkungen nur von den relativen
Abstanden abhangen, das sogenannte N -Korper-Problem:
2
X
m d r i = f (jr ? r j) (r i ? r j ) ;
i
dt2
j 6=i
ij
i
j
jr i ? r j j
Fur N =1 ist seine Losung trivial und folgt schon aus LEX I:
r (t) = r 0 + v 0 t :
Die Losung des Zweikorperproblems (N = 2) ist das erste und wichtigste Beispiel der
Newton-Mechanik und bildet einen wesentlichen Teil der \Principia". Da es sich aber besonders einfach in spharischen Polarkoordinaten (Kugelkoordinaten) darstellen lat, wird
seine Behandlung auf das nachste Kapitel verschoben.
Das Dreikorperproblem (N = 3) war der Anla vieler Untersuchungen, die wesentlich zur
Entwicklung der theoretischen Mechanik beitrugen. Zu einer analytischen Losung sind
mindestens 16 unabhangige Bewegungsintegrale erforderlich, von denen 10 aus den Symmetrieeigenschaften von Raum und Zeit folgen. Nach Vorarbeiten von Lagrange und Poincare hat Bruns aber gezeigt, da im allgemeinen Fall keine weiteren Bewegungsintegrale
in analytischer Form existieren. In diesem Sinne ist das Dreikorperproblem also unlosbar.
Wir betrachten jetzt das nichtabgeschlossene Einkorperproblem:
m ddtr2 = F (r ; v ; t) ; r (0) = r 0 ; v (0) = v 0 :
2
Es handelt sich also um ein System von drei gekoppelten (simultanen) gewohnlichen Dierentialgleichungen 2. Ordnung. Seine Losung erfordert in der Regel die Separation in drei
unabhangige Gleichungen fur x(t); y(t) und z (t). Diese ist immer moglich fur ein lineares
System:
2
m ddtr2 = (t) ddtr + (t) r + F (t) :
Fur ein zeitabhangiges homogenes Kraftfeld ((t) = (t) 0) folgt zum Beispiel durch
Integration der Bewegungsgleichung:
Zt
mv ? mv 0 = F (t0 ) dt0 :
0
Die A nderung des Impulses ist gleich dem Kraftsto. Durch weitere Integration ergibt sich:
r = r0 + v0 t +
Zt Zt
F (t0 ) dt0 dt :
0 0
Das Problem ist damit auf Quadraturen zuruckgefuhrt und insofern gelost.
Wenn die Separation moglich ist, fuhrt sie auf drei Bewegungsgleichungen fur jeweils ein
eindimensionales System, deren erste lautet:
m ddtx2 = F (x; v; t) :
2
13
Ein generelles Losungsverfahren fur diese allgemeinste Form der gewohnlichen Dierentialgleichung 2. Ordnung gibt es nicht. Wir untersuchen deshalb Sonderfalle.
a) F = F (t)
Dieser Fall wurde schon oben behandelt. Es ergibt sich:
x = x 0 + v0 t +
Zt Zt
F (t0 ) dt0 dt :
0 0
b) F = F (v)
Die Bewegungsgleichung ist jetzt eine Dierentialgleichung 1. Ordnung fur v(t):
dv = 1 F (v) ;
dt
m
die sich durch Trennung der Variablen losen lat:
Durch Auflosen nach v ergibt sich
Zv dv 1
F (v) = m t :
v0
v = dx
dt = G(v0; t)
und dann durch weitere Integration nach der Zeit
Zt
x = x0 + G(v0 ; t) dt :
0
c) F = F (x)
Durch Erweitern der Bewegungsgleichung mit v und Integration folgt
m v2 ? m v2 = Z F (x) dx :
2
2 0
x
x0
Die A nderung der kinetischen Energie ist gleich der geleisteten Arbeit. Zu vorgegebenem
F (x) gibt es stets eine Potentialfunktion V (x) mit
F (x) = ? dV (x) :
Damit lat sich die obige Gleichung schreiben:
dx
m v2 + V (x) = m v2 + V (x ) = E :
0
2
2 0
In diesem Fall ist die Summe aus kinetischer und potentieller Energie, die Gesamtenergie,
also ein Bewegungsintegral bzw. eine Erhaltungsgroe, obwohl das System nicht abgeschlossen ist. Durch Auflosen nach v folgt
r2
dx
v= =
[E ? V (x)]
dt
m
14
und daraus durch Trennung der Veranderlichen
Zx
x0
r
q m 2 dx
= m2 t :
2 v0 + V (x0 ) ? V (x)
Das Problem lat sich also auf Quadraturen zuruckfuhren und ist damit vollstandig gelost.
Auch wenn eine Separation nicht moglich ist, lassen sich fur den Fall eines nur vom Ort
abhangigen Kraftfeldes F (r ) Bewegungsintegrale nden. Dazu wird die Bewegungsgleichung skalar mit v erweitert:
und nach der Zeit integriert:
m v ddtv = F (r ) ddtr ;
m v2 ? m v2 = (C )Z F dr :
2
2 0
Auch hier ist die A nderung der kinetischen Energie gleich der geleisteten Arbeit, doch
hangt diese jetzt im allgemeinen vom Integrationsweg, der Kontur C , ab. Fur ein wirbelfreies Feld gilt dagegen:
r F = 0 ! F = ? r V (r ) ;
und die Gesamtenergie ist wieder ein Bewegungsintegral:
m v2 + V (r ) = m v2 + V (r ) = E :
0
2
2 0
Durch vektorielle Erweiterung der Bewegungsgleichung von links mit r ergibt sich:
d
dt (r mv ) = r F :
Die A nderung des Drehimpulses ist gleich dem Drehmoment der Kraft. Falls das Kraftfeld eine solche Struktur hat, da einzelne Komponenten des Drehmoments identisch verschwinden, ist die entsprechende Komponente des Drehimpulses
l = r mv = r p
ein Bewegungsintegral. Das ist zum Beispiel der Fall bei einer Drehsymmetrie des Feldes
um eine Achse, etwa die z -Achse. In diesem Fall ist lz eine Erhaltungsgroe. Fur ein
kugelsymmetrisches (Radial-) Feld bleiben sogar alle drei Komponenten des Drehimpulses
erhalten.
Falls das Kraftfeld sich als Gradientenfeld eines radialen Potentials darstellen lat, bleiben
sowohl die Energie, als auch wegen
r r V (r) = 0
alle Komponenten des Drehimpulses erhalten. Das Problem der Bewegung eines Massenpunktes in einem solchen Kraftfeld ist daher integrabel. Wie im Kapitel B gezeigt werden
wird, ist es im wesentlichen identisch mit dem Zweikorperproblem.
15
3. Systeme von Massenpunkten
Im allgemeinen ist eine vollstandige Integration des Systems der Bewegungsgleichungen
mi ddtr2i =
2
X
j 6=i
F ij (r i ? r j ; v i ? v j ; t) + F (ie) (r i; v i; t) ; i = 1; : : : ; N
nicht moglich, in vielen Fallen aber auch nicht erforderlich, da haug nur die Gesamtbewegung des Systems von Bedeutung ist und die Details der Bewegung der einzelnen
Massenpunkte nicht interessieren. Oft sind sogar die inneren Krafte des Systems nicht
bekannt und doch lat sich aus den Bewegungsgleichungen eine Reihe wesentlicher Folgerungen ziehen. Durch Summation uber die Massenpunkte ergibt sich
d ( X m v ) = X F (r ? r ; v ? v ; t) + X F (e) (r ; v ; t) :
i i
i
dt i i i i;j ij i j i j
i
Fur die inneren Krafte des Systems gilt aber das Reaktionsprinzip:
F ij = ?F ji ;
die Summe u ber diesen Anteil verschwindet also. Es folgt
dP = F (e) ;
dt
wobei F (e) die Summe der aueren Krafte ist.
Die vektorielle Erweiterung mit r i mit nachfolgender Summation uber i fuhrt zu
X
i
X
X
X
r i mi ddtv i = dtd ( r i miv i) = r i F ij + r i F (ie) ;
i
i;j
i
P
oder mit Einfuhrung des Drehimpulses L = i l i wegen des Reaktionsprinzips zu
dL = X (r ? r ) F + M (e) :
i
j
ij
dt
i<j
Dabei ist M (e) das Drehmoment der aueren Krafte. Fordert man, da die inneren Krafte
nur vom Abstand der beiden Massenpunkte abhangen und in ihrer Verbindungslinie liegen sollen, so lassen sie sich als Gradienten eines radialen Potentialfeldes Vij (jr i ? r j j)
darstellen:
F = ?r V (jr ? r j) = ? dVij (r i ? r j ) :
ij
i ij
i
dr jr i ? r j j
j
Das Drehmoment der inneren Krafte verschwindet dann, und es ergibt sich
dL = M (e) :
dt
Die skalare Erweiterung mit v i fuhrt nach Summation uber die Massenpunkte zu
X
i
X
X
X
miv i ddtv i = dtd ( m2i v 2i ) = F ij v i + F (ie) v i :
i
i;j
i
Die linke Seite stellt die A nderung der kinetischen Energie T dar, der letzte Term auf der
rechten Seite die mechanische Leistung N (e) der aueren Krafte, und es folgt
dT = X (v ? v ) F + N (e) :
dt i<j i j ij
16
Dabei wurde auch hier fur die inneren Krafte das Reaktionsprinzip benutzt. Setzt man
wieder voraus, da diese aus einem Radialpotential Vij (jr i ? r j j) folgen, so gilt
X
X
F ij v i = ? dtd ( Vij ) = ? dV
dt ;
i<j
i;j
und die zeitliche A nderung der Gesamtenergie E = T + V des Systems ist
dE = N (e) :
dt
Ein spezielles System stellt der starre Korper dar. Fur ihn sind alle rij konstant, damit
auch alle Vij und die gesamte potentielle Energie V . Bei fehlender Wechselwirkung mit
der Umgebung ist dann die kinetische Energie ein Bewegungsintegral.
Die Beziehungen fur die A nderung des Gesamtlinearimpulses, des Gesamtdrehimpulses
und der Gesamtenergie eines Systems von Massenpunkten stimmen in der Form mit denen
fur einen einzelnen Massenpunkt in einem aueren Kraftfeld uberein. Zur zweckmaigen
Denition eines solchen Ersatzpunktes wird zunachst das Verhalten von P ; L und E bei
einem Wechsel des Bezugssystems untersucht:
r i = r i + R :
Da die potentielle Energie der Wechselwirkungen innerhalb des Systems nur von den Differenzen von Ortsvektoren abhangt, andert sie sich bei einer solchen Transformation nicht.
Falls R unabhangig von t ist (gleiches Inertialsystem), folgt
v i = v i :
Mit den v i bleiben dann auch P und T und wegen der Konstanz von V auch E ungeandert.
Fur die Drehimpulse gilt aber
l i = l i + R p i :
Im Gegensatz zum Linearimpuls ist also der Drehimpuls in einem bestimmten Inertialsystem nicht eindeutig festgelegt, sondern hangt auch noch vom Bezugspunkt ab (Ausnahme:
p i = 0).
Falls R dagegen eine Funktion der Zeit t ist, gilt mit V = dR=dt
v i = v i + V ; p i = p i + miV :
P
Mit der Gesamtmasse M = i mi des Systems ist dann der Gesamtlinearimpuls
P = P + M V :
Fur den Gesamtdrehimpuls folgt entsprechend
X
X
L = mi(r i + R) (v i + V ) = L + R P + R M V + ( mir i) V
i
i
und fur die kinetische Energie
T = 21
X
i
mi (v i + V )2 = T + V P + 12 M V 2 :
17
Eine besonders einfache Gestalt nehmen diese Beziehungen an, wenn man als Bezugspunkt den Massenmittelpunkt (\center of mass") des Systems { haug auch inkorrekt als
Schwerpunkt (\barycenter") bezeichnet { wahlt:
MR=
X
i
mi r i ! M V =
X
i
mi v i :
In diesem System, das aber im allgemeinen kein Inertialsystem mehr ist, gilt dann R = 0
und P = 0, und es folgt:
P = MV
L = L + R M V
T = T + 21 M V 2 :
Hier sind L und T der Drehimpuls und die kinetische Energie der Bewegung relativ zum
Massenmittelpunkt. Die Bewegung des Systems als Ganzes wird damit zerlegt in einerseits
die Bewegung des Massenmittelpunktes und andererseits die Bewegung um den Massenmittelpunkt herum. Der Massenmittelpunkt bewegt sich so, als ob in ihm die Gesamtmasse
des Systems vereinigt ware und an ihm die Resultierende der aueren Krafte angrie.
Die beiden Teilbewegungen sind zwar weitgehend, aber nicht vollig unabhangig voneinander. Das letztere ist der Fall fur ein homogenes aueres Feld, das auf alle Massenpunkte mit
einer Kraft wirkt, die proportional zu ihrer Masse ist (lokales Gravitationsfeld). Falls der
Gradient des Feldes nicht verschwindet, treten Gezeitenkrafte (\tidal forces") auf, die zur
U bertragung von Drehimpuls und Energie der Bahnbewegung des Massenmittelpunktes
auf innere Freiheitsgrade (Gezeitenreibung) fuhren konnen (Beispiel: Mondbewegung).
Die Zerlegung in die Bewegung des Massenmittelpunktes und die Relativbewegung entspricht einer Zerlegung des ursprunglichen Systems mit 3N Freiheitsgraden in zwei (ktive)
Teilsysteme mit jeweils 3 und 3N ? 3 Freiheitsgraden und ihrer Beschreibung durch die
Koordinaten R des Massenmittelpunktes einerseits und Relativkoordinaten andererseits.
Die letzteren konnen aber nicht durch r i = r i ? R deniert werden, da sie dann nicht unabhangig waren. Zweckmaig sind die Jacobi-Koordinaten r 2 ; : : : ; r N mit der Denition:
r i =
X
j i
mj r j =
X
j i
mj ? r i+1 :
Eine entsprechende Zerlegung gilt auch im Fall des starren Korpers. Von seinen 6 Freiheitsgraden entfallen 3 auf die Translation seines Massenmittelpunktes und 3 auf die Rotation
um denselben, doch lassen sich die letzteren nicht als Relativkoordinaten eines weiteren
Massenpunktes darstellen. Falls der Korper nicht vollig starr ist, treten weitere Freiheitsgrade fur kleine Schwingungen der Massenpunkte um ihre Gleichgewichtslagen auf, die ein
wichtiges Teilgebiet der Mechanik bilden, aber hier nicht weiter behandelt werden konnen.
Fur ein abgeschlossenes System von Massenpunkten verschwinden mit F (e) auch M (e)
und N (e) . Damit werden P ; L und E Erhaltungsgroen. Der Massenmittelpunkt bewegt
sich dann geradlinig-gleichformig:
R(t) = R + V t = R + 1 P t :
0
0
0
M
Durch Auosen nach R0 ergibt sich mit
X
R0 = R ? M1 P t = mi (r i ? v i t)
i
18
ein weiteres Bewegungsintegral, aber, da es die Zeit t explizit enthalt, keine Erhaltungsgroe. Es wird Schwerpunktintegral genannt. Fur ein abgeschlossenes System
von Massenpunkten gibt es also, wie schon im ersten Abschnitt erwahnt wurde, 10
Bewegungsintegrale, dabei folgt P aus der Homogenitat des leeren Raumes, L aus seiner
Isotropie, E aus der Homogenitat der Zeit und R0 aus der Galilei-Relativitat der Raumzeit.
4. Beschleunigte Bezugssysteme
Bei einer Reihe von Problemen (Bewegung relativ zum Massenmittelpunkt eines Systems, Experimente auf der rotierenden Erde) verwendet man statt eines Inertialsystems
K zweckmaiger ein beliebig bewegtes Bezugssystem K. Durch die gemeinsame Variable t
entsteht eine Kopplung zwischen der zeitlichen A nderung eines Vektors u und der Rotation
der Achsen des bewegten (\korperfesten") Bezugssystems mit der Winkelgeschwindigkeit
! (t) gegen
uber den Achsen des ruhenden (\raumfesten") Systems. Die Komponenten von
u bezuglich K seien ux; uy ; uz , bezuglich K ux; uy ; uz :
u = uxe x + uy e y + uz e z = uxe x + uy e y + uz e z :
Die zeitliche A nderung von u bezuglich K ist dann
du = dux e + duy e + duz e
x
y
z
und bezuglich K (Denition)
dt
dt
dt
dt
u_ = dudtx e x + dudty e y + dudtz e z :
Wahlt man als z - bzw. z-Achse die Richtung der momentanen Drehachse !, so folgt fur
die Basisvektoren
e x = + cos !t e x + sin !t e y
e y = ? sin !t e x + cos !t e y
e z = e z
und entsprechend fur die Komponenten von u
ux = + cos !t ux + sin !t uy
uy = ? sin !t ux + cos !t uy
uz = uz :
Durch Ableitung nach der Zeit und Vergleich ergibt sich der Zusammenhang
du = u_ + ! u :
dt
Fur einen Massenpunkt mit dem Ortsvektor r in K und r in K gilt
r = r + R :
Daraus ergibt sich fur seine Geschwindigkeit bezuglich K mit V = dR=dt
dr = r_ + ! r + dR = v + ! r + V :
dt
dt
19
Hier ist v = r_ die Geschwindigkeit bezuglich K. Auf entsprechende Weise folgt fur die
Beschleunigung mit A = dV =dt = d2 R=dt2 :
d2 r = dv + d! r + ! dr + dV
dt2
dt
dt
dt
dt
= v_ + ! v + !_ r + ! v + ! (! r ) + A
= r + 2! r_ + ! (! r ) + !_ r + A :
Da die Transformation r ! r keine Galilei-Transformation darstellt, bleibt die Form der
Bewegungsgleichung im Inertialsystem K :
2
m d r = F (i)
dt2
nicht erhalten, sondern nimmt in K die folgende Gestalt an:
mr + 2m ! r_ + m ! (! r ) + m !_ r + m A = F (i) :
Das lat sich aber auch schreiben als
mr = F (i) ? 2m ! r_ ? m ! (! r ) ? m !_ r ? m A ;
und hat dann wieder die Form einer Bewegungsgleichung in einem Inertialsystem, wenn
man neben der eingepragten Kraft F (i) , deren Ursache dynamische Wechselwirkungen im
System sind, zusatzliche Tragheits- oder Scheinkrafte (\inertial, ctitious forces") einfuhrt,
die rein kinematischen Ursprungs sind. Diese sind die Corioliskraft und die Zentrifugalkraft, sowie Krafte, die auf die Linear- und die Winkelbeschleunigung des Bezugssystems
zuruckzufuhren sind. Die letztere ist nur selten von Interesse.
In einem linear beschleunigten Bezugssystem lautet die Bewegungsgleichung:
2
mr = F (i) ? m ddtR2 :
Der letzte Term wirkt wie ein zusatzliches Schwerefeld mit der Schwerebeschleunigung
d2 R=dt2 . Umgekehrt lat sich ein homogenes Schwerefeld zumindest lokal durch die Beschleunigung des Bezugssystems wegtransformieren (\Fahrstuhlexperiment"). Diese A quivalenz war fur Einstein der Ausgangspunkt fur die allgemeine Relativitatstheorie.
In einem mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ! rotierenden Bezugssystem ergibt sich:
mr = F (i) + 2m v ! + m (! r ) ! :
Die Zentrifugalkraft ist radial von der Drehachse weg gerichtet. Die Corioliskraft wirkt
nur auf Korper, die eine Geschwindigkeit relativ zum rotierenden Bezugssystem haben
und steht senkrecht auf dieser. Sie ist unter anderem die Ursache der Wirbelbewegung der
Luft um Tiefdruckgebiete herum.
Als Beispiel betrachten wir den freien Fall eines Massenpunktes im rotierenden Bezugssystem.
Die Bewegungsgleichungen lauten
mx ? 2m!y_ ? m!2 x = 0
my + 2m!x_ ? m!2 y = 0
mz = ? mg :
Dazu kommen die Anfangsbedingungen
r (0) = (R; 0; h) ; v (0) = (0; 0; 0) :
20
Fur die z-Komponente ergibt sich sofort:
z(t) = h ? 21 gt2 :
Die Entkoppelung der x- und der y-Komponente erreicht man durch den Ansatz (\gyroskopische Terme")
u = x + {y
! u_ = x_ + {y_ :
Die Bewegungsgleichung lautet dann
u + 2{ !u_ ? !2 u = 0
mit den Anfangsbedingungen
u(0) = R ; u_ (0) = 0 :
Es handelt sich um eine lineare Dierentialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koezienten, die sich durch einen Exponentialansatz losen lat:
u(t) = exp({t)
! 2 + 2! + !2 = 0 :
Diese quadratische Gleichung hat die doppelte Wurzel 1;2 = ?!, die Losung ist daher von
der Form
u(t) = (a + b t) exp(?{!t) :
Aus den Anfangsbedingungen folgt dann
u(t) = R (1 + {!t) exp(?{!t) :
Die Zerlegung von u in Real- und Imaginarteil liefert
x(t) = +R (cos !t + !t sin !t)
y(t) = ?R (sin !t ? !t cos !t) :
Das ist die Parameterdarstellung
(Parameter t) einer Spirale in der xy-Ebene. Fur kurze
p
Fallzeiten t = 2h=g 1=! ergibt sich
2
2
2
x(t) R (1 ? !gh ) + R 2!g h = R (1 + !gh )
2
2
2
y(t) ?R! ( 2gh )1=2 (1 ? 13 !gh ) + R! ( 2gh )1=2 (1 ? !gh ) = ? R3 ( 2!g h )3=2 :
Die Lotabweichung
p ist also in x-Richtung von 2. und in y-Richtung von 3. Ordnung in der
kleinen Groe ! h=g.
In diesem Fall ist die Berechnung im Inertialsystem einfacher. Die Bewegung in der xy-Ebene
ist kraftefrei, und unter Berucksichtigungaus der Anfangsbedingungen folgt
x(t) R ; y(t) = R!t :
Fur die Transformation in das rotierende System gilt
x(t) = + x(t) cos !t + y(t) sin !t
y(t) = ? x(t) sin !t + y(t) cos !t :
Durch Einsetzen folgt daraus wieder die obige Losung.
Prinzipiell sind das ruhende und das rotierende Bezugssystem fur die Behandlung eines
Problems gleichwertig. Im Einzelfall kann das Arbeiten mit Scheinkraften einfacher sein,
wie z.B. bei der Berechnung der parabolischen Oberache des Wassers in einem rotierenden
Eimer (\Newtons Eimerversuch").
21
5. Das Prinzip von d'Alembert
Die Bewegungsmoglichkeiten und damit die Zahl der Freiheitsgrade eines Systems von
Massenpunkten werden haug durch einschrankende Bedingungen (Zwangsbedingungen,
\constraints") verringert. Wichtige Beispiele sind der starre Korper, bei dem die Abstande
der Massenpunkte festliegen, die schiefe Ebene, bei der die Bewegung eines Massenpunktes auf eine Ebene und das spharische Pendel mit seinem Sonderfall des ebenen Pendels,
bei dem sie auf eine Kugel bzw. auf einen Kreis beschrankt ist. In der Newtonschen Mechanik mussen Krafte (Zwangskrafte, \forces of constraint") fur die Einhaltung dieser
Bedingungen sorgen. Es handelt sich dabei in der Regel um Idealisierungen elastischer
Krafte zwischen den Massenpunkten des Systems bzw. um deren Extrapolation auf den
Fall unendlich groer Elastizitatskonstanten. Bei diesem U bergang gehen Freiheitsgrade
des Systems verloren, sie \frieren ein".
Zwei Massenpunkte gleicher Masse m, konnen sich senkrecht in einem homogenen Schwerefeld
der Feldstarke ?g bewegen. Zwischen ihnen besteht eine elastische Wechselwirkungskraft
F (c) = k (r ? l) ;
wobei r ihr momentaner und l der Gleichgewichtsabstand ist.
Das System hat zwei Freiheitsgrade. Die Bewegungsgleichungen sind
2
m ddtz21 = ? mg + k (z1 ? z2 ? l)
2
m ddtz22 = ? mg ? k (z1 ? z2 ? l) :
Im Anfangszeitpunkt t = 0 ruht das System:
z1 (0) = h ; z2 (0) = h ? l ? mg
k ; z_1 (0) = z_2 (0) = 0 :
Durch die Substitution (Jacobi-Koordinaten)
u = 21 (z1 + z2 ) ; v = z1 ? z2
wird das System der Bewegungsgleichungen entkoppelt:
u = ? g
v = ? 2 mk v + 2 mk l :
Die Integration unter Berucksichtigung der Anfangsbedingungen liefert
2
1
u(t) = h ? 12 (l + mg
k )? 2 gt
r
? 2k v(t) = l + mg
k cos m t :
Fur die ursprunglichen Variablen folgt daraus
r ?
mg
2
1
1
z1 (t) = u(t) + 2 v(t) = h ? 2 g t ? 2k 1 ? cos 2mk t
r ?
mg
2
1
1
z2 (t) = u(t) ? 2 v(t) = h ? 2 g t ? 2k 1 + cos 2mk t ? l :
Die beiden Massenpunkte uben aufeinander die Kraft
r
(c)
F (t) = k (z1 ? z2 ? l) = mg cos( 2mk t)
aus. Beim U bergang k ! 1 verschwindet ein Freiheitsgrad, und es entsteht:
z1 (t) = h ? 21 g t2
mit der Zwangsbedingung
z2 = z1 ? l :
(c)
Aus F (t) entsteht die Zwangskraft. Sie hat fur t = 0 den Wert mg und verschwindet fur
t > 0 im Mittel.
22
Ein solches Verfahren liefert also zugleich die Groe der Zwangskrafte, ist aber im allgemeinen viel zu kompliziert.
Die Einschrankung der Bewegung eines Systems von N Massenpunkten durch r (r < 3N )
Zwangsbedingungen verringert die Zahl seiner Freiheitsgrade auf s = 3N ? r. Fur zwei
benachbarte Kongurationen (r 1 ; : : : ; r N ) und (r 1 + dr 1 ; : : : ; r N + dr N ), die das System
im Verlauf seiner Bewegung zu den Zeitpunkten t und t + dt annimmt, bezeichnet man
(dr 1 ; : : : ; dr N ) als aktuale Verschiebung. Bei einer Umnumerierung der Teilchenkoordinaten:
xk =^ x3k?2 ; yk =^ x3k?1 ; zk =^ x3k
fuhrt die Einhaltung der Zwangsbedingungen dann dazu, da
3N
X
i=1
aik dxi + bk dt = 0 ; k = 1; : : : ; r :
Fur zwei benachbarte zum gleichen Zeitpunkt mogliche, also mit den Zwangsbedingungen
vertragliche, Kongurationen (r 1 ; : : : ; r N ) und (r 1 + r 1 ; : : : ; r N + r N ) bezeichnet man
(r 1 ; : : : ; r N ) als virtuelle Verschiebung. Fur sie gilt:
3N
X
i=1
aik xi = 0 ; k = 1; : : : ; r :
Zeitunabhangige Zwangsbedingungen heien skleronom, zeitabhangige rheonom (Beispiel:
bewegter Tennisschlager). Die Zwangsbedingungen wurden hier als Dierentialformen eingefuhrt. Falls sie integrabel sind, falls es also eine Funktion fk (xi ; t) gibt, so da
k ; b = @fk
aik = @f
k
@x
@t
i
ist, nennt man sie holonom, andernfalls nicht-holonom.
Als Beispiel betrachten wir ein Rad, das senkrecht auf der xy-Ebene rollt. Sein Mittelpunkt
ist durch die Koordinaten x; y seines Fupunktes festgelegt, seine Ebene durch den Winkel
, den diese mit der x-Achse bildet. Der Drehwinkel sei '. Die momentane Geschwindigkeit
des Fupunktes mu senkrecht auf der Richtung der Radachse stehen und den Betrag R'_
haben (Rollbedingung), dann gilt
x_ = ? R '_ sin y_ = + R '_ cos :
Die ursprunglichen 4 Freiheitsgrade des Systems werden also eimgeschrankt durch 2 Zwangsbedingungen
dx + R sin d' = 0
dy ? R cos d' = 0 :
Die Annahme, da diese holonom seien, da es also Bedingungen
f1 (x; y; ; ') = 0
f2 (x; y; ; ') = 0
gabe, aus denen sie durch Dierentiation hervorgehen, fuhrt zu einem Widerspruch. Die erste
mute sich dann namlich schreiben lassen als
@f1 dx + @f1 dy + @f1 d + @f1 d' = 0 :
@x
@y
@
@'
Daraus wurde folgen
@f1 = 1 ; @f1 = 0 ; @f1 = 0 ; @f1 = R sin :
@x
@y
@
@'
23
Dann ware aber
@ 2 f1 = R cos ; @ 2 f1 0 ;
@@'
@'@
was unmoglich ist. Eine analoge Betrachtung zeigt, da auch die zweite Zwangsbedingung
nicht-holonom ist. Das System hat dierentiell 2 Freiheitsgrade, global aber 4, denn jedes
Quadrupel (x; y; ; ') kann auf geeigneten Bahnen erreicht werden.
Wegen der Zwangsbedingungen mussen die Bewegungsgleichungen des Systems die Gestalt
haben:
2
mj ddtr2j = F j(a) + F j(c) ;
dabei sind die F j(a) eingepragte, die F j(c) Zwangskrafte. Diese Bewegungsgleichungen lassen
sich nicht ohne weiteres integrieren, da die Zwangskrafte nicht a priori bekannt sind. Man
mu daher versuchen, sie zu eliminieren. Dazu erweitert man die Bewegungsgleichungen
skalar mit r j und summiert sie:
X d2 r j (a) (c) mj dt2 ? F j ? F j r j = 0 :
j
Die Zwangskrafte sind der Newtonschen Mechanik fremd und konnen im allgemeinen Fall
nicht aus ihr bestimmt werden. Sie werden festgelegt durch ein zusatzliches Postulat, das
Prinzip von d'Alembert:
X (c)
F r j = 0 ;
j
oder: Die virtuelle Arbeit der Zwangskrafte verschwindet. Die anschauliche Bedeutung
des Prinzips lat sich am Sonderfall N =1 mit holonom-skleronomen Zwangsbedingungen
erkennen:
F (c) ? r :
Die Zwangskraft steht also senkrecht auf der durch die Zwangsbedingungen festgelegten
Flache oder Kurve, in der sich der Massenpunkt bewegt, ihr Betrag bleibt aber unbestimmt.
Es ergibt sich dann fur die virtuelle Arbeit
X
j
F j(c) r j =
X d2 r j (a) mj dt2 ? F j r j = 0 :
j
Die Zwangskrafte sind damit eliminiert, aber die virtuellen Verschiebungen r j sind nicht
unabhangig voneinander, sondern durch die Zwangsbedingungen verknupft. Ein allgemeines Verfahren zur Berucksichtigung solcher Nebenbedingungen stellt die Methode der
Lagrange-Multiplikatoren dar. Dazu werden die Zwangsbedingungen fur die virtuellen Verschiebungen mit noch unbestimmten Faktoren k multipliziert und summiert:
r X
3N
X
k=1 i=1
k aik xi = 0 :
Da dieser Ausdruck verschwindet, kann er zur virtuellen Arbeit addiert werden.:
r
3N 2
X
X
mi ddtx2i ? Fi(a) ? k aik xi = 0 :
i=1
k=1
24
Von den xi sind aber die ersten 3N ? r frei wahlbar, die restlichen r abhangig. Die
Multiplikatoren k werden nun so festgelegt, da die Klammern fur i = 3N ?r+ 1; : : : ; 3N
verschwinden. Wegen der Unabhangigkeit der xi fur die verbleibenden i mu das dann
fur die zugehorigen Klammern ebenfalls gelten, und man erhalt fur alle i = 1; : : : ; 3N die
Lagrange-Gleichungen 1. Art:
r
2
X
mi ddtx2i = Fi(a) + k aik
mit den Zusatzbedingungen fur k = 1; : : : ; r
3N
X
i=1
k=1
aik x_ i + bk = 0 :
Das ist insgesamt ein System von 3N + r Gleichungen fur ebenfalls 3N + r unbekannte
Funktionen xi (t); k (t). Die Bedeutung der letzten Terme in der Bewegungsgleichung
r
X
k=1
k aik = Fi(c)
ist oensichtlich die von Zwangskraften, die damit durch die Zwangsbedingungen ausgedruckt werden.
Fur eine schiefe Ebene mit dem Neigungswinkel lat sich die Zwangsbedingung schreiben
sin x + cos z ? h cos = 0 :
Daraus folgt die Dierentialform
sin dx + cos dz = 0
und als Lagrange-Gleichungen 1. Art
mx ? 0 ? sin = 0
my ? 0 ? 0 = 0
mz + mg ? cos = 0 :
Als Anfangsbedingungen werden gewahlt
x(0) = y(0) = 0 ; x_ (0) = y_ (0) = 0 ; z(0) = h ; z_ (0) = 0 :
Mit dem Ansatz eines zeitlich konstanten liefert die Integration:
x(t) = 2m sin t2
y(t) 0
cos ) t2 :
z(t) = h ? 12 (g ? m
Einsetzen in die Zwangsbedingung fuhrt zu
= mg cos und nach Einsetzen in die Bahngleichungen zu
x(t) = 21 g sin cos t2
y(t) 0
z(t) = h ? 21 g sin2 t2 :
Es handelt sich also um eine Fallbewegung mit verringerter Schwerebeschleunigung g sin und der Zwangskraft mg cos . Das gleiche Resultat erhalt man auch (schneller) in der ublichen Weise durch Komponentenzerlegung.
25
Da die virtuelle Arbeit der Zwangskrafte verschwindet, bedeutet nicht, da das auch
fur die aktuale Arbeit gilt. Bei zeitabhangigen Zwangsbedingungen wird im allgemeinen
Arbeit am oder vom System geleistet (Beispiel: Tennisschlager).
Wenn die im vorigen Beispiel betrachtete schiefe Ebene sich horizontal mit der konstanten
Beschleunigung a bewegt, lautet die Zwangsbedingung
sin (x ? 21 a t2 ) + cos z ? h cos = 0 ;
oder in dierentieller Form
sin dx + cos dz ? a t sin dt = 0 :
Die Lagrange-Gleichungen 1. Art bleiben unverandert. Auch hier fuhrt der Ansatz eines
zeitlich konstanten zum Erfolg. Einsetzen von x(t) und z(t) in die Zwangsbedingung ergibt
= mg cos + ma sin ;
und bei den gleichen Anfangsbedingungen wie oben
x(t) = 21 (g cos + a sin ) sin t2
y(t) 0
z(t) = h ? 12 (g sin ? a sin ) sin t2 :
Die Gesamtenergie ist
E = m2 (x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 ) + mg z = m2 (a sin + g cos ) a sin t2 + mg h ;
also fur a 6= 0 zeitabhangig.
Im allgemeinen Fall wird die Behandlung des Gleichungssystems dadurch schwierig, da
die k zunachst unbekannte Funktionen der Zeit sind.
Fur das ebene Pendel lauten die Zwangsbedingungen
x2 + y 2 + z 2 ? l 2 = 0
!
x dx + y dy + z dz = 0
y0
!
dy = 0 :
Daraus ergeben sich die Bewegungsgleichungen
mx = 0 + 21 x
my = 0 + 2
mz = ?mg + 21 z :
Aus der zweiten Gleichung folgt in Verbindung mit der zweiten Zwangsbedingung
2 = 0 ; y = y(0) + y_ (0) t 0 :
Der Ansatz eines konstanten 1 fuhrt nicht zum Erfolg. Erweitern der ersten Gleichung mit
z, der dritten mit x und Addition ergibt
zx ? xz = g x
Damit ist 1 eliminiert. Fur die untere Kreishalfte fuhrt die Ersetzung von z durch x zu
z = ? (l2 ? x2 )1=2
z_ = x x_ (l2 ? x2 )?1=2
z = ? (x3 x ? l2 x_ 2 ? l2 xx) (l2 ? x2 )?3=2 :
Fur x(t) erhalt man dann die Dierentialgleichung 2. Ordnung
l2 (l2 ? x2 ) x + l2 x_ 2 x ? g (l2 ? x2 )3=2 x = 0 :
Durch den Variablenwechsel x(t) = l sin '(t) nimmt sie die wesentlich einfachere Gestalt an:
' + gl sin ' = 0 :
Diese Gleichung wird spater weiterbehandelt werden.
26
Obwohl sich durch r Zwangsbedingungen die Zahl der Freiheitsgrade eines Systems um
r verringert, wachst das zugehorige Gleichungssystem um r Gleichungen. Bei holonomen
Zwangsbedingungen kann man aber durch eine Punkttransformation xi ! qk (xi ; t) mit
q3N ?r+k = fk (x1 ; : : : ; x3N ; t) ; k = 1; : : : ; r
erreichen, da diese im neuen Koordinatensystem die Gestalt annehmen
qk 0 ; k = 3N ? r +1; : : : ; 3N :
Damit ist nur noch ein System von s = 3N ? r Bewegungsgleichungen ohne Nebenbedingungen zu losen.
Fur das Problem der schiefen Ebene fuhrt die Transformation
u = x cos ? z sin v=y
w = x sin + z cos ? h cos zu einem Koordinatensystem, in dem die Zwangsbedingung die Gestalt
w0
annimmt. Die Transformation der Bewegungsgleichungen auf die neuen Koordinaten ergibt
mu ? mg sin = 0
mv = 0
mw + mg cos ? = 0
mit den Anfangsbedingungen
u(0) = ? h sin ; v(0) = 0 ; w(0) = 0 ; u_ (0) = v_ (0) = w_ (0) = 0 :
Die beiden ersten Gleichungen enthalten weder Zwangskrafte noch die Variable w. Ihre Integration ergibt nach Einsetzen der Anfangsbedingungen:
u(t) = ? h sin + 21 mg sin t2
v(t) 0 :
Die dritte, verbunden mit der Zwangsbedingung, liefert die Zwangskraft
= mg cos ;
in U bereinstimmung mit der fruheren Rechnung.
Wenn die Zwangsbedingungen, wie im vorigen Beispiel, linear in x; y; z; t sind, lassen
sich die erforderlichen Transformationen auf Drehungen, Verschiebungen und GalileiTransformationen des Koordinatensystems zuruckfuhren. Dabei sind die Bewegungsgleichungen forminvariant. Bei nichtlinearen Zwangsbedingungen gilt das nicht mehr.
Fur das ebene Pendel kann man die erste Zwangsbedingung durch die Transformation auf
Zylinderkoordinaten r; y; ' auf die gewunschte Form
r ? l = 0 ! dr = 0
bringen. Die Umrechnung der Ableitungen fuhrt wegen
x = r cos '
x_ = r_ cos ' ? r'_ sin '
x = r cos ' ? 2 r_ '_ sin ' ? r' sin ' ? r'_ 2 cos '
und analog fur y:
y = r sin ' + 2 r_ '_ cos ' + r' cos ' + r'_ 2 sin '
27
bei Auflosung nach r und ' zu den Bewegungsgleichungen fur einen Massenpunkt in einem
Kraftfeld:
mr ? mr'_ 2 ? Fr = 0
my ? Fy = 0
mr' + 2mr_ '_ ? F' = 0 :
Sie haben nicht mehr die gleiche Form wie in kartesischen Koordinaten. Im vorliegenden Fall
gilt fur die eingepragte Kraft
Fr(a) = + mg cos ' ; Fy(a) = 0 ; F'(a) = ?mg sin ' :
Unter Berucksichtigung der Zwangsbedingung folgt dann
? ml'_ 2 ? mg cos ' ? = 0
my = 0
ml' + mg sin ' = 0 :
Hier enthalten die beiden letzten Gleichungen weder noch die Variable r. Die Zwangskraft
ergibt sich aus der ersten unter Benutzung des Energieintegrals E = ?mgl cos 'm , wobei 'm
den maximalen Auslenkungswinkel bedeutet, zu
= ? mg cos ' ? ml'_ 2 = ? mg (3 cos ' ? 2 cos 'm ) :
Sie ist wegen der Zeitabhangigkeit von ' selbst eine Funktion von t.
Wenn die Zwangsbedingungen von der Zeit explizit abhangen, mu auch die Punkttransformation auf die neuen Koordinaten die Zeit enthalten. Daraus ergeben sich bedeutsame
Konsequenzen fur die aktuale Arbeit der Zwangskrafte und die Energie im transformierten
Bezugssystem.
Die Schwingungsebene des ebenen Pendels moge sich gegenuber einem Inertialsystem K mit
der konstanten Winkelgeschwindigkeit ! drehen. Dann lautet die Zwangsbedingung
y = x tan(!t) ! ? x sin(!t) + y cos(!t) = 0 :
Fur kleine Auslenkungen des Pendels aus der Ruhelage kann man seine Bewegung durch
die eines linearen harmonischen Oszillators mit der Eigenfrequenz !02 = g=l annahern. Die
Bewegungsgleichungen lauten dann
m x = ? m!02 x ? sin(!t)
m y = ? m!02 y + cos(!t) :
Sie lassen sich nicht ohne weiteres integrieren. Geht man dagegen auf das mitrotierende
Koordinatensystem K uber, so nimmt die Zwangsbedingung die Form
y0
an, und die Bewegungsgleichungen lauten
m x ? 2m! y_ ? m!2x = ? m!02 x
m y + 2m! x_ ? m!2y = ? m!02 y + an. Durch Einsetzen der Zwangsbedingung ergibt sich
m x + m(!02 ? !2 ) x = 0
2m! x_ = :
Die Zwangskraft ist also bis aufs Vorzeichen gleich der Corioliskraft. Mit
x(0) = R ; x_ (0) = y(0) = y_ (0) = 0
und der Abkurzung ! 2 = !02 ? !2 folgt aus der ersten Gleichung
x(t) = R cos(!t) ! x_ = ? R! sin(!t)
28
und damit als Zwangskraft
(t) = ? 2mR!! sin(!t) :
Die Rucktransformation auf das Inertialsystem ergibt
x(t) = R cos(!t) cos(!t)
y(t) = R cos(!t) sin(!t)
(t) = ? 2mR!! sin(!t) :
Durch Einsetzen zeigt sich, da damit das ursprungliche Gleichungssystem erfullt wird. Die
Arbeit der Zwangskraft in der Zeiteinheit ist
N = ? (t) sin(!t) x_ + (t) cos(!t) y_
= ? mR2 !2 ! sin(2!t) :
Die Gesamtenergie des Massenpunktes ist aber
2
m 2 2
2
2
2
2
0
E = m2 (x_ 2 + y_ 2 ) + m!
2 (x + y ) = 2 R [ ! + 2! cos (!t)] ;
und wie erwartet ergibt sich
N = ddtE :
Im mitrotierenden System ist dagegen die Arbeit der Zwangskraft in der Zeiteinheit
N = 0 x_ + (t) y_ 0 :
Dem entspricht, da die Hamilton-Funktion
2
H = m2 (x_ 2 + y_ 2 ) + m2! (x2 + y2 ) m2 R2 ! 2
eine Erhaltungsgroe ist, die aber nicht mit der Energie ubereinstimmt.
Im allgemeinen Fall mussen sich bei s verbleibenden Freiheitsgraden die N Ortsvektoren
r j durch s neue Koordinaten qi ausdrucken lassen:
r j = r j (q1; : : : ; qs; t) ; j = 1; : : : ; N :
Aus dieser im allgemeinen nichtlinearen Punkttransformation der Koordinaten folgt eine
lineare Transformation der Geschwindigkeiten:
v j = ddtr j =
s @r
X
j
@r j :
q
_
+
i
@qi
@t
i=1
Daraus ergibt sich die spater noch benotigte Beziehung
@v j = @r j ;
@ q_i @qi
sowie fur die virtuellen Verschiebungen:
r j =
s @r
X
j
i=1
@qi qi :
Zur Transformation der Bewegungsgleichungen auf das System der qi geht man aus vom
Prinzip der virtuellen Arbeit:
N
X
j =1
N d2 r
X
F j r j = mj dt2j ? F j(a) r j = 0 :
(c)
j =1
29
Die Umrechnung des letzten Terms in der Klammer fuhrt zu
N
X
j =1
F j(a) r j =
N X
s
X
j =1 i=1
s
X
F j(a) @@qr ij qi = Qi qi
i=1
mit der Denition der generalisierten Kraft:
Qi =
N
X
j =1
F j(a) @@qr ij :
Im allgemeinen Fall hat Qi nicht mehr die Dimension einer Kraft, sondern beispielsweise
(falls qi ein Winkel ist) die eines Drehmoments.
Die Umrechnung des ersten Terms in der Klammer ergibt
N
N X
s
2
2
X
X
mj ddtr2j r j =
mj ddtr2j @@qr j qi
j =1
=
i
j =1 i=1
s X
N
X
h d dr j @ r j dr j d @ r j i q :
?
m
m
j
i
j
dt @qi
dt dt @qi
i=1 j =1 dt
Wegen der Vertauschbarkeit der Reihenfolge von Ableitungen ist aber
d @ r j = @ dr j = @ v j :
dt @qi
@qi dt
@qi
Einsetzen ergibt fur die obige Summe
N
s X
N hd
2
X
X
@ v j ? m v @ v j i q
mj ddtr2j r j =
m
v
j j @q
i
j
j
dt
@ q_
j =1
i
i=1 j =1
s X
N ndh
X
i
@ 1 m v 2i ? @ 1 m v 2 o q
j j
i
@qi 2 j j
i=1 j =1 dt @ q_i 2
s h d @T @T i
X
? @q qi :
=
i
i=1 dt @ q_i
=
Aus dem Prinzip der virtuellen Arbeit folgt dann wegen der Unabhangigkeit der qi :
d @T ? @T = Q ; i = 1; : : : ; s :
i
dt @ q_i @qi
Fur die neuen Variablen ist die Zahl der Bewegungsgleichungen also gleich der Zahl s =
3N ? r der Freiheitsgrade. Es treten keine zusatzlichen Zwangsbedingungen mehr auf. Da
die kinetische Energie T als physikalische Groe nicht vom Koordinatensystem abhangt,
ist die linke Seite dieser Gleichung invariant gegenuber einem Wechsel der Variablen.
Beschrankt man sich auerdem auf die Betrachtung von Potentialkraften:
Qi = ? @V
@q ;
i
mit einer potentiellen Energie V (q1 ; : : : ; qs ; t), so gilt das auch fur die rechte Seite. Mit der
Denition der Lagrange-Funktion L fur ein System von Massenpunkten:
L(qi ; q_i; t) = T (qi; q_i; t) ? V (qi ; t)
30
erhalt man dann als Bewegungsgleichungen die Lagrange-Gleichungen 2. Art:
d @L ? @L = 0 ; i = 1; : : : s :
dt @ q_i @qi
Sie sind invariant gegenuber beliebigen Punkttransformationen.
Fur das ebene Pendel ist die Zahl der Freiheitsgrade s = 1. Benutzt man als Koordinate den
Winkel ' gegen die Vertikale, so gilt fur die kinetische Energie T :
T = m2 (x_ 2 + z_ 2 ) = m2 l2 '_ 2 :
Die potentielle Energie ist
V = mgz = ? mg l cos ' :
Damit wird die Lagrange-Funktion
L('; '_ ) = m2 l2 '_ 2 + mg l cos ' :
Die Lagrange-Gleichung lautet nach Kurzen durch ml2 wie oben:
' + gl sin ' = 0 :
Es handelt sich also um eine nichtlineare Dierentialgleichung 2. Ordnung. Wir betrachten
zunachst den linearen Grenzfall j'j 1. Dann gilt
' + gl ' = 0 :
Das ist die Bewegungsgleichung eines harmonischen Oszillators mit der Eigenfrequenz !0 =
(g=l)1=2 . Mit der Anfangsbedingung '(0) = 0 und dem Winkel 'm der maximalen Auslenkung
ist ihre Losung
q
'(t) = 'm sin( gl t) :
Ein mechanisches System wird als linear bezeichnet, wenn seine Bewegungsgleichungen ein
lineares System von Dierentialgleichungen bilden. In diesem Fall sind die Krafte lineare
Funktionen der qi ; q_i ; falls es sich um Potentialkrafte handelt, ist das Potential eine quadratische Form in den qi . Die Bewegungsgleichungen linearer Systeme sind integrabel. Fur
eindimensionale Systeme (s =1) ist der Prototyp eines linearen Systems der harmonische
Oszillator.
Fur kleine Auslenkungen ist das ebene Pendel naherungsweise ein lineares System. Im allgemeinen Fall folgt zunachst durch Integration der Bewegungsgleichung
m l2 '_ 2 ? mg l cos ' = E :
2
Die Gesamtenergie ist also ein Bewegungsintegral. Je nach seinem Wert ergeben sich drei
Bewegungstypen (Fig. A1):
a) E < mgl ! Oszillation mit der Amplitude 'm
b) E = mgl ! Grenzbewegung bis 'm = c) E > mgl ! Rotation
Im Fall a) ist E = ?mg l cos 'm . Durch Trennung der Variablen ergibt sich
Z'
0
q
[ cos ' ? cos 'm ]?1=2 d' = 2 gl t :
Mit dem Additionstheorem des Kosinus folgt durch die Substitution sin '=2 = sin sin 'm =2
Z
0
[1 ? sin2 '2m sin2 ]?1=2 d =
31
qg
lt:
Auf der linken Seite steht ein elliptisches Integral 1. Gattung in der Normalform:
q
F ( j sin2 '2m ) = gl t :
Durch Auosen nach '(t) ergibt sich
q
q
= am ( gl t j sin2 '2m ) ! '(t) = 2 arcsin [ sin '2m sn ( gl t j sin2 '2m )] :
Fur die Schwingungsdauer T folgt aus dem obigen Integral
Z=2
0
[1 ? sin2 '2m sin2 ]?1=2 d =
qg T
r
l
2 'm
l 4 ! T = 4 g K (sin 2 ) :
Dabei ist K ein vollstandiges elliptisches Integral 1. Gattung in der Normalform.
Fur kleine k gilt die Reihenentwicklung (siehe Abramowitz-Stegun)
9 k4 + : : :)
K(k2 ) = 2 ( 1 + 14 k2 + 64
und damit fur die Schwingungsdauer
r
T = 2 gl (1 + 41 sin2 '2m + : : :) :
Fur kleine j'm j hangt sie also nicht von der Auslenkung 'm ab (Isochronie des mathematischen Pendels).
Im Fall b) lat sich das Integral uber ' durch elementare Funktionen ausdrucken:
Z'
p ?
q
[1 + cos ']?1=2 d' = 2 ln tan ' +4 = 2 gl t
0
?q ! '(t) = 4 arctan exp gl t ? :
Die Grenzlage ' = wird erst fur t ! 1 erreicht.
Im Fall c) gibt es keine maximale Auslenkung 'm , und die Energie E wird zweckmaig durch
die Geschwindigkeit v0 im tiefsten Punkt der Bahn ausgedruckt: E = mv02 =2. Damit ergibt
sich:
Z'
q
? 2 [cos ' + 2vgl0 ? 1 ]?1=2 d' = 2 gl t
0
und wegen cos ' = 1 ? 2 sin2 '2 = 1 ? 2 sin2 :
Z ' ? 4gl ?
[1 ? v2 sin2 ]?1=2 d' = F '2 j 4vgl2 = v20l t :
0
0
0
Auf der linken Seite steht wieder ein elliptisches Integral. Die Auflosung ergibt wie oben:
?
'(t) = 2 am v20l t j 4vgl2 :
0
Fur die Rotationsperiode T folgt daraus:
v0 T = K? 4gl ! T = 2l K? 4gl :
2l 2
v02
v0 v02
Durch Einsetzen der Entwicklung von K nach Potenzen von 4gl=v02 erhalt man:
T = 2vl (1 + 14 4vgl2 + : : :) ;
0
0
was fur sehr groe v0 erwartungsgema in 2l=v0 ubergeht.
Das freie Pendel stellt ein nichtlineares, aber integrables System dar. Bei Berucksichtigung
von Reibungskraften und einer aueren Anregung hat die Bewegungsgleichung die Gestalt:
' + '_ + gl sin ' = f (t) :
Die Energie bleibt dann nicht mehr erhalten, und es handelt sich um ein nichtlineares, nichtintegrables System, das fur bestimmte Bereiche seiner Parameter ein chaotisches Verhalten
zeigt.
32
Wenn nicht alle Krafte aus einem Potentialfeld hergeleitet werden konnen, wie zum Beispiel
Reibungskrafte, haben die Lagrange-Gleichungen 2. Art die Gestalt:
d @L ? @L = Q ; i = 1; : : : s :
i
dt @ q_i @qi
Dabei sind die Q i diese zusatzlichen Krafte. Nicht-holonome Zwangsbedingungen lassen
sich nicht durch Wahl eines passenden Koordinatensystems berucksichtigen. In diesem Fall
gilt:
r
d @L ? @L = Q + X
k aik ; i = 1; : : : ; s
i
dt @ q_i @qi
k=1
s
X
i=1
aik q_i + bk = 0 ; k = 1; : : : ; r ;
wobei r die Anzahl nicht-holonomer Zwangsbedingungen bedeutet.
Die Lagrange-Gleichungen 2. Art, im folgenden meist kurz Lagrange-Gleichungen genannt,
in dieser allgemeinsten Form wurden hier fur ein System von Massenpunkten aus den
Newtonschen Axiomen einschlielich des Prinzips von d'Alembert hergeleitet. Umgekehrt
kann man aus ihnen die Newtonschen Bewegungsgleichungen ableiten. Beide haben also
den gleichen Gultigkeitsbereich.
33
34
B. LAGRANGE-MECHANIK
Das Newtonsche Modell fur den Aufbau der Welt { Massenpunkte, die sich im unendlich
ausgedehnten homogenen und isotropen absoluten Raum und der homogenen absoluten
Zeit bewegen und zwischen denen momentan wirkende Fernkrafte bestehen { ist zu speziell.
Schon im Fall, da Zwangsbedingungen existieren, insbesondere fur starre Korper, mu es
durch das Prinzip von d'Alembert erganzt werden und ist auch dann nicht ohne weiteres
auf kontinuierliche Massenverteilungen und Wechselwirkungen durch Felder anwendbar.
Im folgenden wird daher ein allgemeinerer Ansatz benutzt. Dazu wird die Auenwelt
wieder zerlegt in einerseits das betrachtete physikalische System und andererseits die
Umgebung, wobei nur eine Einwirkung der Umgebung auf das System, aber nicht
umgekehrt, berucksichtigt wird. Fur die Festlegung der momentanen Konguration des
Systems sind s Parameter erforderlich, s ist die Zahl der Freiheitsgrade des Systems.
Diese Parameter werden als generalisierte Koordinaten qi bezeichnet. Fur die Festlegung
des Systemzustandes zur Zeit t sind in der klassischen Mechanik, anders als in der
Quantenmechanik, auer den qi auch noch ihre Ableitungen nach der Zeit, die generalisierten Geschwindigkeiten q_i , erforderlich, also insgesamt 2s Variablen. Die Dynamik des
Systems, einschlielich der Einwirkung durch die Umgebung, wird beschrieben durch eine
deskriptive Funktion, die Lagrange-Funktion L(qi ; q_i ; t).
1. Das Prinzip von Hamilton
Wie im Newtonschen Weltbild wird vorausgesetzt, da die zeitliche Entwicklung des Systems, seine Bewegung mit der Bahn qi(t), kausal verlauft und durch den Anfangszustand
qi (0); q_i (0) determiniert ist. Die Funktionen qi(t) mussen daher die Losungen (Integrale)
eines gekoppelten Systems von s gewohnlichen Dierentialgleichungen 2. Ordnung sein.
Diese sogenannten Bewegungsgleichungen folgen aus dem Hamiltonschen Prinzip der stationaren Wirkung, das an die Stelle der Newtonschen Axiome tritt. Dazu wird ein (ktiver)
s-dimensionaler Raum, der Kongurationsraum, betrachtet, dessen Achsen durch die qi bezeichnet werden. Das System wird dann dargestellt durch einen Ersatzpunkt (\representative point", Mobile), der im Verlauf der Zeit die Kongurationsbahn q(t) =^ q1 (t); : : : ; qs (t)
beschreibt. Fur t = 0 geht sie durch den Anfangspunkt q(0) =^ q1 (0); : : : ; qs (0). Vergleichsbahnen (Konkurrenzbahnen, virtuelle Bahnen) q~(t) werden dadurch deniert, da sie zu
Beginn (ta ) und am Ende (tb ) der Bewegung mit der aktualen Kongurationsbahn ubereinstimmen und eventuell vorhandenen Nebenbedingungen genugen, aber sonst willkurlich
sind:
q~(ta) = q(ta ) ; q~(tb ) = q(tb ) :
Die aktualen Bahnen sind dann vor den virtuellen dadurch ausgezeichnet, da sie einem Extremalprinzip genugen, das dem Fermatschen Prinzip fur die Lichtstrahlen in der
Optik entspricht. Dieses Hamiltonsche Prinzip der stationaren Wirkung fordert, da das
Wirkungsintegral
Ztb
S = L(q(t); q_(t); t) dt
ta
fur die aktuale Bahn gegenuber den virtuellen Bahnen einen Extremwert annimmt, bei
kleinen Variationen
q~ = q + q
35
also stationar ist. Fur das Funktional S [ q ] mu daher gelten
S = 0
mit der aktualen Bahn als Extremaler.
Ein Massenpunkt der Masse m bewegt sich unter dem Einu eines homogenen Schwerefeldes
der Feldstarke ?g. Wie spater gezeigt werden wird, ist seine Lagrange-Funktion:
L(x; y; z; x;_ y;_ z_ ) = m2 (x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 ) ? mg z :
Mit den Anfangsbedingungen:
x(0) = y(0) = z(0) = 0 ; x_ (0) = V ; y_ (0) = z_ (0) = 0
beschreibt er dann eine Wurfparabel:
x(t) = V t ; y(t) 0 ; z(t) = ? 21 g t2 :
Hier ist s = 3, und der Kongurationsraum kann mit dem wirklichen Raum identiziert
werden. Fur ta = 0 ; tb = T ist dann das Wirkungsintegral fur die aktuale Bahn:
S[ q ] =
ZT h m
0
i
m 2 1 2 3
m 22
2
2 2
2 (V + g t ) + 2 g t dt = 2 V T + 3 mg T :
Als virtuelle Bahn betrachten wir eine geradlinig-gleichformige Bewegung q~(t) mit
x~(t) = V t ; y~(t) 0 ; z~(t) = ? 21 g T t :
Fur sie gilt, wie fur die aktuale Bahn:
x~(0) = y~(0) = z~(0) = 0 x~(T ) = V T ; y~(T ) = 0 ; z~(T ) = ? 12 g T 2 ;
aber das Wirkungsintegral ist
S [ q~ ] =
ZT h m
0
i
m 2
m 2 3 2 3
2
1 2 2
2 (V + 4 g T ) + 2 g T t dt = 2 V T + 8 mg T S [ q ] ;
wie es dem Hamiltonschen Prinzip entspricht.
Im allgemeinen Fall geht es um die Losung des Variationsproblems
Ztb
L(qi(t); q_i (t); t) dt = 0 :
ta
mit den Randbedingungen
qi (ta ) = qi(tb ) = 0 :
Fur die Variation bei einem festen t gilt
qi = q~i ? qi ; q_i = q~_ ? q_i = dtd (~qi ? qi ) = dtd (qi ) :
Wegen der Linearitat des Prozesses kann man also die Variation mit der Integration vertauschen. Der Integrand ist dann
L = L(~qi(t); q~_ i (t); t) ? L(qi (t); q_i (t); t) =
36
@L q_ :
q
+
i
@q
@ q_ i
s @L
X
i=1
i
i
Fur die entsprechende A nderung des Wirkungsintegrals erhalt man damit
S =
Ztb X
s h @L
ta i=1
@L q_ i dt :
q
+
i
@q
@ q_ i
i
i
Durch partielle Integration des zweiten Summanden ergibt sich dann bei Berucksichtigung
der Randbedingungen
Ztb X
s h @L
ta i=1
d @L i q dt = 0 :
?
i
@qi dt @ q_i
Wegen der Unabhangigkeit der qi folgen daraus als Eulersche Gleichungen des Variationsproblems die Lagrange-Gleichungen:
d @L ? @L = 0 ; i = 1; : : : ; s :
dt @ q_i @qi
Die Losungen dieses Systems von Bewegungsgleichungen sind die Bahnen:
qi = qi (q(0); q_(0); t) ; i = 1; : : : ; s ;
die von 2s Anfangsbedingungen abhangen.
Fur das allgemeine Variationsproblem in einer Dimension:
Zb
a
F (x; y; y0 ) dx = 0
erfullt die Losungsfunktion y(x) die Euler-Gleichung:
d @F ? @F = 0 :
dx @y0
@y
Ein beruhmtes Beispiel ist das Problem der Brachistochrone, also derjenigen Kurve, auf
der sich ein Massenpunkt im homogenen Schwerefeld bewegen mu, um in kurzester Zeit
von einem Punkt A zu einem anderen B zu gelangen. Johann Bernoulli forderte 1696
\alle Mathematiker Europas" - gemeint war aber in erster Linie Newton - auf, wie er eine
Losung zu nden. Newton erhielt diese Herausforderung am Abend des 29.1.1696, als er
mude von seiner Tatigkeit in der Munze zuruckkehrte, ruhte aber nicht, bis er am nachsten
Morgen seine Losung an die Royal Society senden konnte. Von dieser wurde sie anonym
veroentlicht, aber als Bernoulli sie sah, rief er aus: \Ex ungue leonem!" (\An der Pranke
erkennt man den Lowen!").
Der Korper moge zur Zeit t = 0 im Ursprung eines Koordinatensystems ruhen, dessen xAchse senkrecht nach unten und dessen y-Achse waagerecht gerichtet ist. Bis zum Erreichen
des Endpunktes bei x benotigt er die Zeit
t=
Z
ds =
v
Zx p1 + y02
0
v(x) dx :
Dabei ist seine momentane Geschwindigkeit gegeben durch die Energieerhaltung:
m v2 = mg x ! v = p2gx :
2
Das Variationsproblem lautet also:
Z x r 1 + y02
0
x dx = 0 !
37
F (x; y; y0 ) =
r
1 + y02
x
und die zugehorige Euler-Gleichung:
d @F = 0 ! d p y0
dx @y0
dx x(1 + y02 ) = 0 :
In der Bezeichnungsweise der Mechanik ist y also eine zyklische Variable:
0
! p y 02 = c :
x(1 + y )
Durch Auflosen nach y0 und Integration uber x ergibt sich:
y(x) = c
Zx 0
x 1=2 dx :
1 ? c2 x
Zur Auswertung macht man mit der Abkurzung a = 1=c2 die Substitution
x(') = a cos2 ('=2) = a2 (1 ? cos ') ! y(') = a2 (' ? sin ') :
Das ist die Gleichung einer gewohnlicher (\gemeinen") Zykloide in Parameterform.
Die Lagrange-Gleichungen sind dem Hamilton-Prinzip aquivalent, das letztere hat aber bei
allgemeinen Betrachtungen den Vorteil, da es kompakter ist und nicht explizit von der
Darstellung in Koordinaten abhangt. Es lat sich daher ohne A nderung auch in anderen
Gebiete der Physik, zum Beispiel der Theorie der Felder, verwenden.
Die Lagrange-Funktion eines Systems ist nur bis auf einen beliebigen konstanten Faktor
bestimmt. Entfernt man zwei Teilsysteme A und B mit den Lagrange-Funktionen LA und
LB so weit voneinander, da ihre Wechselwirkung vernachlassigt werden kann, so gilt fur
die Lagrange-Funktion des Gesamtsystems
L ! L A + LB :
Die Lagrange-Funktionen sind also additiv, und der beliebige konstante Faktor mu daher
fur alle Teilsysteme der gleiche sein. Naturlich kann zur Lagrange-Funktion auch eine
beliebige Konstante addiert werden, ohne da die Bewegungsgleichungen sich andern. Die
Unbestimmtheit geht aber noch erheblich weiter. Addiert man zu L die totale Ableitung
einer beliebigen Funktion f (qi; t) nach der Zeit:
L (qi ; q_i ; t) = L(qi ; q_i ; t) + dtd f (qi; t) ;
so gilt fur das Wirkungsintegral
Ztb
Ztb
ta
ta
S = L (q(t); q_(t); t) dt = L(q(t); q_(t); t) dt + f (q(t); t)jttba
= S + f (q(tb ); tb ) ? f (q(ta ); ta ) :
Wegen der Randbedingungen ist dann aber
S = S ;
und die Bewegungsgleichungen bleiben ungeandert.
38
Fur den freien Fall in einer Dimension (s =1) ist
L = m2 z_ 2 ? mgz :
Die zugehorige Lagrange-Gleichung ist
mz + mg = 0 :
Mit der geanderten Lagrange-Funktion
L = L + dtd (mgzt) = m2 z_ 2 + mgzt_
ergibt sich dieselbe Bewegungsgleichung.
Bisher wurde nur vorausgesetzt, da die betrachteten Systeme eine endliche Zahl von
Freiheitsgraden haben und sich kausal-determiniert bewegen. Fordert man jetzt zusatzlich
die Existenz eines homogenen und isotropen Raumes und einer homogenen Zeit, so wird
dadurch die Lagrange-Funktion teilweise festgelegt. Speziell fur einen freien Massenpunkt
(s = 3 ; q1 = x ; q2 = y ; q3 = z ) kann L wegen der Homogenitat von Raum und Zeit weder
von r noch von t abhangen:
L = L(x;_ y;_ z_ ) = L(vx ; vy ; vz ) ;
ist also nur eine Funktion der Geschwindigkeit. Wegen der Isotropie des Raumes ist aber
auch die Richtung der Geschwindigkeit ohne Bedeutung:
L = L(v2 ) = L(vx2 + vy2 + vz2 ) :
Die Lagrange-Gleichungen lauten dann
d @L ? 0 = 0 ! @L 2 v = c
dt @vx
@v2 x x
und analog fur vy ; vz mit den Konstanten cy ; cz . Durch Quadrieren und Addieren folgt
@L 2 2 2 2 2
4 @v
v = cx + cy + cz c :
2
Es mu also v2 @L=@v2 und damit auch vx ; vy ; vz konstant sein. Ein freier Massenpunkt be-
wegt sich daher im absoluten Raum geradlinig-gleichformig (Tragheitsgesetz). Das gleiche
gilt aber auch gegenuber allen Bezugssystemen (r ; t), die aus (r ; t) durch eine GalileiTransformation
r = r ? V t ; t = t
mit konstantem V hervorgehen.Dadurch wird eine Klasse von Inertialsystemen festgelegt.
Wir betrachten jetzt eine innitesimale Galilei-Transformation:
r = r ? t ; t = t :
Dann gilt fur die Lagrange-Funktion wegen v = v ? @L 2 v :
L = L(v2 ) = L(v2 ? 2 v + 2 ) L(v2 ) ? @v
2
Fordert man zusatzlich, da sich auch bei dieser Transformation die Bewegungsgleichungen
nicht andern sollen (Galilei-Relativitat), so mu gelten
L = L + dtd f (r ; t) :
39
Durch Vergleich folgt dann
@L 2 v = d f (r ; t) ;
? @v
2
dt
oder, bei Entwicklung beider Seiten:
@L (x_ + y_ + z_ ) = @f + @f x_ + @f y_ + @f z_
?2 @v
x
y
z
2
@t @x
@y
@z
und daraus wegen der Unabhangigkeit der Variablen x;_ y;_ z;_ t:
@f = 0 ; @f = ?2 @L usw.
@t
@x
@v2 x
Da aber @f=@x nur von r abhangt und @L=@v2 nur von v2 , mussen beide Seiten der
rechten Gleichung derselben Konstanten gleich sein:
@L a :
! @v
2
Mit diesem Ansatz ist dann aber auch Invarianz gegenuber einer Galilei-Transformation
mit endlichem V gegeben:
L = a v2 = a (v2 ? 2v V + V 2 ) = a v2 + a (?2 v V + V 2)
d (?2 a r V + a V 2 t) :
= L + dt
L und L unterscheiden sich also nur um die totale Ableitung einer Funktion von r und t
nach der Zeit. Deniert man die Masse des Massenpunktes durch 2a = m, so gilt schlielich:
L = m v2 = T :
2
Bei der Erweiterung auf ein System von N nichtwechselwirkenden Massenpunkten ergibt
sich nach den obigen Erorterungen
L=
N
X
1
3N
X
1
j =1
i=1
2
2 mj v j =
2
mi x_ 2i :
Der willkurliche gemeinsame Faktor kann zur Festlegung der Masseneinheit benutzt werden. Die Lagrange-Funktion ist in diesem Fall identisch mit der kinetischen Energie. Diese
mu in Bezug auf ein Inertialsystem berechnet werden. Bei einer Galilei-Transformation
geht sie uber in
T =
X1
j
2
mj v 2j +
d h X mj (V 2 t ? 2 r V )i ;
2
(
V
?
2
v
V
)
=
T
+
j
j
dt j 2
j 2
X mj
was keine A nderung der Bewegungsgleichungen zur Folge hat.
Beim Bestehen von Wechselwirkungen zwischen den Massenpunkten des Systems lat sich
die Form der Lagrange-Funktion nicht mehr aus den Eigenschaften von Raum und Zeit
allein herleiten. Der Newtonsche Ansatz von momentan wirkenden Fernkraften wird wiedergegeben durch eine potentielle Energie, die nur von den Ortsvektoren der Massenpunkte
abhangt:
N
X
L = m2j v 2j ? V (r 1 ; : : : ; r N ) :
j =1
40
Wegen der Erhaltungssatze von Impuls, Drehimpuls und Energie eines abgeschlossenen
Systems mu weiter gelten
X
V (r 1 ; : : : ; r N ) =
i<j
Vij (jr i ? r j j) :
Ein nichtabgeschlossenes System A kann stets formal abgeschlossen werden durch die
Einbeziehung des mit ihm wechselwirkenden Systems B. Die Lagrange-Funktion des Gesamtsystems hat dann die Form
L = TA(qA ; q_A) + TB (qB ; q_B ) ? V (qA ; qB ) :
Vernachlassigt man die Ruckwirkung von A auf die Umgebung B, so lassen sich die Bewegungsgleichungen fur B ohne Berucksichtigung von A losen und ergeben die Bahnen
qB = qB (qB (0); q_B (0); t) :
Diese werden wiederum in die potentielle Energie der Wechselwirkung eingesetzt, und man
erhalt als Lagrange-Funktion fur A
LA = TA(q A; q_A ) ? V (qA ; qB (t)) :
Die potentielle Energie ist jetzt also explizit von t abhangig:
V = V (r1 ; : : : ; rN ; t) ;
was auf die Wechselwirkung mit der Umgebung zuruckzufuhren ist. Eine Abhangigkeit von
den Geschwindigkeiten v j ist aber auch in diesem Fall unmoglich, wenn die Umgebung B
nur aus Massenpunkten aufgebaut ist. Sie tritt dagegen auf, wenn in B Felder enthalten
sind, so gilt fur einen Massenpunkt mit der Masse m und der Ladung q in einem aueren
elektromagnetischen Feld die Bewegungsgleichung
m ddtv = q [E (r ; t) + vc B (r ; t)] :
Sie lat sich wiedergeben durch eine Lagrange-Funktion
L = T ? q + q vc A :
Dabei sind und A das skalare und das Vektorpotential des Feldes:
E = ?r ? 1 @ A ; B = r A :
c @t
Die potentielle Energie enthalt hier also einen geschwindigkeitsabhangigen Term (generaliertes Potential):
V (r ; v ; t) = q [(r ; t) ? vc A(r ; t)] :
Die zu diesem L gehorige Bewegungsgleichung fur die Koordinate x ist
d (mx_ + q A ) ? q [ ? @ + x_ @Ax + y_ @Ay + z_ @Az i = 0 :
dt
c
x
@x
c @x
Die totale Ableitung von Ax ist andererseits
c @x
c @x
dAx = @Ax + @Ax x_ + @Ax y_ + @Ax z_ :
dt
@t
@x
@y
@z
41
Setzt man das auf der linken Seite der Bewegungsgleichung ein, so entsteht die xKomponente der Vektorgleichung
m dv = q [(?r ? 1 @ A ) + v (r A)] ;
dt
c @t
c
die mit der ursprunglichen Bewegungsgleichung ubereinstimmt. Die Potentiale und A
sind durch die Felder E und B aber nicht eindeutig festgelegt. Die Transformation
= ? 1 @ ; A = A + r
c @t
mit beliebigem (r ; t) fuhrt zur Eichinvarianz (\gauge invariance"):
E = E ; B = B :
Die entsprechende A nderung der Lagrange-Funktion ist
d q ;
L = L + qc @
+
v
r
=
L
+
@t
dt c
lat also ebenfalls die Bewegungsgleichungen invariant.
Schliet man durch Einbeziehung der Umgebung mit ihrem elektromagnetischen Feld das
Gesamtsystem ab, so sind dessen Bewegungsgleichungen nicht mehr invariant gegenuber
Galilei-Transformationen. Eines der Inertialsysteme ist vor den anderen ausgezeichnet,
nur in ihm gelten die Maxwellschen Gleichungen. Bis zur Entwicklung der Relativitatstheorie wurde das mit der Existenz einer Tragersubstanz fur das elektromagnetische Feld
(\A ther") begrundet, die in diesem speziellen Inertialsystem ruht.
Wegen der Forminvarianz der Lagrange-Gleichungen ist bei einer Punkttransformation
xi = xi (q1 ; : : : ; qs; t) ; i = 1; : : : ; 3N
nur die Umrechnung der kinetischen Energie T erforderlich. Die Geschwindigkeiten transformieren sich in jedem Fall linear:
x_ i =
X @xi
k
@xi :
q
_
+
k
@qk
@t
Die kinetische Energie erhalt dadurch die Gestalt
T=
X mi
i
2
2 x_ i =
X
k;l
akl q_k q_l +
X
k
bk q_k + c = T2 + T1 + T0 :
Dabei sind akl ; bk und c Funktionen von qi und t. T2 ; T1 und T0 sind homogene Funktionen
der q_i vom Grade 2, 1 und 0. Falls die Koordinatentransformation nicht explizit von der
Zeit abhangt, fallen die Terme T1 und T0 weg, T ist dann homogen quadratisch in den q_i .
Fur einen Massenpunkt (s =3) wird die Transformation von kartesischen auf Kugelkoordinaten (spharische Polarkoordinaten) geleistet durch
x = r sin # cos '
y = r sin # sin '
z = r cos # :
Seine kinetische Energie ist daher
T = m2 (x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 ) = m2 (r_ 2 + r2#_ 2 + r2 sin2 # '_ 2 ) :
42
Damit lauten die Bewegungsgleichungen nach Lagrange
m r ? m r#_ 2 ? m r sin2 # '_ 2 = ? @V
@r
@V
2
2
2
_
mr # + 2m rr_ # ? mr sin # cos # '_ = ? @#
mr2 sin2 # ' + 2mr sin2 # r_ '_ + 2mr2 sin # cos # #_ '_ = ? @V
@' :
Die Verwendung der Lagrange-Formulierung der Mechanik bringt wesentliche Vorteile
gegenuber der Newton-Formulierung, wenn durch die Natur des Problems, zum Beispiel bei Zwangsbedingungen, die Verwendung von krummlinigen Koordinatensystemen
zweckmaig ist, und ist sogar unumganglich, wenn die betrachteten Systeme nicht aus
einer endlichen Zahl von Massenpunkten aufgebaut werden konnen.
Beim spharischen Pendel (Kugelpendel) mit s =2 liegt die Verwendung von Kugelkoordinaten
r l; #; ' nahe:
T = m2 l2 (#_ 2 + sin2 # '_ 2 ) ; V = mg l cos # ! L = m2 l2 (#_ 2 + sin2 # '_ 2 ) ? mg l cos # :
Die Lagrange-Gleichungen lauten damit
2
2
2
d
dt (ml #_ ) ? ml sin # cos # '_ ? mg l sin # = 0
2
2
d
=0:
dt (ml sin # '_ )
Es handelt sich um zwei gekoppelte nichtlineare Dierentialgleichungen 2. Ordnung fur
#(t); '(t). Die zweite Gleichung lat sich sofort einmal integrieren:
ml2 sin2 # '_ = ml2 a ;
wobei a eine Konstante ist. Die linke Seite stellt also eine Erhaltungsgroe dar, namlich die
z-Komponente des Drehimpulses. Durch Einsetzen in die #-Gleichung folgt
cos # ? g sin # = 0 :
# ? a2 sin
3#
l
Das ist eine nichtlineare Dierentialgleichung 2. Ordnung fur #(t) allein, die fur a = 0 als
Sonderfall die Bewegungsgleichung des ebenen Pendels enthalt. Durch Integration folgt mit
der Integrationskonstanten E
2 2
#_ 2 ? ml2 2 [E ? 2mlsina2 # ? mg l cos #] = 0 :
Diese Beziehung druckt im wesentlichen die Erhaltung der Gesamtenergie in diesem Potentialfeld aus:
T + V = m2 l2 (#_ 2 + sin2 # '_ 2 ) + mg l cos # = E
und entsteht daraus durch Einsetzen fur '_ . Mit der neuen Variablen u = cos # ergibt sich
daraus eine Dierentialgleichung 1. Ordnung:
u = cos # ! #_ = ? (1 ? u2 )?1=2 u_
n2h
ml2 a2 io1=2 = [U (u)]1=2 :
2
! du
=
(
E
?
mglu
)(1
?
u
)
?
2
dt
ml
2
Sie lat sich durch Trennung der Variablen losen:
Zu
t(u) = [U (u)]?1=2 du ;
u0
dabei entsteht auf der rechten Seite ein elliptisches Integral. Statt einer formalen Losung
empehlt sich die Diskussion der Gleichung (Fig. B1)
u_ 2 = U (u) :
Die rechte Seite hat als Polynom 3. Grades bei gegebenem a fur hinreichend groes E drei
Nullstellen u1 ; u2 ; u3 , von denen die dritte auerhalb des sinnvollen Intervalls ?1 u +1
43
liegt und ohne Bedeutung ist. Die Bewegung erfolgt also zwischen u1 und u2 und entspricht
einer periodischen A nderung von #(t) zwischen zwei Breitenkreisen #1 und #2 . Fur die entsprechende A nderung von '(t) gilt
d' = '_ = a p 1 :
du u_ 1 ? u2 U (u)
Diese Gleichung lat sich direkt durch eine Quadratur losen und ergibt
'(u) = a
Zu u0
p (1 ? u2 ) U (u) ?1 du :
Es handelt sich ebenfalls um eine periodische Bewegung, doch sind die #-Periode und die
'-Periode im allgemeinen nicht kommensurabel, und die Bahn ist nicht geschlossen.
2. Symmetrien und Erhaltungssatze
Die Lagrangeschen Bewegungsgleichungen bilden ein simultanes System von s gewohnlichen Dierentialgleichungen 2. Ordnung fur die Funktionen qi (t), so da insgesamt 2s
Integrationen erforderlich sind. Eine Funktion der dynamischen Variablen qi ; q_i und der
Zeit t, die sich bei der Bewegung des Systems auf einer Bahn nicht andert, fur die also gilt
d
dt f (qi(t); q_i (t); t) = 0 ;
heit ein Bewegungsintegral (\(rst) integral of motion"), oder, falls sie die Zeit nicht
explizit enthalt, eine Erhaltungsgroe (\conserved quantity"). Ihr Wert hangt ab von den
2s Anfangsbedingungen der Bahn:
f (qi (t); q_i(t); t) c(q(0); q_(0)) :
Es kann daher fur ein System mit s Freiheitsgraden hochstens 2s Bewegungsintegrale
geben. Davon konnen wiederum hochstens 2s ? 1 Erhaltungsgroen sein, da sich sonst
beim Auflosen der 2s Gleichungen nach den qi ; q_i fur diese zeitlich konstante Werte ergeben
wurden und das System unbewegt bliebe.
Falls eine Variable qk nicht explizit in der Lagrange-Funktion auftritt:
@L = 0 ;
@qk
nennt man sie zyklisch (\cyclic",\ignorable"). Es folgt dann aus der zugehorigen LagrangeGleichung
d @L = 0 :
dt @ q_
k
Der zu einer Variablen qi kanonisch-konjugierte Impuls pi wird allgemein deniert durch
pi = @@Lq_ :
i
Der zu einer zyklischen Variablen qk konjugierte Impuls ist also ein Bewegungsintegral.
Fur ein System von Massenpunkten in einem orts- und zeitabhangigen Potentialfeld ist
pi = mi x_ i :
44
Bei einem geschwindigkeitsabhangigen Potential ist der konjugierte Impuls aber im allgemeinen verschieden von diesem kinetischen Impuls. Fur einen geladenen Massenpunkt im
elektromagnetischen Feld gilt zum Beispiel
pi = mi x_ i + qc Ai :
Fur generalisierte Koordinaten qi, die nicht die Dimension einer Lange haben, ist pi nicht
von der Dimension Masse Geschwindigkeit. Der zu einer Winkelkoordinate konjugierte
Impuls ist beispielsweise ein Drehimpuls. Das Produkt qi pi hat aber stets die Dimension
einer Wirkung (Energie Zeit).
Da es nur s generalisierte Koordinaten gibt, lassen sich nicht alle 2s maximal moglichen
Bewegungsintegrale als konjugierte Impulse zu zyklischen Variablen darstellen.
Fur einen Massenpunkt der Masse m im homogenen Schwerefeld der Feldstarke (0; 0; ?g)
lautet die Lagrange-Funktion in kartesischen Koordinaten
L(x; y; z; x;_ y;_ z_ ) = m2 (x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 ) ? mg z :
Die Variablen x und y sind zyklisch, die zugehorigen konjugierten Impulse
px = m x_
py = m y_
also Bewegungsintegrale. Da es sich um ein Potentialfeld handelt, ist die Energie
E = m2 (x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 ) + mg z
ebenfalls ein Bewegungsintegral.
Bei der Transformation auf Zylinderkoordinaten ; '; z wird
L = m2 (_2 + 2 '_ 2 + z_ 2 ) ? mg z :
Die Variable ' ist zyklisch, der zu ihr konjugierte Impuls
Lz = m2 '_ = m(x y_ ? y x_ )
also ebenfalls ein Bewegungsintegral, die z-Komponente des Drehimpulses.
Durch Einsetzen der Bewegungsgleichungen kann man zeigen, da die totale Ableitung
dAz =dt der Groe
Az = (x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 ) z ? (xx_ + yy_ + zz_ ) z_ ? g2 (x2 + y2 )
verschwindet, Az also eine weitere Erhaltungsgroe darstellt. Da px; py ; E; Lz ; Az unabhangig
sind und die Zeit nicht explizit enthalten, ist damit wegen s = 3 die maximale Anzahl von
Erhaltungsgroen vorhanden.
Das Auftreten zyklischer Variablen und damit die Existenz von Bewegungsintegralen hangt
eng zusammen mit Symmetrien des Systems. Eine solche Symmetrie liegt vor, wenn die
Lagrange-Funktion des Systems gegenuber einer Symmetrietransformation der Variablen:
q~i = hi (q; )
invariant ist, wenn also gilt
L(~qi ; q~_ i; t) = L(qi; q_i; t) :
Dabei ist die Transformation von einem Parameter abhangig, mit der Bedingung, da
sich fur =0 die identische Transformation ergibt:
hi (q; 0) = qi :
45
Bei einer zyklischen Variablen qk besteht die Symmetrietransformation in einer Verschiebung um langs der qk -Achse im Kongurationsraum:
q~k = qk + ;
bei der die Lagrange-Funktion sich naturlich nicht andert, da sie gar nicht von qk abhangt.
Die Lagrange-Funktion fur das Kugelpendel:
L = m2 l2 (#_ 2 + sin2 # '_ 2 ) ? mg l cos #
ist invariant gegenuber der Transformation
#~ = # ; '~ = ' + ;
also einer Drehung um die z-Achse um den Winkel , wobei sich fur = 0 die Identitat
ergibt.
Im allgemeinen Fall gilt fur autonome Systeme, fur die also L nicht explizit von der Zeit
abhangt, das Theorem von Emmy Noether:
Die Lagrange-Funktion L(q; q_) sei unter der Transformation qi ! hi (q; ) invariant, wo ein kontinuierlicher Parameter und hi (q; 0)= qi die Identitat ist.
Es existiert dann ein Bewegungsintegral
G(qi; q_i ) =
s @L d
X
@ q_ d hi (q; )j=0 :
i=1
i
Einerseits erfullen namlich auch die transformierten Bahnen q~i (t; ) = hi (q (t); ) die
Lagrange-Gleichungen:
d @L (~q(t; ); q~_ (t; )) = @L (~q(t; ); q~_ (t; )) ;
dt @ q_i
@qi
andererseits soll nach Voraussetzung L invariant gegenuber der Symmetrietransformation
sein, also nicht von abhangen:
s @L dq~ @L dq~_ d L(~q(t; ); q~_ (t; )) = X
i+
i =0:
d
@q
d
@
q
_
d
i
i
i=1
Durch Einsetzen von @L=@qi aus der ersten in die zweite Gleichung folgt wegen der Vertauschbarkeit der Dierentiationen nach t und :
s h d @L dq~ @L d dq~ i
X
i+
i =0
dt
@
q
_
d
@
q
_
dt
d
i
i
i=1
und daraus, sogar fur beliebige , der Beweis der Behauptung:
s @L dq~
dX
i
dt i=1 @ q_i d = 0 :
Es werden zunachst einige spezielle Symmetrien betrachtet.
46
a) Homogenitat des Raumes
Da kein Raumpunkt ausgezeichnet ist, stellt fur ein abgeschlossenes System die Verschiebung um ax in x-Richtung eine Symmetrietransformation dar. Besteht das System aus
Massenpunkten, so folgt (aktiver Standpunkt):
x~j = xj + ax ; j = 1; : : : ; N :
Das entsprechende Bewegungsintegral ist nach dem Noether-Theorem
N @L X
N
N @L d
X
X
(
x
+
a
)
j
=
=
pxj = Px ;
@ x_ da j x ax =0
@ x_
j =1
j
x
j =1
j
j =1
also die x-Komponente des Gesamtlinearimpulses. Entsprechendes gilt fur die y- und die
z-Koordinate.
b) Isotropie des Raumes
Da keine Drehrichtung im Raum ausgezeichnet ist, stellt die Drehung um die z -Achse um
z fur abgeschlossene Systeme eine Symmetrietransformation dar. Die Lagrange-Funktion
mu dabei invariant bleiben. Fur ein System von Massenpunkten gilt das nur, wenn die
Wechselwirkungskrafte in der Verbindungslinie liegen. Ihre Koordinaten andern sich bei
der Drehung in der folgenden Weise (aktiver Standpunkt):
x~j = xj cos z ? yj sin z
y~j = xj sin z + yj cos z :
Das zugehorige Bewegungsintegral ist dann
N h @L d
X
@L d (x sin + y cos )j i
(
x
cos
?
y
sin
)
j
j
z
j
z
=0 +
z
j
z z =0
z
@ x_ d
@ y_ d j
j =1
j
z
=
j
N
N
X
@L y = X
(
x
p
?
y
p
)
=
lzj = Lz ;
x
?
j
yj
j
xj
j
j
@ y_j
@ x_ j
j =1
j =1
N @L
X
j =1
z
also die z -Komponente des Gesamtdrehimpulses. Entsprechendes gilt fur die x- und die
y-Komponente.
Wenn das System nicht abgeschlossen ist, kann seine Lagrange-Funktion trotzdem gegenuber einigen dieser Symmetrietransformationen invariant sein und zu den entsprechenden Bewegungsintegralen fuhren.
Fur einen Massenpunkt der Masse m, der sich in einem homogenen Schwerefeld bewegt, ist
die Lagrange-Funktion
L = m2 (x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 ) ? mg z :
Obwohl dieses System nicht abgeschlossen ist, stellen die Verschiebungen in x- und y-Richtung
und die Drehung um die z-Achse Symmetrieoperationen dar. Es bleiben daher px ; py und Lz
erhalten.
Das Noether-Theorem wurde hier nur fur autonome Systeme und zeitunabhangige Symmetrietransformationen bewiesen. Daher kann an dieser Stelle das aus der Galilei-Invarianz
der leeren Raumzeit folgende Schwerpunktintegral fur ein abgeschlossenes System nicht
abgeleitet werden. Das Theorem gilt auch fur den zeitabhangigen Fall, nimmt dann aber
eine wesentlich kompliziertere Gestalt an (Killing-Gleichungen).
47
c) Homogenitat der Zeit
Die Zeit t ist in der klassischen Mechanik keine generalisierte Koordinate, sondern ein
Parameter, daher lat sich das Noether-Theorem hier nicht unmittelbar anwenden.
Da kein Zeitpunkt ausgezeichnet ist, kann die Lagrange-Funktion nicht explizit von der
Zeit abhangen:
@L = 0 :
@t
Fur die totale Ableitung von L nach der Zeit gilt daher
s
s @L
dL = @L + X
@L ;
@L q = 0 + d X
q
_
q
_
+
i
i
i
dt @t i=1 @qi
@ q_i
dt i=1 @ q_i
denn aus den Lagrange-Gleichungen folgt
d @L = @L :
dt @ q_i @qi
Man kann daher schreiben
s
d X
@L ? L = dH = 0 ;
q
_
i
dt i=1 @ q_i
dt
wobei die Hamilton-Funktion H deniert wird durch
H=
s
s
X
X
q_i @@Lq_ ? L = q_i pi ? L :
i
i=1
i=1
In diesem Fall ist also die Hamilton-Funktion eine Erhaltungsgroe, denn wegen
@H = ? @L
@t
@t
kann auch sie nicht explizit von der Zeit abhangen.
Falls die kinetische Energie T eine homogene Funktion 2. Grades der q_i ist (naturliches
System), was zum Beispiel fur ein Inertialsystem gilt, kann man das Theorem von Euler
u ber homogene Funktionen vom Grade n benutzen:
f (x1 ; : : : ; xm ) = nf (x1 ; : : : ; xm ) !
m
X
@f = nf :
xi @x
i=1
i
Die Anwendung auf die kinetische Energie T ergibt:
s
s
X
X
q_i @@Lq_ = q_i @@Tq_ = 2 T :
i
i=1
i=1
Damit erhalt man fur die Hamilton-Funktion:
H=
i
s
X
q_i @@Lq_ ? L = 2 T ? (T ? V ) = T + V :
i=1
i
Sie ist dann also gleich der Gesamtenergie.
48
Fur einen Massenpunkt der Masse m, der an eine Ebene gebunden ist, die mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ! um die in ihr liegende z-Achse rotiert, und auf den ein
rotationssymmetrisches Kraftfeld wirkt, ist im raumfesten Bezugssystem
p
L = m2 (x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 ) ? V ( x2 + y2 ; z) :
Beim U bergang auf Zylinderkoordinaten ; '; z gilt dann
x = cos(!t) ; y = sin(!t)
und damit fur die Lagrange-Funktion, ausgedruckt durch die Variablen im rotierenden Bezugssystem:
L = m2 (_2 + 2 !2 + z_ 2 ) ? V (; z) :
Hier ist die kinetische Energie wegen des Anteils m2 !2 =2 nicht mehr homogen-quadratisch
in ;_ z_ . Fur die Hamilton-Funktion ergibt sich:
H = m2 (_ 2 + z_ 2 ? 2 !2 ) + V (; z) :
Sie stellt eine Erhaltungsgroe dar, stimmt aber nicht mit der Gesamtenergie
E = T + V = m2 (_ 2 + z_ 2 + 2 !2 ) + V (; z)
uberein. Diese bleibt nicht erhalten, da die Zwangskrafte Arbeit am System leisten.
Das Theorem von Noether bezieht sich nur auf Transformationen, die u ber einen
Parameter kontinuierlich aus der Identitat hervorgehen. Daneben gibt es auch unstetige
Transformationen wie die Raum-, Zeit- und Ladungsspiegelung, denen ebenfalls Erhaltungsgroen zugeordnet sind (Paritat). Sie spielen in der klassischen Mechanik kaum eine
Rolle, sind aber von groer Bedeutung in der Quantenmechanik.
3. Das Zweikorperproblem
Betrachtet wird ein abgeschlossenes System, das aus zwei Massenpunkten besteht (N =2
! s =6), deren Wechselwirkung durch eine potentielle Energie beschrieben werden kann,
die nur von ihrem Abstand abhangt. Seine Dynamik ist von grundlegender Bedeutung
sowohl fur die Planetenbewegung (Kepler-Problem) in der Himmelsmechanik, als auch
fur das Wasserstoatom (Coulomb-Problem) in der Quantenmechanik. In diesen beiden
Fallen konnen die Massenpunkte auch durch kugelsymmetrische Massen- bzw. Ladungsverteilungen ersetzt werden, solange deren Abstand groer als die Summe ihrer Radien ist.
Haug wird in eingeschrankter Bedeutung als Zweikorperproblem auch dieser Sonderfall
bezeichnet, bei dem die potentielle Energie die Form hat:
V (r) = ? r :
Fur beliebiges V (r) lauten die Newtonschen Bewegungsgleichungen fur die beiden Massenpunkte mit den Massen m1 und m2 :
2
m1 ddtr21 = ? 1r dV
dr (r 1 ? r 2 )
2
m2 ddtr22 = ? 1r dV
dr (r 2 ? r 1 ) :
Dazu kommen die Anfangsbedingungen
r 1(t0 ) = r 10 ; v 1 (t0 ) = v 10 ; r 2(t0 ) = r 20 ; v 2(t0 ) = v 20 :
49
Dieses simultane System von sechs gewohnlichen Dierentialgleichungen 2. Ordnung fur
die Funktionen x1 (t); y1 (t); : : : ; z2 (t) ist nur in Sonderfallen direkt losbar, zum Beispiel fur
V (r) = r2 . Speziell fur das Kepler-Problem ergibt sich
m1 ddtx21 = [(x2 ? x1)2 + (y2 ? y1)2 + (z2 ? z1 )2 ]?3=2 (x2 ? x1)
2
zusammen mit funf weiteren analogen Gleichungen, die sich nicht unmittelbar separieren
lassen. Wie schon besprochen, folgt fur dieses abgeschlossene System aus den Symmetrieeigenschaften von Raum und Zeit die Existenz von zehn Bewegungsintegralen:
P = m1 v 1 + m2 v 2
L = m 1 r 1 v 1 + m2 r 2 v 2
E0 = 21 m1 v 21 + 21 m2 v 22 + V (jr 2 ? r 1 j)
R0 = [m1 (r 1 ? v 1 t) + m2 (r 2 ? v 2 t)]=(m1 + m2) :
Die Lagrange-Funktion lat sich schreiben als:
L = 21 m1 v 21 + 12 m2 v 22 ? V (jr 2 ? r 1 j) :
Durch die lineare Punkttransformation auf das System des Massenmittelpunktes:
R = (m1 r 1 + m2r 2)=(m1 + m2) ; r = r 2 ? r 1
und mit den Abkurzungen M = m1 + m2 ; m = m1 m2 =(m1 + m2 ) lat sie sich zerlegen
in
L = 21 M V 2 + 12 m v 2 ? V (r) = LA + LB
und beschreibt dann zwei unabhangige Teilsysteme, namlich den kraftefreien Massenmittelpunkt mit der Gesamtmasse M und einen (ktiven) Massenpunkt mit der reduzierten
Masse m, der sich in einem aueren Potentialfeld V (r) bewegt.
Die Bewegungsgleichungen fur das erste Teilsystem lassen sich unmittelbar integrieren und
liefern die Bahn
R(t) = R + 1 P (t ? t ) ;
0
M
0
die die sechs Bewegungsintegrale P und R0 enthalt. Auch seine Energie bleibt erhalten:
1 P2 ;
EB = 2M
stellt aber kein unabhangiges Bewegungsintegral dar.
Fur das zweite Teilsystem lauten die Bewegungsgleichungen
2
m d r = ? 1 dV r :
dt2
r dr
Da es sich um die Bewegung in einem radialen Potentialfeld handelt, bleiben der Drehimpuls und die Energie erhalten:
E = m2 v2 + V (r)
L = mr v ;
wobei wegen der Additivitat der Energie gilt
E = E0 ? EB :
50
Als Bezugspunkt fur den Drehimpuls wurde dabei der Massenmittelpunkt gewahlt, der
in einem Inertialsystem ruht. Das Zweikorperproblem ist damit im wesentlichen auf ein
eektives Einkorperproblem reduziert.
Im allgemeinen lassen sich die Bewegungsgleichungen wegen der radialsymmetrischen potentiellen Energie V (r) nur in Kugelkoordinaten separieren. Die Lagrange-Funktion lautet
dann:
LB = m2 (r_ 2 + r2#_ 2 + r2 sin2 # '_ 2 ) ? V (r) :
Aus der Erhaltung des Drehimpulses folgt aber, da die Bewegung in einer zu L senkrechten Ebene vor sich geht. Wahlt man diese als xy-Ebene, so verschwinden Lx und Ly , und
es gilt
Lz = L :
Wegen # =2 sind dann nur noch die Koordinaten r und ' variabel, und die LagrangeFunktion wird
LB = m2 (r_ 2 + r2 '_ 2 ) ? V (r) :
Die Zahl der Freiheitsgrade verringert sich damit auf s =2, gleichzeitig aber auch die der
Bewegungsintegrale auf E und L.
Im schon erwahnten Sonderfall des isotropen harmonischen Oszillators mit der potentiellen
Energie
V (r) = k2 r2 = k2 (x2 + y2 )
ist die Rechnung in kartesischen Koordinaten einfacher. Die Lagrange-Funktion
LB = m2 (x_ 2 + y_ 2 ) + k2 (x2 + y2 )
lat sich umordnen zu
?
?
LB = m2 x_ 2 + k2 x2 + m2 x_ 2 + k2 y2
und beschreibt zwei getrennte Teilsysteme von linearen harmonischen Oszillatoren. Die Bewegungsgleichungen lauten:
m x = ? k x ; m y = ? k y
und haben die ersten Integrale (Erhaltungsgroen)
Ex = m2 x_ 2 + k2 x2 ; Ey = m2 y_ 2 + k2 y2 :
Mit der Abkurzung !2 = k=m ergeben sich die Losungen
x = a~ cos(!t + ) ; y = ~b cos(!t + ) ;
die an die Anfangswerte x(0); x_ (0); y(0); y_ (0) angepat werden konnen.
Die Bahnkurve ist eine Mittelpunktsellipse mit den Halbachsen a und b, die um einen Winkel
'0 gegen die x-Achse gedreht ist. Im ebenfalls gedrehten Koordinatensystem x; y gilt dann
x = a cos(!t) ; y = b sin(!t) :
Durch Einsetzen von x(t) und y(t) ergibt sich sofort
Ex = k2 a~2 ; Ey = k2 ~b2 :
Zu diesen Erhaltungsgroen kommen noch
E = m2 (x_ 2 + y_ 2 ) + k2 (x2 + y2 ) = k2 (~a2 + ~b2 ) = k2 (a2 + b2 )
p
p
L = m(xy_ ? yx_ ) = km a~~b cos( ? ) = km ab
51
und, wie man durch Bilden der totalen Ableitung und Einsetzen der Bewegungsgleichungen
leicht veriziert,
A = m x_ y_ + k xy = k a~~b sin( ? ) ;
hinzu. Da es bei einem System von s Freiheitsgraden maximal 2s ? 1 unabhangige Erhaltungsgroen geben kann, mussen zwischen Ex; Ey ; E; L; A zwei Beziehungen bestehen. Sie
lauten:
Ex + E y = E
k L2 :
4 Ex Ey ? A2 = m
Wahlt man als unabhangige Erhaltungsgroen Ex; Ey und A, so ergibt sich aus ihnen durch
Elimination von x_ und y_ ohne Integration als Bahnkurve
Ey x2 + Ex y2 ? A xy = 21k (4 ExEy ? A2 ) ;
also wieder die gedrehte Mittelpunktsellipse. Benutzt man dagegen E; L und A, so erhalt
man daraus Form und Lage der Ellipse:
h E r E2
a= k +
r
L2 i1=2 ; b = h E ? E 2 ? L2 i1=2 ; sin(2' ) = A hE 2 ? L2 k i?1=2 :
?
0
k2 mk
k
k2 mk
m
Durch Integration der Bewegungsgleichungen in Kugelkoordinaten ergibt sich
m (r_ 2 + r2'_ 2 ) + V (r) = E
2
mr2 '_ = L :
Aus der zweiten Beziehung, die die Drehimpulserhaltung beschreibt, folgt das 2. KeplerGesetz: Der Fahrstrahl (\radius vector") u berstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flachen.
Die Elimination von '_ im Energieintegral fuhrt zu
m h dr 2 + L2 i + V (r) = E :
2 dt
m2 r2
Diese Dierentialgleichung 1. Ordnung fur r(t) lat sich durch Trennung der Variablen
integrieren, und es folgt:
t ? t0 =
Zr n 2
r0
L
[
E
?
V
(
r
)]
?
m
m2 r2
2
o?1=2
dr :
Das Problem ist damit durch Zuruckfuhrung auf eine Quadratur gelost. Im Prinzip ergibt
sich weiter durch Auflosen nach r(t) und Einsetzen in den Flachensatz:
Zt L
' ? '0 = m r2 (t) dt ;
t0
so da auch die Bewegung in ' durch eine Quadratur dargestellt wird. Durch Elimination des Parameters t aus r(t) und '(t) erhalt man schlielich die Bahnkurve r(') in
Polarkoordinaten.
Eine explizite Berechnung der Funktionen r(t); '(t) und r(') ist naturlich erst nach Festlegung der Potentialfunktion V (r) moglich, doch kann man aus dem Energieintegral
m r_ 2 + hV (r) + L2 i = E
2
2mr2
52
bereits weitgehende Erkenntnisse uber den Bewegungsablauf gewinnen. Diese Gleichung
ist formal identisch mit der fur die Bewegung eines Massenpunktes der Masse m in einem
eektiven Potentialfeld:
L2
Ve(r) = V (r) + 2mr
2
mit dem \Zentrifugalpotential" L2 =2mr2 , das fur L 6= 0 das Verhalten bei kleinen r dominiert, wenn r2 V (r) fur r ! 0 verschwindet, was hier vorausgesetzt wird.
Falls V (r) fur r ! 1 verschwindet, sind je nach Groe der Energie E verschiedene radiale
Bewegungstypen moglich (Fig. B2):
a) E > 0:
Aus dem Unendlichen kommend nahert sich der Massenpunkt dem Zentrum bis zu einem minimalen Abstand ra und lauft dann mit endlicher Restgeschwindigkeit wieder ins
Unendliche.
b) E = 0:
Der Bewegungsablauf ist ahnlich, nur verschwindet die Restgeschwindigkeit.
c) E < 0:
Es handelt sich um eine periodische Bewegung in r zwischen einem minimalen (ra ) und
einem maximalen (rb ) Abstand vom Zentrum, solange E groer ist als der Wert des Potentialmimimums, andernfalls hat das Problem keine Losung.
Im Fall c) ist die radiale Schwingungsdauer
Tr = 2
Zrb n 2
L
m [E ? V (r)] ? m2 r2
ra
2
o?1=2
dr :
In dieser Zeit andert sich ' (\Vorrucken des Perihels") monoton um
Zb
L
' = 2 m r?2(t) dt ;
t
t
a
denn der Integrand ist stets positiv. In der Regel ist aber ' 6= 2, dann ist die Periode
T' der '-Bewegung verschieden von Tr . Die Bahnkurve schliet sich nur, wenn Tr und
T' in einem rationalen Verhaltnis stehen. Sie lat sich auch ohne Kenntnis von r(t) durch
Variablenwechsel t $ r bestimmen:
' ? '0 =
Zr n 2mr4
2
L2 [E ? V (r)] ? r
r0
o?1=2
dr :
Haug ist es bequemer, s = 1=r als Variable zu benutzen:
' ? '0 = ?
Zs n 2m
s0
1 )] ? s2 o?1=2 ds :
[
E
?
V
(
L2
s
Die Auswertung des Integrals ergibt '(s), daraus folgt sofort '(r) und, wenn die explizite
Auflosung moglich ist, r(').
53
Das Kepler-Problem
In diesem Sonderfall ist die potentielle Energie:
V (r) = ? r ; = Gm1m2 :
Fur die Bahnkurve ergibt sich wie oben:
Zs n 2mE 2m
o
2 ?1=2
+
s
?
s
ds
'0 ? ' =
L2
L2
s0
m22 2mE ?1=2 is
h
= arcsin s ? m
s0 :
L2
L4 + L2
Die beiden Nullstellen des Integranden sind:
m22 2mE 1=2
:
sa;b = m
2
L
L4 + L2
Wahlt man als Anfangsbedingung s0 = sa , so erhalt man:
h 2EL2 1=2
? ')i :
sin(
'
+
1
+
1
+
s = m
0
L2
m2
2
oder, wegen sin(=2 ? ) = cos :
L2 =m
r(') =
:
1 + (1 + 2EL2 =m2 )1=2 cos(' ? '0 )
Das ist in Polarkoordinaten die Gleichung eines Kegelschnitts mit dem Parameter (\semilatus rectum")
L2
p = a j1 ? e2 j = m
und der numerischen Exzentrizitat
s
EL ;
e = 1 + 2m
2
2
dessen einer Brennpunkt mit dem Kraftzentrum im Ursprung zusammenfallt (1. KeplerGesetz).
Je nach dem Wert der Energie ergeben sich drei verschiedene Bahntypen (Fig. B3):
a) E < 0 ! e < 1 (Ellipse) mit dem Sonderfall e = 0 (Kreis)
b) E = 0 ! e = 1 (Parabel)
c) E > 0 ! e > 1 (Hyperbel)
Wegen a = p=j1 ? e2 j = =2jE j folgt fur die Gesamtenergie
jE j = 2a = Gm21am2 :
Sie hangt also nur von der groen Halbachse der Bahn, nicht von ihrer Exzentrizitat ab. Im
Bohrschen Modell des Wasserstoatoms ergibt sich entsprechend, da die Energieniveaus
nur von der Hauptquantenzahl n, nicht von der Nebenquantenzahl l, abhangen.
54
Fur ein System mit s Freiheitsgraden sind allgemein 2s Integrationen erforderlich. Dabei
ergeben sich unter Berucksichtigung der Anfangsbedingungen die Bahngleichungen:
qi = fi(q(0); q_(0); t)
und aus ihnen durch Ableitung nach der Zeit:
q_i = gi(q(0); q_(0); t) :
Falls es moglich ist, diese insgesamt 2s Gleichungen nach den 2s Unbekannten qi (0); q_i (0)
aufzulosen, erhalt man Beziehungen der Form:
qi (0) = 'i (q; q;_ t)
q_i (0) = i(q; q;_ t) ;
also 2s Bewegungsintegrale, die allerdings im allgemeinen keine Erhaltungsgroen sind,
sondern die Zeit t explizit enthalten. Es gibt daher maximal 2s Bewegungsintegrale, deren
Werte sich fur eine gegebene Bahn durch die 2s Anfangsbedingungen ausdrucken lassen. In der Regel wird diese Maximalzahl aber nicht erreicht. Jacobi hat gezeigt, da das
N -Korper-Problem schon integrabel ist, wenn es gelingt, 2s ? 2 unabhangige Bewegungsintegrale zu nden. Die beiden verbleibenden Integrationen lassen sich dann immer auf
Quadraturen zuruckfuhren.
Ein Beispiel dafur ist das Zweikorperproblem, bei dem wegen s = 6 insgesamt zwolf Integrationen zu leisten sind. Zehn davon lassen sich durch die zehn Erhaltungssatze fur
ein abgeschlossenes System ersetzen, die beiden verbleibenden Dierentialgleichungen 1.
Ordnung haben die Form:
dt = f (r) ; d' = g(r)
dr
dr
und fuhren nach der Trennung der Variablen zu Quadraturen. Dabei treten die Integrationskonstanten t0 und '0 auf.
Fur einen Planeten, dessen Masse gegenuber der der Sonne vernachlassigbar ist, stellt
diese ein raumfestes Kraftfeld dar. Wegen s = 3 sind hier insgesamt sechs Integrationen
durchzufuhren, dabei werden die sechs Bahnelemente festgelegt (Fig. B4). Die beiden
ersten bestimmen die Form der Bahnkurve (Ellipse):
a groe Halbachse
e numerische Exzentrizitat.
Die vier letzten beschreiben die Lage der Bahn in Raum und Zeit und sind vom gewahlten
Koordinatensystem abhangig:
i Neigung der Bahnebene relativ zur Ekliptik
Lange des aufsteigenden Knotens
! Lange des Perihels
t0 Zeit des Periheldurchgangs.
Aus den Symmetrieigenschaften dieses Systems folgen unmittelbar die vier Erhaltungsgroen E und Lx ; Ly ; Lz mit L2 = L2x + L2y + L2z . Aus E und L2 kann man zunachst direkt
a und e erhalten:
s
EL2 ;
a = 2jE j ; e = 1 + 2m
2
weiter aus Lx; Ly ; Lz die Lage der Bahnebene, also i und . Die beiden letzten Bahnelemente t0 und '0 ergeben sich schlielich bei den beiden Quadraturen fur t(r) und '(r).
55
Fur das Kepler-Problem lat sich aber noch ein funftes unabhangiges Bewegungsintegral
angeben. Fur den sogenannten Laplace-Runge-Lenz-Vektor (LRL)
A = p L ? m
r r
verschwindet namlich die totale Ableitung nach der Zeit langs der Bahn:
Es gilt aber:
dA = dp L + p dL + m dr r ? m dr :
dt dt
dt r2 dt
r dt
dL = 0 ; dp = F = ? r ; r dr = r dr :
dt
dt
r3
dt
dt
Das doppelte Vektorprodukt im ersten Term von dA=dt lat sich damit umformen:
dr
m 2 dr
? r3 r (r m ddtr ) = ? m
r3 r dt r + r3 r dt :
Durch Einsetzen folgt dann:
dA = 0 :
dt
Alle drei Komponenten von A sind Bewegungsintegrale, sie sind aber nicht unabhangig
von L und E , denn durch Quadrieren ergibt sich:
A2 = (p L)2 ? 2m r (p L) + 2 m2 = p2L2 ? 2 m L2 + 2 m2
r
2 2 2
= 2m 2m ? r L + m = 2m E L2 + 2 m2 :
p2
r
Der Vektor A liegt auerdem in der Bahnebene:
AL = 0 :
Die drei Komponenten von A liefern also nur ein neues unabhangiges Bewegungsintegral.
Das skalare Produkt von A und r ist
A r = A r cos(' ? '0 )
= r (p L) ? m r = L2 ? m r ;
dabei ist '0 der Winkel, den A mit der Knotenlinie bildet. Durch Auflosen nach r folgt:
L2 =m
L2 =m
=
r(') = 1 + (A=m
) cos(' ? '0 ) 1 + (1 + 2EL2 =m2 )1=2 cos(' ? '0 ) :
Bei Hinzunahme des funften Bewegungsintegrals ergibt sich also allein durch algebraische
Operationen, ohne Integration, die Bahnkurve. Der Vektor A liegt in der Richtung zum
Perihel (\Perihelvektor").
Weitere unabhangige Erhaltungsgroen kann es nicht geben. Fur die Zeitabhangigkeit von
' mu man den Flachensatz heranziehen. Bei einer vollen Periode T wird die Flache ab
der Ellipse uberstrichen, es gilt daher:
p
1 r2 '_ = L = ab = a2 1 ? e2 ;
2
2m T
T
56
oder nach Einsetzen fur e:
L = L a3=2 m?1=2 ?1=2 :
2m T
Daraus folgt fur den Zusammenhang zwischen der groen Halbachse a und der Periode T
das 3. Kepler-Gesetz:
a3 = G (m + m ) :
T 2 42 1 2
In seiner \Dissertatio Philosophica de Orbitis Planetarum" aus dem Jahre 1801, mit der er
die Theorie Newtons widerlegt zu haben glaubte, gibt G.W.F. Hegel den folgenden \logischen
Beweis" fur dieses Gesetz:
\In dieser Sache ndet sich noch ein Unterschied: Der Unterschied zweier Korper wird entweder tatsachlich aufgehoben oder bleibt, das heit aus ihnen wird entweder ein realer oder
ein idealer Korper. Jenes geschieht durch den freien Fall, dieses durch die Kreisbewegung.
Im Fall wird einfach das Element des Quadrates durch die Summe der Zeiteinheiten oder
(durch) eine Linie dargestellt, die in ein festes, aber willkurliches Ma unterteilt und in Zahlen ausgedruckt wird; bei der Kreisbewegung, durch die der ideale Korper erzeugt wird, bleibt
hingegen der Unterschied zwischen den Korpern und daher auch in gewisser Hinsicht zwischen Zeit und Raum bestehen; davon bewirkt jene die Periode, diese aber die Entfernung
der Korper: Doch mu man die Zeit mit dem Raum zusammenfassen, der von dem Korper
durchlaufen wird und mit dem Raum der Entfernung einen Winkel bildet, und diese Synthese, die die Groe der Bewegung bewirkt, ist das Quadrat selbst. So gibt es zwei Elemente
dessen, was man die Materie der Bewegung nennt und was das ganze Verhaltnis zweier sich
umeinander bewegender Korper ausdruckt, die Entfernungslinie und das Bewegungsquadrat:
Daher wird die Groe des Ganzen, das sich aus diesen beiden Elementen zusammenfugt, der
Wurfel oder der Korper sein. Und weil ja die Schwere immer ein und dieselbe ist, so ist der
Wurfel, wie ich meine, fur alle Planeten der gleiche. Daraus ergibt sich leicht jenes beruhmte
Gesetz von Kepler."
Es handelt sich also um bloes Wortgeklingel und leeres Geschwatz, wie es fur die idealistische
Naturphilosophie von Hegel und Schelling bezeichnend ist, und Schopenhauer hat wohl recht,
wenn er diese Epoche das \Zeitalter der intellektuellen Unredlichkeit" nennt. Sie ndet eine
wurdige Nachfolgerin im heutigen \postmodernen Relativismus".
Fur einen beliebigen Zeitpunkt t ergibt sich aus dem Flachensatz und der Bahnkurve die
Dierentialgleichung:
L = m2 (1 + e cos ')2 ;
'_ = mr
2
L3
die sich durch Trennung der Variablen losen lat und damit auf eine Quadratur fuhrt:
Z
2
= m
t
=
(1 + e cos ')?2 d' :
L3
0
'
Die Auswertung des Integrals ergibt in den drei Fallen:
' ? 1
e sin '
e < 1 : + (1 ? e2 )?3=2 arccos 1e++ecos
cos ' 1 ? e2 1 + e cos '
e = 1 : 21 tan '2 + 61 tan3 '2
e sin ' :
' + 1
e > 1 : ? (e2 ? 1)?3=2 arcosh 1e++ecos
2
cos ' e ? 1 1 + e cos '
Auer in den Sonderfallen des Kreises (e = 0) mit '(t) = und der Parabel (e = 1) mit
'(t) = 2 arctan
q3
p
q3
p
+ + 1 + ? 2 + 1
57
2
lassen lassen sich diese transzendenten Gleichungen nicht explizit nach '(t) auflosen. Fur
Ellipsenbahnen (e < 1) hat Kepler eine wesentlich einfachere Darstellung gefunden. Er
betrachtet dazu den der Ellipse umbeschriebenen Kreis (\Exzenter") mit einem Ersatzpunkt Q, dessen ane Abbildung auf die Ellipse den Ort P des Planeten angibt (Fig. B5).
Die Winkel relativ zur Achse der Ellipse (\Apsidenlinie") sind fur P die wahre Anomalie
' und fur Q die exzentrische Anomalie u. Aus geometrischen Betrachtungen ergibt sich
dann als Bahnkurve:
r(u) = a(1 ? e cos u)
und als Beziehung zwischen ' und u:
cos u ? e
'?e
cos u = 1cos
+ e cos ' ; cos ' = 1 ? e cos u :
Durch Ableitung nach t folgt daraus mit Hilfe des Flachensatzes:
u_ = 2 pL 2 1 ? e1cos u :
ma 1 ? e
p
und nach Ersetzen von L durch 2ma2 1 ? e2 =T die Dierentialgleichung fur u(t):
1
du = 2
dt T 1 ? e cos u :
Sie lat sich wieder durch Trennung der Variablen integrieren:
2 t = Z (1 ? e cos u) du ;
u
T
0
und es entsteht die Kepler-Gleichung
u ? e sin u = 2T t :
Das ist wieder, auer im Fall der Kreisbahn (e = 0), eine transzendente Gleichung, die
sich aber fur kleine e, wie sie fur die Bahnen der groen Planeten typisch sind, numerisch
sehr gut iterativ losen lat.
Im Gegensatz zur Epizykeltheorie des Ptolemaus lat sich die A nderung der allein beobachtbaren wahren Anomalie nicht durch einfache Zusammensetzung von trigonometrischen
Termen darstellen, und eine Umrechnung auf die Erde als Bezugspunkt ist nicht mehr in
geschlossener Form moglich. Fur die Planeten mu, zumindest rechnerisch, immer die Sonne als Bezugspunkt eingeschaltet werden, was dazu fuhrte, da sich bei den Astronomen
das heliozentrische Weltbild bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts fast vollig durchsetzte.
Eine Auflosung der Kepler-Gleichung durch eine Fourier-Reihe wurde zu Beginn des 19.
Jahrhunderts durch Bessel gegeben. Aus dem Ansatz
u(t) = 2T t +
folgt durch Ableitung nach t
1
X
n=1
an sin(n 2T t)
1
du = 2 [ 1 + X
n an cos(n 2T t)]
dt T
n=1
58
und daraus in der ublichen Weise fur die Fourier-Koezienten an :
n an = 2T T2
ZT
1
=
0
ZT du
0
2
2
dt ? T cos(n T t) dt
2
cos(n 2T t) du
dt dt = Z
cos[n(u ? e sin u)] du :
0
Die Besselfunktionen 1. Art werden deniert durch
Jn (x) = 1
fur die Koezienten an folgt damit
Z
cos(nu ? x sin u) du ;
0
an = n2 Jn (ne)
und als Auflosung der Kepler-Gleichung schlielich:
u(t) = 2T t + 2
1
X
Jn (ne)
n=1
2
n sin(n T t) :
Durch Einsetzen von '(t) in die Bahngleichung r(') ergibt sich ein sehr unubersichtlicher
Ausdruck fur r(t). Besser geht man aus vom Energieintegral
m dr 2 + L2 ? = E
2 dt
m2r2 r
Aus dieser Dierentialgleichung 1. Ordnung fur r(t) erhalt man zunachst t(r):
Zr n 2
] ? L2 o1=2 dr :
[
E
+
t=
m
r m2 r2
a(1?e)
Die Auswertung des Integrals ergibt fur = t m2 =L3 in den drei Fallen:
e < 1 : + (1 ? e2 )3=2 farccos[ 1 (1 ? r )] ? [ e2 ? (1 ? r )2 ]1=2 g
e
a
a
r m r 1 1=2
e = 1 : 31 m
L2 + 1 L2 ? 2
e > 1 : ? (e2 ? 1)3=2 farcosh[ 1e (1 + ar )] ? [(1 + ar )2 ? e2 ]1=2 g :
Auch r(t) lat sich mit Hilfe von Fourier-Reihen darstellen, auf die hier aber nicht eingegangen werden soll.
Die Koordinaten r und ' beschreiben die relative Bewegung der Massenpunkte m1 und
m2 umeinander, ihre absoluten Bahnen erhalt man daraus durch Multiplikation mit den
Mastabsfaktoren m2 =(m1 + m2 ) und m1 =(m1 + m2 ) (Fig. B6).
Damit ist das Zweikorperproblem im engeren Sinne vollstandig gelost. Es zeichnet sich
dadurch aus, da radiale und azimuthale Periode Tr und T' ubereinstimmen und die
Bahnkurve daher geschlossen ist.
Das gilt auch fur den isotropen harmonischen Oszillator mit der potentiellen Energie
V (r) = k2 r2 :
59
Aus der allgemeinen Beziehung fur die Bahnkurve folgt hier mit der neuen Variablen v = 1=r2 :
' ? '0 = ? 21
Zv h 2m v0
k ? v2 i?1=2 dv
E
v
?
L
2
2
h
m2 E2 km ?1=2 iv
= ? 12 arccos mE
?
v
v0 :
L2
L4 ? L2
Die beiden Nullstellen der Wurzel im Integranden sind
r
m2 E 2 ? km :
va;b = mE
2
L
L4
L2
Wahlt man als Anfangsbedingung v0 = vb , so ergibt sich:
n mE r m2 E2
km cos[2(' ? '0 )]o?1=2 :
?
r(') = L2 ?
l4
L2
Das ist eine Mittelpunktsellipse mit den Halbachsen
h mE r m2E2
r
i?1=2
h mE m2E2 km i?1=2
;
b
=
;
a = L2 ? L4 ? km
L2
L2 + L4 ? L2
die gegen die x-Achse um den Winkel '0 gedreht ist. Die Zeitabhangigkeit von r folgt aus
t=?
Zr h 2 r0
k r2 ? L2 i?1=2 dr
E
?
m
2
mr2
q
h 2 E E2 L2 ?1=2 ir
= 12 m
arccos
r ? k k2 ? km
r0 :
k
Die beiden Nullstellen der Wurzel im Integranden sind die Halbachsen
h E r E2
r
L2 i1=2 ; b = h E ? E 2 ? L2 i1=2 ;
a = k + k2 ? km
k
k2 km
was mit den obigen Werten ubereinstimmt. Wahlt man r0 = a, so wird
n E r E2
L cos(2!t)
r(t) = k + k2 ? km
Die Zeitabhangigkeit von ' folgt schlielich aus
' ? '0 =
Zt
0
L
L
mr2 (t) dt = m
h
2
Zt h E r E 2
0
k+
o1=2
:
L
k2 ? km cos(2!t)
r
2
i?1
dt
2
L2 ?1 i :
= arctan pL tan(!t) Ek + Ek2 ? km
km
Man diese Beziehungen auch mit Hilfe der Halbachsen a und b ausdrucken:
h
i
r(t) = [a2 cos(!t) + b2 sin2 (!t)]1=2 ; '(t) = arctan ab tan(!t)
! r(') = ab [a2 sin2 ' + b2 cos2 ']?1=2 :
Fur eine potentielle Energie der Form V (r) = rn sind die behandelten Falle n = 2 und
n = ?1 die einzigen, fur die die Bahnkurve bei gebundenen Zustanden geschlossen, die
Bewegung also periodisch ist (Theorem von Bertrand).
Im Fall einer Storung, zum Beispiel durch relativistische Eekte oder eine Abplattung der
Sonne, kommt zum Gravitationspotential noch ein Term proportional zu r?3 hinzu. Die
Integrale lassen sich dann nicht mehr durch elementare Funktionen ausdrucken, sondern sind
60
vom elliptischen Typ. Naherungsweise kann man die resultierende Periheldrehung aber auch
durch ein Zusatzpotential proportional zu r?2 darstellen:
V (r) = ? r + r2 :
Mit s = 1=r ergibt sich dann fur die Bahnkurve:
' ? '0 = ?
=?
Zs n 2m
s0
s
2
2
L2 [E + s ? s ] ? s
Z n 2m
s0
o?1=2
ds
o?1=2 ds :
?
2m 2
L2 [E + s] ? 1 + L2 s
Mit der Abkurzung = 1 + 2m=L2 fuhrt die Substitution s~ = s ! r~ = r= ; '~ =
' ; ~ = = zu
Zs~ n 2m
o?1=2
2
'~ ? '~0 = ?
[
E
+
~
s
~
]
?
s
~
ds~ :
L2
2
s~0
Das stimmt in der Form mit der Gleichung fur das ungestorte Problem uberein, die Gleichung
der Bahnkurve ist also:
2 L2 =m
:
r(') =
1 + (1 + 2E 2 L2 =m2 )1=2 cos[ (' ? '0 )]
Bei einem Umlauf von Perihel zu Perihel in der Zeit Tr dreht sich die Apsidenlinie dann um
' = 2( 1 ? 1) ? 2 m
L2 :
Im Gegensatz zur r-Bewegung ist die '-Bewegung aber nicht periodisch; die Zeit, in der '
um 2 anwachst, ist von Umlauf zu Umlauf verschieden. Ihr Mittelwert uber viele Perioden
ist T' = Tr .
Fur das Dreikorperproblem lautet die Lagrange-Funktion
Gm2 m3 + Gm3 m1 :
1 m2
+
L = m21 v 21 + m22 v 22 + m23 v 23 + jGm
r ? r j jr ? r j jr ? r j
2
1
3
2
1
3
Entsprechend der Zahl der Freiheitsgrade (s = 9) sind insgesamt achtzehn Integrationen
durchzufuhren. Auch hier stehen die zehn Bewegungsintegrale fur ein abgeschlossenes System zur Verfugung. Bei Kenntnis von 2s?2 = 16 Bewegungsintegralen ware das Problem
integrabel, liee sich also auf Quadraturen reduzieren. Bruns hat aber gezeigt, da keine weiteren Bewegungsintegrale als eindeutige Funktionen von qi; q_i und t existieren, das
Dreikorperproblem ist also im allgemeinen Fall nicht integrabel.
Einen wichtigen Sonderfall stellt das eingeschrankte Dreikorperproblem (\probleme restreint") dar, bei dem zwei groe Massen M1 und M2 in einer Ebene mit konstanter Winkelgeschwindigkeit um ihren Massenmittelpunkt rotieren. Ein dritter Korper mit der Masse m,
die gegenuber M1 ; M2 vernachlassigbar klein ist, bewegt sich in diesem zeitlich veranderlichen Kraftfeld. Fur ihn gelten daher nicht mehr die Erhaltungssatze fur ein abgeschlossenes
System. Betrachtet man aber seine Bewegung in Bezug auf ein mitrotierendes Koordinatensystem, so ist in diesem das Kraftfeld zeitlich konstant:
F = ?r V (x; y):
Die Transformation auf das Inertialsystem wird gegeben durch
x = x cos(!t) ? y sin(!t)
y = x sin(!t) + y cos(!t) :
61
In diesem ist die Lagrange-Funktion
LB = m2 (x_ 2 + y_ 2 ) ? V (x cos(!t) + y sin(!t); ?x sin(!t) + y cos(!t)) ;
die potentielle Energie und damit das Kraftfeld sind also zeitabhangig, und Energie und
Drehimpuls bleiben nicht erhalten. Im rotierenden System gilt dagegen:
LB = m2 (x_ 2 + y_ 2 ) + m! (xy_ ? yx_ ) + m2 !2 (x2 + y2 ) ? V (x; y) :
Die Bewegungsgleichungen (Lagrange-Gleichungen) lauten dann wie vorher:
m x ? 2m! y_ ? m!2 x + @V
@x = 0
m y + 2m! x_ ? m!2 y + @V
@y = 0 :
Da die Lagrange-Funktion hier nicht explizit von der Zeit abhangt, ist die Hamilton-Funktion
H = m2 (x_ 2 + y_ 2 ) ? m2 !2 (x2 + y2 ) + V (x; y)
ein Bewegungsintegral (Jacobi-Integral), stimmt aber nicht mit der Energie
E = m2 (x_ 2 + y_ 2 ) + V (x cos(!t) + y sin(!t); ?x sin(!t) + y cos(!t))
= m2 (x_ 2 + y_ 2 ) + m! (xy_ ? yx_ ) + m2 !2 (x2 + y2 ) + V (x; y) :
uberein, da die kinetische Energie und damit die Lagrange-Funktion nicht homogenquadratisch in x;_ y_ ist. Man kann leicht zeigen, da
H =E?!L :
Die Rechnung vereinfacht sich in Polarkoordinaten r; ' erheblich. Die Transformation zwischen den Bezugssystemen lautet dann
r = r ; ' = ' + ! t :
Damit ensteht aus der Lagrange-Funktion im Inertialsystem
LB = m2 (r_ 2 + r2 '_ 2 ) ? V (r; ' + ! t)
als Darstellung im rotierenden System
LB = m2 (r_ 2 + r2 '_ 2 ) + m! r2 '_ + m2 !2 r2 ? V (r; ') ;
woraus die Bewegungsgleichungen
m r ? m r '_ 2 ? 2m! r '_ ? m!2 r + @V
@r = 0
mr2 ' + 2mrr_ '_ + 2m! rr_ + @V
@' = 0
folgen. Die Hamilton-Funktion ergibt sich zu
H = m2 (r_ 2 + r2 '_ 2 ) ? m2 !2 r2 + V (r; ')
und unterscheidet sich um
! L = m! r2 '_ = m! r2 ('_ + !)
von der Energie
E = m2 (r_ 2 + r2 '_ 2 ) + m! r2 '_ + m2 !2 r2 + V (r; ')
Da das Kraftfeld hier durch ein Zweizentrenpotential beschrieben wird, gibt es wegen der fehlenden Symmetrie auch in diesem Fall keine weiteren Bewegungsintegrale, das eingeschrankte
Dreikorperproblem ist also ebenfalls nicht integrabel. Es existieren aber spezielle Losungen
der Bewegungsgleichungen, namlich (maximal) funf Punkte, die Lagrange-Punkte L1 bis L5 ,
in denen sich der Massenpunkt im Gleichgewicht zwischen Gravitations- und Zentrifugalkraft
bendet (Fig. B7). Von ihnen sind L1 bis L3 , die auf der Verbindungslinie der beiden groen
Massen liegen, instabil, dagegen L4 und L5 stabil.
62
Wie schon fruher erwahnt wurde, besteht bei nichtintegrablen nichtlinearen Systemen fur
gewisse Bereiche der Parameter die Moglichkeit chaotischen Verhaltens. Im Sonnensystem
kommt es dazu zum Beispiel bei der Bewegung von Kleinplaneten oder Kometen im vereinigten Feld von Sonne und Jupiter.
Newton war der Meinung, da entsprechendes auch fur die groen Planeten gelte und es deshalb erforderlich sei, da Gott in Zeitraumen von einigen tausend Jahren das Sonnensystem
wieder in einen geordneten Zustand versetzt (\das Uhrwerk aufzieht"). Laplace zeigte dagegen 1773, da die Bahnen der groen Korper im Sonnensystem zumindest uber Zeitraume
von Millionen von Jahren stabil sind. Als er von Napoleon gefragt wurde, warum er im Gegensatz zu Newton in seinem Hauptwerk \Exposition du systeme du monde" den Schopfer
nicht erwahne, antwortete er: \Sire, je n'avais plus besoin de cette hypothese-la!".
4. Der starre Korper
Als starren Korper, oft auch Kreisel genannt, bezeichnet man ein System von N Massenpunkten, deren wechselseitige Abstande unveranderlich sind. Die ursprungliche Anzahl von
3N Freiheitsgraden verringert sich dadurch um die Zahl der Zwangsbedingungen. Bei N
Massenpunkten gibt es N (N ? 1)=2 Abstande, doch sind diese fur N > 3 nicht unabhangig
voneinander. Jeder hinzugefugte Massenpunkt bringt drei zusatzliche Freiheitsgrade ein,
erhoht aber gleichzeitig auch die Zahl der unabhangigen Zwangsbedingungen um drei, so
da bei N 3 fur das System s = 6 gilt. Eine Ausnahme bildet der Fall der kollinearen
Anordnung, zu dem auch der Korper mit N = 2 gehort. Fur ihn ist s = 5. Es existieren
keine starren Korper mit vier Freiheitsgraden, daher ist es zum Beispiel nicht moglich, fur
ein Elektron mit Spin ein klassisches Modell anzugeben.
a) Kinematik
Fur N > 2 ist die Aufstellung von Bewegungsgleichungen fur die einzelnen Massenpunkte
unter Berucksichtigung der Zwangskrafte (Lagrange-Gleichungen 1. Art) nicht mehr praktikabel. Man beschreibt dann das System zweckmaig durch eine Lagrange-Funktion, die
von sechs, bei kollinearen Anordnungen von funf, generalisierten Koordinaten qi abhangt.
Als solche kommen in Betracht zunachst die kartesischen Koordinaten X; Y; Z =^ q1 ; q2 ; q3
des Massenmittelpunktes. Nach einem Theorem von Euler ist die allgemeinste Bewegung
eines starren Korpers, von dem ein Punkt festgehalten wird, eine Drehung um eine wohldenierte Achse durch diesen Punkt um einen wohldenierten Drehwinkel . Zum Beweis
betrachtet man die relativen Lagen eines im Korper festen Dreibeins vor (e 1 ; e 2 ; e 3 ) und
nach (e 1 ; e 2 ; e 3 ) der Bewegung. Dann gilt:
e 1 = D11 e 1 + D12 e 2 + D13 e 3
e 2 = D21 e 1 + D22 e 2 + D23 e 3
e 3 = D31 e 1 + D32 e 2 + D33 e 3 :
Da es sich bei dieser Transformation um eine Bewegung handelt, bei der das Skalarprodukt von Vektoren erhalten bleibt, mu ihre Matrix orthonormal sein. Die Drehachse
ergibt sich daraus, da Vektoren in der durch sie festgelegten Richtung ungeandert bleiben, also Eigenvektoren der Matrix zum Eigenwert +1 sind. Den Drehwinkel erhalt
man am einfachsten aus der Tatsache, da die Spur einer Matrix bei einer Drehung des
Koordinatensystems invariant ist. Wahlt man ein System, dessen z -Achse mit dem obigen
Eigenvektor zusammenfallt, so ist in diesem:
e 1 = +e 1 cos + e 2 sin
e 2 = ?e 1 sin + e 2 cos
e 3 = e 3 :
63
Fur die Spur der Drehmatrix folgt daraus:
D11 + D22 + D33 = 2 cos + 1 ! cos = 12 (D11 + D22 + D33 ? 1) :
Beschreibt man die Lage der Drehachse im ursprunglichen Koordinatensystem durch ihre
Richtungswinkel ' und #, so wird die Drehung festgelegt durch die drei Euler-Winkel
'; #; =^ q4 ; q5 ; q6 .
b) Dynamik
Aus den allgemeinen Erorterungen des ersten Kapitels u ber die Bewegung von Systemen
von Massenpunkten folgt, da sich die Translationsbewegung des Massenmittelpunktes
und die Rotationsbewegung um ihn herum weitgehend trennen lassen. Fur die kinetische
Energie des Systems gilt:
T = T t + Tr
mit der Translationsenergie
Tt = M2 (X_ 2 + Y_ 2 + Z_ 2 ) :
Die potentielle Energie lat sich zerlegen in die der inneren Wechselwirkung V (i) und die
der Wechselwirkung mit der Umgebung V (e) :
V = V (i) + V (e) ;
doch spielt die erstere beim starren Korper keine Rolle, da sie zeitlich unveranderlich ist,
und wird im folgenden weggelassen. Aus der Lagrange-Funktion dieses Systems mit sechs
Freiheitsgraden folgen dann als Lagrange-Gleichungen 2. Art die schon fruher betrachteten
Beziehungen:
dP = F (q ; q ; q =^ X; Y; Z )
1 2 3
dt
fur die Bewegung des Massenmittelpunktes und
dL = N
dt
(q4 ; q5 ; q6 =^ '; #; )
fur die Rotation um diesen Punkt herum, dabei ist F die auere Kraft und N das auere
Drehmoment.
Die kinetische Energie der Rotation um den Massenmittelpunkt ist
Tr = 21
X
k
mk v 2k ;
wobei fur die Rotationsgeschwindigkeit des k. Massenpunkts gilt
vk = ! rk :
Die Winkelgeschwindigkeit ! ist fur alle Massenpunkte des starren Korpers die gleiche.
Fur den Drehimpuls ergibt sich dann
L=
=
X
k
X
k
mk r k v k =
X
k
mk r k (! r k )
mk [ rk2 ! ? (r k !) r k ] :
64
Andererseits gilt fur das Quadrat der Geschwindigkeit:
v 2k = (! r k )2 = (! r k ) (! r k )
= v k (! r k ) = ! (r k v k )
= ! [r k (! r k )]
und damit fur die kinetische Energie der Rotation
Tr = 12 ! L :
Unter Benutzung des dyadischen (tensoriellen) Produkts von zwei Vektoren lat sich aber
schreiben
(r k ! ) r k = r k (r k !) = (r k r k ) !
und damit fur den Drehimpuls
X
L = f mk [ rk2 1 ? (r k r k )]g ! = ! :
k
Er ist also das skalare Produkt aus der durch den Aufbau des Korpers festgelegten
Tragheitsdyade X
= mk [ rk2 1 ? (r k r k )]
k
und der variablen Winkelgeschwindigkeit !. Fur die kinetische Energie der Rotation ergibt
sich damit
Tr = 21 ! ! :
In einem bestimmten Koordinatensystem wird dargestellt durch eine Matrix ~ :
0
1 0P
P mxz 1
2 + z2) ? P m x y
?
11 12 13
m
(
y
k
k
k
k
k
k
k P k
Pk mk ykzk CA ;
2 + x2 )
m
(
z
?
m
y
x
~ = B
@ 21 22 23 CA = B@ ? P
k k k k
k k k
k k k k
k
? Pk mk zk xk ? Pk mk zk yk Pk mk (x2k + yk2)
31 32 33
deren Nichtdiagonalelemente als Deviationsmomente bezeichnet werden. Bei einer Drehung des Koordinatensystems mit der Matrix D~ geht ~ uber in ~ 0 :
r~0 = D~ r~ ! ~ 0 = D~ ~ D~ ?1
(A hnlichkeitstransformation). Da die Matrix ~ reell und symmetrisch ist (ij = ji ),
kann sie durch eine solche Transformation auf Diagonalgestalt gebracht werden:
0
1
1 0 0
=^ B@ 0 2 0 CA :
0 0 3
Die neuen Koordinatenachsen, die mit den Richtungen der Eigenvektoren der Matrix
u bereinstimmen, heien Hauptachsen oder Haupttragheitsachsen, die Diagonalelemente
i ( 0) Haupttragheitsmomente.
In Bezug auf das raumfeste Inertialsystem sind die Koordinaten xk ; yk ; zk Funktionen
der Zeit, das gleiche gilt fur die Elemente ij der Tragheitsdyade und damit auch fur
die Richtung der Hauptachsen. Die Haupttragheitsmomente i beziehen sich dagegen
auf das korperfeste System und hangen nicht von der Zeit ab. Fur ein System von N
Massenpunkten ergeben sie sich zu
i =
N
X
k=1
mk rk2 ;
65
dabei ist rk der Abstand des k. Massenpunktes von der betrachteten Hauptachse. Ein
Erweiterung auf kontinuierliche Massenverteilungen (r) ist ohne weiteres moglich und
fuhrt zum Beispiel zu:
3 =
ZZZ
(x; y; z)(x2 + y2 ) dx dy dz
mit analogen Ausdruchen fur 1 und 2 . Dabei konnen drei Falle auftreten:
1) 1 = 2 = 3 (Kugelkreisel)
In diesem Fall ist jede Achse eine Haupttragheitsachse.
2) 1 = 2 6= 3 (symmetrischer Kreisel)
In diesem Fall ist jede Achse in der xy-Ebene eine Hauttragheitsachse.
3) 1 < 2 < 3 (asymmetrischer Kreisel)
In diesem Fall sind die drei Haupttragheitsachsen eindeutig festgelegt und stehen senkrecht
aufeinander.
Wenn ein starrer Korper um eine festgelegte Achse (Richtung e ) mit der Winkelgeschwindigkeit ! rotiert, kann man ein eektives Tragheitsmoment um diese Achse denieren
durch:
2 X
X
Tr = 21 !2 = 21 mk v 2k = !2 mk (r k e )2
k
2 X
= !2 mk [rk2 ? (r k e )2 ]
k
k
= ! e e :
Durch Vergleich ergibt sich:
= e e ;
aus dem Tragheitstensor lassen sich also die Tragheitsmomente fur die Rotation um
beliebige Achsen durch den Massenmittelpunkt ableiten.
Falls die Achse, in bezug auf welche das eektive Tragheitsmoment berechnet werden soll,
nicht durch den Massenmittelpunkt geht, sondern von ihm den Abstand a hat, kann man
setzen:
r k = R + r k :
Hier ist R der Ortsvektor des Massenmittelpunkts M bezuglich eines Koordinatenursprungs auf der Drehachse, r k der entsprechende des k. Massenpunkts und r k sein Ortsvektor bezuglich M. Dann gilt fur die Rotationsenergie:
1
2
2
2 X
2 X
Tr = 21 !2 = !2 mk (r k e )2 = !2 mk [(R + r k ) e ]2
k
k
X
X
X
= !2 [ mk (R e )2 + 2 mk (R e ) (r k e ) + mk (r k e )2 ] :
2
k
k
k
Fur den Massenmittelpunkt M gilt aber denitionsgema:
X
mk r k = 0 :
k
Der mittlere Term verschwindet also, und es bleibt:
Tr = !2 [
2
X
k
mk (r k e )2 + (R e )2
66
X
k
mk ] :
Der Abstand von M von der Drehachse ist andererseits:
a = jR e j ;
und man erhalt fur das Tragheitsmoment um die verschobene Achse den Satz von Steiner:
= + M a2 :
Zur Veranschaulichung der Richtungsabhangigkeit von dient das sogenannte Tragheitsellipsoid. Fur eine beliebige durch den Einheitsvektor e gegebene Richtung der Drehachse
ist im System der Hauptachsen:
= 1 e21 + 2 e22 + 3 e23 :
Die Komponenten ei bezeichnet man auch haug als Richtungskosinus. Tragt man jetzt
den Betrag von ? 1=2 in der Richtung von e auf, so hat der Endpunkt die Koordinaten
x = e1 ? 1=2 ; y = e2 ? 1=2 ; z = e3 ? 1=2
und liegt daher auf der Flache
1 = 1 x2 + 2 y 2 + 3 z 3 :
Im allgemeinen Fall handelt es sich dabei um ein dreiachsiges Ellipsoid mit den Halbachsen ?1 1=2 ; ?2 1=2 ; ?3 1=2 , das in den Sonderfallen 1 = 2 und 1 = 2 = 3 zu einem
Rotationsellipsoid bzw. zu einer Kugel entartet.
Wurde man statt ? 1=2 die Groe selbst auftragen, so erhielte man ebenfalls eine geschlossene Flache, aber von hoherem Grade. Ihre Schnittkurve mit x; y-Ebene hatte zum
Beispiel in Polarkoordinaten die Gleichung
r(') = 1 cos2 ' + 2 sin2 ' ;
ware also in kartesischen Koordinaten eine Kurve 6. Grades.
c) Eulersche Gleichungen der Kreiseltheorie
Fur die Rotationsbewegung um den Massenmittelpunkt herum gilt im raumfesten Inertialsystem:
dL = N :
dt
Von wesentlichem Interesse ist aber die Bewegung des starren Korpers, also die zeitlich
veranderliche Lage der momentanen Drehachse und der Haupttragheitsachsen. Dazu wird
die Bewegungsgleichung fur L im korperfesten System betrachtet. Wie fur jeden zeitlich
veranderlichen Vektor gilt auch fur den Drehimpuls:
dL = L_ + ! L ;
dt
wobei dL=dt und L_ die zeitliche A nderung relativ zum raumfesten und zum rotierenden
korperfesten System bezeichnen. In beiden besteht die Beziehung:
L=! ;
da aber im korperfesten System konstant ist, folgt aus der Bewegungsgleichung fur L:
!_ + ! ( !) = N :
67
Durch Zerlegung in die Komponenten nach den drei Hauptachsen ergeben sich die Eulerschen Gleichungen der Kreiseltheorie:
1 !_ 1 ? (2 ? 3 ) !2 !3 = N1
2 !_ 2 ? (3 ? 1 ) !3 !1 = N2
3 !_ 3 ? (1 ? 2 ) !1 !2 = N3 :
Sie stellen ein gekoppeltes System von drei nichtlinearen Gleichungen fur die !i dar, die
hier die Rolle der q_i spielen. Fur einen freien Kreisel (N = 0) ist beispielsweise
L = T = 21 (1 !12 + 2 !22 + 3 !32 )
die Lagrange-Funktion. Aus ihr folgen die Lagrange-Gleichungen
d @L = 0 ! d ( ! ) = dLi = 0 ;
dt @!i
dt i i dt
die mit den Eulerschen Gleichungen fur diesen Fall ubereinstimmen. Wie noch gezeigt werden wird, gibt es aber keine holonomen generalisierten Koordinaten qi mit den !i als den
zugehorigen q_i . Die Eulerschen Gleichungen mit ihrer einfachen, symmetrischen Gestalt
sind daher praktisch nur brauchbar, wenn das Drehmoment N nicht von der Orientierung
des starren Korpers abhangt.
Der wichtigste solche Fall ist der des freien Kreisels. Wenn seine Bewegung anfanglich um
eine der Haupttragheitsachsen erfolgt, ist die Drehachse sowohl raum- als auch korperfest
(starre Rotation). Bei beliebigen Anfangsbedingungen sind verschiedene Falle zu unterscheiden.
1) Kugelkreisel (1 = 2 = 3 )
Hier ist !_ i 0 und daher !i konstant. Der Kreisel rotiert starr, da jede Achse Haupttragheitsachse ist.
2) Symmetrischer Kreisel (1 = 2 6= 3 )
Die Eulerschen Gleichungen lauten in diesem Fall:
1 !_ 1 ? (1 ? 3 ) !2 !3 = 0
1 !_ 2 + (1 ? 3 ) !1 !3 = 0
3 !_ 3
=0:
Die letzte Gleichung lat sich unmittelbar integrieren und liefert
!3 (t) !0 :
Damit kann man die beiden ersten Gleichungen schreiben als
1 !_ 1 ? (1 ? 3 ) !0 !2 = 0
1 !_ 2 + (1 ? 3 ) !0 !1 = 0 :
Das ist ein gyroskopisches System von zwei linearen Dierentialgleichungen 1. Ordnung.
Mit dem Ansatz u = !1 + { !2 erhalt man statt ihrer die Dierentialgleichung
1 u_ ? { (3 ? 1 ) !0 u = 0 :
Deniert man die Prazessionsfrequenz !p durch
!p = 3 ? 1 !0 ;
1
68
so ist die Losung der Bewegungsgleichung
u(t) = u0 exp({ !p t ) ;
wobei man durch Wahl des Anfangspunktes der Zeitzahlung immer erreichen kann, da
u0 reell und positiv ist. Es folgt schlielich
0
1
u
0 cos(!p t)
B
C
! (t) = @ u0 sin(!p t) A :
!0
Die momentane Drehachse rotiert (Fig. B8) also mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit
!p auf einem festen Kegel um die Figurenachse (regulare Prazession des freien symmetrischen Kreisels). Das gleiche gilt fur den Drehimpuls L, wobei ! und L in der gleichen
Ebene durch die Figurenachse liegen. Fur 3 > 1 liegt dabei L zwischen ! und der
z-Achse, fur 3 < 1 ist es umgekehrt.
Der Erdkorper hat naherungsweise die Gestalt eines abgeplatteten Rotationsellipsoids
(Spharoid) mit der Elliptizitat (Abplattungsverhaltnis) (3 ? 1 )=1 1=300. Die Winkelgeschwindigkeit seiner Rotation ist !0 2=86400, die Periode der Prazession daher
!p 300 Tage. Sie ist im wesentlichen identisch mit der Chandler-Periode der Polschwankungen von 420 Tagen, bei denen der Abstand der Drehachse vom Pol (Figurenachse) im
Mittel um etwa 0 00: 1 (=^ 4 m auf der Erdoberache) schwankt.
Im raumfesten System liegen umgekehrt ! und die Figurenachse in einer Ebene durch
den konstanten Drehimpuls L, die sich ebenfalls mit der Prazessionsfrequenz, aber in
entgegengesetzter Richtung dreht.
3) Asymmetrischer Kreisel (1 < 2 < 3 )
Wegen der Nichtlinearitat der Eulerschen Gleichungen ist eine direkte Integration nicht
moglich, man mu daher nach Erhaltungsgroen suchen. Durch Erweitern der i. Gleichung
mit !i und Addition folgt
1 !1 !_ 1 + 2 !2 !_ 2 + 3 !3 !_ 3 = 0
und daraus durch Integration nach der Zeit das Energieintegral
1
2
(1 !12 + 2 !22 + 3 !32 ) E = T :
Erweitern mit i !i und Addition ergibt andererseits
21 !1 !_ 1 + 22 !2 !_ 2 + 23 !3 !_ 3 = 0 :
Hieraus folgt durch Integration nach der Zeit
(1 !1 )2 + (2 !2 )2 + (3 !3 )2 L2 :
Im korperfesten System bleibt also nur das Betragsquadrat des Drehimpulses erhalten,
nicht, wie im raumfesten System, seine Richtung. Durch Elimination von !1 und !3 aus
E und L2 erhalt man
!12 = [(2E 3 ? L2 ) ? 2 (3 ? 2 ) !22]=[1 (3 ? 1 )] = 1 ? 2 !22
!32 = [(L2 ? 2E 1 ) ? 2 (2 ? 1 ) !22 ]=[3 (3 ? 1 )] = 1 ? 2 !22
69
und durch Einsetzen in die Bewegungsgleichung fur !2
2 !_ 2 = (3 ? 1 )[(1 ? 2 !22 )(1 ? 2 !22 )]1=2 :
Diese Dierentialgleichung fur !2 (t) lat sich durch Trennung der Variablen losen, und es
ergibt sich
Z !2(t)
[(1 ? 2 !22 )(1 ? 2 !22 )]?1=2 d!2 = 3 ? 1 t :
!2 (0)
2
Auf der linken Seite steht ein elliptisches Integral 1. Gattung. Die !i (t) lassen sich durch
Jacobische elliptische Funktionen ausdrucken. Mit den Abkurzungen
2
2
2 ? 1 )(2E 3 ? L )
2 = (3 ? 2 )(L ? 2E 1 ) ; k2 = (
( ? )(L2 ? 2E ) :
1
ergibt sich zunachst
2
3
3
2
1
2 i1=2
h
!2(t) = 2E(3 ??L ) sn(t j k2 )
2
3
2
und dann durch Einsetzen in die obigen Beziehungen
2 i1=2
h
!1 (t) = 2E(3 ??L ) cn(t j k2 )
1
3
1
h L2 ? 2E 1 i1=2
!3 (t) = ( ? ) dn(t j k2 ) ;
3
3
1
dabei sind die die Funktionen cn und dn deniert durch
q
q
cn(t j k ) = 1 ? sn (t j k ) ; dn(t j k ) = 1 ? k2 sn2 (t j k2 )2 :
2
2
2
2
Damit liegt die Losung des Problems in geschlossener Form vor. Aus der Bewegung der momentanen Drehachse !(t) ergibt sich dann die des Drehimpulses L(t) relativ zum korperfesten System:
L(t) = (1 !1(t); 2 !2(t); 3 !3(t)) :
Im raumfesten System ist dagegen der Drehimpuls konstant, statt seiner bewegt sich die
Figurenachse (z -Achse) und hat die Richtung
(? 1 !1 (t); ? 2 !2 (t); ? 3 !3 (t)) :
Sie liegt nicht in der durch ! und L festgelegten Ebene und fuhrt eine komplizierte Taumelbewegung durch. Die momentane Rotationsachse ! (t) kehrt nach einer Umlaufsdauer
s
(2 ? 1)(2E 3 ? L2) 1 2 3
T = 4 ( ? )(
K
2
(3 ? 2 )(L2 ? 2E 1 )
3
2 L ? 2E 1 )
in ihre Ausgangslage zuruck. Fur 1 = 2 ist ersichtlich k = 0, und es ergibt sich wieder
die regulare Prazession des freien symmetrischen Kreisels.
Qualitativ kann man sich einen U berblick uber die Bewegung von L mit Hilfe der beiden
Erhaltungsgroen E und L2 verschaen:
1 L21 + L22 + L23 = E
2 1 2 3
70
ist, wenn man L1 ; L2 ; L3 als raumliche Koordinaten deutet, die Gleichung eines dreiachsigen Ellipsoids (Energieellipsoid),
L21 + L22 + L23 = L2
die einer Kugel (Drehimpulskugel). Der Vektor L(t) mu beiden Bedingungsgleichungen
genugen, seine Spitze bewegt sich also auf der Schnittkurve dieser beiden Flachen.
Fur die starre Rotation um eine Haupttragheitsachse entartet diese Kurve zu einem Punktepaar. Bei einer kleinen Storung ist das Verhalten fur die drei Hauptachsen unterschiedlich. Fur eine Rotation um die Achse groten oder kleinsten Tragheitsmoments entsteht
eine kleine geschlossene Kurve, diese Bewegungen sind also stabil. Fur die Achse mittleren Tragheitsmoments ergibt sich dagegen eine ausgedehnte Kurve, und die Rotation ist
instabil (Fig. B9).
d) Kreisel im Schwerefeld
Wenn sich ein starrer Korper in einem homogenen Schwerefeld bewegt, sind seine Translation und seine Rotation vollig entkoppelt, und der Massenmittelpunkt beschreibt eine
Wurfparabel. In einem inhomogenen Schwerefeld treten dagegen Gezeitenkrafte (\tidal
forces") auf, die zu einem aueren Drehmoment um den Massenmittelpunkt fuhren. Das
Verhalten ist ahnlich dem (einfacheren) eines Kreisels im homogenen Schwerefeld, von dem
ein Punkt { aber nicht der Massenmittelpunkt { festgehalten wird.
In diesem Fall gibt es eine potentielle Energie V , die von der Ausrichtung des Kreisels abhangt und die Einfuhrung von Winkelkoordinaten erforderlich macht. Als solche
werden in der Regel die Euler-Winkel '; #; verwendet, die die Lage des korperfesten
(Hauptachsen-) Systems K relativ zum raumfesten Inertialsystem K festlegen. Der U bergang von K nach K geschieht in drei Schritten (Fig. B10):
1) Drehung um die raumfeste z-Achse um den Winkel ',
2) Drehung um die neue y0 -Achse (Knotenlinie) um den Winkel #,
3) Drehung um die korperfeste z -Achse um den Winkel .
Die Drehachsen fur die Euler-Winkel bilden also kein orthogonales Dreibein, sie beziehen
sich nicht auf das gleiche Koordinatensystem, und verschiedene Satze '; #; konnen die
gleiche Drehung darstellen. Es lat sich aber fur jede Drehung ein solches Tripel nden.
Die Euler-Winkel '; #; liefern eine Parametrisierung der dreiparametrigen nicht-kommutativen Drehgruppe SO(3). Die Matrix der (aktiven) Drehung, die die Transformation zwischen
den neuen Komponenten x; y; z eines Vektors und den alten x; y; z vermittelt:
D11 D12 D13 ! x !
x!
y ;
y = D21 D22 D23
z
z
D31 D32 D33
lat sich aus den drei Matrizen fur die Teildrehungen zusammensetzen:
D~ ('; #; ) = D~ z ( ) D~ y (#) D~ z(')
und hat die Gestalt
cos ? sin 0 ! cos # 0 sin # ! cos ' ? sin ' 0 !
~
sin ' cos ' 0
0 1 0
D = sin cos 0
0
0 1
? sin # 0 cos #
0
0 1
cos cos # cos ' ? sin sin ' ? cos cos # sin ' ? sin cos ' cos sin # !
= sin cos # cos ' + cos sin ' ? sin cos # sin ' + cos cos ' sin sin # :
? sin # cos '
sin # sin '
cos #
0
71
Fur die Winkelgeschwindigkeit ! gilt einerseits im korperfesten System die Komponentenzerlegung:
! = ! 1 e 1 + !2 e 2 + ! 3 e 3 ;
andererseits lat sie sich auch durch die Euler-Winkel ausdrucken:
! = '_ e ' + #_ e # + _ e ;
wobei e ' ; e # ; e ein im allgemeinen schiefwinkliges Tripel von Einheitsvektoren darstellen.
Durch Projektion auf die Achsen des korperfesten Systems ergibt sich:
'_ e ' = ?'_ sin # cos e 1 + '_ sin # sin e 2 + '_ cos # e 3
#_ e # = #_ sin e 1 + #_ cos e 2
_ e = _ e3
und weiter nach Umordnung durch Vergleich:
!1 = ? '_ sin # cos + #_ sin
!2 = + '_ sin # sin + #_ cos
!3 = + '_ cos # + _ :
Mit Hilfe dieser Beziehungen lat sich auch zeigen, da es keinen \Drehvektor" ' mit den
Komponenten '1 ; '2 ; '3 geben kann, dessen zeitliche Ableitung die Winkelgeschwindigkeit !
ist. Dann muten sich namlich die Winkelkoordinaten 'i durch die Euler-Winkel ausdrucken
lassen:
@fi _ @fi _
i @fi
'i = fi ('; #; ) ! !i = d'
dt = @' '_ + @# # + @ :
Durch Vergleich mit den obigen Ausdrucken folgt zum Beispiel:
@f1 = ? sin # cos ; @f1 = sin ; @f1 = 0
@'
@#
@
und daraus durch nochmaliges Dierenzieren:
@ 2 f1 = ? cos # cos 6= 0 = @ 2 f1 ;
@'@#
@#@'
also ein Widerspruch zur Annahme.
Die Ersetzung von !i durch ';_ #;_ _ ergibt fur die Rotationsenergie eines asymmetrischen
Kreisels:
T = 21 (? '_ sin # cos + #_ sin )2 + 22 ('_ sin # sin + #_ cos )2 + 23 ('_ cos # + _ )2 :
Die Tragheitsmomente i beziehen sich dabei auf den festgehaltenen Punkt, mit denen
bezuglich des Massenmittelpunkts hangen sie u ber den Satz von Steiner zusammen. Fur
einen symmetrischen Kreisel mit 1 = 2 vereinfacht sich der Ausdruck zu:
T = 21 ('_ 2 sin2 # + #_ 2 ) + 23 ('_ cos # + _ )2
und fur einen Kugelkreisel mit 1 = 2 = 3 = zu:
T = 2 ('_ 2 + #_ 2 + _ 2 + 2 '_ _ cos #) :
In jedem Fall ergeben sich im Vergleich zur Darstellung mit Hilfe der !i wesentlich kompliziertere Ausdrucke.
72
Zur Verizierung der mit Hilfe der Eulerschen Gleichungen gewonnenen Ergebnisse wird
als erstes der Fall des freien symmetrischen Kreisels (V 0) betrachtet. Als generalisierte
Koordinaten verwenden wir die Euler-Winkel. Die Lagrange-Funktion stimmt hier mit
der kinetischen Energie uberein und hangt nicht von der Zeit t ab. Es ergeben sich drei
Bewegungsintegrale (Erhaltungsgroen):
1) ' ist eine zyklische Koordinate, der konjugierte Impuls p' { die Komponente
des Drehimpulses in Richtung der raumfesten z-Achse { bleibt erhalten:
p' = 1 '_ sin2 # + 3 cos # ('_ cos # + _ ) c1 :
2) ist eine zyklische Koordinate, der konjugierte Impuls p { die Komponente des Drehimpulses in Richtung der korperfesten z -Achse { bleibt ebenfalls erhalten:
p = 3 ('_ cos # + _ ) c2 :
Das folgt auch aus der Symmetrie des Systems bezuglich der entsprechenden Koordinatenachsen. Aus diesen beiden Gleichungen lassen sich '_ und _ eliminieren:
#) cos # :
2 cos #
'_ = c1? csin
; _ = c2 ? (c1 ? c2 cos
2#
2
3
1
1 sin #
Bei bekanntem #(t) kann man daraus '(t) und (t) durch Quadraturen erhalten. Fur
diese letztere Koordinate ergibt sich die Bewegungsgleichung
1 # + (1 ? 3 ) '_ 2 sin # cos # + 3 '_ _ sin # = 0 :
Durch Einsetzen fur '_ und _ wird daraus nach einigen Umformungen
#)(c1 cos # ? c2 ) = 0 :
# ? (c1 ? c2 cos
2
1 sin3 #
Diese Dierentialgleichung 2. Ordnung lat sich in der ublichen Weise integrieren.
3) Einfacher kommt man zum gleichen Ergebnis, wenn man berucksichtigt, da die
Hamilton-Funktion erhalten bleibt und mit der Energie ubereinstimmt, da die kinetische
Energie homogen-quadratisch in ';_ #;_ _ ist.
E = 21 ('_ 2 sin2 # + #_ 2) + 23 ('_ cos # + _ )2 c3 :
Durch Einsetzen fur '_ und _ ergibt sich daraus fur #(t) eine nichtlineare Dierentialgleichung 1. Ordnung mit getrennten Variablen:
2 2
2 cos #)
:
#_ 2 = 2 c3 ? 2c2 ? (c1 ?2csin
2#
1
3
1
Mit der Substitution cos # = u und den Abkurzungen
2 = 2 c ? c2 ; a = c1 ; b = c2
1
wird daraus:
3
2 3
1
1
u_ 2 = (1 ? u2 ) ? (a ? b u)2 = f (u) :
73
Da fur reelle u stets f (u) > 0 sein mu, bewegt sich u zwischen den Grenzwerten
i
hq
u1;2 = +1 b2 ( + b2 ? a2 ) a b :
Das allgemeine Integral der Dierentialgleichung lat sich in geschlossener Form angeben:
q
i
h
p
u(t) = +1 b2 a b + ( + b2 ? a2 ) cos( + b2 t) :
Es handelt sich also um eine periodische Schwankung zwischen den Breitenkreisen #1 =^ u1
und #2 =^ u2 . Nach dem Einsetzen in die Gleichungen fur '_ und _ entstehen recht komplizierte Ausdrucke, die sich aber ebenfalls in geschlossener Form auswerten lassen.
Die Bewegung der Figurenachse besteht in einer gleichmaigen Prazession mit der Kreisfrequenz
p
!p = + b 2
um den raumfesten Drehimpuls L. Das komplizierte Aussehen der Formeln ruhrt daher,
da die Richtung der raumfesten z-Achse, auf die der Winkel # bezogen wird, willkurlich
ist, was zur Schraglage von L fuhrt (Fig. B11).
Die Willkur bei der Ausrichtung des Koordinatensystems fuhrt haug dazu, da einfache
Bewegungen in recht komplizierter Weise beschrieben werden. Setzt man in der LagrangeFunktion des spharischen Pendels g = 0, so beschreibt sie einen Massenpunkt, der an eine
Kugeloberache gebunden, aber im ubrigen frei ist (Rotator):
L = m2 l2 (#_ 2 + sin2 # '_ 2 ):
Hier bleiben die z-Komponente des Drehimpulses L und die Energie E erhalten:
ml2 sin2 '_ = L
m l2 (#_ 2 + sin2 # '_ 2 ) = E
2
Durch Elimination von '_ ergibt sich wie vorher:
2
2E :
#_ 2 + m2 l2Lsin2 # = ml
2
Die Integration dieser Dierentialgleichung durch Trennung der Variablen ergibt:
hr
r
L2 cos 2E ti :
1 ? 2ml
2E
ml2
Durch Einsetzen in die Gleichung der Drehimpulserhaltung folgt:
#(t) = arccos
2L
'(t) = ml
2
Zt h
0
r
L2 ? 1 ? L2 cos 2 2E ti?1 dt
1 + ml
2
ml2
ml2
hr
r
2E i
2
= arctan 2mll 2 E tan ml
:
2 t
Trotz dieser komplizierten Ausdrucke fur #(t) und '(t) ist die Bewegung des Massenpunktes
sehr einfach. Da das (Zwangs-) Kraftfeld, in dem er sich bewegt, kugelsymmetrisch ist, bleibt
sein Drehimpuls erhalten. Seine Bahn ist ein Grokreis
p in der dazu senkrechten Ebene, der
mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ! = 2E=ml2 durchlaufen wird.
Es handelt sich um einen Sonderfall des freien symmetrischen Kreisels mit den Hauptragheitsmomenten 1 = 2 = ml2 und 3 = 0. Daraus folgt:
2E ; a = L ; b = 0 ;
= ml
2
ml2
und es ergibt sich U bereinstimmung mit der allgemeinen Formel.
74
Die freie Bewegung des asymmetrischen Kreisels lat sich ebenfalls in dieser Weise behandeln und fuhrt zu Ausdrucken, die sich durch elliptische Funktionen darstellen lassen, aber
von recht komplizierter Gestalt sind.
Schwerer symmetrischer Kreisel
Ein symmetrischer Kreisel im homogenen Schwerefeld wird beschrieben durch die
Lagrange-Funktion:
L = 21 ('_ 2 sin2 # + #_ 2 ) + 23 ('_ cos # + _ )2 ? m g l cos # ;
dabei liegt e3 in der Geraden, die den festgehaltenen Punkt mit dem Massenmittelpunkt
verbindet. Wie beim freien symmetrischen Kreisel sind ' und zyklische Variablen, und
die zugehorigen generalisierten Impulse (Drehimpulskomponenten) bleiben erhalten:
1 '_ sin2 # + 3 cos # ('_ cos # + _ ) c1
3 ('_ cos # + _ ) c2 :
Daraus lassen sich wieder '_ und _ eliminieren, und man erhalt mit der Substitution
cos # = u:
bu
2 cos #
= a1 ?
'_ = c1? csin
2#
?
u2
1
_ = c2 ? cos #(c1 ? c22 cos #) = 1 b ? u (a ? b2u) ;
3
3
1?u
1 sin #
wobei a und b die schon fruher eingefuhrten Abkurzungen sind. Auch hier existiert auerdem das Energieintegral
1 ('_ 2 sin2 # + #_ 2 ) + 3 ('_ cos # + _ )2 + m g l cos # c :
3
2
2
Durch Einsetzen der Ausdrucke fur '_ und _ und Auflosen nach #_ ergibt sich
2
2
2 cos #)
#_ 2 = 2 (c3 ? 2c2 ? m g l cos #) ? (c1 ?2csin
:
2#
1
3
1
Mit der Abkurzung = 2 m g l=1 lat sich diese Dierentialgleichung 1. Ordnung schreiben als:
u_ 2 = ( ? u)(1 ? u2 ) ? (a ? b u)2 = f (u) :
Die Funktion f (u) hat als Polynom 3. Grades in u drei Nullstellen u1 u2 u3 . Da sie
an den Enden des physikalisch sinnvollen Intervalls negativ ist:
f (+1) = ?(b ? a)2 0 ; f (?1) = ?(b + a)2 0
mu u3 auerhalb liegen. Fur u1 ; u2 mu gelten:
?1 u1 u2 +1 :
Die Bewegung erfolgt also zwischen den Breitenkreisen #1 und #2 . Die Losung der Dierentialgleichung durch Trennung der Variablen fuhrt wieder auf elliptische Integrale:
q
u1 2 1
cos # = u1 + (u2 ? u1 ) sn 2 (u3 ? u2 ) (t ? t0 ) j uu2 ?
3 ? u1
75
Einen qualitativen U berblick u ber das Verhalten von u(t) erhalt man durch die Betrachtung von f (u). Zur Veranschaulichung kann man den Durchstopunkt der Figurenachse
durch eine Kugel um den festgehaltenen Punkt (\Locus") wahlen. Seine zeitliche Bewegung in Breite #(t) bezeichnet man als Nutation, in Lange '(t) als Prazession (Fig. B12).
Bei bekanntem u(t) folgt die letztere aus der obigen Beziehung
'_ = a1 ?? buu2
und verlauft verschieden, je nach der Lage der Nullstelle u0 = a=b im Intervall [u2 ; u1 ].
1) u0 u1 oder u0 u2
'_ hat immer das gleiche Vorzeichen, und die Prazession erfolgt monoton im einen oder
anderen Drehsinn.
2) u1 < u0 < u2
'_ wechselt bei u0 das Vorzeichen. Damit andert sich die Richtung der '-Bewegung, es
bleibt aber immer im Mittel eine restliche Prazession.
3) u0 = u2 oder u0 = u1
Im ersten Fall verschwinden an der oberen Intervallgrenze u1 gleichzeitig #_ und '_ , die
Locus-Kurve hat dort eine Spitze. Analog entsteht bei im zweiten Fall eine Spitze an der
unteren Intervallgrenze. Der erste Fall wird wegen der Anfangsbedingungen #_ = '_ = 0
haug im Experiment realisiert (Loslassen eines Kreisels aus einer Ruhelage). Fur spezielle
Anfangsbedingungen kann man auch eine regulare Prazession erhalten, bei der '_ konstant
ist, dann mu aber '_ (0) 6= 0 sein. Diese Voraussetzung ist im Experiment im allgemeinen
nicht gegeben.
Schneller Kreisel
Wenn die Energie der Rotation um die Figurenachse gro gegenuber der potentiellen Energie
im Schwerefeld ist:
2
1
2 3 !3 m g l ;
spricht man von einem schnellen Kreisel. Aus den speziellen Anfangsbedingungen
#(0) = #0 ; #_ (0) = '_ (0) = 0 ! u(0) = u2 = u0
ergeben sich die Beziehungen
'_ (0) = 0 ! u0 = a=b ; #_ (0) = 0 ! u0 = = :
Damit wird die Dierentialgleichung fur u(t):
u_ 2 = f (u) = (u0 ? u)[ (1 ? u2 ) ? b2 (u0 ? u)] :
Eine der Nullstellen von f (u) liegt bei u = u0 = u2 , die beiden anderen folgen aus
(1 ? u2 ) ? b2 (u0 ? u) = 0 :
Mit der Abkurzung x = u0 ? u lat sich das schreiben als
2
x2 + ( b ? 2 u0 ) x ? 1 + u20 = 0 :
Hier ist aber wegen der obigen Bedingung
b2 = 3 3 !32 1 :
1 2m g l
Der Term mit x uberwiegt also bei weitem die anderen. Eine der Losungen liegt daher bei
einem absolut groen negativen Wert und hat keine physikalische Bedeutung, fur die andere
gilt
2
#0 :
x1 b2 (1 ? u20 ) = 2 1 mg l!sin
2
3
76
3
Die Dierenz x1 = u0 ?u1 entspricht dem Variationsbereich von #. Sie nimmt mit !32 ab, fur
groe !3 ist also # #0 . Die Bewegung erfolgt nahe dem Breitenkreis #0 und ist uberlagert
durch kleine Nutationen x(t) mit
x_ 2 = x ( sin2 #0 ? b2 x) :
Diese Dierentialgleichung fur x(t) hat die periodische Losung
2
#0
x(t) = sin
2
2b [ 1 ? cos(bt)] :
Die Frequenz der Nutation ist also unabhangig von (Schwerefeld), die Amplitude sehr klein.
Man bezeichnet diese Bewegung des schweren freien Kreisels als pseudoregulare Prazession.
Zum gleichen Ergebnis kommt man auch mit Hilfe der exakten Formel fur #(t). Wegen u3 1
und u3 b2 gilt
p
? u1 sin2 b (t ? t0 ) ;
sn2 21 (u3 ? u2 ) (t ? t0 ) j uu2 ?
u1
2
3
was bei Festlegung der Phase durch b t0 = den obigen Ausdruck ergibt.
Das gleichzeitige Fortschreiten der Kreiselachse in '-Richtung erfolgt mit der Winkelgeschwindigkeit
u0 ? u) = b x :
'_ = a1 ?? buu2 = b (sin
2#
sin2 #0
0
Ihre Mittelung uber viele Nutationsperioden ergibt
2
#0 = = m g l :
!p sinb2 # sin
2
2
b
2b
c2
0
Fur eine regulare Prazession mit #(t) #0 und konstantem '_ folgt andererseits auf elementarem Wege das gleiche Ergebnis aus der allgemeinen Beziehung
dL = ! L = N
dt
durch Einsetzen der Betrage von L und N
m g l sin#0 = !p c2 sin#0 :
Dabei wurde berucksichtigt, da fur einen schnellen Kreisel gilt:
L c2 e ! L_ 0 :
Da bei den Nutationen der pseudoregularen Prazession sehr hohe Werte von #_ auftreten,
werden sie durch die Reibung im Lager stark gedampft. Im Experiment geht daher eine
pseudoregulare Prazession sehr bald naherungsweise in eine regulare Prazession uber.
Viele Kreiselphanomene werden, wie im letzten Beispiel, stark durch durch Reibungskrafte
beeinut. In diesem Fall mussen die Lagrange-Gleichungen, wie am Ende von Kapitel A
gezeigt wurde, durch dissipative Terme erganzt werden. In Einzelfallen sind aber auch
ohne diese Aussagen moglich.
\sleeping top"
Wenn ein symmetrischer Kreisel zu Anfang um die Vertikale rotiert:
# 0 ! u2 = u0 = +1 ;
lautet die Dierentialgleichung fur u(t):
u_ 2 = f (u) = (1 ? u)2 [ (1 + u) ? b2 ] :
Die rechte Seite hat eine doppelte Nullstelle bei u = 1, die dritte liegt bei u = b2 = ? 1. Es
sind dann zwei Falle moglich (Fig. B13):
a) b2 = > 2 =^ u > 1
Dann ist u1 = u2 = u0 = 1 ; u3 = u :
77
Der erlaubte Bereich fur u schrumpft also auf den Punkt (+1,0) zusammen. Der Kreisel
verharrt in der senkrechten Position, das Gleichgewicht ist stabil.
b) b2 = < 2 =^ u < 1
Dann ist u2 = u3 = u0 = 1 ; u1 = u
Der erlaubte Bereich fur u liegt zwischen u und +1. Kleine Storungen fuhren zu einem
Umschlagen der Bewegung, das Gleichgewicht ist instabil.
Ein anfanglich schneller Kreisel (Fall a) verliert im Laufe der Zeit durch die Reibung im
Auagepunkt an Rotationsenergie. Bei der kritischen Kreisfrequenz
r4
1 mgl
23
wird u = 1. Die potentielle Energie im Schwerefeld ist dann naherungsweise gleich der kinetischen Energie der Rotation um die Figurenachse, und es erfolgt ein U bergang aus einer
stabilen (Fall a) in eine instabile Gleichgewichtslage (Fall b).
!3 = !c =
Schwerer asymmetrischer Kreisel
Die Rotationssymmetrie des Schwerefeldes um eine vertikale Achse durch den festgehaltenen Punkt gilt auch hier, die Koordinate ' ist daher weiterhin zyklisch, und die Projektion des Drehimpulses auf die raumfeste z-Achse bleibt erhalten. Das System ist aber
nicht mehr symmetrisch um die korperfeste z -Achse, die Koordinate also nicht mehr
zyklisch. Es verbleiben nur noch die zwei Bewegungsintegrale E und p', und das System
ist nicht mehr integrabel. Fur bestimmte Parameterbereiche kommt es zu chaotischem
Verhalten. Ein Beispiel dafur bietet die irregulare Bewegung des Satelliten Hyperion im
Gravitationsfeld des Planeten Saturn.
78
C. HAMILTON-MECHANIK
Die Grundaufgabe der Mechanik ist sowohl in der Newton- als auch in der LagrangeFormulierung die Aufstellung und Integration der Bewegungsgleichungen, eines Systems
von s gekoppelten gewohnlichen Dierentialgleichungen 2. Ordnung. Die 2s erforderlichen
Integrationen konnen ganz oder teilweise ersetzt werden durch die Kenntnis von Bewegungsintegralen, von denen hochstens 2s ? 1 Erhaltungsgroen sein konnen. Falls diese
letzteren bekannt sind, kann man aus ihnen durch Elimination der Geschwindigkeiten die
Bahnkurve erhalten.
Fur einen Massenpunkt der Masse m im homogenen Schwerefeld der Feldstarke (0; 0; ?g)
ergeben sich aus Newtons LEX II unmittelbar die Bewegungsgleichungen
mx = 0 ; my = 0 ; mz = ?mg :
Die folgenden funf Erhaltungsgroen und ein weiteres explizit von der Zeit abhangiges Bewegungsintegral:
px = mx_ ; py = my_ ; E = m2 (x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 ) + m g z
Lz = m (xy_ ? yx_ )
A = (x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 ) z ? (xx_ + yy_ + zz_ ) z_ ? g2 (x2 + y2 )
x0 = x ? x_ t
sind unabhangig voneinander und ersetzen die Integration der Bewegungsgleichungen. Aus
der Konstanz von Lz folgt, da die Bewegung in einer vertikalen Ebene vor sich geht. Beschrankt man sich auf diese, so ist y(t) 0 und die Zahl der Freiheitsgrade s = 2. Bei
geeigneter Denition der Koordinaten x und z sind die verbleibenden drei unabhangigen
Erhaltungsgroen:
px = mx_ ; E = m2 (x_ 2 + z_ 2 ) + m g z ; A = zx_ 2 ? xx_ z_ ? 2g x2 :
Durch Elimination von x_ und z_ erhalt man daraus die Bahnkurve:
r
2
2m4 gA x ? m2 g x2 ;
m
A
?
1
?
z(x) = p2 + 2mE
2
px
p4x
2 p2x
x
also eine Wurfparabel. Aus dem zeitabhangigen Bewegungsintegral folgt zunachst:
x(t) = x0 + pmx t
und dann durch Einsetzen in die Bahnkurve auch z(t).
Ein Vorteil der Lagrange-Formulierung liegt darin, da man aus der Form der LagrangeFunktion auf die Existenz von Bewegungsintegralen schlieen kann. Nach dem Theorem von Noether entspricht namlich jeder Symmetrietransformation, die die LagrangeFunktion invariant lat, ein solches. Besonders wichtig ist der Fall einer zyklischen generalisierten Koordinate qk , hier ist das zugehorige Bewegungsintegral der zu ihr konjugierte
generalisierte Impuls:
pk = @@L
q_ :
k
Fur das obige Beispiel ist die Lagrange-Funktion
L = m2 (x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 ) ? m g z :
Die Variablen x und y sind zyklisch und fuhren zu den Erhaltungsgroen px und py . L hangt
nicht explizit von der Zeit t ab und ist in den Geschwindigkeiten homogen quadratisch, daher
ist die Energie ebenfalls eine Erhaltungsgroe.
79
Da die maximale Anzahl von zyklischen Koordinaten s, die von Bewegungsintegralen
aber 2s ist, konnen im allgemeinen nicht alle Bewegungsintegrale als konjugierte Impulse
zu zyklischen Koordinaten dargestellt werden. Der entscheidende Vorteil der LagrangeFormulierung gegenuber der Newton-Formulierung besteht darin, da die LagrangeGleichungen forminvariant gegenuber Punkttransformationen
Qi = fi(q1; : : : ; qs; t)
sind. Dabei konnen neue zyklische Qk auftreten und zu weiteren Bewegungsintegralen Pk
fuhren.
Fur das obige Beispiel wird die Lagrange-Funktion durch Transformation auf Zylinderkoordinaten:
L = m2 (_ 2 + 2 '_ 2 + z_ 2 ) ? m g z :
Die neue Variable ' ist zyklisch und fuhrt zu der Erhaltungsgroe Lz .
Durch die Punkttransformation
X = x ; Y = y ; Z = z + 12 g t2
geht die Lagrange-Funktion andererseits uber in
L = m2 (X_ 2 + Y_ 2 + Z_ 2 ) ? m g (Z_ t + Z ? g t2 ) :
Der letzte Term ist die totale Ableitung einer Funktion nach der Zeit:
L = m2 (X_ 2 + Y_ 2 + Z_ 2 ) ? dtd [m g (Z t ? 31 g t3 )] :
L ist daher aquivalent zur Lagrange-Funktion L~ eines freien Teilchens:
L~ = m2 (X_ 2 + Y_ 2 + Z_ 2 ) :
In L~ sind alle Koordinaten zyklisch, daraus folgen die Bewegungsintegrale:
pX = mX_ = mx_ ; pY = mY_ = my_ ; pZ = mZ_ = mz_ + g t :
Da ein freies Teilchen ein abgeschlossenes System darstellt, sind auer den Komponenten
des Linearimpulses auch die des Drehimpulses und die Energie Erhaltungsgroen. Wegen
s = 3 konnen die sieben Bewegungsintegrale nicht unabhangig voneinander sein. Es gelten
die Beziehungen:
2m E ? (p2X + p2Y + p2z ) = 0
pX LX + pY LY + pZ LZ = 0 ;
man kann man sich daher auf die funf Erhaltungsgroen pX ; pY ; pZ ; LZ ; E beschranken.
Durch Punkttransformationen lat sich aber nicht in jedem Fall erreichen, da alle Koordinaten zyklisch werden.
Fur einen eindimensionalen harmonischen Oszillator ist die Lagrange-Funktion:
L = m2 q_2 ? k2 q2 :
Die allgemeinste Punkttransformation bei s = 1 ist:
Q = f (q; t) ! q = F (Q; t) :
Sie fuhrt zu einer linearen Transformation der generalisierten Geschwindigkeiten:
@F Q_ + @F ;
q_ = @Q
@t
80
und die Lagrange-Funktion lautet in den neuen Variablen:
h @F 2 _ 2 @F @F _ @F 2 i k 2
L = m2 @Q
Q + 2 @Q @t Q + @t + 2 F (Q; t) :
Da Q und Q_ unabhangige Veranderliche sind, mussen die Koezienten von Q_ und Q_ 2 je fur
sich unabhangig von Q sein, also gilt zunachst wegen des Terms mit Q_ 2 :
@F = a(t) ! F = a(t) Q + b(t) ;
@Q
und dann wegen des Terms mit Q_ :
2a(t) [_a(t) Q + b_ (t)] = c(t) :
Da die rechte Seite dieser Gleichung nicht von Q abhangt, mu sein:
a_ 0 ! a(t) ! q = Q + b(t) :
Bei einer solchen linearen Transformation hangt aber die potentielle Energie weiterhin quadratisch von Q ab.
Fur Systeme, deren Lagrange-Funktion nicht explizit von der Zeit abhangt (autonome Systeme) gilt das Noether-Theorem, das besagt, da jede Symmetrietransformation von L zu
einer Erhaltungsgroe fuhrt. Umgekehrt gibt es aber Bewegungsintegrale, wie den LaplaceRunge-Lenz-Vektor beim Kepler-Problem, denen keine solche Symmetrietransformation
entspricht. Der eigentliche Grund hierfur sowie dafur, da durch eine Punkttransformation nicht alle Koordinaten zyklisch gemacht werden konnen, liegt darin, da dabei von
den 2s Variablen qi ; q_i der Lagrange-Funktion zwar die qi beliebig transformiert werden
konnen:
Qi = fi (q1 ; : : : ; qs ; t) ;
aber dadurch die Transformation der q_i festgelegt und notwendig linear ist:
Q_ i =
s @f
X
i
@fi :
q
_
+
j
@t
j =1 @qj
1. Die kanonischen Gleichungen
Fur ein System von N Massenpunkten ist die kinetische Energie bei Verwendung von
kartesischen Koordinaten:
s
X
T = m2 i x_ 2i :
i=1
Wenn die potentielle Energie nicht von den Geschwindigkeiten abhangt, wie es gewohnlich
der Fall ist, sind die generalisierten Impulse:
pi = mi x_ i :
Dieser sehr einfache Zusammenhang hat zur Folge, da die Konstanz des zu einer zyklischen Koordinate xs konjugierten Impulses ps unmittelbar auch zur Konstanz der zugehorigen Geschwindigkeit x_ s fuhrt. Fur die Lagrange-Funktion gilt dann:
L=
sX
?1 m
i=1
i x_ 2 + V (x ; : : : ; x ) + ms x_ 2 = L + ms x_ 2
1
s?1
2 i
2 s
2 s
:
Das System zerfallt also in zwei unabhangige Teilsysteme aus einerseits einem freien Teilchen und andererseits einem Restsystem mit s ? 1 Freiheitsgraden.
Im allgemeinen Fall ist das nicht mehr richtig. Der zur Variablen qi konjugierte Impuls pi
hangt auer von dieser wesentlich von der Lagrange-Funktion des Systems ab.
81
Fur einen Massenpunkt mit der Ladung q, der sich in einem elektrischen Feld mit dem
Potential (r ; t) bewegt, ist:
L = m2 r_ 2 ? q (r ; t) ! p = m r_ :
Kommt aber noch ein magnetisches Feld mit dem Vektorpotential A(r ; t) hinzu, so wird:
L = m2 r_ 2 ? q (r ; t) + qc r_ A(r ; t) ! p = m r_ + qc A :
In einem krummlinigen Koordinatensystem ist bei einer zyklischen Koordinate qs zwar
wieder ps konstant, daraus folgt aber nicht mehr die Konstanz von q_s.
Fur das Keplerproblem ist:
L = m2 (r_ 2 + r2 '_ 2 ) + r :
Die Koordinate ' ist zyklisch und daher
2
p' = @L
@ '_ = m r '_
konstant. Daraus folgt aber nicht die Konstanz von '_ , sondern die Zeitabhangigkeit von '
ist sogar recht kompliziert:
1
2 X
'(t) = arccos[ 2 1 ?e e
Jn (ne) cos(n 2T t) ? e ] ;
n=1
und die Lagrange-Funktion lat sich nicht in der obigen Weise zerlegen.
Es liegt deshalb nahe, die generalisierten Geschwindigkeiten q_i durch die generalisierten
Impulse pi zu ersetzen, die auch generell { etwa in der Quantenmechanik { die groere physikalische Bedeutung haben, und statt der deskriptiven Funktion L(q1 ; : : : ; qs ; q_1 ; : : : ; q_s ; t)
eine andere zu verwenden, die von q1 ; : : : ; qs; p1 ; : : : ; ps; t abhangt. Dazu genugt es aber
nicht, die Gleichungen fur die generalisierten Impulse nach den generalisierten Geschwindigkeiten aufzulosen:
pi = @@Lq_ = fi(q_1 ; : : : ; q_s ) ! q_i = gi (p1 ; : : : ; ps )
i
und diese Ausdrucke in die Lagrange-Funktion einzusetzen:
! L(q1; : : : ; qs; g1 (p); : : : ; gs(p); t) ;
denn dabei geht ein Teil der Information uber das System verloren.
Gegeben sei die Funktion y = 3 exp(x). Durch Dierenzieren folgt:
y0 = 3 exp(x) = p ;
daraus durch Auflosen nach x:
x(p) = ln(p=3)
und schlielich durch Einsetzen in f (x):
y(p) = p :
Das ist aber die Dierentialgleichung:
y = y0 :
Ihre Losungen stellen eine Kurvenschar mit einem Scharparameter c dar:
y = c exp(x) ;
in der die ursprungliche Kurve zwar fur c =3 vorkommt, sich aber nicht in eindeutiger Weise
bestimmen lat.
82
Zu einer gegebenen Funktion y(x) erhalt man eine gleichwertige Darstellung g(p) mit
p = y0 mittels der Legendre-Transformation. Dazu lost man die Gleichung
y0 = df
dx = p(x)
nach x(p) auf, was innerhalb eines oenene Intervalls der Variablen x moglich ist, wenn
dort d2f=dx2 nicht verschwindet. Die Legendre-Transformierte von f (x) ist dann deniert
durch
L^f = g(p) = p x(p) ? f (x(p)) :
Sie enthalt die gleiche Information wie die Funktion f (x), denn man kann die letztere aus
ihr gewinnen. Dazu dierenziert man g(p) nach p:
dg = x(p) + p dx ? df dx :
dp
dp dx dp
Denitionsgema ist aber p = df=dx und daher
dg = x(p) :
dp
Lost man diese Gleichung nach p(x) auf und bildet wieder die Legendre-Transformierte:
L^g = f (x) = x p(x) ? g(p(x)) ;
so ist diese identisch mit der ursprunglichen Funktion.
Fur das obige Beispiel gilt: f (x) = 3 exp(x) ! g(p) = p ln(p=3) ? p
und umgekehrt:
g(p) = p ln(p=3) ? p ! f (x) = 3 exp(x) .
Zu einer geometrischen Deutung des Verfahrens (Pluckersche Liniengeometrie, Fig. C1)
kommt man, wenn man an eine gegebene Kurve f (x) in jedem Punkt (x0 ; y0 ) die Tangente:
y = p(x0 ) x ? g(x0 )
mit der Steigung
p(x0 ) = df
dx x=x0
und dem Ordinatenabschnitt
? g(x0 ) = y0 ? x0 p(x0)
legt. Die Funktion g(p) stellt wieder eine Kurvenschar dar, namlich die der Gesamtheit der
Tangenten. In ihr ist die ursprungliche Kurve f (x) nicht enthalten, aber als Einhullende
(Enveloppe) dieser Geradenschar eindeutig bestimmt.
Wenn eine Kurvenschar mit dem Scharparameter p gegeben ist durch
F (x; y; p) = 0 ;
erhalt man die Gleichung der Enveloppe, indem man diese Gleichung zuerst nach dem Scharparameter dierenziert, nach p auost und wieder einsetzt:
@F = G(x; y; p) = 0 ! p = p(x; y) ! F (x; y; p(x; y)) = 0 :
@p
Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Geradenschar:
dg
F (x; y; p) = y ? p x + g(p) = 0 ! @F
@p = G(x; y; p) = ? x + dp = 0 :
Durch Auflosen nach p(x) und Einsetzen folgt hier
y ? x p(x) + g(p(x)) = 0 ;
was mit L^g ubereinstimmt.
83
Fur eine Funktion mit mehreren unabhangigen Veranderlichen f (x1 ; : : : ; xn ) gilt entsprechend:
@f ! x = x (p ; : : : ; p ) ;
pi = @x
i
i 1
n
i
Dabei wird vorausgesetzt, da innerhalb eines oenen s-dimensionalen Intervalls der Variablen xi die Determinante det(@ 2f=@xi @xj ) nicht verschwindet, so da man die Gleichungen
fur die pi nach den xi auflosen kann. Die Legendre-Transformierte ist dann:
g(p1 ; : : : ; pn) =
n
X
i=1
pi xi(p) ? f (x1 (p); : : : ; xn(p)) :
Die Legendre-Transformierte der Lagrange-Funktion L(q1 ; : : : ; qs ; q_1 ; : : : ; q_s; t) bezuglich
der q_i ist die Hamilton-Funktion:
H (q1 ; : : : ; qs ; p1 ; : : : ; ps ; t) =
s
X
i=1
pi q_i(p) ? L(q1 ; : : : ; qs; q_1 (p); : : : ; q_s(p); t) :
Die ubrigen Variablen qi und t werden durch die Legendre-Transformation nicht beruhrt.
Fur physikalisch sinnvolle Lagrange-Funktionen ist die Auflosungsbedingung, das Nichtverschwinden der Hesse-Determinante (\Hessian"):
det @ q@_ @Lq_ 6= 0 ;
i j
stets erfullt, und die Hamilton-Funktion lat sich konstruieren.
2
Fur ein System von Massenpunkten einschlielich eines aueren elektromagnetischen Feldes
hat die Lagrange-Funktion die Gestalt
L(qi ; q_i ; t) = T2 (qi ; q_i ; t) + T1 (qi ; q_i ; t) + T0 (qi ; t) ? V0 (qi ; t) ? V1 (qi ; q_i ; t) :
Dabei ist T2 eine positiv-denite quadratische Form in den q_i , wahrend T1 und V1 nur linear
davon abhangen:
2
2
X
X
X
T2 = aik q_i q_k ; T1 = bi q_i ; V1 = ci q_i ! @ q@_ @Lq_ = @@q_ T@2q_ :
i j
i j
i
i
i;k
Die Determinante der Matrix (aik ) verschwindet nicht und ist ersichtlich identisch mit der
Hesse-Determinanten.
Umgekehrt mu es aber zu einer gegebenen Hamilton-Funktion nicht immer eine entsprechende Lagrange-Funktion geben.
Das gilt insbesondere fur die spater betrachtete Hamilton-Funktion H (qi ; pi; t) 0.
Wenn jedoch die entsprechende Bedingung:
2H 6= 0
det @p@ @p
i j
erfullt ist, folgt aus der Hamilton-Funktion H (q1 ; : : : ; qs ; p1 ; : : : ; ps ; t) durch LegendreTransformation die Lagrange-Funktion:
L(q1 ; : : : ; qs; q_1 ; : : : ; q_s; t) =
s
X
i=1
q_i pi (q_) ? H (q1 ; : : : ; qs; p1 (q_); : : : ; ps(q_); t) :
84
Wahrend die q_i in der Lagrange-Funktion stets abhangig von den qi bleiben, haben die
qi und die pi in der Hamilton-Funktion den gleichen Status. Im Gegensatz zu L hat H
in den meisten Fallen eine unmittelbare physikalische Bedeutung. Fur ein System, dessen
Lagrange-Funktion sich in der Form
L = T (qi; q_i ; t) ? V (qi; t)
schreiben lat und auerdem T eine homogen-quadratische Funktion der q_i ist (naturliches
System), stimmt H , wie schon im Kapitel B gezeigt wurde, mit der Gesamtenergie T + V
des Systems uberein.
Die deskriptive Funktion L(q1 ; : : : ; qs ; q_1 ; : : : ; q_s; t) ist deniert uber dem s-dimensionalen
Kongurationsraum (\conguration space"), dessen Achsen durch die qi bezeichnet werden. Bei der zeitlichen Entwicklung des Systems beschreibt der reprasentative Punkt (Mobile) die Kongurationsbahn. Durch jeden Punkt P des Kongurationsraumes geht eine
s-parametrige Schar von (aktualen) Kongurationsbahnen q(t), die sich in q_(P) unterscheiden und deren Punkte durch den Parameter t festgelegt werden. Erweitert man den
Kongurationsraum durch Hinzunahme (Kronecker-Produkt) einer t-Achse, so erhalt man
den Ereignisraum (\event space"), in dem das Mobile die sogenannte Weltlinie (\world
line") beschreibt. Die Kongurationsbahn ist dann die Projektion der Weltlinie auf den
Kongurationsraum.
Fur einen eindimensionalen harmonischen Oszillator ist die Weltlinie die Kurve q0 sin(!t),
die Kongurationsbahn das Intervall ?q0 q +q0 .
Die deskriptive Funktion H (q1 ; : : : ; qs ; p1 ; : : : ; ps ; t) ist dagegen deniert u ber dem 2sdimensionalen Phasenraum (\phase space"). Er ist das Kroneckerprodunkt von s zweidimensionalen Blattern fur die zusammengehorigen (kanonisch-konjugierten) Paare von
Variablen qi ; pi . Das System wird jetzt dargestellt durch einen reprasentativen Punkt, der
bei der zeitlichen Entwicklung des Systems die Phasenbahn (\phase trajectory", \phase portrait") beschreibt. Im Gegensatz zum Kongurationsraum geht durch jeden Punkt
nur eine Phasenbahn (Trajektorie). Ihre Punkte sind wieder festgelegt durch die Werte
des Parameters t. Die Erweiterung durch eine t-Achse erzeugt den (2s + 1)-dimensionalen
Zustandsraum (\state space").
Fur den eindimensionalen harmonischen Oszillator ist die Hamilton-Funktion
H = 21m p2 + k2 q2
eine Erhaltungsgroe mit dem Wert E . Daraus folgt:
p2
q2
(2mE ) + (2E=k) = 1 :
Fur gegebene Energie E ist die Phasenbahn also eine Ellipse mit den Halbachsen (2mE )1=2
und (2E=k)1=2 . Im Zustandsraum entsteht dann eine Schraubenlinie auf einem elliptischen
Zylinder. Ihre Projektion auf die (q; t)-Ebene ergibt die sinusformige Weltlinie, auf die (q; p)Ebene die elliptische Phasenbahn (Fig. C2).
Auch die Phasenbahnen gehorchen dem Hamiltonschen Prinz der stationaren Wirkung,
und aus ihm lassen sich die entsprechenden Bewegungsgleichungen ableiten. Fur Systeme,
fur die eine Lagrange-Funktion existiert, kann man sie aber einfacher aus den LagrangeGleichungen gewinnen. Das totale Dierential von H ist einerseits:
dH =
@H dp + @H dt ;
dq
+
@qi i @pi i @t
s @H
X
i=1
85
andererseits folgt aus dem Zusammenhang mit L:
dH =
@L dq ? @L dq_ ? @L dt :
q_i dpi + pi dq_i ? @q
i @ q_ i
@t
s X
i=1
i
i
Wegen der Denition pi = @L=@ q_i heben sich die Beitrage mit q_i auf. Aus den LagrangeGleichungen ergibt sich weiter:
@L = d @L = p_ ;
i
@qi dt @ q_i
und es folgt fur die zweite Darstellung von dH :
s
X
dH = (q_i dpi ? p_i dqi ) ? @L
@t dt :
i=1
Der Vergleich fuhrt wegen der Unabhangigkeit der Argumente qi; pi ; t der HamiltonFunktion einerseits zu:
@H = ? @L ;
@t
@t
andererseits zu den kanonischen Bewegungsgleichungen:
@H ;
;
p
_
=
?
q_i = + @H
i
@p
@q
i
i
die an die Stelle der Lagrange-Gleichungen treten. Statt des von diesen gebildeten Systems
von s gewohnlichen Dierentialgleichungen 2. Ordnung fur die gesuchten Funktionen qi (t)
handelt es sich hier um ein System von 2s Gleichungen 1. Ordnung fur die gesuchten
Funktionen qi (t) und pi (t).
Fur den harmonischen Oszillator ist:
L = m2 q_2 ? k2 q2 ! p = @L
@ q_ = m q_ :
Damit ergibt sich als Hamilton-Funktion:
2
2
H = pm ? 2pm ? k2 q2 = 21m p2 + k2 q2
und als kanonische Gleichungen:
q_ = + m1 p ; p_ = ?k q :
Hier lat sich p bzw. p_ durch Ableitung der ersten Gleichung nach t eliminieren:
q + mk q = 0 :
p
Das allgemeine Integral dieser Dierentialgleichung ist mit der Abkurzung ! = k=m:
q(t) = a1 cos(!t) + a2 sin(!t) :
Aus der ersten kanonischen Gleichung folgt dann:
p(t) = ?m![a1 sin(!t) ? a2 cos(!t)]
in U bereinstimmung mit den fruheren Resultaten.
86
Fur die bisher betrachteten Systeme ist die Lagrange-Funktion eine quadratische Form
in den q_i , die s Impulse sind folglich lineare Ausdrucke in den q_i . Setzt man diese in die
linken Seiten des zweiten Satzes von kanonischen Gleichungen ein, so entsteht ein System
von s gekoppelten Dierentialgleichungen 2. Ordnung fur die qi(t), das dem System der
Lagrange-Gleichungen aquivalent ist.
Eine zyklische Variable qk ist dadurch deniert, da sie nicht explizit in der LagrangeFunktion auftritt:
@L = 0 :
@q
k
Ihr konjugierter Impuls pk ist ein Bewegungsintegral:
p_k = 0 :
Dann folgt aber aus den kanonischen Gleichungen:
@H
@qk = 0 ;
Die Hamilton-Funktion hangt also ebenfalls nicht explizit von qk ab. Durch Umnumerierung lat sich stets erreichen, da k = s ist. Im System der Bewegungsgleichungen fur
die qi (t); pi (t) kann man dann ps (t) durch seinen konstanten Wert cs ersetzen. Die Zahl
der Freiheitsgrade erniedrigt sich dadurch auf s ? 1. Fall sich dieses reduzierte System
integrieren lat, ergeben sich qs (t) und ps (t) durch Quadraturen:
@H = f (q (t); : : : ; q (t); p (t); : : : ; p (t); c ; t)
q_s = + @p
1
s?1
1
s?1
s
s
p_s = ? @H
@qs = g(q1 (t); : : : ; qs?1 (t); p1 (t); : : : ; ps?1 (t); cs ; t) :
Wenn alle s Koordinaten qi zyklisch sind, ist das Problem auf 2s Quadraturen zuruckgefuhrt und somit gelost. Gleichbedeutend damit garantiert auch die Existenz von s un-
abhangigen Bewegungsintegralen, die sich als konjugierte Impulse zu zyklischen Koordinaten darstellen lassen, die Integrabilitat des Systems der Bewegungsgleichungen. Wegen
der gleichberechtigten Rolle der qi und pi in der Hamilton-Funktion kann auch ein Impuls
pk eine zyklische Variable sein. Aus
@H = 0
@p
k
folgt namlich mit Hilfe der kanonischen Gleichungen:
q_k = 0 ! qk ck ;
qk ist also ein Bewegungsintegral. Im Gegensatz zur Lagrange-Formulierung ist es in der
Hamilton-Formulierung daher moglich, da alle der maximal vorhandenen 2s Bewegungsintegrale zyklischen Variablen zugeordnet sind.
Fur den freien symmetrischen Kreisel ist die Lagrange-Funktion:
L = 21 (#_ 2 + sin2 # '_ 2 ) + 23 ('_ cos # + _ )2 :
Daraus ergeben sich die generalisierten Impulse:
p' = (1 sin2 # + 3 cos2 #)'_ + 3 cos # _
p# = 1 #_
p = 3 cos # '_ + 3 _ :
87
Die Hesse-Determinante dieses linearen Gleichungssystems ist 21 3 sin2 #, es lat sich daher
fur # 6= 0; nach den q_i auflosen:
1 p ? cos # p
'_ = sin
2
# ' 1 sin2 #
1
#_ = 1 p#
1
2
_ = ? cos #2 p' + 1 + cos #2 p :
3 1 sin #
1 sin #
Durch Legendre-Transformation folgt daraus:
h p cos #)2 2 i 1 2
H = 21 (p' ?sin
+ p# + 2 p :
2#
1
3
Damit ergeben sich die kanonischen Gleichungen:
@H = 1 (p ? p cos #) ; p_ = ? @H = 0
'_ = + @p
'
'
@'
' 1 sin2 #
@H
1
(
p
?
p
cos
#)(p ? p' cos #)
@H
'
#_ = + @p = p# ; p_# = ? @# =
1 sin3 #
1
#
_ = + @H = ? cos #2 (p' ? p cos #) + 1 p ; p_ = ? @H = 0 :
@p
3
1 sin #
@_
' und sind also zyklische Koordinaten, und es gilt:
p' c 1 ; p c 2 :
Das System der sechs Bewegungsgleichungen reduziert sich daher auf die beiden Gleichungen
fur # und p# , aus denen sich p# in der ublichen Weise eliminieren lat. Es entsteht die schon
fruher behandelte Dierentialgleichung 2. Ordnung:
)(c2 ? c1 cos #)
# = (c1 ? c2 cos2#sin
3#
1
fur #(t). Bei bekanntem #(t) folgen die beiden anderen Koordinaten dann aus
#) cos #
2 cos #
; _ = c2 ? (c1 ?c2 cos
'_ = c1? csin
2#
2
3
1
1 sin #
durch Quadraturen.
Die Hamilton-Formulierung fuhrt, was die Integration der Bewegungsgleichungen angeht, nur im Falle zyklischer Koordinaten zu einem Vorteil gegenuber der LagrangeFormulierung. Die Legendre-Transformation wird daher manchmal auf die zyklischen qi
beschrankt, wahrend bei den u brigen, etwa fur i = 1; : : : ; m, die q_i beibehalten werden.
Dann entsteht eine weitere deskriptive Funktion, die Routh-Funktion
R(q1 ; : : : ; qs ; q_1 ; : : : ; q_m ; pm+1 ; : : : ; ps; t) :
Sie wird im folgenden nicht weiter betrachtet.
2. Poisson-Klammern
Als dynamische Groen bezeichnet man Funktionen f (qi; pi ; t) der dynamischen Variablen
qi und pi. Sie andern sich im allgemeinen bei der Bewegung des Systems in einer Bahn
qi (t); pi (t) mit der Zeit:
s @f
df = @f + X
@f p_ :
q
_
+
i
dt @t i=1 @qi
@pi i
88
Durch Einsetzen von q_i und p_ i aus den kanonischen Bewegungsgleichungen ergibt sich:
s @f @H @f @H df = @f + X
dt @t i=1 @qi @pi ? @pi @qi :
Die Poisson-Klammer von zwei Funktionen f (qi; pi ; t) und g(qi ; pi ; t) wird allgemein deniert durch:
s @f @g
X
@f @g :
?
[f; g] =
@q @p @p @q
i=1
q i ; pi
i
i
i
i
Sie ist wieder eine Funktion von
und t und stellt in gewissem Sinn das skalare
Produkt (symplektische Bilinearform) im Phasenraum dar, worauf hier aber nicht weiter
eingegangen werden soll. Sie ist bezuglich beider Faktoren distributiv:
[c1 f1 + c2 f2 ; g] = c1 [f1 ; g] + c2 [f2 ; g]
mit konstantem c1 und c2 , analog fur den rechten Faktor. Weiterhin ist sie antisymmetrisch:
[g; f ] = ? [f; g] ! [f; f ] = 0 :
Wenn die Poisson-Klammer von zwei Funktionen f und g verschwindet, sagt man, da f
und g in Involution stehen. Die Poisson-Klammer mit einer Konstanten verschwindet:
[f; c] = 0 :
Fur Produkte gilt, wie bei der Dierentiation, die Leibniz-Regel
[f1 f2 ; g] = [f1 ; g]f2 + f1 [f2 ; g] ;
daraus erhalt man nach einiger Rechnung die Jacobi-Identitat:
[f1 ; [f2 ; f3 ]] + [f2 ; [f3 ; f1 ]] + [f3 ; [f2 ; f1 ]] = 0 :
Eine dynamische Groe f steht mit jeder ihrer Potenzen in Involution:
[f; f n] = 0 :
Daraus folgt fur beliebige analytische Funktionen F (f ):
[f; F (f )] = [f; a0 + a1 x + a2 x2 + : : : ] = 0 :
Die Ableitung nach einem Parameter, insbesondere der Zeit t, ergibt:
@ [f; g] = [ @f ; g] + [f; @g ] :
@t
@t
@t
Wahlt man als einen der Faktoren die Variablen qi oder pi selbst, so wird
@f ; [ p ; f ] = ? @f :
[ qi ; f ] = + @p
i
@qi
i
Speziell fur f = H folgen daraus die Beziehungen
@H
;
[
p
;
H
]
=
?
[ qi ; H ] = + @H
i
@pi
@qi
89
und fur f = qk und f = pk die fundamentalen Poisson-Klammern:
[ qi ; qk ] = 0 ; [ pi ; pk ] = 0 ; [ qi ; pk ] = ik ;
die im folgenden haug benutzt werden.
Die A nderung einer dynamischen Groe f (q; p; t) mit der Zeit durch die Bewegung langs
einer Bahn qi(t); pi (t) lat sich mit Hilfe der Poisson-Klammern schreiben als:
df = @f + [f; H ] = 0 :
dt @t
Fur f = qi und f = pi ergeben sich daraus wieder die kanonischen Gleichungen:
@H :
q_i = [ qi ; H ] = + @H
!
p
_
=
[
p
;
H
]
=
?
i
i
@p
@q
i
i
Ein Bewegungsintegral f (qi; pi ; t) ist dadurch deniert, da sein Wert bei der Bewegung
eines Systems in einer Bahn qi (t); pi (t) zeitlich konstant ist:
df = @f + [f; H ] = 0 ;
dt @t
wobei diese Konstanz nicht nur fur bestimmte Bahnen, sondern fur deren Gesamtheit
gelten soll. Das Kriterium dafur, da f eine Erhaltungsgroe ist, lautet daher:
[f; H ] = 0 ;
f und H mussen also in Involution stehen.
Fur das ebene Kepler-Problem mit der Hamilton-Funktion:
H = 21m (p2x + p2y ) ? (x2 + y2 )?1=2
ist die z-Komponente des Drehimpulses Lz = x py ? y px eine Erhaltungsgrose, denn ihre
Poisson-Klammer mit H verschwindet:
[Lz ; H ] = py pmx ? xy (x2 + y2 )?3=2 ? px pmy + xy (x2 + y2 )?3=2 = 0;
nicht dagegen die Funktion f = m r2 = m (x2 + y2 ), denn
[f; H ] = 2 (x px + y py ) = 2 rpr = 2 r p
verschwindet fur einzelne Bahnen, namlich die Kreisbahnen, nicht jedoch fur den allgemeinen
Fall der elliptischen Bahn.
Fur eine zyklische Koordinate qk gilt denitionsgema @H=@qk = 0. Andererseits ist:
[ pk ; H ] =
s @H
s @p @H @p @H X
X
@H = @H = 0 ;
k
k
?
?
=
0
@q @p @p @q
@p ik @q
@q
i=1
i
i
i
i
i=1
i
i
k
in U bereinstimmung mit der obigen Beziehung. Analoges gilt fur zyklische Impulse.
Wenn zwei Bewegungsintegrale f und g gegeben sind:
df = @f + [f; H ] = 0 ; dg = @g + [g; H ] = 0 ;
dt @t
dt @t
90
so folgt durch Auflosen nach [f; H ] und [g; H ] und Einsetzen in die Jacobi-Identitat:
@g ] + [[f; g]; H ] = 0
;
g
]
+
[
f;
[f; [g; H ]] + [g; [h; f ]] + [H; [f; g]] = 0 ! [ @f
@t
@t
und daraus durch Benutzung der Leibniz-Regel:
@ [f; g] + [[f; g]; H ] = 0 :
@t
Die Poisson-Klammer zweier Bewegungsintegrale ist also ebenfalls ein Bewegungsintegral,
allerdings ergeben sich in den meisten Fallen nur schon bekannte oder triviale Bewegungsintegrale, insbesondere fur Bewegungsintegrale, die in Involution stehen, die Null.
Fur einen freien Massenpunkt (s = 3) ist die Hamilton-Funktion:
H = 21m (p2x + p2y + p2z ) :
Aus den beiden Erhaltungsgroen:
f = px ; g = x p y ? y px
ergibt sich als weitere Erhaltungsgroe:
[f; g] = [ px; x py ? y px] = ? py ;
der zur zyklischen Variablen y konjugierte Impuls. Auf dem gleichen Wege erhalt man:
[ p x ; py ] = 0 ;
also ein triviales Bewegungsintegral.
Wenn die Hamilton-Funktion eines Systems nicht explizit von der Zeit abhangt, ist sie
wegen
dH = @H + [H; H ] = @H = 0
dt @t
@t
selbst eine Erhaltungsgroe. Falls die kinetische Energie homogen-quadratisch in den pi
ist, handelt es sich dabei um die Gesamtenergie. Fur alle Erhaltungsgroen f gilt:
[f; H ] = 0 ;
sie stehen also in Involution mit der Hamilton-Funktion des Systems, aber nicht notwendig
miteinander.
Fur den Massenpunkt im homogenen Schwerefeld mit der Hamilton-Funktion
H = 21m (p2x + p2y + p2z ) + m g z
sind px; py und Lz unabhangige Erhaltungsgroen. Es gilt:
[ p x ; py ] = 0 ;
diese beiden Groen stehen also in Involution miteinander, aber nicht mit Lz :
[ px ; L z ] = ? p y ; [ p y ; L z ] = + p x :
Die ebenfalls unabhangigen Erhaltungsgroen px; py ; H stehen dagegen in Involution. Da
ihre Anzahl der Zahl s der Freiheitsgrade entspricht, ist das System also integrabel, und die
restlichen Integrationen beschranken sich auf Quadraturen.
91
3. Kanonische Transformationen
Die Lagrange-Gleichungen sind forminvariant gegenuber beliebigen Punkttransformationen, also gegenuber einem Wechsel des Koordinatensystems im Kongurationsraum, weil
sie aus dem Hamilton-Prinzip folgen:
Ztb
S = L dt = 0 :
ta
Die Lagrange-Funktion ist eine physikalische Groe, deren Wert nur abhangt vom momentanen Zustand des Systems, nicht aber von der Auswahl der Koordinaten qi , die zu seiner
Beschreibung benutzt werden. Trit man eine bestimmte solche Wahl, so folgen aus dem
Variationsproblem
Ztb
L(q; q_ ; t) dt = 0
ta
als Euler-Gleichungen die Bewegungsgleichungen von Lagrange:
d @L ? @L = 0 :
dt @ q_i @qi
Durch die Transformation der qi sind die der q_i festgelegt und notwendig linear. Diese
Einschrankung fuhrt dazu, da durch Punkttransformationen allein nicht alle Koordinaten
zyklisch gemacht werden konnen. Wegen des gleichen Status der qi ; pi in der HamiltonFunktion liegt es nahe, allgemeinere Transformationen der Gestalt
Qi = Qi (q1 ; : : : ; qs; p1 ; : : : ; ps; t) ; Pi = Pi (q1 ; : : : ; qs; p1 ; : : : ; ps; t)
zu untersuchen, bei denen die kanonischen Gleichungen forminvariant sind:
@K ; P_ = ? @K ;
Q_ i = + @P
i
@Q
i
i
wobei die neue Hamilton-Funktion K aus der alten H durch Ersatz der Variablen entsteht:
K (Q; P; t) = H (q(Q; P; t); p(Q; P; t); t) :
Solche Transformationen heien kanonisch im engeren Sinne. Sie bilden eine Gruppe,
die die zeitunabhangigen Punkttransformationen als Untergruppe enthalt, nicht aber die
zeitabhangigen. Fur die kanonischen Transformationen im weiteren Sinne, im folgenden
kurz kanonische Transformationen genannt, wird deshalb nur gefordert, da es eine Funktion K (Qi ; Pi ; t) geben soll, die zu kanonischen Bewegungsgleichungen fuhrt.
Das fur den Kongurationsraum formulierte Hamilton-Prinzip
Ztb
Ztb h X
s
ta
ta
L(q; q;_ t) dt = i=1
i
pi(q; q_)q_i ? H (q; p_ (q; q_ ; t); t) dt = 0
setzt die Existenz einer Lagrange-Funktion voraus und mu fur den Phasenraum modiziert werden. Man betrachtet dazu die Funktion:
L~ (q; q_ ; p; p_ ; t) =
s
X
i=1
pi q_i ? H (q; p; t) ;
92
in der die Variablen p_i allerdings nicht explizit auftreten. Das erweiterte Hamilton-Prinzip
Ztb
L~ (q; q_ ; p; p_ ; t) dt = 0 ;
ta
wobei die qi und pi unabhangig voneinander variiert werden und an den Intervallgrenzen
qi (ta) = pi (ta ) = qi (tb ) = pi (tb ) = 0
gilt, fuhrt zu den 2s Euler-Gleichungen
d @ L~ ? @ L~ = 0
dt @ q_i @qi
d @ L~ ? @ L~ = 0
dt @ p_i @pi
dabei wurde benutzt, da
@ L~ = p ;
i
@ q_
! p_i = ? @H
@q
i
! q_i = + @H
@p ;
i
@ L~ = 0 :
@ p_i
i
Es ergeben sich also die kanonischen Bewegungsgleichungen. Das erweiterte HamiltonPrinzip gilt auch fur den Fall, da es zu einer gegebenen Hamilton-Funktion keine entsprechende Lagrange-Funktion gibt. Man kann aber zeigen, da falls eine Lagrange-Funktion
existiert, das ursprungliche und das erweiterte Hamilton-Prinzip zu den gleichen Konsequenzen fuhren.
Da Koordinaten und Impulse in der Hamilton-Formulierung der Mechanik den gleichen
Status haben, bedeutet nicht, da sie bei kanonischen Transformationen in vollig unabhangiger Weise transformiert werden. Sowohl fur die alten Variablen qi; pi als auch fur
die neuen Qi ; Pi mu das erweiterte Hamilton-Prinzip gelten:
Ztb h X
s
ta
i=1
i
pi q_i ? H (q; p; t) dt = 0 ; !
Ztb h X
s
i
Pi Q_ i ? K (Q; P; t) dt = 0
ta i=1
Ztb h X
s
s
i
X
pi q_i ? H (q; p; t) ? Pi Q_ i + K (Q; P ; t) dt = 0
i=1
ta i=1
:
Aus der letzten Beziehung folgt, da der Integrand die totale Ableitung einer Funktion F
nach der Zeit sein mu, es gilt also:
s
X
i=1
pi q_i ? H (q; p; t) =
s
X
i=1
Pi Q_ i ? K (Q; P; t) + dF
dt :
F (q; p; Q; P; t) nennt man die erzeugende Funktion (\generating function") der Transformation. Ihre 4s + 1 Argumente sind nicht unabhangig voneinander, da zwischen den q; p
und dem Q; P die kanonischen Transformationsgleichungen bestehen. Man mu daher aus
ihnen 2s +1 (einschlielich der Zeit t) auswahlen, dabei mussen alte und neue Variable wegen der Umkehrbarkeit der Transformation in gleicher Anzahl vertreten sein. Es ergeben
sich damit vier Grundtypen.
93
a) F1 (q; Q; t)
Die obige Bedingung fuhrt zu
s
X
i=1
pi q_i ? H (q; p; t) =
s
X
i=1
1
Pi Q_ i ? K (Q; P ; t) + dF
dt :
Fur die totale Ableitung von F1 nach der Zeit gilt
s @F
dF1 = X
@F1 Q_ + @F1 :
1
q
_
+
dt i=1 @qi i @Qi i
@t
Durch Einsetzen folgt wegen der Unabhangigkeit der qi; Qi :
@F1 ; K = H + @F1 :
1
pi = + @F
;
P
=
?
i
@q
@Q
@t
i
i
Aus den ersten s Gleichungen lassen sich die Qi eliminieren:
Qi = Qi (q; p; t) :
Durch Einsetzen in die zweiten s Gleichungen ergibt sich dann:
Pi = Pi (q; p; t)
und damit die vollstandige kanonische Transformation.
Als Beispiel wird betrachtet die Funktion
F1 (q; Q; t) =
s
X
i=1
qi Q i :
Sie fuhrt zu den Transformationsgleichungen
@F1
@F1
1
pi = + @F
@qi = Qi ; Pi = ? @Qi = ? qi ; K = H + @t = H
und daraus durch Umstellung zu
Qi = + pi ; Pi = ? qi :
Bis auf das Vorzeichen werden also die Rollen von Koordinaten und Impulsen vertauscht.
b) F2 (q; P ; t)
Gegenuber F1 werden die Qi ersetzt durch:
@F1 :
Pi = ? @Q
i
Das lat sich durch eine Legendre-Transformation erreichen:
F2 (q; P; t) = F1 (q; Q; t) +
s
X
i=1
Pi Qi :
Auflosen nach F1 und Einsetzen in die Bedingung der Kanonizitat ergibt
s
X
i=1
pi q_i ? H (q; p; t) =
s
X
i=1
s
d X
2
?
Q
P
Pi Q_ i ? K (Q; P; t) + dF
i i :
dt dt
i=1
94
Die totale Ableitung von F2 ist:
s @F
@F2 P_ + @F2 :
dF2 = X
2
q
_
+
i
dt i=1 @qi
@Pi i
@t
Durch Einsetzen und Vergleich folgt hier:
@F2 ; K = H + @F2 :
2
;
Q
=
+
pi = + @F
i
@q
@P
@t
i
i
Die allgemeine Punkttransformation wird erzeugt durch:
F2 (q; P; t) =
Es ergibt sich:
s
X
i=1
fi (q; t)Pi :
s
X
@fk
k :
Pk ; Qi = fi (q; t) ; K = H + @f
@q
@t
i
k=1
Damit ist gezeigt, da, wie oben behauptet, alle Punkttransformationen zugleich auch kanonisch sind und da fur zeitunabhangige K = H gilt. Speziell fur fi (q) = qi erhalt man:
Qi = qi ; Pi = pi ;
also die identische Transformation.
pi =
c) F3 (p; Q; t)
Gegenuber F1 wird qi ersetzt durch:
1
pi = + @F
@q :
Die entsprechende Legendre-Transformation ist:
i
F3 (q; P; t) = F1 (q; Q; t) ?
s
X
i=1
pi qi :
Das gleiche Auflosungs- und Einsetzungsverfahren wie in den beiden vorigen Fallen ergibt:
@F3
@F3
3
qi = ? @F
@p ; Pi = ? @Q ; K = H + @t :
i
i
d) F4 (p; P; t)
Hier werden gegenuber F1 die Variablen qi und Qi ersetzt durch:
@F1 ;
1
;
P
=
?
pi = + @F
i
@q
@Q
i
i
die zugehorige Legendre-Transformation ist dann:
F4 (p; P; t) = F1 (q; Q; t) ?
s
X
i=1
pi qi +
Durch Auflosen und Einsetzen erhalt man in diesem Fall:
s
X
i=1
Pi Qi :
@F4 ; K = H + @F4 :
4
;
Q
=
+
qi = ? @F
i
@p
@P
@t
i
i
Bei mehr als einem Freiheitsgrad (s > 1) kann eine kanonische Transformation fur jedes i
einem anderen Typ angehoren, sie ist dann von gemischtem Typ.
95
Die kanonische Transformation (s = 2) mit der Erzeugenden
Q = +q ; P = +p
1
1
1
1
F (q1 ; P1 ; q2 ; Q2 ) = q1 P1 + q2 Q2 !
Q2 = + p2 ; P2 = ? q2
ist von gemischtem Typ. Fur i = 1 handelt es sich um die Identitat, fur i = 2 um die Vertauschung von Koordinate und Impuls. Eine solche Transformation, bei der ein Teil der
Koordinaten in Impulse umgewandelt wird, wahrend die ubrigen unverandert bleiben, heit
elementar. Jede kanonische Transformation lat sich als Produkt einer elementaren Transformation und einer vom Typ 1 darstellen.
Die beliebige Umwandelbarkeit von Koordinaten in Impulse und umgekehrt hat zur Folge,
da diese Begrie ihre absolute Bedeutung verlieren. Es liegt daher nahe, fur die Variablen
im Phasenraum eine einheitliche Bezeichnung zu wahlen:
x1 = q1 ; : : : ; xs = qs; xs+1 = p1 ; : : : ; x2s = ps :
Die Blattstruktur des 2s-dimensionalen Raumes bleibt aber erhalten, denn die Variablen
xi und xi+s sind zueinander konjugiert:
[ xi ; xj ] = j;is :
Die kanonischen Gleichungen nehmen mit dieser Bezeichnungsweise die Gestalt an:
0 x_ 1 1 0 0 : : :
BB : CC BB : : : :
BB : CC BB : : : :
BB x_: CC BB 0: :: :: ::
BB x_ s+1s CC = BB ?1 : : :
BB : CC BB : ?1 : :
BB : CC BB : : : :
@ : A @ : : : ?1
x_ 2s
0
:
:
:
0
0
:
:
:
0 : : : ?1
+1
:
:
:
0
0
:
:
:
0
0
+1
:
:
:
:
:
:
:
:
: : 0 1 0 @H=@x1 1
: : : C
B : C
: : : C
CC BBB : CCC
:
: +1 : C B
C
B
@H=@x
: : +1 C
s C
C
B
BB @H=@xs+1 CCC :
: : 0 C
C
B : C
: : : C
: : : C
CA BB@ : CCA
:
: : :
@H=@x2s
: : 0
Sie wird hier nicht weiter verwendet, Details nden sich bei Scheck, Mechanik.
Die Tatsache, da die Gruppe der kanonischen Transformationen uber die der Punkttransformationen hinausgeht, ermoglicht es, alle Koordinaten zyklisch zu machen.
Fur den eindimensionalen harmonischen Oszillator gilt
2
2
H = 21m p2 + m!
2 q :
Mit der erzeugenden Funktion
2
F1 (q; Q) = m!
2 q cot(!Q)
erhalt man zunachst
q
p = m! q cot(!Q) ; P = m!
2 sin2(!Q)
und durch Auflosen nach Q; P bzw. q; p als Transformationsgleichungen
? p ; P = 1 (p2 + m2!2q2 )
Q = !1 arccot m!q
2m
r
p
2P sin(!Q) ; p = 2mP cos(!Q) :
q = m!
2
Die transformierte Hamilton-Funktion ist
K (Q; P ) = H = P ;
2
96
2
Q ist also eine zyklische Koordinate. Aus den kanonischen Gleichungen folgt
Q_ = + @K
@P = 1 ! Q = t + P_ = ? @K
@Q = 0 ! P E :
Der transformierte Impuls ist hier das Bewegungsintegral Gesamtenergie. Setzt man noch
= !, so folgt durch Rucktransformation:
r
2E sin(!t + ) ;
q(t) = m!
2
in U bereinstimmung mit dem fruheren Ergebnis.
Kanonische Invarianz
Dynamische Groen (Observablen), wie die Energie oder die z -Komponente des Drehimpulses, lassen sich in einem bestimmten System von dynamischen Variablen qi ; pi darstellen
als f (qi; pi ; t), haben aber eine absolute physikalische Bedeutung, mussen daher invariant
gegenuber einem Wechsel des Variablensystems (kanonische Transformation) sein. Fur beliebige Funktionen der dynamischen Variablen gilt das nicht, daher ist nicht von vornherein klar, da die Poisson-Klammer aus zwei dynamischen Groen wieder eine dynamische
Groe ist.
Im isotropen dreidimensionalen Raum der Geometrie hangen die Beziehungen zwischen geometrischen Objekten nicht von der Auswahl des Koordinatensystems, insbesondere von der
Richtung der Koordinatenachsen, ab. Dem tragt man Rechnung durch die Vektorschreibweise fur invariante eindimensionale Objekte. Aus ihnen lassen sich durch Produktbildung
weitere der gleichen Art bilden, wobei die Denition haug mit Hilfe der Komponenten in
einem gegebenen Koordinatensystem erfolgt. Das Vektorprodukt zweier Vektoren lat sich
beispielsweise denieren durch
ay bz ? az by !
[a ; b ] a b = az bx ? ax bz :
ax by ? ay bx
Man kann zeigen, da die rechte Seite dieser Gleichung forminvariant gegenuber Drehungen
des Koordinatensystems ist, es handelt sich also um eine invariante Konstruktion. Wurde
man dagegen ein Produkt durch die folgende Vorschrift denieren:
ay bz + az by !
fa ; b g = az bx + axbz ;
ax by + ay bx
so ware diese Konstruktion nicht invariant.
Im folgenden soll die Invarianz der Poisson-Klammer bei kanonischen Transformationen
bewiesen werden. Dazu wird zunachst das benutzte Variablensystem als Subskript angegeben:
[f; g]q;p :
Als erstes wird die Invarianz der fundamentalen Poisson-Klammern bewiesen. Fur eine
kanonische Transformation mit der erzeugenden Funktion F1 (q; Q; t) gilt:
@F1 :
1
pi = + @F
;
P
=
?
i
@q
@Q
i
Durch eine weitere Ableitung nach Qj folgt:
i
@pi = @ 2 F1 = @ 2 F1 = ? @Pj ;
@Qj @Qj @qi @qi @Qj
@qi
97
also als Zusammenhang zwischen pi ; Qj und Pj ; qi :
@pi = ? @Pj :
F1 : @Q
@qi
j
Analog ergibt sich fur F2 ; F3 ; F4 :
@qi = + @Pj
F2 : @Q
@pi
j
@qi = ? @Qj
F3 : @P
@pi
j
@p
@Q
F4 : @Pi = + @q j :
j
i
Durch Einsetzen in die fundamentale Poisson-Klammer folgt
s @Q @q
s @Q @P
X
X
@P
@Q
j
j
i
i k + @Qi @pk = @Qi = :
i
?
=
[Qi ; Pj ]q;p =
@Qj ij
k=1 @qk @Qj @pk @Qj
k=1 @qk @pk @pk @qk
Andererseits ist trivialerweise
[Qi ; Pj ]Q;P = ij ;
diese fundamentale Poisson-Klammer ist also invariant:
[Qi ; Pj ]Q;P = [Qi ; Pj ]q;p = ij :
Auf die gleiche Weise zeigt man die Invarianz der u brigen Klammern:
[Qi ; Qj ]Q;P = [Qi ; Qj ]q; p = 0 ; [Pi ; Pj ]Q;P = [Pi ; Pj ]q;p = 0 :
Damit ergibt sich als notwendiges Kriterium fur die Kanonizitat einer Transformation:
[Qi ; Qj ]q;p = [Pi ; Pj ]q;p = 0 ; [Qi ; Pj ]q;p = ij :
Die Transformation, die beim harmonischen Oszillator (s = 1) die Koordinate zyklisch macht,
hat die Gestalt
p ) ; P = 1 (p2 + m2 !2 q2 ) :
Q = !1 arccot( m!q
2m
Wegen der Antisymmetrie der Poisson-Klammer ist
[Q; Q]q;p = 0 ; [P; P ]q;p = 0 ;
durch Auswerten der verbleibenden Poisson-Klammer erhalt man
@P ? @Q @P =
p2
m2 !2 q2 = 1 ;
[Q; P ]q;p = @Q
+
@q @p @p @q p2 + m2 !2 q2 p2 + m2 !2 q2
die Transformation ist also kanonisch.
Auf die gleiche Weise ergibt sich die Kanonizitat der Transformation
Q1 = + q1 ; P1 = + p1 ; Q2 = + p2 ; P2 = ? q2 :
Fur die allgemeine Poisson-Klammer folgt durch Ausschreiben, Umrechnung in den jeweils
zweiten Faktoren und Umordnung:
s @f @g
X
@f @g ?
k=1 @Qk @Pk @Pk @Qk
s X
s n @f @g @q
X
j + @g @pj ? @f @g @qj + @g @pj o
=
@Pk @qj @Qk @pj @Qk
k=1 j =1 @Qk @qj @Pk @pj @Pk
s n @g
o
X
@g
[f; g]Q;P =
=
j =1
@qj [f; qj ]Q;P + @pj [f; pj ]Q;P :
98
Fur den speziellen Fall g = qj wird daraus:
[f; qj ]Q;P = ? [qj ; f ] = ?
=?
und ebenso fur g = pj :
k=1
@f
@qk [qj ; qk ]Q;P + @pk [qj ; pk ]Q;P
o
@f o = ? @f
0
+
@qk
@pk jk
@pj
s n @f
X
k=1
s n @f
X
@f :
[f; pj ]Q;P = + @q
j
Durch Einsetzen in die Formel fur die allgemeine Poisson-Klammer wird diese:
s n @g @f
X
@f @g o = [f; g] :
[f; g]Q;P =
? @q @p + @q
q;p
j j
j @pj
j =1
Damit ist ihre kanonische Invarianz bewiesen.
Fur einen Massenpunkt in einem Potentialfeld V (z) sind die dynamischen Groen px und Lz
Bewegungsintegrale. Ihre Poisson-Klammer im Variablensystem x; y; z; px; py ; pz ist
[ px; Lz ] = [ px ; xpy ? ypx] = ? py :
Die (kanonische) Punkttransformation auf Zylinderkoordinaten ; '; z wird erzeugt durch
F3 (px; py ; pz ; ; '; z) = cos ' px + sin ' py + z pz :
Die Transformationsgleichungen sind
x = cos '
;
y = sin '
;
z=z
px = p cos ' ? p' sin ' ; py = p sin ' + p' cos ' ; pz = pz :
Im neuen Variablensystem ; '; z; p ; p' ; pz ist die Poisson-Klammer (mit p' = Lz ):
[ p cos ' ? p' sin '; p' ] = ?p sin ' ? p' cos ' = ? py ;
also invariant gegenuber der Koordinatentransformation.
Das Kriterium der Gultigkeit der fundamentalen Poisson-Klammern ist fur die Kanonizitat
einer Transformation nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend, wie hier fur den Fall
gezeigt werden soll, da diese nicht explizit von der Zeit abhangt. Es gilt dann namlich:
q_i = [qi ; H ]Q;P = [qi; H ]q;p = + @H
@pi
p_ i = [pi ; H ]Q;P = [pi ; H ]q;p = ? @H
@qi :
Wenn bei einer Transformation die Poisson-Klammern invariant sind, bleibt also auch die
Form der kanonischen Gleichungen erhalten.
Im allgemeinen Fall geht man zum Beweis vom Liouville-Theorem aus, das hier nicht behandelt wird, siehe dazu die Bucher von Scheck und Goldstein. In der symplektischen Geometrie
des Phasenraumes wird durch die Poisson-Klammer die Metrik festgelegt. Die kanonischen
Transformationen sind dann dadurch charakterisiert, da sie die Metrik im Phasenraum invariant lassen und spielen damit die gleiche Rolle wie die Drehungen in der dreidimensionalen
Geometrie oder die unitaren Transformationen im quantenmechanischen Zustandsraum.
99
Poisson-Klammern und Drehimpulse
Wenn es gelingt, fur ein System einen Satz von s Bewegungsintegralen anzugeben, die
miteinander in Involution stehen, so ist damit seine Integrabilitat gesichert. Es ist dann
namlich moglich, eine kanonische Transformation zu nden, bei der diese Groen die Rolle
von generalisierten Impulsen Pi spielen, die konjugierten Koordinaten Qi also zyklisch
sind.
Ein eindimensionaler harmonischer Oszillator wird beschrieben durch die Hamilton-Funktion
2
2
H = 21m p2 + m!
2 q :
Da diese nicht explizit von der Zeit anhangt, ist sie ein Bewegungsintegral. Durch eine zeitunabhangige kanonische Transformation lat sich erreichen, da
2
2
P (q; p) = H (q; p) = 21m p2 + m!
2 q :
Die neue Hamilton-Funktion ist dann
K=H=P :
P ist damit als Funktion von q und p gegeben, fur Q gilt:
[Q; P ] = 1 ;
oder in ausgeschriebener Form:
@Q p ? @Q m!2 q = 1 :
@q m @p
Mit den Abkurzungen x = m!q ; y = p ; f = !Q wird daraus die lineare inhomogene partielle
Dierentialgleichung 1. Ordnung
@f
y @f
@x ? x @y = 1 :
Zu ihrer Integration gibt es kein einfaches Verfahren. Fuhrt man aber durch x = r cos '; y =
r sin ' Polarkoordinaten ein, so gilt fur f (x; y) = g(r; '):
@g
@' = ? 1 ! g(r; ') = ? ' + (r) ;
wobei (r) eine beliebige Funktion von r ist. Mit (r) =2 wird dann
? ? f (x; y) = 2 ? arctan xy = arccot xy
und durch Rucktransformation zu den ursprunglichen Variablen
? p :
Q(q; p) = !1 arccot m!q
Fur einen Massenpunkt stehen die Komponenten des Linearimpulses als die zu den Koordinaten x; y; z konjugierten Variablen trivialerweise in Involution miteinander:
[ pi ; pj ] = 0 :
Wenn einzelne von ihnen Bewegungsintegrale sind, bedeutet das, da die HamiltonFunktion des Systems invariant gegenuber Verschiebungen in der zugehorigen q-Richtung
ist. In entsprechender Weise folgt aus der Invarianz von H gegenuber einer Drehung um
eine Achse, da die zugehorige Komponente des Drehimpulses erhalten bleibt. Im Gegensatz zum Linearimpuls stehen die Komponenten des Drehimpulses aber nicht in Involution
miteinander:
3
X
[Li ; Lj ] = "ijk Lk :
k=1
100
Hier ist "ijk das Levi-Civita-Symbol:
8
>
< +1 : (ijk) gerade Permutation von (123)
"ijk = > ?1 : (ijk) ungerade Permutation von (123)
: 0 : zwei oder drei Indizes gleich
Fur das Betragsquadrat des Drehimpulses ergibt sich daraus:
[Li ; L2 ] = [Li ;
=2
3
X
j =1
X
3
j =1
L2j ] =
3
X
j =1
[Li ; L2j ]
Lj [Li; Lj ] = 2
3
X
j =1
"ijk Lj Lk = 0 :
Da die Komponenten des Drehimpulses nicht in Involution miteinander stehen, konnen
sie in keinem Variablensystem die Rolle der generalisierten Impulse spielen, und es kann
kein zu ihnen konjugiertes Tripel von Winkelkoordinaten geben. Die tiefere Ursache dafur
liegt darin, da die Drehgruppe im Gegensatz zur Verschiebungsgruppe nicht kommutativ
ist.
4. Infinitesimale kanonische Transformationen
Eine Transformation, die die neuen Variablen Qi ; Pi als Funktionen der alten Variablen
qi ; pi darstellt, kann immer auf zwei Weisen interpretiert werden. Man nimmt entweder an,
da der Zustand des Systems (Punkt im Phasenraum) unverandert bleibt, aber ein neues
Koordinatensystem verwendet wird (passiver Standpunkt), oder da im unveranderten
Koordinatensystem der reprasentative Punkt eine neue Lage einnimmt (aktiver Standpunkt). Im Gegensatz zum bisherigen Gebrauch wird hier im folgenden in der Regel der
aktive Standpunkt eingenommen werden.
Endliche kanonische Transformationen sind im allgemeinen relativ kompliziert und nichtlinear, infinitesimale Transformationen dagegen immer linear:
Qi = qi + qi ; Pi = pi + pi :
Da sie von der identischen Transformation also nur um Glieder erster Ordnung abweichen,
lat sich die zugehorige erzeugende Funktion stets schreiben als
F2 (q; P ) =
s
X
i=1
qi Pi + G(q; P )
mit einem innitesimalen Parameter . Daraus folgen die Transformationsgleichungen
@G
2
pi = + @F
=
P
+
i
@qi
@qi
@G
@F
Qi = + @P2 = qi + @P :
i
i
Durch Vergleich mit den Denitionsgleichungen ergibt sich:
@G :
;
q
=
Q
?
q
=
?
pi = Pi ? pi = ? @G
i
i
i
@q
@P
i
i
101
Es gilt aber bis auf Terme 2. Ordnung in :
@G @G
@P
@pi
i
und entsprechend fur die Ableitungen nach den Koordinaten. Man nennt G(qi ; pi ) die
erzeugende Funktion der infinitesimalen kanonische Transformation. Damit ergibt sich:
@G ; p = ? @G :
qi = + @p
i
@q
i
i
Je nach Wahl der erzeugenden Funktion G(qi ; pi ) und des Parameters erhalt man verschiedene Transformationen, die hier im aktiven Sinne gedeutet werden:
qi ! qi + qi ; pi ! pi + pi :
Speziell fur G(qi ; pi ) = H (qi ; pi ) und = dt ergibt sich:
qi = + dt @H
@pi = q_i dt = dqi
pi = ? dt @H
@qi = p_i dt = dpi :
Die Transformation bringt das System also zu demselben Punkt, den es auch bei seiner
Bewegung im Phasenraum zum Zeitpunkt t + dt einnehmen wurde. Die Hamilton-Funktion
H erzeugt also (aktiv) die zeitliche Veranderung der Variablen qi ; pi im Zeitintervall dt.
Die infinitesimalen kanonischen Transformationen bilden, wie die endlichen, eine Gruppe,
so da zwei nacheinander ausgefuhrte einer einzigen, ihrem Produkt, aquivalent sind. Die
Bewegung des Systems in einem endlichen Zeitintervall von t0 bis t kann daher durch
eine Folge infinitesimaler kanonischer Transformationen mit der Hamilton-Funktion als
Erzeugender dargestellt werden, deren Ergebnis eine kanonische Transformation ist, die
kontinuierlich von der Zeit abhangt. Sie u berfuhrt die Werte der Variablen qi und pi zum
Zeitpunkt t0 in die zur Zeit t. Ihre Kehrtransformation bildet umgekehrt die qi (t); pi (t)
auf die konstanten Anfangswerte ab:
Qi(q(t); p(t)) qi (t0 ) ; Pi (q(t); p(t)) pi (t0 ) :
Im transformierten System sind also nicht nur alle Impulse, sondern auch alle Koordinaten
Bewegungsintegrale. Die Gewinnung einer solchen Transformation ist daher der Integration
der Bewegungsgleichungen aquivalent.
Bei innitesimalen kanonischen Transformationen andern sich mit den dynamischen Variablen qi und pi auch die dynamischen Groen u = f (qi; pi ):
u = f (qi + qi ; pi + pi ) ? f (qi; pi )
s @f @G @f @G s @f
X
@f p = X
q
+
=
@q i @p i
@q @p ? @p @q
i=1
i
= [ u; G] :
i
i=1
i
Im oben betrachteten Sonderfall G = H ; = dt ergibt sich:
du = [ u; H ] ;
dt
102
i
i
i
in U bereinstimmung mit dem fruheren Ergebnis. Umgekehrt folgt fur f = H :
H = [H; G]
als A nderung von H bei der infinitesimalen kanonischen Transformation mit der Erzeugenden G. Ist insbesondere G ein Bewegungsintegral, so gilt:
[H; G] = 0 ! H = 0 :
Eine solche Transformation lat also H ungeandert und gehort damit zur Symmetriegruppe der Hamilton-Funktion. Jeder Transformation ist auf diese Weise eine dynamische
Groe zugeordnet und umgekehrt. Die Bewegungsintegrale sind die Erzeugenden (Generatoren) derjenigen infinitesimalen Transformationen, die die Hamilton-Funktion des
Systems invariant lassen.
Fur ein System von N Massenpunkten fuhrt eine Drehung um die z-Achse um den
infinitesimalen Winkel ' zu den neuen Koordinaten
Xi = xi ? yi ' ; Yi = yi + xi ' ; Zi = zi
und damit zu den Koordinatenanderungen
xi = ? yi ' ; yi = + xi ' ; zi = 0 :
Linearimpulse transformieren sich in der gleichen Weise wie Ortsvektoren:
pxi = ? pyi ' ; pyi = + pxi ' ; pz0 = 0 :
Andererseits gilt fur eine infinitesimale kanonische Transformation mit der Erzeugenden
G(xi ; yi ; zi ; pxi; pyi; pzi) und dem Parameter ':
@G ' ; yi = + @G ' ; zi = + @G '
xi = + @p
@pyi
@pzi
xi
@G
@G
@G
pxi = ? @x ' ; pyi = + @y ' ; pzi = ? @z ' :
i
i
i
Durch Vergleich ergibt sich:
@G
@G
@G
@xi = + pyi ; @yi = ? pxi ; @zi = 0
@G
@G
@G
@pxi = ? yi ; @pyi = + xi ; @pzi = 0 :
Das ist ein System von partiellen Dierentialgleichungen fur G mit der Losung
G=
N
X
i=1
(xi pyi ? yi pxi) = Lz :
Eine dierentielle Drehung des Systems um die z-Achse wird also erzeugt durch die zKomponente des Gesamtdrehimpulses. Falls dabei die Hamilton-Funktion invariant bleibt,
ist Lz ein Bewegungsintegral.
Die umgekehrte Aufgabe, aus der Form eines Bewegungsintegrals die zugehorige endliche
kanonische Transformation herzuleiten, ist im allgemeinen wesentlich schwerer zu losen.
Fur das Keplerproblem ist der Laplace-Runge-Lenz-Vektor eine Erhaltungsgroe, die zugehorige kanonische Transformation ist eine vierdimensionale Rotation im Phasenraum.
Besonders einsichtig ist dieser Zusammenhang fur zyklische Koordinaten. Die Generatoren
der Symmetrietransformationen bezuglich dieser qi sind die konjugierten Impulse pi , bei
Verschiebungen also Linearimpulse, bei Drehungen Drehimpulse. Ein Koordinatensystem,
in dem eine zyklische Variable auftritt, ist haug, aber nicht immer, das fur die Aufstellung
der Hamilton-Funktion am besten geeignete.
103
Ein Massenpunkt soll sich in einem Potentialfeld der Form
V (r ) = z + k2 r2
bewegen, das erkennbar eine Drehsymmetrie um die z-Achse aufweist. Wahlt man deshalb
zur Darstellung Zylinderkoordinaten ; '; z, so erhalt die Lagrange-Funktion die Gestalt
L = m2 (_2 + 2 '_ 2 + z_ 2 ) ? z ? k2 (2 + z2 ) :
Hier ist die Variable ' wie erwartet zyklisch, mit !2 = k=m lauten die Bewegungsgleichungen
m  ? m '_ 2 + !2 = 0
m 2 '_ = Lz
2
m z + m! z + = 0 :
Die letzte Gleichung ist von den ersten beiden vollig unabhangig und beschreibt eine harmonische Schwingung in z-Richtung um den Punkt ?=k. Aus der zweiten Gleichung kann man
'_ eliminieren und in die erste einsetzen:
2
 ? mL2z3 + !2 = 0 :
Diese Gleichung lat sich in der ublichen Weise integrieren, einfacher kommt man zum gleichen Ergebnis, wenn man beachtet, da wegen der Zeitunabhangigkeit von L die Energie ein
Bewegungsintegral ist:
2
E0 :
_ 2 + !2 2 + mL2z2 = 2m
Mit der Substitution u = 2 wird daraus:
2
u_ 2 + 4 !2 u2 + 4 Lmz ? 8 Em0 = 0 :
Diese Dierentialgleichung lat sich durch Trennung der Variablen losen, und man erhalt mit
der passenden Anfangsbedingung:
E0 + h E02 ? L2z i1=2 cos(2!t) :
u(t) = 2 (t) = m!
2
m2 !4 m2 !2
Es handelt sich um die radiale Bewegung eines zweidimensionalen isotropen harmonischen
Oszillators. Wegen k = m!2 stimmt das Ergebnis uberein mit dem des entsprechenden
Zweikorperproblems. Wie dort folgt fur die '-Bewegung:
'(t) ? '0 = Lmz
Zt
0
1 dt = arctan h Lz tan(!t) E +
u(t)
m!
m!2
r
E ? L2z ?1 i ;
m!2 m2 !2
also ein verhaltnismaig komplizierter Ausdruck.
In kartesischen Koordinaten x; y; z lautet die Lagrange-Funktion andererseits
L = m2 (x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 ) ? z ? k2 (x2 + y2 + z2 ) :
Hier ist zwar keine Koordinate zyklisch, aber die Zerlegung
L = ( m2 x_ 2 ? k2 x2 ) + ( m2 y_ 2 ? k2 y2 ) + ( m2 z_ 2 ? k2 z2 ? z)
zeigt, da das System jetzt in drei vollig unabhangige Teilsysteme zerfallt, deren Teilenergien
separat erhalten bleiben. Das letzte wurde schon oben betrachtet, die beiden anderen fuhren
harmonische Schwingungen in der x- und y-Richtung aus.
Ebenso einfach ist die Benutzung der Newtonschen Bewegungsgleichung:
2
m ddtr2 = ? e z ? kr :
Es handelt sich um eine lineare inhomogene Dierentialgleichung 1. Ordnung fur r (t) mit
der Losung:
r (t) = (r 0 + !2 e z ) cos(!t) + !1 v 0 sin(!t) ;
104
die die Bewegung in einer Ellipse um den Mittelpunkt (0; 0; ?=k) darstellt.
In Kugelkoordinaten dagegen werden trotz des Auftretens der zyklischen Koordinate ' die
Bewegungsgleichungen so unubersichtlich, da der relativ einfache Charakter der Bewegung
nicht zu erkennen ist.
Auch fur relativ einfache Potentiale kann die Auswahl des Koordinatensystems und
die Losung der Bewegungsgleichungen so schwierig werden, da die bisher behandelten
Losungsverfahren versagen.
Fur das gegenuber dem vorhergehenden Beispiel nur geringfugig veranderte System mit der
potentiellen Energie
V (r ) = z ? r
lassen sich die Bewegungsgleichungen ersichtlich weder in kartesischen noch in Zylinderkoordinaten separieren. In Kugelkoordinaten lautet die Lagrange-Funktion:
L = m2 (r_ 2 + r2 #_ 2 + r2 sin2 # '_ 2 ) ? r cos # + r :
Sie enthalt weder die Zeit t noch die Koordinate ' explizit, Energie und z-Komponente des
Drehimpulses sind also Erhaltungsgroen. Man kann sogar zeigen, da ein weiteres Bewegungsintegral
2
2
A~z = p2# + sin12 # p2' + m cos # ? m
2 r sin #
in Involution mit p' existiert, das Problem also integrabel sein mu, trotzdem lassen sich die
Bewegungsgleichungen in Kugelkoordinaten nicht separieren.
Bei nicht-integrablen Systemen, die die Mehrzahl aller Falle bilden, besteht naturlich
grundsatzlich immer die Moglichkeit der numerischen Integration des Systems der Bewegungsgleichungen als eines gekoppelten Systems von gewohnlichen Dierentialgleichungen.
Dieses Verfahren wird zum Beispiel in der Himmelsmechanik bei der Berechnung der Bahnen von Raumfahrzeugen angewendet und liefert diese mit sehr hoher Genauigkeit. Es
lassen sich aber auf diese Weise immer nur Einzelfalle behandeln und keine allgemeinen
Ergebnisse gewinnen. Fur die Berechnung der Planetenbahnen wird daher seit langem teilweise auch dadurch bedingt, da fruher keine hinreichend leistungsfahigen Rechenanlagen zur Verfugung standen - ein anderes Verfahren verwendet, namlich die Entwicklung
in Potenz- und Fourier-Reihen.
Aus Dierentialgleichungen lassen sich unmittelbar Potenzreihen fur ihre Losungsfunktionen
(\Integrale") gewinnen. So folgt aus der (normierten) Bewegungsgleichung des harmonischen
Oszillators
y00 + y = 0 y(0) = 1 ; y0 (0) = 0
durch Einsetzen des Potenzreihenansatzes
y=
1
X
n=0
auf der linken Seite der Dierentialgleichung:
1
X
n=0
n(n ? 1) cn xn?2 +
1
X
n=0
cm xm =
c n xn
1
X
n=0
[ m(m + 1) cm+2 + cm ] xm = 0 :
Hier mussen die Koezienten fur jede Potenz von x einzeln verschwinden, und es ergibt sich
fur die Reihenkoezienten cm eine Rekursionsformel 2. Ordnung:
cm+2 = ? m(m1+ 1) cm :
105
Mit c0 = y(0) = 1 und c1 = y0 (0) = 0 erhalt man daraus, zum Beispiel durch vollstandige
Induktion:
1 ; c
c2m = (?1)m (2m
2m+1 = 0
)!
und damit die Reihe fur cos(x). Aus ihr lassen sich, wenn auch mit einiger Muhe, allgemeine
Folgerungen ziehen, wie etwa die Periodizitat mit 2.
Die Verbindung zwischen der zeitlichen A nderung dynamischer Groen und ihrer PoissonKlammer mit der Hamilton-Funktion des Systems:
df = [f; H ] ;
dt
wobei angenommen wurde, da weder f noch H explizit von der Zeit abhangen, fuhrt zu
der Potenzreihenentwicklung
2
1
f (q(t); p(t)) = f0 + t1! [f0 ; H0 ] + t2! [[f0 ; H0 ]; H0] + : : : :
Dabei ist f0 = f (q(0); p(0)) ; H0 = H (q(0); p(0)). Der Wert solcher Potenzreihen fur die
praktische Rechnung ist aber oft sehr beschrankt, da ihre Koezienten meist von sehr
komplizierter Bauart sind und sich kaum Aussagen u ber ihre Konvergenz machen lassen.
Fur den harmonischen Oszillator mit der Hamilton-Funktion
2
2
H (q0 ; p0 ) = 21m p20 + m!
2 q0
sind die Poisson-Klammern mit H (q0 ; p0 ) fur f (q0 ; p0 ) = q0 und f (q0 ; p0 ) = p0 :
[ q0 ; H0 ] = m1 p0 ; [ p0 ; H0 ] = ? m!2 q0 :
Daraus ergibt sich mit der allgemeinen Beziehung von oben:
2
3
4
1
q(t) = q0 + t1! pm0 ? t2! !2 q0 ? t3! pm0 + t4! !4 q0 + : : :
2
4
p0 (!t)1 ? (!t)3 + : : : = q0 1 ? (!t2!) + (!t4!) ? : : : + m!
1!
3!
p0 sin(!t)
= q0 cos(!t) + m!
1
2
3
4
p(t) = p0 ? t1! m!2q0 ? t2! !2 p0 + t3! m!4 q0 + t4! !4 p0 ? : : :
2
4
3
1
= p0 1 ? (!t2!) + (!t4!) ? : : : ? m!q0 (!t1!) ? (!t3!) + : : :
= p0 cos(!t) ? m!q0 sin(!t)
in U bereinstimmung mit den fruheren Resultaten.
106
D. HAMILTON-JACOBI-GLEICHUNG
Das Problem der Bewegung eines mechanischen Systems ist gelost, wenn es gelingt, durch
eine kanonische Transformation auf ein System von Variablen u berzugehen, in dem alle
Koordinaten Qi zyklisch sind. Gleichzeitig sind damit s Bewegungsintegrale gegeben, die in
Involution zueinander stehen, namlich die zugehorigen (kanonisch-konjugierten) Impulse
Pi. Die neue Hamilton-Funktion hat dann die Gestalt
K = K (P1 ; : : : ; Ps ; t) ;
und die kanonischen Bewegungsgleichungen lauten
@K = f (P ; : : : ; P ; t) ; P_ = ? @K = 0 :
Q_ i = + @P
i 1
s
i
@Q
Fur die Impulse ergibt sich
i
i
Pi i ! Q_ i = fi (1 ; : : : ; s ; t) ;
damit ist die Berechnung der Qi auf Quadraturen zuruckgefuhrt:
Zt
Qi = fi(1 ; : : : ; s; t) dt + i = Fi(1 ; : : : ; s ; t) + i :
0
Durch die darauf folgende Punkttransformation mit der Erzeugenden
F2 (Qi; Pi ; t) =
s
X
i=1
[ Qi ? Fi (1 ; : : : ; s ; t)] Pi
werden dann auch alle Koordinaten zeitlich konstant und somit alle Variablen sowohl
zyklisch als auch konstant:
Q i = Qi ? Fi(1 ; : : : ; s ; t) i ; Pi = Pi i
Die neue Hamiltonfunktion K kann dann nur noch von der Zeit abhangen:
K = (t) ;
ein solcher Term fallt aber beim Aufstellen der Bewegungsgleichungen fort und kann deshalb weggelassen werden.
Die Aufgabe besteht also letztlich darin, eine kanonische Transformation zu nden, die
auf ein Variablensystem fuhrt, in dem die transformierte Hamiltonfunktion identisch verschwindet. Wenn S (qi ; Qi ; t) ihre Erzeugende vom Typ 1 ist, soll also gelten:
K = H + @S
@t 0 :
Fur die Impulse pi folgt dann aus den Transformationsformeln fur F1 :
@S :
pi = @q
i
Setzt man das in die Hamilton-Funktion H (qi ; pi ; t) ein, so ergibt sich:
@S + H q ; @S ; t = 0 ;
i @q
@t
i
107
die Hamilton-Jacobi-Gleichung, die eine notwendige Bedingung fur die gesuchte erzeugende Funktion S darstellt. Es handelt sich dabei um eine partielle Dierentialgleichung
1. Ordnung mit den s +1 Variablen q1 ; : : : ; qs; t. S wird dadurch allerdings nur bis auf
eine beliebige additive Integrationskonstante S0 festgelegt, die aber fur die Bewegung des
Systems ohne Bedeutung ist, da sie in den Transformationsgleichungen fortfallt.
1. Die Wirkungsfunktion
Fur eine Phasenbahn des Systems (qi (t); pi (t)), die zur Zeit t = 0 im Punkt (qi0 ; pi0 )
beginnt und zur Zeit t im Punkt (qi ; pi ) endet, ist das im Hamilton-Prinzip auftretende
Wirkungsintegral S deniert durch
Zt
S = L(qi(t); q_i (t); t) dt :
0
Es hangt auer von der Zeit t auch von den Anfangsbedingungen ab:
S = S (qi0 ; pi0 ; t) :
Bei gleichen qi0 hangen die qi (t) von den pi0 ab, auf einer (aktualen) Vergleichsbahn mit
den Anfangsimpulsen pi0 werden die Endwerte qi(t) erreicht. Die Gleichungen
qj = qj (qi0 ; pi0 ; t)
lassen sich daher im Prinzip nach den pi0 auflosen:
pi0 = pi0 (qj0; qj ; t) :
Durch Einsetzen in das Wirkungsintegral wird dieses ebenfalls eine Funktion der Koordinaten qi , die Wirkungsfunktion S~(qi ; qi0 ; t).
Fur den harmonischen Oszillator mit der Lagrange-Funktion
2
2
L = m2 q_2 ? m!
2 q
gilt fur die Bahn mit den Anfangswerten q(0) = q0 ; p(0) = p0 :
p0 sin(!t) ! q_(t) = ? ! q0 sin(!t) + p0 cos(!t) :
q(t) = q0 cos(!t) + m!
m
Durch Einsetzen in das Wirkungsintegral ergibt sich:
Zt
p0 sin(!t)]2 g dt
S~ = m2 f[? !q0 sin(!t) + pm0 cos(!t)]2 ? !2 [q0 cos(!t) + m!
0
2
= m!
2
Zt nh
p20 ? q2 i cos(2!t) ? 2q0 p0 sin(2!t)o dt
m2 ! 2 0
m!
i
2
q0 p0 sin2 (!t)o :
= 2 mp20!2 ? q02 sin(!t) cos(!t) ? 2m!
Aus der Bahngleichung folgt durch Auflosen nach p0
q0 cos(!t)
p0 = m! q ?sin(
!t)
und durch Einsetzen in S~
(q2 + q02 ) cos(!t) ? 2q q0 :
S~(q; q0 ; t) = m!
2
sin(!t)
0
nh
m!
108
Fur zwei benachbarte Phasenbahnen ist der Unterschied der Wirkungsintegrale
Zt
Zt X
s @L
0
0
S~ = L(qi ; q_i; t) dt =
i=1
@L q_ dt :
q
+
i
@qi
@ q_i i
Durch partielle Integration des zweiten Terms ergibt sich
s @L t X
s Zt h @L d @L i
X
S~ = @ q_ qi 0 +
@q ? dt @ q_ qi dt :
i=1
i
i
i=1 0
i
Da fur aktuale Bahnen die Lagrange-Gleichungen gelten, verschwindet das Integral, und
es folgt
s
X
S~ = (pi qi ? pi0 qi0 ) :
Daraus ergibt sich
i=1
@ S~ = + p ; @ S~ = ? p :
i
i0
@qi
@qi0
Die zeitliche A nderung von S~ langs einer Bahn ist andererseits
s @ S~
s
@ S~ q_ = @ S~ + X
dS~ = L(t) = @ S~ + X
pi q_i :
q
_
+
dt
@t
@q i @q i0 @t
i
i=1
i0
i=1
Dabei wurde berucksichtigt, da q_i0 verschwindet. Umordnen ergibt
s
@ S~ + X
pi q_i ? L = 0 ;
@t
i=1
oder, wegen der Denition der Hamilton-Funktion:
@ S~ + H (q ; p ; t) = 0
i i
@t
und wegen der obigen Beziehung fur pi :
@ S~ + H q ; @ S~ ; t = 0 :
i @q
@t
i
Die Wirkungsfunktion S~(qi ; qi0 ; t) ist also ein vollstandiges Integral der Hamilton-JacobiGleichung, denn sie enthalt s anpabare Konstanten qi0 . Aus ihr lassen sich umgekehrt
wieder die Bahngleichungen gewinnen. Die s Ableitungen
@ S~ = ? p = f (q ; q ; t)
i0
i j j0
@q
i0
lassen sich namlich nach den s Koordinaten qj auflosen, und man erhalt
qj = qj (qi0 ; pi0 ; t)
als Funktion der Anfangsbedingungen und der Zeit. Die s Impulse ergeben sich aus
@ S~ = g (q ; q ; t)
pi = @q
i j j0
i
durch Einsetzen der Ausdrucke fur qj (qi0 ; pi0 ; t).
109
Fur die oben berechnete Wirkungsfunktion des harmonischen Oszillators ergibt sich
@ S~ = m!2 2q q0 cos(!t) ? q2 ? q02 ; @ S~ = m! q cos(!t) ? q0
@t
2
@q
sin(!t)
sin2 (!t)
2
2
~
~
! @@tS + 21m @@qS + m!2 q2 = 0 ;
die Hamilton-Jacobi-Gleichung ist also erfullt. Die Koordinate q(t) folgt dann aus
q ? q0 cos(!t) ! q(t) = q cos(!t) + p0 sin(!t)
@S
0
@q0 = ? p0 = ? m! sin(!t)
m!
und der Impuls p(t) durch Einsetzen von q(t) in die obige Beziehung:
~
p = @@qS = ? m!q0 sin(!t) + p0 cos(!t) :
Fuhrt man eine kanonische Transformation mit der Wirkungsfunktion S~(qi ; qi0 ; t) als Erzeugender vom Typ F1 (qi ; Qi ; t) aus, so ist zunachst
Qi = qi0 :
Weiter gilt nach den Transformationsgleichungen:
@ S~ = ? @ S~ = p :
Pi = ? @Q
i0
@q
i
i0
Die Transformation fuhrt also auf die zeitlich konstanten Anfangswerte qi0 ; pi0 als neue
Variablen Qi ; Pi .
Fur den harmonischen Oszillator lauten die Transformationsgleichungen mit Q = q0 :
~
!t) ? Q ; P = ? @ S~ = m! q ? Q cos(!t) :
p = + @@qS = m! q cos(
sin(!t)
@Q
sin(!t)
Durch Auflosen nach Q und P ergibt sich:
p sin(!t) ; P = m! q sin(!t) + p cos(!t) :
Q = q cos(!t) ? m!
Macht man m! zu 1, was ohne Beschrankung der Allgemeinheit durch passende Wahl der
Einheiten geschehen kann, so stellt die Transformation oensichtlich eine Rotation des neuen
Bezugssystems Q; P mit der Winkelgeschwindigkeit ! im Phasenraum dar. Durch Einsetzen
der q(t); p(t) des Systems in die obige Beziehung fur Q und P folgt dann:
Q q0 ; P p 0 ;
im mitrotierenden System der Variablen Q; P nimmt der der reprasentative Punkt also die
feste Lage q0 ; p0 ein.
Da alle neuen Koordinaten und alle neuen Impulse zyklisch sind, mussen alle alle neuen
Impulse und alle neuen Koordinaten Bewegungsintegrale sein. In der Tat folgt aus den
Transformationsgleichungen:
Qi = Qi (qj ; pj ; t) qi0 ; Pi = Pi (qj ; pj t) pi0 ;
wenn man fur qj und pj die Bahn qj (qi0 ; pi0 ; t); pj (qi0 ; pi0 ; t) einsetzt. Man kommt so zu
2s unabhangigen Bewegungsintegralen, von denen jeweils s in Involution stehen. Zu ihrer
Berechnung mu allerdings die Phasenbahn des Systems schon bekannt sein.
110
Fur den harmonischen Oszillator folgt aus den Bahngleichungen
p0 sin(!t) ; p(t) = ? m! q0 sin(!t) + p0 cos(!t)
q(t) = q0 cos(!t) + m!
durch Auflosen nach den Anfangswerten:
1 p sin(!t) ; p (q; p; t) = m! q sin(!t) + p cos(!t) :
q0 (q; p; t) = q cos(!t) ? m!
0
Auer von q und p hangen q0 und p0 auch noch explizit von der Zeit t ab, sie sind also keine
Erhaltungsgroen. Es gilt aber:
dq0 = @q0 + [q0 ; H ]
dt
@t
p sin(!t); 1 p2 + m!2 q2 = ? ! q sin(!t) ? mp cos(!t) + q cos(!t) ? m!
2m
2
= ? ! q sin(!t) ? mp cos(!t) + mp cos(!t) + ! q sin(!t) 0 :
q0 ist also ein Bewegungsintegral. Die Rechnung fur p0 verlauft analog.
Die Wirkungsfunktion erfullt die Forderungen an eine erzeugende Funktion fur eine kanonische Transformation, die alle Variablen zu Konstanten, namlich zu ihren Anfangswerten,
macht, ist aber fur die Losung des dynamischen Problems unbrauchbar, da sie zu ihrer
Berechnung die Kenntnis der Phasenbahnen, also eben diese Losung, voraussetzt. Man
mu daher auf unabhangigem Wege Integrale der Hamilton-Jacobi-Gleichung nden. Da
aber die Losungsmannigfaltigkeit von partiellen Dierentialgleichungen sehr viel groer
als die von gewohnlichen Dierentialgleichungen ist, lat sich aus einem vollstandigen
Integral nicht jede Losung durch Anpassung der Integrationskonstanten gewinnen. Das
Theorem von Jacobi zur Integration der Hamilton-Jacobi-Gleichung besagt nun, da jedes
vollstandige Integral die gleichen Dienste leistet wie die Wirkungsfunktion:
Jedes vollstandige Integral der Hamilton-Jacobi-Gleichung erzeugt eine kanonische Transformation auf konstante Variablen und liefert die Bahngleichungen.
Benutzt man die Losung S (qi ; i ; t) der Hamilton-Jacobi-Gleichung als Erzeugende einer
kanonischen Transformation, so verschwindet namlich die neue Hamilton-Funktion identisch. Deutet man die Integrationskonstanten i als neue Koordinaten, so folgt fur die
ebenfalls konstanten neuen Impulse aus den Transformationsgleichungen:
@S = f (q ; ; t) :
i
@i i j j
Dieses System von s Gleichungen lat sich nach den qj auflosen:
qj = qj (i ; i ; t) ;
das sind aber wieder die Bahngleichungen. Die i ; i werden allerdings im allgemeinen
nicht mehr die Anfangswerte der qi ; pi sein.
Zur Losung partieller Dierentialgleichungen gibt es allgemeine Verfahren wie die Charakteristiken-Methode. Bei ihr wird die partielle Dierentialgleichung ersetzt durch ein
gekoppeltes System gewohnlicher Dierentialgleichungen. Im Falle der Hamilton-JacobiGleichung sind das im wesentlichen die kanonischen Gleichungen, so da man auf diese
Weise wieder auf das ursprungliche Problem zuruckkommt.
111
Fur autonome Systeme, deren Hamilton-Funktion also nicht explizit von der Zeit abhangt:
@H = 0
@t
und daher ein Bewegungsintegral mit dem Wert E ist, nimmt mit dem Ansatz:
S (q1 ; : : : ; qs; t) = W (q1 ; : : : ; qs ) ? E t
die Hamilton-Jacobi-Gleichung die folgende Gestalt an:
H qi; @W
@qi = E :
Diese Gleichung wird verkurzte Hamilton-Jacobi-Gleichung, charakteristische Gleichung
und manchmal, in Anlehnung an die Optik, Eikonalgleichung genannt; die Funktion W
heit entsprechend verkurzte Wirkungsfunktion, charakteristische Funktion oder Eikonal.
Es handelt sich um eine partielle Dierentialgleichung 1. Ordnung mit den s Variablen
q1 ; : : : ; qs.
Bei der Hamilton-Jacobi-Gleichung fur den harmonischen Oszillator:
@S + 1 @S 2 + m!2 q2 = 0
@t 2m @q
2
folgt mit dem obigen Separationsansatz als Eikonalgleichung:
1 dW 2 + m!2 q2 = E :
2m dq
2
Diese Dierentialgleichung fuhrt auf eine Quadratur:
Z
2
q [2m(E ? m!2 q2 )]1=2 + E arcsin qpm!2 =2E :
2 1=2
q
)]
dq
=
W (q) = [2m(E ? m!
2
2
2
!
Damit ist die vollstandige Funktion S (q; E; t), die auch im allgemeinen Fall meist auch als
Wirkungsfunktion bezeichnet wird,
2
E arcsin qpm!2 =2E ? E t :
2 1=2
q
)]
+
S (q; E; t) = 2q [2m(E ? m!
2
!
Sie ist wieder ein vollstandiges Integral der Hamilton-Jacobi-Gleichung, stimmt aber nicht
mit der ursprunglichen Wirkungsfunktion S~(q; q0 ; t) uberein.
Durch Dierenzieren nach der Integrationskonstanten =^ E folgt
@S = 1 arcsin qpm!2 =2E ? t = ? t0 :
@E !
Daraus ergibt sich die gesuchte Koordinate q zu
r
2E
m!2 sin[!(t ? t0 )] :
Fur den Impuls erhalt man aus p = @S=@q nach Einsetzen von q(t):
p
p(t) = 2mE cos[!(t ? t0 )] :
Die neuen Variablen E und t0 sind ebenfalls zeitlich konstant, aber nicht identisch mit q0
und p0 :
p
p
q0 = ? 2E=m!2 sin(!t0 ) ; p0 = 2mE cos(!t0 ) :
q(t) =
112
Die physikalische Bedeutung von W lat sich aus der Denition der Wirkungsfunktion
ableiten:
Zt
Zt h s
i
~S = L dt = X pi q_i ? H dt :
0
0
i=1
Hier ist aber H E ein Bewegungsintegral und daher
Zt
Z
X
X
piq_i dt ? E t =
pi dqi ? E t :
S~ =
s
s
i=1
i=1 0
Durch Vergleich mit der Denition von S~ folgt dann
W (q1 ; : : : ; qs ) =
s Z
X
i=1
pi dqi :
Die Elemente der Summe werden manchmal ebenfalls als Wirkungsintegrale bezeichnet.
Wahlt man statt S (qi ; i ; t) die Eikonalfunktion W (qi; i ) selbst als Erzeugende einer
kanonischen Transformation vom Typ F2 (qi ; Pi ), so sind die neuen Impulse Pi i Bewegungsintegrale, die neuen Koordinaten Qi also zyklisch. Wegen der Zeitunabhangigkeit
von W andert sich der Wert der Hamilton-Funktion nicht:
K = H (Pi ) ;
und die neuen kanonischen Bewegungsgleichungen sind:
@H ; P_ = ? @H = 0 :
Q_ i = + @P
i
@Q
i
i
H ist wegen seiner Zeitunabhangigkeit selbst ein Bewegungsintegral:
H (Pi ) = H (i ) = E (i ) :
Damit ergibt sich fur die Koordinaten Qi (t):
@E ! Q (t) = + @E t ;
Q_ i @
i
i @
i
i
sie sind also lineare Funktionen der Zeit. Dasselbe Ergebnis erhalt man auch aus den
Transformationsformeln fur Erzeugende vom Typ F2 (qi ; Pi ):
@S + @E t ! = @S :
Qi = @W
=
i @
@i @i @i
i
Meistens wird speziell 1 = E gewahlt und 1 durch ? t0 ersetzt, dann ist
@W = ? t + t ; @W = ; i = 2; : : : ; s :
0
@E
@i i
Diese s Gleichungen in qi ; i ; i ; t konnen nach den qi aufgelost werden:
qi = qi(j ; j ; t)
und liefern wieder die Bahn. Die Gleichungen fur i =2; : : : ; s enthalten nur noch die Groen
q1 ; : : : ; qs; 1 ; : : : ; s ; 2 ; : : : ; s . Ihre Auflosung nach den qi ergibt die s ? 1 Koordinaten:
qi = qi (q1 ; 1 ; : : : ; s; 2 ; : : : ; s) :
113
In diesen Gleichungen tritt die Zeit t nicht mehr auf, sie liefern also die geometrische
Bahnform. Die Variable q1 spielt dabei die Rolle des Bahnparameters. Durch Einsetzen in
die Gleichung fur i =1 entsteht dann:
@W = f (q ; ; : : : ; ; ; : : : ; ) = t ? t :
1 1
s 2
s
0
@E
Durch Auflosen nach q1 erhalt man damit:
q1 = q1 (1 ; : : : ; s ; t0 ; 2 ; : : : ; s ; t)
und durch Einsetzen in die Gleichungen fur i =2; : : : ; s die u brigen qi (t).
Die Eikonalgleichung fur den eindimensionalen harmonischen Oszillator hat, wie oben gezeigt
wurde, das vollstandige Integral
2
E arcsin(qpm!2 =2E ) :
2 1=2
q
)]
+
W (q; E ) = 2q [2m(E ? m!
2
!
Benutzt man es als erzeugende Funktion vom Typ F2 , so sind die Transformationsformeln:
m!2 q2 )]1=2 ; Q = @W = 1 arcsin(qpm!2 =2E ) :
p = @W
=
[2
m
(
E
?
@q
2
@E !
Die kanonische Transformation lautet dann:
2
p
2
Q = !1 arcsin(m!q= p2 + m2 !2 q2 ) ; P = 21m p2 + m!
2 q E :
Sie kann auch durch eine Funktion vom Typ F1 (Legendre-Transformation) erzeugt werden:
F1 (q; Q) = W (q; P ) ? PQ = W (q; E ) ? EQ :
Durch Einsetzen ergibt sich nach einigen Umrechnungen:
2
F1 (q; Q) = m!
2 q cot(!Q) :
Dieses Ergebnis war schon fruher benutzt worden. Die Bahngleichung folgt jetzt aus:
@W = ? t0 + t = 1 arcsin(qpm!2=2E )
@E
!
durch Auflosen nach q:
r
2E sin[!(t ? t )]
q(t) = m!
0
2
in U bereinstimmung mit dem fruheren Ergebnis.
Wenn die Hamilton-Funktion des Systems explizit von der Zeit abhangt, ist sie kein Bewegungsintegral mehr, und die Separation von t und qi ist nicht mehr moglich. Auch fur
relativ einfache Systeme wird die Integration der Hamilton-Jacobi-Gleichung dann in der
Regel schwierig.
Wenn sich ein Massenpunkt unter dem Einu einer zeitabhangigen aueren Kraft bewegt,
lat sich seine Bewegungsgleichung sofort integrieren; zum Beispiel erhalt man fur
m x = A sin(!t)
mit den Anfangsbedingungen x(0) = x0 ; p(0) = p0 als Bahngleichung
? A t ? A sin(!t) :
x(t) = x0 + m1 p0 + m!
m!2
Die Kraft folgt hier aus dem zeitabhangigen Potential
V (x; t) = ? A x sin(!t) ;
114
fur die Hamilton-Funktion ergibt sich damit
H = 21m p2 ? A x sin(!t)
und fur die Hamilton-Jacobi-Gleichung
@S + 1 @S 2 ? A x sin(!t) = 0 :
@t 2m @x
Sie lat sich nicht in der ublichen Weise separieren, aus der bekannten Bahn x(t) kann man
aber in der gleichen Weise wie beim Beispiel des harmonischen Oszillators die Wirkungsfunktion S~ berechnen:
A2 [2!t + sin(2!t)] ? A x cos(!t) + Ax0 + m [ x ? x0 + A sin(!t)]2
S~(x; x0 ; t) = ? 8m!
3
!
! 2t
m!2
und verizieren, da sie ein vollstandiges Integral der Hamilton-Jacobi-Gleichung ist. Andererseits ergibt sich aus der Bewegungsgleichung direkt ein Bewegungsintegral:
(x; p; t) = p + A! cos(!t) :
Durch Auflosen nach p folgt daraus
A
p = ? A! cos(!t) = @S
@x ! S = x ? ! x cos(!t) + f (t)
und durch Einsetzen von S in die Hamilton-Jacobi-Gleichung
df + 1 [ ? A cos(!t)]2 = 0 :
dt 2m
!
Diese Gleichung lat sich direkt integrieren:
2 A2 A
A2
f (t) = ? 2m + 4m!
2 t + m! 2 sin(!t) ? 4m! 2 sin(!t) cos(!t) ;
und fur S erhalt man damit schlielich:
A2 [2!t + sin(2!t)] ? A x cos(!t) + [ x + A sin(!t)] ? 2 t :
S (x; ; t) = ? 8m!
3
!
m!2
2m
Die Bahngleichung x(t) ergibt sich einerseits aus S~:
@ S~
A m
A
@x0 = ? p0 = ! ? t [ x ? x0 + m!2 sin(!t)] ;
in U bereinstimmung mit der Ausgangsformel, andererseits aus S :
@S = = x + A sin(!t) ? t :
@
m!2
m
Durch Vergleich erhalt man = p0 + A=! ; = x0 .
2. Separation der Hamilton-Jacobi-Gleichung
Fur autonome Systeme mit einem Freiheitsgrad (s = 1) lat sich nach der Abseparation
der Zeit die verkurzte Hamilton-Jacobi-Gleichung durch eine Quadratur losen:
1 @W 2 + V (q) = E ! W (q; E ) = Z q2m [E ? V (q)] dq :
2m @q
Fur Systeme mit mehreren Freiheitsgraden (s 2) versucht man, weitere Separationen zu
erreichen. Wenn es gelingt, in einem geeigneten Koordinatensystem die Hamilton-Funktion
in die folgende Form zu bringen:
H = H (q1 ; : : : ; qs?1 ; p1 ; : : : ; ps?1 ; f (qs; ps ); t) ;
115
fuhrt der Separationsansatz
S = S(q1 ; : : : ; qs?1; t) + Ws (qs)
dazu, da die Hamilton-Jacobi-Gleichung die Gestalt annimmt:
@ S + H q ; : : : ; q ; @ S ; : : : ; @ S ; f q ; @Ws ; t = 0 :
1
s?1 @q
s @q
@t
@q
1
Wenn man diese Gleichung nach f auflost:
s?1
s
s = F q ; : : : ; q ; @ S ; : : : ; @ S ; t; @ S ;
f qs ; @W
1
s?1 @q
@qs
@qs?1 @t
1
hangt die linke Seite nur von der Variablen qs, die rechte nur von q1 ; : : : ; qs?1 ; t ab. Das
ist nur moglich, wenn beide Seiten derselben Konstanten s (Separationskonstante) gleich
sind:
s :
f qs; @W
s
@qs
Diese Gleichung kann man nach dWs =dqs auflosen und erhalt eine gewohnliche Dieren-
tialgleichung, die sich durch eine Quadratur integrieren lat:
@Ws = g(q ; ) ! W (q ; ) = Z g(q ; ) dq :
s s
s s s
s s s
@qs
Das Einsetzen der Losung Ws(qs ; s ) in die Hamilton-Jacobi-Gleichung fuhrt dann zu:
@ S + H q ; : : : ; q ; @ S ; : : : ; @ S ; ; t = 0 :
1
s?1 @q
@t
@qs?1 s
1
Die Fortsetzung des Verfahrens fur weitere Freiheitsgrade ergibt fur autonome Systeme
bei vollstandiger Separierbarkeit:
S (qi ; i ; t) =
s
X
i=1
Wi (qi ; 1 ; : : : ; s ) ? E (1 ; : : : ; s) t :
Haug wird als 1 die Groe E selbst gewahlt.
Die Durchfuhrbarkeit der Separation hangt sowohl vom betrachteten System, das integrabel sein mu, als auch vom verwendeten Koordinatensystem ab. Die Separationskonstanten
haben eine unmittelbare physikalische Bedeutung. Die linke Seite der Separationsgleichung
besagt namlich:
f (qs; ps ) s :
Die Funktion f (qs; ps ) hat also fur eine gegebene Bahn den zeitlich unveranderlichen Wert s , sie ist ein Bewegungsintegral. Das gilt naturlich auch fur die Funktion
F (q1 ; : : : ; qs?1 ; p1 ; : : : ; ps?1 ; ?H (q; p; t); t) auf der rechten Seite. Diese lat sich jedoch
durch die Bewegungsintegrale f und H ausdrucken, ist also nicht unabhangig von ihnen.
Bei jeder Separation ergibt sich mit dem entsprechenden i ein weiteres Bewegungsintegral, das mit allen anderen in Involution steht. Bei vollstandiger Separierbarkeit entsteht
so ein Satz von s Bewegungsintegralen in Involution, von denen eines in der Regel die
Energie E ist.
Ein wichtiger Sonderfall liegt vor, wenn die Koordinate qs zyklisch ist. Dann gilt:
f (qs; ps) = ps s ! Ws(qs ) = s qs :
116
Das zugehorige Bewegungsintegral ist dann der zu qs konjugierte Impuls ps, und die Wirkungsfunktion S hat die Gestalt:
S (qi ; i ; t) = S(q1 ; : : : ; qs?1 ; t) + s qs :
Nach seiner Denition stellt W allgemein die Erzeugende einer kanonische Transformation
auf zyklische Koordinaten dar. Hier ist qs aber schon zyklisch, bezuglich qs erzeugen W
und S ersichtlich die Identitat.
Fur einen Massenpunkt (s = 3), der sich in einem Potentialfeld V (r) bewegt, hangt die Separabilitat der Hamilton-Jacobi-Gleichung wesentlich vom gewahlten Koordinatensystem
ab.
a) V (r) = V (z )
In kartesischen Koordinaten x; y; z ist die Hamilton-Funktion nach Umordnung:
H = 21m p2x + 21m p2y + [ 21m p2z + V (z)]
und damit schon in drei Anteile vom Typ f (q; dW=dq) zerlegt. Bewegungsintegrale sind
oensichtlich wegen der Zeitunabhangigkeit H selbst (Gesamtenergie E ), die Impulse px
und py (x und y zyklisch) und die Energie der z -Bewegung:
Hz = 21m p2z + V (z) = E ? 21m (p2x + p2y ) = Ez :
Von ihnen sind nur drei, zum Beispiel px ; py ; E unabhangig, das vierte, hier Ez kann durch
diese ausgedruckt werden. In Zylinderkoordinaten gilt fur die Hamilton-Funktion:
H = 21m (p2 + 12 p2' ) + [ 21m p2z + V (z)] :
Neben der Energie H E ist hier p' Lz eine Erhaltungsgroe (' zyklisch) und ebenso
wieder die Teilenergie Hz Ez , doch ist p' im Gegensatz zu Ez eine weitere unabhangige
Erhaltungsgroe. Der Separationsansatz
W = W (; ') + Wz (z) = W () + Lz ' + Wz (z)
ergibt fur die -Bewegung die gewohnliche Dierentialgleichung
1 h @W 2 + L2z i = E ? E ;
z
2m @
2
die durch eine Quadratur gelost wird. Trotz seines etwas komplizierten Aussehens beschreibt das Eikonal
W (; ') =
Zn
2m(E ? Ez ) ? L2z
o
2 1=2
d + Lz '
nur die geradlinige Bewegung des Massenpunktes in der xy-Ebene. In Kugelkoordinaten
ist die Hamilton-Jacobi-Gleichung nicht separabel.
b) V (r) = V (r)
Fur die Bewegung in einem Zentralfeld ist die Eikonalgleichung im allgemeinen Fall nur in
Kugelkoordinaten separabel. Ausnahmen bilden das Kepler-Problem, das sich zusatzlich in
parabolischen und elliptischen Koordinaten, und der harmonische Oszillator, der sich auch
117
in kartesischen und Zylinderkoordinaten separieren lat. Erhaltungsgroen sind wegen der
Symmetrie der Hamilton-Funktion
1 p2 ) + V (r)
H = 21m (p2r + r12 p2# + r2 sin
2# '
die Gesamtenergie und die z -Komponente des Drehimpulses. Da hier aber der gesamte
Drehimpuls L erhalten bleibt, ndet die Bewegung in einer zu ihm senkrechten Ebene
statt, die man als xy-Ebene (# =2) wahlen kann. Das Problem reduziert sich damit
auf ein zweidimensionales. Die Hamilton-Jacobi-Gleichung lautet dann:
1 h @W 2 + 1 @W 2 i + V (r) = E
2m @r
r2 @'
und fuhrt mit dem Separationsansatz
W = Wr (r) + L '
auf eine Quadratur:
W (r; ') =
Zn
2m [E ? V (r)] ? Lr2
o
2 1=2
dr + L '
mit den Separationskonstanten E und L. Die Bahn folgt dann aus
r
@W = t ? t = Z n 2 [E ? V (r)] ? L2 o?1=2 dr
0
@E
m
m2 r2
r0
r
@W = ' = ' ? Z n 2mr4 [E ? V (r)] ? r2 o?1=2 dr :
0
@L
L2
r0
Aus der ersten Gleichung ergibt sich die Zeitabhangigkeit r(t), aus der zweiten die Bahnkurve r(') in U bereinstimmung mit den Ergebnissen in Kapitel B.
Falls die potentielle Energie von mehr als einer Koordinate abhangt, gibt es kein allgemeines Verfahren, und es mu der Einzelfall betrachtet werden.
Fur die Bewegung eine geladenen Massenpunktes im Feld eines elektrischen Dipols ist die
Hamilton-Funktion
1 p2 ) + a cos #
H = 21m (p2r + r12 p2# + r2 sin
2# '
r2
zyklisch in der Variablen ', die z-Komponente des Drehimpulses bleibt also erhalten. Mit
dem Separationsansatz
W = Wr (r) + W# (#) + Lz '
erhalt man durch Einsetzen in die Hamilton-Jacobi-Gleichung und Erweitern mit 2mr2 :
r 2
L2z ? @W# 2 :
2
r2 @W
?
2
mE
r
=
2
ma
cos
#
?
@r
@#
sin2 #
Die linke Seite hangt nur von r, die rechte nur von # ab, beide mussen also derselben Konstanten gleich sein. Die Groe
B = p2# + sin12 # p2' ? 2ma cos #
ist daher ein Bewegungsintegral mit dem Wert ? , wie man auch mit dem Poisson-KlammerKriterium bestatigt. Die Eikonalfunktion ist dann
Zq
Zr
2
2mE ? r2 dr +
+ 2ma cos # ? sinL2z# d# + Lz ' :
W=
Durch Dierenzieren nach E; und Lz erhalt man drei Gleichungen, von denen die beiden
letzteren allerdings auf elliptische Integrale fuhren.
118
Neben den kartesischen, Zylinder- und Kugelkoordinaten gehoren zu den Koordinatensystemen mit Koordinatenachen 1. oder 2. Grades auch noch die parabolischen und
die elliptischen Koordinaten. Beide enthalten wie die Zylinder- und Kugelkoordinaten als
Flachen 1. Ordnung die Halbebenen ' const:, die parabolischen Koordinaten zusatzlich
zwei Scharen von konfokalen Rotationsellipsoiden um die z -Achse mit dem Ursprung als
Brennpunkt, die elliptischen Koordinaten je eine konfokale Schar von Rotationsellipsoiden und Rotationshyperboloiden um die z -Achse mit zwei zum Ursprung symmetrischen
Brennpunkten. Das ausgewahlte Koordinatensystem sollte der Symmetrie des betrachteten dynamischen Systems angepat sein.
Die U berlagerung des Gravitationsfeldes einer Punktmasse und eines homogenen Feldes ergibt
die potentielle Energie
V (r; z) = ? r + mg z :
Diese Problem ist weder in kartesischen noch in Zylinder- oder Kugelkoordinaten separabel,
dagegen in parabolischen Koordinaten ; ; ', die deniert sind durch
p
p
= r + z = 2 + z2 + z ; = r ? z = 2 + z2 ? z ; ' = '
mit der Kehrtransformation auf Zylinderkoordinaten:
p
= ; ' = ' ; z = 21 ( ? ) :
Aus der durch Umrechnung aus Zylinderkoordinaten erhaltenen Lagrange-Funktion
L = m8 ( + ) 1 _2 + 1 _ 2 + m2 '_ 2 ? V
ergeben sich die generalisierten Impulse
p = 4m ( + ) _ ; p = 4m ( + ) _ ; p' = m '_
und damit die Hamilton-Funktion
1 p2 + 1 h mg (2 ? 2 ) ? 2i :
H = m(2+ ) ( p2 + p2 ) + 2m
' + 2
Die verkurzte Hamilton-Jacobi-Gleichung
2 h @W 2 + @W 2 i + 1 @W 2 + 1 h mg (2 ? 2 ) ? 2i = E
m( + ) @
@
2m @'
+ 2
lat sich mit dem Ansatz
W = W () + W () + Lz '
separieren, denn nach Erweitern mit ( + ) und Umordnen ergibt sich mit der ublichen
Schluweise:
2 L2z m2g 2
2 @W
? m ? m E =
+ +
h@ @W 22 L2z2 m2g 2
i
? 2 @ + 2 ? 2 ? m ? m E :
Im ersten Term tritt oensichtlich ein Bewegungsintegral der Form
2
A~z = m + m H ? 2 p2 ? 21 p2' ? m2 g 2
auf. Es lat sich nach dem Einsetzen fur H schreiben als
? m2 g A~z = 2? p2' ? 2+ (p2 ? p2 ) ? m ?
+
2
und hat den Wert ? . Die Umrechnung auf kartesische Koordinaten ergibt
2
A~z = (p2x + p2y )z ? (xpx + ypy )pz ? m z (x2 + y2 + z2 )?1=2 ? m2 g (x2 + y2 )
2
= Az ? m2 g (x2 + y2 ) = m2 A ? m z (x2 + y2 + z2 )?1=2 :
119
Dabei ist Az die z-Komponente des Laplace-Runge-Lenz-Vektors fur das Kepler-Problem,
A die Erhaltungsgroe fur einen Massenpunkt im homogenen Schwerefeld nach Kapitel C.
Durch Ableitung nach E; Lz und erhalt man drei Gleichungen, die wieder auf elliptische
Integrale fuhren. Die Bewegung erfolgt fur gebundene Zustande (E < 0) in komplizierten,
nichtgeschlossenen Bahnkurven, die ein ringformiges Volumen zwischen je zwei Paraboloiden
a b und a b ausfullen.
In allen bisher betrachteten Fallen war es moglich, wenn auch manchmal erst im nachhinein, s Bewegungsintegrale in Involution anzugeben, wodurch die Integrabilitat des Systems
gesichert war. Das ist fur nicht-integrable Systeme nicht mehr der Fall, hier lat sich die
Hamilton-Jacobi-Gleichung in keinem Koordinatensystem vollstandig separieren.
Wenn ein Massenpunkt gleichzeitig von zwei Kraftzentren an den Orten (x1 ; 0) und (x2 ; 0)
entsprechend dem Newtonschen Gravitationsgesetz angezogen wird, gilt fur seine Bewegung
in der gemeinsamen Ebene (s =2) die Hamiltonfunktion
H = 21m (p2x + p2y ) ? a1 [(x ? x1 )2 + y2 ]?1=2 ? a2 [(x ? x2 )2 + y2 ]?1=2 :
Die zugehorige Hamilton-Jacobi-Gleichung lat sich in elliptischen Koordinaten separieren,
dabei tritt eine neue Erhaltungsgroe auf. Zusammen mit der Energie E bildet sie einen Satz
s Bewegungsintegralen in Involution, das Problem ist also integrabel.
Beim eingeschrankten Dreikorperproblem bewegt sich ein Massenpunkt in einem Kraftfeld,
das von zwei groen Massen erzeugt wird, die in einer Ebene starr mit der Winkelgeschwindigkeit ! um ihren Massenmittelpunkt rotieren. Wenn sie sich im mitbewegten Koordinatensystem an den Orten (x1 ; 0) und (x2 ; 0) benden, ist die Hamilton-Funktion (s =2):
2
2
2
2
2 ?1=2
2
2 ?1=2
:
H = 21m (p2x + p2y ) ? m!
2 (x + y ) ? a1 [(x ? x1 ) + y ] ? a2 [(x ? x2 ) + y ]
Sie unterscheidet sich von der obigen nur um das Zusatzpotential
2
2
2
Vc = ? m!
2 (x + y )
(Zentrifugalpotential). Da sie nicht explizit von der Zeit abhangt, ist sie selbst eine Erhaltungsgroe (Jacobi-Integral). Weitere Bewegungsintegrale existieren in diesem Fall jedoch
nicht, das Problem ist nicht-integrabel.
3. Winkel- und Wirkungsvariable
Fur gebundene Zustande verlauft die Bewegung des reprasentativen Punktes im Phasenraum vollstandig in einem endlichen Bereich. Das System wird im folgenden als autonom
vorausgesetzt (@H=@t = 0). Dann ist H eine Erhaltungsgroe mit dem Wert E , und es
gilt
S = W (q1 ; : : : ; qs ; 1 ; : : : ; s ) ? E (1 ; : : : ; s ) t :
Bei einem eindimensionalen System (s = 1) hat das zur Folge, da die Phasenbahn
H (q; p) E
eine wohldenierte Kurve darstellt. Dabei sind zwei Falle moglich:
a) Die Bewegung erfolgt in einem Intervall qa q qb , die Bahnkurve ist geschlossen.
q und p sind periodische Funktionen der Zeit:
q(t + T ) = q(t) ; p(t + T ) = p(t) :
Es handelt sich um eine Libration (Oszillation).
120
b) p ist eine periodische Funktion von q, wahrend q mit der Zeit unbegrenzt anwachst:
p(q + 2) = p(q) :
Es handelt sich um eine Rotation.
Beide Bewegungstypen werden als periodisch bezeichnet. Sie konnen beim gleichen System
fur verschiedene Werte von E auftreten.
Fur das ebene Pendel ist die Hamiltonfunktion
p2 ? mgl cos q E :
H = 2ml
2
Fur E < mgl ergibt sich eine Libration, fur E > mgl eine Rotation (Fig. D1). Identiziert
man q =+ mit q = ? , so erhalt der Phasenraum die topologische Struktur einer Zylinderache. Im Sonderfall E = mgl strebt das System in eine der Grenzlagen q = , ohne sie in
endlicher Zeit zu erreichen.
Bei Systemen mit mehreren Freiheitsgraden (s > 1) kann man die Phasenbahn auf die
verschiedenen Blatter qi ; pi projizieren. Wegen
pi = @W
@q = pi (q1 ; : : : ; qs; 1 ; : : : ; s )
i
hangt pi nicht nur von qi , sondern auch von den ubrigen qj 6=i ab, und es ergibt sich im
allgemeinen Fall keine wohldenierte Kurve. Falls die Hamilton-Jacobi-Gleichung aber im
System der qi vollstandig separabel ist, lat sich die Wirkungsfunktion S darstellen als
S (qi ; i ; t) =
s
X
i=1
Wi (qi ; 1 ; : : : ; s ) ? E (1 ; : : : ; s) t :
Die zu den qi konjugierten Impulse ergeben sich aus
@S = @Wi = p (q ; ; : : : ; )
pi = @q
i i 1
s
@qi
i
und liefern die Projektion der Phasenbahn auf das Blatt qi ; pi . Man erhalt jetzt auf jedem
Blatt wieder Bahnkurven vom Librations- oder Rotationstyp. Die Bewegung wird dann als
bedingt-periodisch bezeichnet. Sie ist im allgemeinen nicht periodisch im ublichen Sinn,
die Kongurationsbahn ist also keine geschlossene Kurve.
Fur den zweidimensionalen anisotropen harmonischen Oszillator ist die Hamilton-Funktion
2
2
2
2
x x2 + m!y y 2 = ? 1 p2 + m!x x2 + ? 1 p2 + m!y y 2 :
H = 21m (p2x + p2y ) + m!
x
y
2
2
2m
2
2m
2
Sie beschreibt zwei unabhangige Teilsysteme mit den Erhaltungsgroen Ex und Ey . Auf den
beiden Blattern (x; px ) und (y; py ) sind die Phasenbahnen Ellipsen, die mit den Perioden
2=!x und 2=!y durchlaufen werden. Die Bahn im Kongurationsraum (x; y) ist dagegen
eine Lissajous-Figur, die sich nur schliet, wenn das Verhaltnis von !x und !y rational ist.
Umgekehrt lassen sich die Wi aus den pi berechnen:
Z
Wi (qi ; 1 ; : : : ; s ) = pi(qi; 1 ; : : : ; s) dqi :
121
Die Teilbewegungen, ob Librationen oder Rotationen, sind periodisch in qi . Bei Rotationen
kann man die qi so normieren, da sie bei jedem Umlauf um 2 zunehmen. Die Wirkungsoder Phasenintegrale Ji werden dann in jedem Fall deniert durch
I
1 ; : : : ; s ) dq :
Ji (1 ; : : : ; s) = 21 @Wi (qi ; @q
i
i
Da die Variablenpaare qi ; pi voneinander unabhangig sind, gilt das auch fur die Ji . Sie
stellen also s unabhangige Funktionen der Bewegungsintegrale i dar und sind damit
selber Bewegungsintegrale. Umgekehrt lassen sich auch die i durch die Ji ausdrucken:
i = i(J1 ; : : : ; Js) ;
und durch Einsetzen ergibt sich
Wi = Wi (qi ; J1 ; : : : ; Js ) :
Das Bewegungsintegral H lat sich entsprechend schreiben als
H = E (J1 ; : : : ; Js ) :
Fur den Sonderfall einer zyklischen Winkelvariablen qk ist pk konstant. Es handelt sich um
den Grenzfall einer Rotation mit beliebiger Periode. In diesem Fall wird die \naturliche"
Periode 2 verwendet, und es folgt
Jk = pk (= k ) :
Die verkurzte Wirkungsfunktion W (q; J ) kann als Erzeugende einer kanonischen Transformation vom Typ F2 (q; P ) benutzt werden. Dann sind die neuen Impulse Ji konstant
und die neuen Koordinaten
wi = @W
@J
i
zyklisch. Sie werden als Wirkungs- und Winkelvariable (\action and angle variables")
bezeichnet. Die kanonischen Bewegungsgleichungen
@H
_
w_ i = + @H
@J = !i(J1 ; : : : ; Js ) ; Ji = ? @w 0
i
lassen sich direkt integrieren:
i
wi = !i t + i :
Die s Grundfrequenzen !i des Systems bei bedingt-periodischen Bewegungen ergeben sich
dann unmittelbar aus
; : : : ; Js ) :
!i = @E (J1@J
i
Sie lassen sich daher auch ohne Kenntnis der Bahn ermitteln.
Fur den eindimensionalen harmonischen Oszillator ist die Hamilton-Funktion
H = 21m p2 + k2 q2
ein Bewegungsintegral mit dem Wert E , daraus ergibt sich
r
p = 2m(E ? k2 q2 )
122
und damit als Wirkungsintegral
Ir
p
2E ? q2 dq :
J = 21 mk
k
Das Integral ist ersichtlich gleich der Flache eines Kreises mit dem Radius r2 = 2E=k:
r
q
J = mk E ! E (J ) = mk J :
Daraus folgt sofort als Periode der Librationsbewegung
r
k
! = @E
=
@J
m;
also unabhangig von der Energie E oder der Amplitude. Durch Ersetzung von E durch J
und k durch ! ergibt sich
W (q; J ) =
Zq p
0
q p
2m!J ? m!2q2 dq = 2q 2m!J ? m!2 q2 + J arcsin q m!
2J
und daraus wegen der obigen Beziehungen fur die Winkelvariable w:
q m! w = !t + = @W
=
arcsin
q 2J
@J
durch Auflosen nach q die Bahn:
r
2J sin(!t + ) :
q(t) = m!
Fur die Berechnung der Bahn qi (t) bietet die Methode der Winkel- und Wirkungsvariablen
keinen wesentlichen Vorteil, da auch hier die Wi als unbestimmte Integrale ausgewertet
werden mussen. Interessiert man sich jedoch nur fur die Perioden !i der Bewegung, so
genugt die Berechnung von bestimmten Integralen uber einen vollstandigen Umlauf, die
haug wesentlich leichter durchzufuhren ist.
Beim ebenen Pendel mit der Hamilton-Funktion
1 p2 ? mg l cos q E
H = 2ml
2
wird das Wirkungsintegral
Ip
2ml2 (E + mg l cos q) dq :
J = 21
Es handelt sich um ein vollstandiges elliptisches Integral 2. Gattung. Mit der Ersetzung
E = ?mg l cos qm
der Energie E durch die maximale Auslenkung qm ergibt sich
p ?
?
J (qm ) = 8 m l3 g E sin2 q2m ? cos2 q2m K sin2 q2m
als Linearkombination von vollstandigen elliptischen Integralen zweiter und erster Gattung
E und K in der Normalform. Fuhrt man wieder die Energie E ein, so ist
p ? l + E mg l ? E ? mg l + E J (E ) = 8 m l3 g [ E mg2mg
l ? 2mg l K 2mg l ]
Diese Gleichung lat sich nicht ohne weiteres nach E auflosen, aber die gewunschte Groe
! = dE=dJ kann man auch aus der Kehrfunktion J (E ) erhalten, denn
dJ ;
T = 2! = 2 dE
wobei man am einfachsten in der ursprunglichen Darstellung von J unter dem Integral dierenziert:
r Zqm
r
dJ = 2 ml2 pE + mg l cos q dq = 2 l K? sin2 qm dE 2
g
2
0
und damit wieder das fruhere Ergebnis erhalt.
123
Bei eindimensionalen Systemen (s = 1) stimmt ! mit der Frequenz der periodischen Bewegung q(t) u berein, fur Systeme mit s > 1 Freiheitsgraden gilt das im allgemeinen nicht
mehr.
Fur das Zweikorperproblem mit der potentiellen Energie
V (r) = ? r + r2
durchlauft die Koordinate r einen Zyklus in der Zeit
Tr = 2
Zrb n 2 h
ra
r
? (L2 ? 2m) io?1=2 dr = m :
E
+
m
r
2mr2
2jE j3
Die Zeit, in der die Koordinate ' um 2 zunimmt, schwankt dagegen zwischen den Extremen
T+ und T? mit
h cos() e i
r
2jE j e sin() o :
T = Tr arccos 1 e cos() L
m 1 e cos()
Dabei stehen die Abkurzungen und e fur
r
r
2
2
2
m
= 1 + L2 ; e = 1 + 2mEL
:
2
Der Mittelwert uber viele Zyklen ist
T' = Tr ! !' = !r = :
n1
Betrachtet man die A nderung der Winkelvariablen wi bei einem vollstandigen Umlauf der
Variablen qj , wahrend die ubrigen festgehalten werden, so gilt:
wi =
I @wi
I @2W
I @2W
dq
=
dq
=
@qj j
@qj @Ji j
@Ji @qj dqj
@ I
@Jj
= @J pj dqj = 2 @J = 2 ij :
i
i
Sie andert sich also bei einem Zyklus des zugehorigen qi um 2, bei Umlaufen der ubrigen
qj bleibt sie konstant. Sie ist daher eine mehrdeutige Funktion der qj , umgekehrt lassen
sich bei der Bewegung auf einer Bahn alle dynamischen Groen f (q; p) in eine Fourierreihe
nach den wi entwickeln:
f (q(t); p(t)) =
X
+1
n1 =?1
:::
X
+1
ns =?1
an1 :::ns e{(n1 w1 +:::+ns ws) :
Im allgemeinen Fall gibt es keine Periode T , nach der eine solche Funktion wieder den
gleichen Wert annimmt. Man bezeichnet die Bewegung deshalb als bedingt-periodisch.
Das gilt auch fur den Sonderfall, da f (q; p) = qi eine der Koordinaten selbst ist. !i ist
im allgemeinen nicht identisch mit der Frequenz der Bewegung von qi , da bei dieser, im
Gegensatz zur Denition von wi , die ubrigen qj nicht festbleiben.
Im vorigen Beispiel ist r(t) periodisch, '(t) aber, im Gegensatz zur Winkelvariablen w(t),
nicht.
Zu einer Periodizitat im eigentlichen Sinn kommt es aber, wenn einige der Grundfrequenzen
!i kommensurabel sind, wenn es also ganze Zahlen n1 ; : : : ; ns gibt, so da
n1 ! 1 + : : : + n s ! s = 0
124
gilt. Wenn m solche Beziehungen existieren:
s
X
i=1
nki !i = 0 ; k = 1; : : : ; m ;
spricht man von einer m-fachen, fur m = s ? 1 von einer vollstandigen Entartung des
Systems. Im letzteren Fall sind alle !i Vielfache einer Grundfrequenz !0 , und die Gesamtbewegung ist periodisch.
Die Bewegung eines anisotropen harmonischen Oszillators mit der Hamilton-Funktion
2
x2 x2 + 1 p2 + m!y y 2 + 1 p2 + m!z2 z 2 ;
H = 21m p2x + m!
y
2
2m
2
2m z
2
dessen Grundfrequenzen !x ; !y ; !z in keinem rationalen Verhaltnis stehen, ist bedingtperiodisch. Die Kongurationsbahn, die in diesem Fall mit der geometrischen Bahn identiziert werden kann, schliet sich nicht, sondern kommt nach hinreichend langer Zeit jedem
Punkt eines dreidimensionalen Quaders beliebig nahe. Fur einen isotropen Oszillator mit
!x = !y = !z ist dagegen die Entartung vollstandig und die geschlossene Bahnkurve eine
Ellipse.
Wenn ein System m-fach entartet ist, also n ? m unabhangige Grundfrequenzen besitzt,
kann man durch eine Punkttransformation auf ein neues System von Winkel- und Wirkungsvariablen wi ; Ji u bergehen, fur das m Grundfrequenzen verschwinden. Die entsprechende erzeugende Funktion vom Typ F2 hat die Gestalt:
m X
s
2
X
X
F2 (wi ; Ji ) =
nkiwi Jk +
wk Jk :
k=1 i=1
k=m+1
Damit ergeben sich aus den Transformationsformeln die neuen Koordinaten:
(
Ps n w ; k = 1; : : : ; m
@F
2
i
wk = @ J = w i=1; kik =
m + 1; : : : ; s
k
i
und die neuen Grundfrequenzen:
( Ps
! k = ! i=1; nkik!=i =m0+; 1k; :=: : 1; ;s: : : ; m
k
Die neuen Wirkungsvariablen folgen aus:
m
s
X
X
@F
2
Ji = @w = nkiJk +
ki Jk
i k=1
k=m+1
durch Auflosen nach den Jk . Wegen des Verschwindens von ! 1 ; : : : ; ! m gelten die kanonischen Gleichungen:
! k = @H = 0 ; k = 1; : : : ; m :
@ Jk
Die Hamilton-Funktion hangt also nur noch von den s ? m verbleibenden Wirkungsvariablen ab:
H = H (Jm+1 ; : : : ; Js ) ;
im Falle der vollstandigen Entartung nur noch von Js .
125
Entartung und Separierbarkeit
Wenn fur ein autonomes System die verkurzte Hamilton-Jacobi-Gleichung im Koordinatensystem der qi vollstandig separabel ist, treten bei der Separation s in Involution
stehende Bewegungsintegrale (Erhaltungsgroen)
i(q1 ; : : : ; qs; p1 ; : : : ; ps) ; i = 1; : : : ; s
auf. Falls die Energie E nicht schon selbst eines der i ist, lat sie sich durch diese ausdrucken:
E = E (1 ; : : : ; s ) :
Durch eine bestimmte Wirkungsfunktion S beziehungsweise W wird eine s-parametrige
Schar von Bahnen festgelegt. Die Ableitungen
@S
@i = i
stellen dann weitere s Bewegungsintegrale dar, die zusammen mit den i eine bestimmte
Bahn charakterisieren. Von ihnen konnen hochstens s ? 1 Erhaltungsgroen sein. Wahlt
man als i speziell die Wirkungsvariablen Ji , so gilt:
E = E (J1 ; : : : ; Js) ;
und die Wirkungsfunktion hat die Gestalt:
S = W (q1 ; : : : ; qs ; J1 ; : : : ; Js ) ? E (J1 ; : : : ; Js) t :
Den Bewegungsintegralen i entspricht dann ein Satz von Phasenkonstanten i :
@S = ;
@Ji i
und fur die Winkelvariablen wi erhalt man:
@E t + @S = ! t + :
wi = @W
=
i
@Ji @Ji @Ji i
Da der Anfangszeitpunkt t0 bei autonomen Systemen willkurlich gewahlt werden kann,
sind nur Phasendierenzen von Bedeutung. Von ihnen sind s ? 1 unabhangig, durch Elimination der Zeit erhalt man statt der i :
i = !k wj ? !j wk = !k j ? !j k :
Insgesamt ergeben sich damit 2s ? 1 Erhaltungsgroen. Die s ? 1 neuen Erhaltungsgroen
werden damit durch die wi ausgedruckt, aber wie diese sind sie mehrdeutige Funktionen
der qi ; Ji beziehungsweise der qi ; pi , denn Winkelvariable sind nur bis auf Vielfache von
2 bestimmt. Falls !j und !k nicht kommensurabel sind, kann man der Groe i durch
geeignete Wahl dieser Vielfachen Werte zuweisen, die jedem vorgegebenen Wert beliebig
nahekommen. Ist dagegen das Verhaltnis von !j und !k rational, lassen beide sich also als
ganzzahlige Vielfache einer Frequenz !0 darstellen:
!j = nj !0 ; !k = nk !0 ;
so stellt wegen der Periodizitat des Sinus die Groe
sin[(wj !k ? wk !j )=!0 ] = sin(nk wj ? nj wk )
126
ein zusatzliches eindeutiges Bewegungsintegral dar.
Wenn sich andererseits die Hamilton-Jacobi-Gleichung eines dynamischen Systems auer
in den qi auch in den davon in nicht-trivialer Weise verschiedenen qi separieren lat,
treten bei der Separation in diesem weiteren Koordinatensystem zusatzliche eindeutige
Bewegungsintegrale auf. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen der Entartung, der
Existenz zusatzlicher eindeutiger Bewegungsintegrale und der mehrfachen Separabilitat.
Bei ihrer Librations- oder Rotationsbewegung nimmt jede Koordinate qi im Verlauf der
Zeit alle Werte zwischen zwei Extremwerten qia ; qib beliebig oft an. Fur ein nichtentartetes System kommt deshalb im Kongurationsraum das Mobile jedem Punkt des sdimensionalen Intervalls
qia qi qib ; i = 1; : : : ; s
beliebig nahe und fullt es daher aus. Das Koordinatensystem, in dem eine Separation
moglich ist, ist daher bis auf triviale Unterschiede wie Mastabsanderungen eindeutig
bestimmt. Fur ein m-fach entartetes System fullt dagegen das Mobile nur ein (s ? m)dimensionales Volumen aus, und die Separation ist in mehreren wesentlich verschiedenen
Koordinatensystemen moglich.
Der anisotrope harmonische Oszillator (kx > ky > kz ! !1 > !2 > !3 ) stellt ein nichtentartetes System mit der Hamilton-Funktion
2
x2 x2 + 1 p2 + m!y y 2 + 1 p2 + m!z2 z 2 ;
H = 21m p2x + m!
y
2
2m
2
2m z
2
dar, das sich in kartesischen Koordinaten separieren lat. Dabei treten die Bewegungsintegrale
E; Ez und Ey auf, wobei:
Ez = 21m p2z + k2 z2 ; Ey = 21m p2y + k2 y2 :
Das Mobile fullt im Verlauf der Zeit ein quaderformiges Volumen im Kongrationsraum aus.
Die Separation in kartesischen Koordinaten ist also die einzig mogliche.
Wenn zwei Kraftkonstanten gleich sind (kx = ky = k ! !x = !y = !), ist das System einfach entartet. Die Hamilton-Jacobi-Gleichung ist dann auch in Zylinderkoordinaten
separabel. Wegen
1 p2 + 1 p2 + kz z2
H = 21m p2 + k2 2 + 2m
2 '
2m z 2
treten bei der Separation die Bewegungsintegrale E; Ez und Lz mit:
Lz = p' = x py ? y px
auf. Die Projektion der Bahn auf die xy-Ebene ist eine Ellipse, das Mobile fullt bei seiner
Bewegung eine elliptische Zylinderache aus (Fig. D2).
Fur den isotropen Oszillator (kx = ky = kz = k ! !x = !y = !z = !) liegt eine zweifache
(vollstandige) Entartung vor. Hier ist die Separation zusatzlich in Kugelkoordinaten moglich.
Wegen:
1 p2 +
1
2
H = 21m p2r + k2 r2 + 2mr
2 #
2mr2 sin2 # p'
treten bei der Separation die Bewegungsintegrale E; Lz und L2 mit:
L2 = p2# + sin12 # p2'
auf. Es entsteht eine geschlossene Bahn, namlich eine Mittelpunktsellipse um das Kraftzentrum.
An die Stelle der Hamilton-Jacobi-Gleichung tritt in der Quantenmechanik die Schrodinger-Gleichung. Wenn das quantenmechanische System ein Gegenstuck in der klassischen Mechanik besitzt, sind beide im gleichen Koordinatensystem separabel. Den dabei
127
auftretenden s Bewegungsintegralen in Involution entsprechen s Observablen, deren Kommutator verschwindet.
Kepler-Problem in Winkel- und Wirkungsvariablen
Die Hamilton-Funktion lautet in Kugelkoordinaten:
1 p2 ) ? :
H = 21m (p2r + r12 p2# + r2 sin
2
# ' r
Daraus folgt fur die verkurzte Hamilton-Jacobi-Gleichung:
1 h @W 2 + 1 @W 2 + 1 @W 2 i ? = E :
2m @r
r2 @#
r
r2 sin2 # @'
Die Variable ' ist zyklisch, mit dem Separationsansatz
W = Wr (r) + W#(#) + Lz '
und der Separationskonstanten L ergibt sich
Wr =
Zh L
2m E + r ? 2mr
2
2
i1=2
dr ; W# =
Zh
2 i1=2
L2 ? sinL2z# d# :
Diese Integrale lassen sich in geschlossener Form auswerten. Mit den Abkurzungen
EL2 ; 2 = 1 ? L2z
r = ? 2E (1 + v) ; cos # = u ; 2 = 1 + 2m
2
L2
ergeben sich die etwas unhandlichen Ausdrucke
s Z p2 2
?v
Wr = ? ?2mE
(1 + v) dv
s nq
h 2 vi
v ) ? q 2 ? v2 o
= ?2mE 1 ? 2 arcsin (1 +
?
arcsin
(
+ v)
Z p 2 ? u2
W# = ?L (1 + u) du
h up1 ? 2 i
nq 2
u )o :
?
arcsin
(
= L 1 ? arcsin p
1 ? u2
Durch Dierenzieren nach E; L2 und Lz erhalt man daraus Formeln fur die Bahnkurve
und den zeitlichen Verlauf der Bewegung, deren recht kompliziertes Aussehen von dem
Umstand herruhrt, da die Bahnebene eine beliebige Lage im Raum einnehmen kann. Sie
sollen hier nicht weiter betrachtet werden.
Fur die Wirkungsintegrale als bestimmte Integrale u ber ein ausgezeichnetes Intervall ergeben sich dagegen recht einfache Ausdrucke. Wenn mit ra ; rb und #a ; #b die jeweils kleinsten
und groten Werte dieser Variablen bezeichnet werden, folgt:
r m
Zrb h L2 i1=2
1
dr = ?L + ?2E
Jr = 2m E + r ? 2mr2
J# = 1
ra
Z#b h
#a
2 i1=2
L2 ? sinL2z# d# = L ? Lz
Z
J' = 21 Lz d' = Lz :
0
2
128
Daraus erhalt man durch Auflosen fur die Energie als Funktion der Wirkungsintegrale:
2
:
E = ? 21 (J + m
r J# + J' )2
Fur die Grundfrequenzen !r ; !# und !' ergibt sich dann
=! :
!r = !# = !' = (J + m
r J# + J' )3
2
Das System ist also zweifach (vollstandig) entartet.
Da die Bewegung auf eine Ebene beschrankt ist, kann man diese zur xy-Ebene machen und
so die Zahl der Freiheitsgrade auf s =2 verringern. Fur die Eikonalfunktion erhalt man dann
nach Ersetzung von E und Lz durch Jr und J' :
Zr h 2
J'2 i1=2 dr + J ' :
?
2m r ? 2(J m
'
r + J' )2 2mr2
Daraus ergibt sich fur die Winkelvariable wr :
W (r; ') =
wr = @W
@Jr = !
Zr h 2 r0
J'
m
m r ? 2(Jr + J' )2 ? 2mr2
2
2
i?1=2
dr :
Die zeitliche Veranderung von r folgt aus wr = !r t + r = ! t + r = !(t ? t0) durch Einsetzen
fur wr :
Zr h 2 2
J'2 i?1=2 dr :
?
t ? t0 = m r ? 2(J m
r + J' )2 2mr2
r0
Bis auf die Ersetzung von E und Lz durch Jr und J' ist das die gleiche Beziehung wie im
Kapitel B. Die Bahnkurve folgt in entsprechender Weise aus w' :
@W =
w' = @J
'
Zr r0
J' h 2 ? m2 ? J'2 i?1=2 dr + ' :
! ? 2mr
2
m r 2(Jr + J' )2 2mr2
Hier ist aber wr = !' t + ' = ! t + '0 ? ! t0 und daher:
' ? '0 =
Zr
r0
J' h 2 ? m2 ? J'2 i?1=2 dr ;
2mr2 m r 2(Jr + J' )2 2mr2
ebenfalls wie im Kapitel B.
Im folgenden betrachten wir wieder den dreidimensionalen Fall (s =3) und numerieren die
Koordinaten in der Reihenfolge '; #; r. Wegen der zweifachen Entartung ist:
k = 1 : !' ? !# = 0 ! n11 = 1 ; n12 = ?1 ; n13 = 0
k = 2 : !# ? !r = 0 ! n21 = 0 ; n22 = 1 ; n23 = ?1 :
Die Transformation auf die neuen Winkel- und Wirkungsvariablen w1 ; w2 ; wr und J1 ; J2 ; J3
erfolgt mit der erzeugenden Funktion:
F2 (q; P ) = (w' ? w#) J1 + (w# ? wr ) J2 + wr J3
und fuhrt zu den Transformationsgleichungen:
w1 = w' ? w# ; w2 = w# ? wr ; w3 = wr
J' = J1 ; J# = J2 ? J1 ; Jr = J3 ? Js :
129
Durch Auflosen ergeben sich daraus die neuen Wirkungsvariablen:
J1 = J' ; J2 = J' + J# ; J3 = J' + J# + Jr
und mit ihrer Hilfe die transformierte Hamilton-Funktion
;
H (J1 ; J2 ; J3 ) = m
2 J2
2
3
die nur noch von der einen Wirkungsvarablen J3 abhangt. Die neuen Grundfrequenzen
des Systems sind dann:
! 1 = @@H
= 0 ; ! 2 = @H = 0 ; ! 3 = @H = ! :
J
@J
@J
1
2
3
Die zeitliche Veranderung der neuen Winkelvariablen langs der Bahn wird gegeben durch:
w1 c1 ; w2 c2 ; w3 = ! t + :
Ihre geometrische Bedeutung erkennt man auf die folgende Weise:
a) J1 = J' stellt die Komponente Lz des Drehimpulses in Richtung der raumfesten
z-Achse dar. w1 ist daher ein fester (zeitlich unveranderlicher) Winkel in Bezug auf
diese Achse, namlich die \Lange des Knotens" .
b) J2 = J' + J# ist der gesamte Drehimpuls L, dessen Achse normal zur Bahnebene steht.
Der bezuglich dieser Achse feste Winkel w2 ist die \Lange des Perihels" !.
c) Das Verhaltnis J1 =J2 = Lz =L = cos i liefert die Neigung der Bahnebene relativ zur
Ekliptik, die \Inklination" i.
In der Himmelsmechanik werden w1 ; w2 ; w3 ; J1 ; J2 ; J3 als Delaunay-Variable bezeichnet.
Fur eine ungestorte Planetenbahn sind funf von ihnen Konstanten, die sechste, w3 , eine lineare Funktion der Zeit. Aus J1 ; J2 und J3 lassen sich E; L2 und Lz und damit die
noch fehlenden Bahnelemente a (groe Halbachse) und e (Exzentrizitat) berechnen. Durch
die von den anderen Planeten ausgeubten Bahnstorungen werden aus diesen Konstanten
Groen, die sich mit der Zeit nur langsam verandern und deshalb besonders geeignet fur
die Storungsrechnung sind. Die gestorte Bahn wird dabei in jedem Zeitpunkt durch eine
Kepler-Ellipse dargestellt, deren Bahnelemente aber Funktionen der Zeit sind (oskulierende Bahn).
Optomechanische Analogie
Eine anschauliche Deutung der Wirkungsfunktionen S und W ergibt sich auf die folgende
Weise. Im Kongurationsraum liegen fur einen festen Satz von Parametern 1 ; : : : ; s alle
Punkte, in denen W (q1 ; : : : ; qs ; 1 ; : : : ; s ) den gleichen Wert a hat, auf einer (s ? 1)dimensionalen Hyperache. Fur verschiedene Werte von a bilden diese also eine sparametrige Schar von Flachen, die sich nicht schneiden. Im Sonderfall s = 3, auf den
wir uns im folgenden beschranken, kann man den Kongurationsraum mit dem geometrischen Raum identizieren. Fur autonome Systeme gilt mit 1 =^ E :
S = W (x; y; z; E; 2 ; 3 ) ? E t :
Durch jeden Punkt des Raumes geht fur festes E; 2 ; 3 genau eine Flache mit W a.
Fur einen Massenpunkt im homogenen Schwerefeld kann man in einem kartesischen Koordinatensystem x; y; z als Parameter die Bewegungsintegrale E; px ; py verwenden. Dann ist die
Eikonalfunktion:
W = px x + py y ? 3m12 g [ 2m(E ? mg z) ? p2x ? p2y ]3=2 :
130
Da x und y nur in der Kombination px x + py y vorkommen, kann man bei festem px ; py neue
Koordinaten x; y durch die Transformation (Drehung um die z-Achse):
x = (px x + py y)=p ; y = (px y ? py x)=p
2
2
2
2
mit p = px + py = p ? p2z einfuhren. W wird dadurch unabhangig von y:
W = p x ? 3m12 g [ 2m(E ? mg z) ? p2 ]3=2 ;
und man kann sich auf die Schnittkurven der zur y-Achse parallelen zylindrischen W -Flachen
mit der xz-Ebene beschranken. Fur diese gilt:
1 ?E ? p2 ? 9p2 1=3 x ? a 2=3 :
z(x) = mg
2m
8m2 g
p
2
2
Setzt man zur Abkurzung a=p = x0 und (2mE ? p )=2m g = z0 , so ergibt sich eine Schar von
nach unten oenen Neilschen Parabeln, deren Spitzen alle die gleiche Scheitelhohe z0 haben,
aber um das von a abhangige x0 verschoben sind (Fig. D3).
Bei einem gegeben Satz von Parametern 1 ; 2 ; 3 beschreibt die Eikonalfunktion eine
dreiparametrige Schar von Bahnen mit den Parametern 1 ; 2 ; 3 . Dabei legen 2 und 3
die Bahnkurve, 1 den Anfangspunkt der Zeitzahlung fest. Fur den Impuls des Massenpunktes gilt nun
@W ; p = @W
;
p
=
px = @W
y
@x
@y z @z
! p = m v = rW :
Die Geschwindigkeit v hat also die Richtung des Gradienten von W und steht damit
senkrecht auf den W -Flachen. Die Teilchenbahnen durchsetzen daher die Schar der W Flachen orthogonal (Orthogonaltrajektorien). Sie zeigen damit das gleiche Verhalten wie
in der Elektrostatik die Feldlinien gegenuber den A quipotentialachen.
Fur das obige Beispiel werden die Teilchenbahnen gegeben durch ( =^ p; =^ x0 ):
@W = x = x + p [ 2m(E ? mg z) ? p2 ]1=2 ! z(x) = z ? m2 g (x ? x )2 :
0
0
0
@ p
m2 g
2p2
Es handelt sich also um eine Schar von langs der x-Achse um x0 verschobenen Parabeln mit
der fur alle gleichen Scheitelhohe z0 (Fig. D4).
Um die zu einer gegebenen Kurvenschar orthogonale zu erhalten, mu zunachst diejenige
Dierentialgleichung bestimmt werden, deren Losungen diese Kurven darstellen. Mit dem
Scharparameter c ist
z = z(x; c) ;
daraus folgt durch Dierenzieren nach x:
dz 0
dx = z (x; c) :
Aus diesen beiden Gleichungen erhalt man durch Elimination von c die Dierentialgleichung
dz = f (x; z) ;
dx
die das Richtungsfeld der ursprunglichen Schar darstellt. Das dazu orthogonale Feld wird
gegeben durch die Dierentialgleichung
dz = ? 1 ;
dx
f (x; z)
und ihre Integration liefert die Schar der Orthogonaltrajektorien mit der Integrationskonstanten als Scharparameter.
131
Beim obigen Beispiel unterscheiden sich die Kurven der Schar in der Abszisse x0 ihrer Spitze:
p2 1=3
dz = ? 2 9p2 1=2 (x ? x0 )?1=3 :
2=3
(
x
?
x
)
!
z(x; x0 ) = z0 ? 89
0
m2 g
dx
3 8m2 g
Daraus ergibt sich durch Elimination als Dierentialgleichung der Schar
dz = ? 2 9p2 1=2 (z0 ? z)?1=2 :
dx
3 8m2 g
Die Dierentialgleichung fur die orthogonale Schar ist dann
dz = + 3 8m2 g 1=2 (z ? z)1=2 :
0
dx
2 9p2
Durch Trennung der Variablen ergibt sich mit der Integrationskonstanten x0
2
z = z0 ? m2p2g (x ? x0 )2 :
Die Orthogonaltrajektorien stimmen also mit den Bahnkurven uberein.
Bisher wurden die Parameter 1 ; : : : ; s festgehalten, dann geht durch jeden Punkt des
Kongurationsraumes eine Bahnkurve. Bei Variation der Parameter erhalt man durch
jeden Punkt eine s-parametrige Schar von Bahnen.
Halt man bei dem vorigen Beispiel die Energie E fest und variiert p, so erhalt man eine Schar
von Wurfparabeln mit gleicher Anfangsgeschwindigkeit, aber verschiedenem Wurfwinkel. Wegen der Homogenitat des Feldes kann man sich auf die Bahnen in der xz-Ebene durch den
Ursprung beschranken, fur diese gilt
2 2
p
z(x) = 2mE ? p2 xp ? m2 g xp :
Sie bilden die Strahlen eines \Springbrunnens", der durch eine Rotations
ache eingehullt
p
wird (Fig. D5). Wahlt man als Parameter statt p die Groe c = 2mE ? p2 =p, so erhalt
man die Enveloppe der Parabelschar
2
2
z ? (x; c) = z ? c x + mg
4E (1 + c ) x = 0
durch Ableitung nach dem Scharparameter c:
2
? x + mg
2E c x = 0
und Elimination von c aus diesen beiden Gleichungen
2E 1 ! z(x; c(x)) = E ? mg x2 :
c = mg
x
mg 4E
Es handelt sich also ebenfalls um eine Parabel.
Auch die S -Flachen haben eine geometrische Bedeutung. Wegen S = W ? E t stimmt die
Flache S = b fur einen bestimmten Zeitpunkt ta mit der Flache W = b + E ta = a uberein.
Die S -Flachen bilden also eine Schar von laufenden Flachen, die in jedem Zeitpunkt mit
einer der W -Flachen zusammenfallen. Im Intervall dt bewegt sich die Flache, die fur ta
mit W = a ubereinstimmte, zur Flache W = a + E dt. Andererseits gilt aber, wenn diese
beiden W -Flachen den Abstand ds haben:
dW = jrW j ds :
Daraus folgt fur die Laufgeschwindigkeit der S -Flache
E = E ; v v =E;
vw = ds
=
w p m
dt jrW j m vp
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wobei vp die Geschwindigkeit des Massenpunktes auf seiner Bahn ist.
Fur Materiewellen hat de Broglie entsprechend der Relativitatstheorie gefordert, da
E = m c 2 ! v w vp = c 2 :
Fur elektromagnetische Wellen in einem inhomogenen Medium mit dem Brechungsindex
n(x; y; z) gilt die Wellengleichung:
@ 2 + @ 2 + @ 2 ? n2 (x; y; z) @ 2 = 0 :
@x2
Sie lat sich mit dem Ansatz
@y2
@z 2
c2
@t2
(x; y; z; t) = e{!t (x; y; z )
separieren und ergibt die zeitunabhagige Gleichung:
@ 2 + @ 2 + @ 2 ? k2 (x; y; z) = 0 :
@x2 @y2 @z 2
Dabei ist k = 2= = n !=c der Betrag des Wellenvektors. Mit dem weiteren Ansatz
= exp({kW )
folgt im Grenzfall k ! 1 ( ! 0) als Grundgleichung der geometrischen Optik (Strahlenoptik) die Eikonalgleichung:
@W 2 @W 2 @W 2 2
@x + @y + @z = n (x; y; z) :
Die Lichtstrahlen sind die Orthogonaltrajektorien der Schar der W -Flachen. Fur das Kurvenintegral langs eines Strahls von der Flache W = a bis zur Flache W = b gilt
Z
W = b ? a = n(r ) ds ;
die W -Flachen sind also Flachen gleicher optischer Weglange. Andererseits lautet die
verkurzte Hamilton-Jacobi-Gleichung
@W 2 @W 2 @W 2
@x + @y + @z = 2m [E ? V (x; y; z)] :
Man kann die Bahnen des Massenpunktes also deuten als Lichtstrahlen in einem inhomogenen Medium mit dem ortsabhangigen Brechungsindex:
q
n(r ) = 2m [E ? V (r )] :
Die Strahlenoptik stellt den Grenzfall der Wellenoptik fur verschwindende Wellenlange
dar. In der gleichen Weise lat sich die klassische Mechanik (\Strahlenmechanik") deuten
als Grenzfall einer Wellenmechanik fur verschwindende Materiewellenlange
= hp :
Der zeitunabhangigen Wellengleichung entspricht dann die Gleichung
@ 2 + @ 2 + @ 2 ? 42 2m [E ? V (r )] = 0 ;
@x2
@y2
@z 2
h2
oder nach Umschreibung mit dem Laplace-Operator r2 :
2
? 2hm r2 + V (r ) = E ;
also die zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung der Quantenmechanik.
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