Lehramt - Institut für Physikalische Chemie

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Inhaltsverzeichnis
1. Blitzlichtphotolyse
1.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2. Theoretischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1. Übersicht über Anregungs- und Desaktivierungsprozesse . . . . . . . .
1.2.2. Allgemeines zur Blitzlichtphotolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.3. Theorie der Desaktivierungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.4. Die Spin-Bahn-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.5. Darstellung des Singulett-Triplett-Überganges anhand des Vektormodells
1.2.6. Der Franck-Condon-Faktor beim strahlenden Zerfall . . . . . . . . . . .
1.2.7. Der strahlungslose Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.8. Die quantenmechanische Beschreibung des strahlungslosen Übergangs .
1.3. Experimenteller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.1. Aufbau der Apparatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.2. Durchführung des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.3. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.4. Sicherheitshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. UV/VIS- und Fluoreszenzspektroskopie
2.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2. Protolytische Reaktionen im Grund- und angeregten Zustand.
2.2.1. Theoretischer Teil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.2. Experimenteller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3. Dipolmoment angeregter Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.1. Theoretischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.2. Experimenteller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4. Excimere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.1. Theoretischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.2. Experimenteller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.3. Sicherheitshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Schwingungs-Spektroskopie
3.1. Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie . . . .
3.1.1. Allgemeine und theoretische Grundlagen
3.1.2. Durchführung der Messungen . . . . . .
3.1.3. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.4. Sicherheitshinweise . . . . . . . . . . . .
3.1.5. Kurzanleitung . . . . . . . . . . . . . . .
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4. NMR-Spektroskopie
4.1. Theoretischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.1. Themen des Kolloquiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.2. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.3. Magnetische Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.4. Beschreibung eines NMR-Experiments . . . . . . . . . . .
4.1.5. Messungen von Relaxationszeiten . . . . . . . . . . . . . .
4.1.6. Kernspinrelaxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.7. NMR-Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2. Experimenteller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.1. Temperierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.2. Kalibrierung des Bruker-Minispec . . . . . . . . . . . . . .
4.2.3. Kernspinrelaxation von Lösungen paramagnetischer Ionen
4.2.4. Chemische Verschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.5. NMR-Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.6. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.7. Sicherheitshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Anhang
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A.1. Praktikumsprotokolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
A.1.1. Aufbau eines Praktikumsprotokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
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Praktikumsordnung
1. Das Praktikum ist Montag bis Freitag von 1300 bis 1800 Uhr geöffnet.
2. Vor dem Beginn des Praktikums findet eine Sicherheitsbelehrung statt, die für jeden
Praktikumsteilnehmer obligatorisch ist. Der genaue Termin wird in der Vorbesprechung
bekannt gegeben.
3. Im Praktikum darf nicht geraucht werden. Der Verzehr von Lebensmitteln ist in den
Praktikumsräumen untersagt.
4. Im Praktikum ist immer eine Schutzbrille zu tragen.
5. Im Praktikum ist geeignete Schutzkleidung zu tragen (Laborkittel, feste, geschlossene
Schuhe, lange Hosen, Handschuhe).
6. Mit der Durchführung eines Versuchs darf erst nach Einweisung durch den zuständigen
Praktikumsassistenten begonnen werden.
7. Das Praktikum wird in Zweiergruppen durchgeführt.
8. Vor der Durchführung eines Versuches ist beim zuständigen Assistenten ein Vorkolloquium zu absolvieren. Dabei ist ein grundlegendes Verständnis des Versuches nachzuweisen.
Auch auf sicherheitsrelevante Aspekte (Gefährdung durch Chemikalien, Hochspannung,
elektromagnetische Strahlung, usw.) muss eine Vorbereitung erfolgt sein. Der zuständige Assistent kann die Durchführung des Versuchs verweigern, wenn eine ausreichende
Vorbereitung nicht zu erkennen ist.
9. Die Versuchsdurchführung muss vom zuständigen Assistenten bestätigt werden. Ebenso
ist das Messprotokoll vom zuständigen Assistenten abzuzeichnen.
10. Zu jedem Versuch ist ein Protokoll anzufertigen. Der Schwerpunkt des Protokolls sollte
dabei in einer ausführlichen Auswertung (mit sämtlichen Nebenrechnungen) und einer
umfassenden Diskussion liegen. Dem Protokoll ist das testierte Original des Messprotokolls anzuheften. Weitere Hinweise zum Verfassen eines Protokolls sind im Anhang zu
finden.
11. Beim Verfassen des Protokolls darf nicht von anderen Protokollen ( Altmeistern“) ab”
geschrieben werden. Schriftstücke und Messdaten Dritter dürfen nicht als die eigenen
ausgegeben werden. Ein Verstoß dagegen ist vom zuständigen Assistenten sofort dem
Praktikumsleiter mitzuteilen und führt zum sofortigen Ausschluss aus dem Praktikum.
Bis dahin erbrachte Praktikumsleistungen verfallen.
12. Pro Protokoll gibt es eine Möglichkeit zur Korrektur (,,bitte wieder vorlegen”), danach
erfolgt die Bewertung. Wird ein Protokoll schlechter als mit der Note 4,0 bewertet, muss
Praktikumsordnung
ein Ersatzversuch absolviert werden.
13. Zu jedem Versuch muss ein Nachkolloquium absolviert werden. Termine sind mit den
Assistenten rechtzeitig (am Besten am Versuchstag) abzusprechen.
14. Die Versuchsprotokolle sind dem zuständigen Assistenten mindestens 2 Tage vor dem
Kolloquium abzugeben.
15. Für die vollständige Durchführung eines Versuchs (Durchführung, Protokoll mit Korrekturen und Kolloquium) stehen maximal zwei Wochen zur Verfügung. Wird diese Frist
nicht eingehalten, sind das Eingangskolloquium und der Versuch zu wiederholen oder
ein Ersatzversuch durchzuführen.
16. Ein neuer Versuch kann nur ausgegeben werden, wenn höchstens zwei Versuche noch
nicht abgeschlossen sind.
Stuttgart, den 13.04.2012
gez. H. Dilger
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1. Blitzlichtphotolyse
Themen des Kolloquiums
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Aufbau des Spektrometers
Jablonski-Termschema, Singulett- und Triplettzustände, Intersystem Crossing (ISC)
Spin-Bahn-Kopplung
Quantenmechanische Beschreibung des Termschemas, Termsymbolik
Relaxationsmechanismen
Lebensdauer angeregter Zustände
Einsteinsche Absorptions- und Emissionstheorie
Alkalispektren
1.1. Einleitung
In diesem Versuch werden mittels eines intensiven Lichtblitzes Aromatische Verbindungen
elektronisch angeregt und mittels eines Detektionsstrahls das zeitliche Verhalten des ersten Triplettzustands verfolgt. Zentrale Themen dieses Versuchs sind das Verständnis des
Jablonski-Termschemas sowie der Ursachen von Fluoreszenz und Phosphoreszenz.
1.2. Theoretischer Teil
1.2.1. Übersicht über Anregungs- und Desaktivierungsprozesse
Die Lichtabsorption bei organischen Molekülen beruht darauf, dass ein Elektron aus einem noder π-Orbital in ein antibindendes π*-Orbital überführt wird. Da σ → σ*-Übergänge selten
vorkommen und deren Übergangswellenlängen unterhalb von 200 nm liegen (Bindungselektronen!), werden sie meistens nicht betrachtet. Abbildung 1.1 zeigt die möglichen Elektronenübergänge bzw. elektronischen Zustände von Formaldehyd.
Wird bei jedem der zwei Übergänge der Spin mitberücksichtigt, so ergeben sich jeweils zwei
Zustände mit gepaartem Spin S1 , S2 (Singulettzustände), sowie zwei Zustände mit ungepaartem Spin T1 , T2 (Triplettzustände). Die allgemeinen Verhältnisse lassen sich formalisiert mit
Hilfe des Jablonski-Termschemas darstellen (Abbildung 1.2).
Die meisten Strahlungs- und strahlungslosen Übergänge in kondensierten Phasen gehen bei
Raumtemperatur von den entsprechenden Schwingungsgrundzuständen der einzelnen elektronischen Zustände aus, da eine thermische Besetzung höherer Schwingungsniveaus in der Regel
Blitzlichtphotolyse
Abb. 1.1.: Elektronenübergänge und elektronische Zustände von Formaldehyd
erst bei sehr hohen Temperaturen vorliegt.
1.2.2. Allgemeines zur Blitzlichtphotolyse
Kurzlebige Zwischenprodukte photochemischer Reaktionen (Transienten) können mit Hilfe
der stationären Absorptions- und Emissions-Spektroskopie nicht zeitaufgelöst registriert werden. Die Intensität des Photolyselichtes ist zu klein, um eine Konzentration der Transienten
oberhalb der Nachweisgrenze der spektroskopischen Messmethode aufrecht zu erhalten.
Zur Erfassung von Transienten müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
• Die Konzentration des photochemisch erzeugten Transienten muss größer als die Nachweisgrenze der Messmethode sein.
• Das schwache Signal des Transienten kann nicht neben dem intensive Streuanteil des Anregungslichtes nachgewiesen werden, d.h. die Dauer des Lichtimpulses hoher Intensität
muss wesentlich kleiner sein, als die Lebensdauer des Transienten.
Als Impulsquellen dienen Gasentladungsröhren (Blitzlampen), Laser und beschleunigte Elektronen (Pulsradiolyse). Blitzlampen werden durch die Entladung eines Hochspannungskondensators gezündet. Die Blitzdauer steigt mit der Ladespannung. Bei einer Ladespannung
von ca. 10 kV und elektrischen Entladungsenergien von 100 − 1000 Ws werden Blitzdauern
von ca. 10−5 s erreicht. Der Strahlungswirkungsgrad beträgt ca. 10 − 15%, so dass bei einer
Entladungsenergie von 50 Ws ca. 1018 Quanten/Puls erzeugt werden. Dies reicht aus, um eine
relativ große Konzentration angeregter Farbstoffmoleküle zu erzeugen. Der Nachweis erfolgt
hier über Absorptionsmessungen.
1.2.3. Theorie der Desaktivierungsprozesse
Die Ausbeute an Molekülen im Triplettzustand wird durch die relativen Geschwindigkeiten der
drei Prozesse bestimmt, die den S1 -Zustand entvölkern: Fluoreszenz (F), Internal Conversion
(IC) und Intersystem Crossing (ISC).
Für Anthracen und Coronen sind die Quantenausbeuten für innere Umkehr (=IC), Fluores-
8
Blitzlichtphotolyse
Abb. 1.2.: Jablonski-Diagramm: Elektronenzustände und Desaktivierungsprozesse eines organischen Moleküls, → Strahlungsprozesse,
strahlungslose Prozesse;
Die Zahlenangaben geben die Geschwindigkeitskonstanten der einzelnen Prozesse an.
Lichtabsorption (A):
Fluoreszenz (F):
Phosphoreszenz (P):
Schwingungsrelaxation(SR):
Internal Conversion (IC):
Intersystem Crossing (ISC):
Übergang Grundzustand → angeregter Zustand
Lichtemission bei der Desaktivierung S1 → S0
Lichtemission bei der Desaktivierung T1 → S0
Strahlungslose Desaktivierung von Kernschwingungsniveaus
bis zum thermischen Gleichgewicht
Strahlungslose Übergänge zwischen verschiedenen angeregten
Elektronenzuständen gleicher Spinmultiplizität
Strahlungslose Übergänge zwischen angeregten Zuständen unterschiedlicher Spinmultiplizität.
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Blitzlichtphotolyse
zenz und Intersystem Crossing in Tabelle 1.1 zusammengestellt.
Tabelle 1.1.: Quantenausbeuten Φ für die Desaktivierung der angeregten Singulettzustände von Anthracen und Coronen in Ethanol bei 293 K.
Prozess
Quantenausbeute Φ Quantenausbeute Φ
Anthracen
Coronen
S1 - S0
Internal Conversion
0,0
0,2
S1 - S0
Fluoreszenz
0,3
0,2
S1 - T1
Intersystem Crossing
0,7
0,6
Selbst wenn der ISC-Prozess langsamer sein sollte, kann man eine hohe Besetzung des Tripletts erreichen, wenn die Blitzdauer (ca. 10 µs) wesentlich länger als die S1 -Lebensdauer (ca.
50 − 500 ns bei aromatischen Kohlenwasserstoffen) ist. Die in den S0 -Zustand desaktivierten
Moleküle werden während des Blitzes immer wieder angeregt, so dass jedes Molekül sehr oft
die Chance hat, den Triplettzustand über den ISC-Prozess zu erreichen. Das durch diesen Prozess besetzte Triplettniveau wird in Picosekunden in den Schwingungsgrundzustand von T1
desaktiviert. Seine Lebensdauer ist größer als eine Millisekunde. Im vorliegenden Experiment
soll die Entvölkerung dieses Triplettzustandes untersucht werden.
Die Übergänge des ISC und der Phosphoreszenz (P) sind zwischen den ungestörten Triplettund Singulettzuständen verboten, da sie die Spinauswahlregel ∆S = 0 verletzen.
Das Übergangsmoment MP ergibt sich allgemein zu
MP ∼ hS|er̂|T i hα|βi
(1.1)
mit
hα|βi =
0 f ür ∆S = 0
1 f ür ∆S =
6 0
(1.2)
Hier sind S, T die Bahnfunktionen der jeweiligen Zustände, α,β die Spinfunktionen und er̂
der Übergangsdipolmoment-Operator.
Der Übergangsdipolmoment-Operator wirkt nur auf die Ortsfunktion der Elektronen, nicht
auf die Spinfunktionen. Damit sind Orts- und Spinfunktionen separierbar, MP ist nun direkt
proportional zu hα|βi und ergibt sich im Falle von S → T-Übergängen wegen der Orthogonalität der Spinfunktionen zu Null (Interkombinationsverbot).
Dass trotzdem in Molekülen die Aufhebung dieses Verbots beobachtet wird, liegt an der
mangelnden Berücksichtigung von weiteren Störtermen im Hamiltonoperator. Am Beispiel
von Helium sollen diese Beiträge kurz angesprochen werden (Abbildung 1.3).
10
Blitzlichtphotolyse
Abb. 1.3.: Ausschnitt aus dem Termschema von Helium.
Ĥ0 :
e2 /4πε0r12 :
ĤS1 B1 :
ĤS1 B2 :
ĤS1 S2 :
Dieser Term liefert zwei entartete 1s n1- Niveaus
Elektrostatische Abstoßung von Elektron 1 und Elektron 2
mit Abstand r12
Spin-Bahn-Kopplungsoperator mit Eigen- (=Spin) und Bahndrehimpuls vom gleichen Elektron; ergibt die sogenannte Feinstrukturaufspaltung (magnetische Wechselwirkung) und stellt
in den meisten Fällen die wichtigste Störung dar
Spin-Bahn-Kopplungsoperator mit Spin von Elektron 1 und
Bahndrehimpuls von Elektron 2 (magnetische Wechselwirkung)
Spin-Spin-Kopplungsoperator von Spins zweier verschiedener
Elektronen; magnetische Wechselwirkung
Da die Störungen ĤS1 B2 und ĤS1 S2 im Allgemeinen sehr viel kleiner als die Störungen e2 /4πε0 r12
und ĤS1 B1 sind (Ausnahmen: Helium und Wasserstoff), werden sie vernachlässigt, so dass als
Hauptstörungen nur noch die elektrostatische Coulombwechselwirkung und die magnetische
Spin-Bahn-Wechselwirkung diskutiert werden. Die Regeln, wie sie bei Atomen aufgestellt wurden, werden für die Behandlung ausgedehnter Moleküle übernommen, so dass der SingulettTriplett-Übergang bei organischen Molekülen mit dem Modell der Spin-Bahn-Kopplung an
Atomen erklärt werden kann.
1.2.4. Die Spin-Bahn-Kopplung
Klassisch gesehen handelt es sich dabei um eine Wechselwirkung zwischen dem magnetischen
Moment des Elektrons und dem Magnetfeld, das von der Bahnbewegung desselben Elektrons
~ ℓ ergibt sich
herrührt. Das durch die Umlaufbewegung des Elektrons erzeugte Magnetfeld B
11
Blitzlichtphotolyse
~ℓ
Abb. 1.4.: Präzessionsbewegung des magnetischen Moments µ
~ s um B
nach dem Biot-Savardschen Gesetz zu
~ ℓ = Zeµ0 ~ℓ,
B
4πr 3 m0
(1.3)
wobei ~ℓ der Bahndrehimpuls, Z die Kernladungszahl, r der Radius der Bahn und m0 die
~ ℓ (am Ort des Spins) präzediert nun das
Ruhemasse des Elektrons ist. In diesem Magnetfeld B
~ ℓ ≈ 10 cm−1
magnetische Moment ~µs des Spins (Abb. 1.4). Für C-, H-, N- und O-Atome gilt: B
bis 100 cm−1 .
~ℓ
Für die Wechselwirkungsenergie V eines magnetischen Moments ~µs in einem Magnetfeld B
gilt
~ ℓ,
~ ℓ = e ~sB
(1.4)
V = −~µs B
m0
wodurch sich die Wechselwirkungsenergie zu
V =
Ze2 µ0 ~
~s ℓ
8πm20 r 3
(1.5)
ergibt (Thomasfaktor 1/2 berücksichtigt).
Benutzt man in grober Näherung für r den Radius rn der n-ten Bohrschen Bahn
rn =
so erhält man
4πε0 ~2 n2
,
Ze2 m0
Z4
V ∼ 6
n
(1.6)
(1.7)
Die Wechselwirkungsenergie V , auch Feinstrukturaufspaltung genannt, wächst also mit der
vierten Potenz der Kernladungszahl (,,Schweratom-Effekt“) und ist am größten bei kleinen
~ ℓQuantenzahlen n (möglichst große Kernnähe, damit hohe Geschwindigkeit, d.h. hohes B
Feld).
Ist die Feinstrukturaufspaltung V sehr viel kleiner als die Coulombsche Aufspaltung 2A (vgl.
Abb. 1.3), so können die Vektoren nach dem Russel-Saunders-Modell gekoppelt werden (wenn
2A ≪ V , dann liegt j-j-Kopplung vor). Für ein 2-Elektronensystem gilt dann:
12
Blitzlichtphotolyse
~ und S
~ bzw. S
~ und L
~ um J.
~
Abb. 1.5.: Präzessionsbewegungen der ℓi und si um L
1. Schnelle Präzession (d.h. hohe Larmorfrequenz) von jedem ℓi und si um die Richtung von L/S, da starke elektrostatische Wechselwirkung (aneinander vorbeilaufende
Elektronen üben Drehmomente aufeinander aus).
~ und S
~ um die Richtung von J,
~ da schwache Spin- Bahn2. Langsame Präzession von L
Kopplung.
In diesem vektoriellen Bild zeigt sich der quantenmechanische Ansatz. Die elektrostatische
Wechselwirkung wird voll berücksichtigt, die Spin-Bahn-Kopplung wird mittels Störungsrechnung berechnet. Im Hamiltonoperator Ĥ
Ĥ = Ĥ0 +
e2
+ a · ŝℓ̂
4πε0 r
(1.8)
taucht sie als quantenmechanischer Störoperator a · ŝℓ̂ auf.
Da es sich im vorliegenden Fall um ein nicht entartetes System handelt (die Entartung wurde
bereits durch die Elektron-Elektron-Wechselwirkung aufgehoben), muss eine Störungsrechnung für nicht entartete Systeme durchgeführt werden. Als Lösungsfunktion für Ĥ ergeben
sich Linearkombinationen aus ungestörten Funktionen verschiedener Multiplizität:
E
D X
X Tq a · ŝℓ̂ S0
Tq = S0 + a ·
Tq
(1.9)
S ′ = S0 +
E (S0 ) − E (Tq )
q
q
T ′ = T1 +
X
r
D
E
Sr a · ŝℓ̂ T1
E (T1 ) − E (Sr )
Sr = T1 + b ·
X
Sr
(1.10)
r
wobei Tq , Sr höhere Triplett- bzw. Singulettfunktionen (T1 , T2 , . . . , S2 , S3 , . . . ), E Energieeigenwerte und a, b Amplitudenfaktoren sind.
Den Ausgangsfunktionen S0 , T1 werden also eine Reihe von gewichteten Fremdfunktionen
Tq , Sr mit der Amplitude a, b zugemischt, die Schrödingergleichung ist nun aufgrund dieses
Ansatzes (er̂, ,,diagonalisiert“ die Lösungsmatrix) lösbar. Werden diese Funktionen mit der
Näherung
S′ ∼
(1.11)
= S0
und
T ′ = T1 + b · S1
13
(1.12)
Blitzlichtphotolyse
in die Definition des Übergangsmoments eingesetzt, so erhält man:
MP = hS ′ |er̂| T ′ i = hS0 |er̂| T1 i + b · hS0 |er̂| S1 i
(1.13)
Mit < S0 |er̂| T1 >= 0 und < S0 |er̂| S1 >6= 0 ergibt sich somit eine Aufhebung des Interkombinationsverbots. Da es sich bei den Amplitudenfaktoren a und b im Allgemeinen um relativ
kleine Zahlenwerte handelt, ist MP jedoch sehr viel kleiner als für spinerlaubte Übergänge.
Im Falle des strahlenden Zerfalls lässt sich die Größenordnung von b leicht abschätzen, wenn
man den Zusammenhang zwischen MP und kP berücksichtigt. Es ergibt sich:
kP = kF
< S1 |er̂| S0 >
= kF · b
E (T1 ) − E (S1 )
(1.14)
wobei kF die Geschwindigkeitskonstante der Fluoreszenz, kP die Geschwindigkeitskonstante
der Phosphoreszenz und E(T1 )−E(S1 ) = ∆ES,T der energetische Abstand zwischen Singulettund Triplettterm ist.
1.2.5. Darstellung des Singulett-Triplett-Überganges anhand des
Vektormodells
Im Folgenden wird ein nπ ∗ -Übergang in einem Formaldehyedmolekül (λ = 303 nm, εmax =
18, 0 l mol−1 cm−1 ) anhand des Vektormodells verdeutlicht. Im Vektormodell ergibt sich fol-
Abb. 1.6.: nπ ∗ -Übergang in Formaldehyd; S0 (n2 ) → T1 (n,π ∗ )
gendes Bild:
14
Blitzlichtphotolyse
a) Zwei lokal getrennte Spins 1, 2 (py -Orbital von O, px -Orbital von C) werden betrachtet.
Per Definition sei ein Singulettzustand n2 π 2 gegeben, was nur durch Phasenverschiebung
um 180◦ und gegensinnigen Spin verwirklicht werden kann. Alle Spins präzedieren um
~ 0 ).
die z-Achse (Richtung eines beliebigen Magnetfelds H
b) Durch den Schweratomeffekt am Sauerstoffatom erfolgt Spin-Bahn-Kopplung bei Spin
1, das Magnetfeld am Ort von Spin 1 ist auf Hz0 + H2SB gestiegen, d.h. die Präzessionsfrequenz hat im Vergleich zu Spin 2 zugenommen, die starre Phasenkopplung ist
aufgehoben. Die z-Komponente MS bleibt weiterhin 0, der Gesamtspin S steigt auf
Werte zwischen 0 und 1, → Singulett- und Triplettzustände werden gemischt.
c) Durch Elektronensprung von Spin 1 aus dem py -Orbital in das px -Orbital des Sauerstoffs
kann nun der nπ ∗ -Übergang erzeugt werden (Quantenzahl S ändert sich um eine Einheit;
damit der Gesamtdrehimpuls gleich bleibt, ändert sich der Orbitaldrehimpuls). Der hier
gezeigte Zustand ist ein reiner Triplettzustand S = 1, MS = 0; es sind aber auch hier
Beimischungen von Singulettanteilen (Phasenverschiebung 6= 0) möglich.
d) Nur wenn die Phasenverschiebung 0◦ vorliegt, können die Hx - und Hy -Komponenten
des Spin-Bahn-Magnetfelds eine Spinumkehr bewirken; es können somit auch die Triplettzustände mit MS = 1, −1 erreicht werden.
Als allgemeine Regel gilt: Die Hz -Komponente des Spin-Bahn-Kopplungsfeldes erzeugt Übergänge
zwischen Zuständen mit ∆MS = ±1.
Abb. 1.7.: Vektormodell des Singulett-Triplett-Übergangs
1.2.6. Der Franck-Condon-Faktor beim strahlenden Zerfall
Die Geschwindigkeitskonstante der Phosphoreszenz kP erhält man wegen kP ∼ |M|2 zu:
< S ′ |er̂| T ′ > 2
kP ∼ ∆EST
15
(1.15)
Blitzlichtphotolyse
Die Born-Oppenheimer-Näherung erlaubt ein Umschreiben dieser Gleichung durch Separation
der Kernbewegung von der Elektronenbewegung. Der Dipoloperator wird als er̂ ′ geschrieben,
da er jetzt keine Funktion der Kernkoordinaten mehr ist.
2
2 2
< S e |er̂ ′ | T e > 2
< χu |χo >2 = M Suo = M F
kP ∼ 2
2
∆ES,T
∆ES,T
∆ES,T
(1.16)
S e und T e sind die Wellenfunktionen im Singulett- und Triplettzustand. χu und χo sind
2
die Kernschwingungswellenfunktionen des Singulett-/Triplettzustands. Suo
wird allgemein als
Franck-Condon-Faktor F bezeichnet.
Die numerische Berechnung strahlender Konstanten ist trotz der genauen Kenntnis des Mechanismus mit großen Schwierigkeiten verbunden. Es ist jedoch in bestimmten Experimenten
möglich, zwischen den Konstanten des strahlenden und des nicht strahlenden Zerfalls zu unterscheiden. Kellogg und Bennett [10] stellten so fest, dass der strahlende Zerfall optisch angeregter Triplettzustände aromatischer Kohlenwasserstoffe mit einer Geschwindigkeitskonstante von kP ≈ 0, 03 s−1 verläuft. Die beobachteten Triplettlebensdauern sind jedoch durchweg
kürzer als es dem Wert 1/kP ≈ 30 s entspricht. Der die Triplettlebensdauern bestimmende
Mechanismus muss also der strahlungslose Zerfall sein.
1.2.7. Der strahlungslose Zerfall
Die strahlungslose Energieabgabe innerhalb einer Spinmultiplizität (IC) oder zwischen verschiedenen Spinmultiplizitäten (ISC) erfolgt über Molekül- und Gitterschwingungen, im Falle
von ISC verbunden mit Spin-Bahn-Kopplungen. Die Abbildung 1.8 und 1.9 verdeutlichen
diesen Vorgang.
Abb. 1.8.: Schematische Darstellung von IC-Übergängen
16
Blitzlichtphotolyse
In Abbildung 1.8 geht der Grundschwingungszustand des S2 wegen maximalem Franck-CondonFaktor F (gilt auch für strahlungslose Prozesse!) schnell in einen angeregten Schwingungszustand des S1 über (IC) und relaxiert unter Energieabgabe an die Matrix (Relaxation üblicherweise über C-H-Schwingungen) in den Grundzustand des S1 (SR). Der Übergang von S1
nach S0 erfolgt langsamer, da der Franck-Condon-Faktor F der S1 (v = 0) und S0 (v = 10)
Zustände relativ klein ist.
Als Konkurrenzprozess wird ab dem S1 natürlich die Fluoreszenz auftreten, da für strahlende
Prozesse das Überlappungsintegral zwischen S1 (v = 0) und S0 (v = 0) entscheidend ist. Die
Emission von IR-Quanten als Relaxationsprozess ist in allen Fällen sehr unwahrscheinlich.
Abb. 1.9.: Schematische Darstellung von ISC-Übergängen
In Abbildung 1.9 erfolgt nach Schwingungsrelaxation in den Grundzustand von S1 ein schneller
Übergang (großes F ) zum Triplettzustand, Schwingungsrelaxation und nochmaliger T → S
Übergang führen in den Grundzustand S0 . Je kleiner der Abstand zwischen S1 und T1 ist,
desto schneller erfolgt der Übergang zwischen S1 und T1 .
1.2.8. Die quantenmechanische Beschreibung des strahlungslosen
Übergangs
Die strahlungslosen Übergänge werden durch zeitliche Änderungen der inter- und intramolekularen Coulomb-Wechselwirkungen hervorgerufen. Die Frequenz dieser Änderungen entspricht dabei der Frequenz der Kernschwingungen von Molekül und Umgebung. Die in der
Born-Oppenheimer-Näherung berechneten Elektronenfunktionen verlieren dadurch ihren stationären Charakter, es muss die zeitabhängige Schrödingergleichung benutzt werden. Der
Störoperator, der bisher vernachlässigt wurde, ist der Operator der kinetischen Energie der
Kerne Ĥvib . Er bewirkt wie ĤSB die Zumischung weiterer Elektronenfunktionen zu S und T
durch die Schwingung des Kerngerüsts (,,Schwingungkopplung“). Da bei ISC zusätzlich die
Spinmultiplizität gewechselt wird, lautet der Gesamtstöroperator ĤISC
ĤISC = Ĥvib + ĤSB .
17
(1.17)
Blitzlichtphotolyse
Die Wahl des Operators Ĥvib und der zugehörigen Wellenfunktionen unterscheidet die Theorien über strahlungslose Prozesse. Robinson und Frosch [11] nehmen an, dass nur intramolekulare Wechselwirkungen für strahlungslose Prozesse wesentlich sind. Intermolekulare Anteile
an Ĥvib werden nur indirekt berücksichtigt, sie führen zu einem Quasikontinuum von Moleküleigenfunktionen mit der Dichte ρ (,,Verbreiterungsmechanismus“ bzgl. der Termwerte).
Damit erbeben sich Matrixelemente der Form
Ĥ =< S0 χu Ĥvib T1 χ0 > .
(1.18)
Diese sind bei Gültigkeit der Born-Oppenheimer-Näherung gleich Null. Sind die Wellenfunktionen jedoch zeitabhängig, so ist Ĥ 6= 0. Besonders große Werte nimmt Ĥ dann an, wenn die
Energien der Zustände χu und χo gleich sind. Die Wahrscheinlichkeit strahlungsloser Prozesse
ergibt sich dann zu
2
ρ Ĥ .
(1.19)
kISC ∼
2
∆ES,T
ρ beschreibt die Dichte der Zustände, zu denen ein strahlungsloser Übergang möglich ist. Die
Separation von Elektronen- und Schwingungsanteil führt zu:
ρ
ρ
2
2
kISC ∼
Ĥ
<
S
C F.
(1.20)
0 vib T1 > < χu |χo > =
2
2
∆ES,T
∆ES,T
Wie kP ist auch kISC proportional zum Franck-Condon-Faktor F und entspricht M 2 in Gleichung (1.16). Neu hingegen ist der Faktor ρ, der mit zunehmender Kopplung des Übergangs
mit der Umgebung (Matrix) offensichtlich den Prozess beschleunigt.
In einem vielatomigen Molekül ist der Franck-Condon-Faktor F kein einfaches Integral über
zwei Schwingungseigenfunktionen, es muss vielmehr über alle beteiligten Normalschwingungen
integriert werden. Ähnliches gilt für alle bisher erwähnten Operatoren, bei denen es sich
eigentlich um Vielteilchenoperatoren handelt.
Die in Gleichung (1.20) behandelte Abhängigkeit zwischen kISC und ∆ES,T wurde erstmals
von Kellogg und Wyeth [12] experimentell nachgewiesen. Die Auftragung von log τISC (=
log(1/kISC )) gegen ∆ES,T ergab eine lineare Abhängigkeit.
Da an dem ISC-Prozess bei kondensierten Aromaten wesentlich die C-H-Schwingungen beteiligt sind (nur sie können die Schwingungsenergie effektiv an die Matrix abgeben!), muss
das Verhältnis der C- und H-Atome im Molekül die Lebensdauer τ mitbestimmen. Bei der
Auftragung von log τ gegen
NH + NC
∆E − 7, 9 · 10−20 [J]
NH
(NH , NC : Anzahl der H-, C-Atome im Molekül)
erhielt Siebrand [13] eine noch bessere Übereinstimmung mit dem Experiment.
Der hier gegebene Einblick in die Theorie der strahlenden und strahlungslosen Prozesse
berücksichtigt keine bimolekularen Reaktionen. Die Überlegungen gelten daher nur unter
stoßfreien Bedingungen, wie sie in fester Matrix näherungsweise realisiert werden können.
18
Blitzlichtphotolyse
Literatur
1. Kellogg, Benett, J. Chem. Phys. 41, 3042 (1964). [10]
2. Robinson, Frosch, J. Chem. Phys. 38, 1187 (1963). [11]
3. Kellogg, Wyeth, J. Chem. Phys. 45, 3156 (1966). [12]
4. Siebrand, J. Chem. Phys. 44, 4055 (1966). [13]
5. N.J. Turro, Modern Molecular Photochemistry. [14]
6. H.G.O. Becker, Einführung in die Photochemie. [15]
7. Haken, Wolf, Atom- und Quantenphysik. [16]
8. Heckmann, Träbert, Einführung in die Spektroskopie der Atomhülle. [17]
1.3. Experimenteller Teil
1.3.1. Aufbau der Apparatur
In Abbildung 1.10 ist der Aufbau des Blitzlichtphotolyse-Experiments schematisch dargestellt.
Das Messlichtsystem besteht aus einer Lampe, einem Monochromator und einem Photomultiplier. Das auf den Photomultiplier fallende Licht wird in eine intensitätsproportionale Spannung umgewandelt und einem Transientenrecorder zugeführt. Dieser speichert das Signal mit
einstellbarer Zeit- und Empfindlichkeitsbasis. Nach Abschluss des Speichervorgangs kann das
Signal mittels eines Druckers ausgegeben werden.
Abb. 1.10.: Blockschema der kinetischen BlitzphotolyseApparatur
Als Auslösesignal zu Beginn des Speichervorganges kann entweder das Signal selbst dienen
(interner Trigger), oder es wird (als externer Trigger) ein beim Auslösen des Blitzes zur
Verfügung stehender Spannungsimpuls benutzt.
19
Blitzlichtphotolyse
1.3.2. Durchführung des Versuchs
Anhand der Anleitung zur Blitzlichtphotolyse-Apparatur werden die Geräteeinstellungen nachgeprüft.
Die zu untersuchenden Verbindungen sind in einer Konzentration von ca. 105 mol/l in eine
Polymethylmethacrylat-Matrix eingebaut. Jeweils eine dieser zylinderförmigen Proben wird
in den Strahlengang zwischen die beiden Blitzröhren eingesetzt.
Abb. 1.11.: Beispiel für eine transiente Absorption und Zerfall nach 1. Ordnung
Nach Auslösen des Blitzes wird eine zeitlich abhängige Schwächung der Messlichtintensität
erwartet, die auf der blitzinduzierten Besetzung des Triplettzustände der Kohlenwasserstoffe
und deren nachfolgenden Entvölkerung beruht. In Abbildung 1.11 ist ein Beispiel einer solchen
transienten Absorption dargestellt.
Nach Lambert und Beer berechnet sich die Extinktion der Probe bei einem bestimmten Zeitpunkt zu
I0
E (t) = log
= ε · c (t) · d,
(1.21)
I (t)
20
Blitzlichtphotolyse
mit
E (t) = Extinktion
I0 = Intensität bei t = t0
I (t) = Intensität zum Zeitpunkt t
ε = Extinktionskoeffizient (Proportionalitätsfaktor)
c (t) = Konzentration zum Zeitpunkt t
d = Schichtdicke
1.3.3. Aufgaben
1. Nehmen Sie die Triplett-Triplett-Absorptionsspektren folgender Verbindungen auf:
1,2,5,6-Dibenzoanthracen (I)
Chrysen (II)
Coronen (III)
Picen (IV)
Anthracen (V)
C22 H14
C18 H12
C24 H12
C22 H14
C14 H10
2. Bestimmen Sie das Absorptionsspektrum der Proben, indem Sie von 400 nm bis 650 nm
in Schrittten von 10 nm die Absorptionssignale aufnehmen und die Extinktion zu einem
bestimmten, immer gleichen Zeitpunkt nach der Blitzauslösung berechnen und in ein
Diagramm eintragen.
3. Bestimmen Sie die Absorptionsmaxima dieser Verbindungen.
4. Bestimmen Sie die Lebensdauer der Triplettzustände dieser Verbindungen. Bestimmen
Sie hierzu zuächst die Zerfallskonstante des Triplettzustandes im Absorptionsmaximum.
Die Zeitbasis muss dazu so groß gewählt werden, dass das ganze Zerfallssignal auf dem
Oszilloskopschirm sichtbar wird. Nach Lambert-Beer gilt wieder
E (t) = log
I0
= C (t) · ε · d.
I (t)
(1.22)
Für eine Reaktion 1. Ordnung gilt ausserdem
ln C (t) = ln C (0) − kt
(1.23)
oder mit obiger Gleichung (1.22)
ln E (t) = ln E (0) − kt .
(1.24)
Trägt man ln E (t) gegen die Zeit t auf, erhält man eine Gerade mit der negativen Geschwindigkeitskonstanten des Triplettzerfalls als Steigung. Der Kehrwert der Geschwindigkeitskonstanten 1. Ordnung ist die Lebensdauer τT1 .
21
Blitzlichtphotolyse
1.3.4. Sicherheitshinweise
Bitt Informieren Sie sich über die Gefahren von Hochspannung, UV-Licht sowie über die im
Versuch verwendeten Gefahrstoffe Anthracen, 1,2,5,6-Dibenzoanthracen, Chrysen, Coronen
und Picen.
22
23
2. UV/VIS- und
Fluoreszenzspektroskopie
Themen des Kolloquiums
•
•
•
•
•
•
•
Absorptions-, Fluoreszenzspektren
Franck-Condon-Prinzip, Born-Oppenheimer-Näherung
harmonischer/anharmonischer Oszillator
Isosbestischer und isostilber Punkt
Försterzyklus
chromophore Gruppen, Solvatochromie
Excimere
2.1. Einleitung
Dieser Versuch besteht aus drei Teilen. Der erste Teil behandelt die unterschiedlichen Säurestärken von Grund- und elektronisch angeregetem Zustand am Beispiel des 2-Naphtols. Dessen
Dissoziationsgrad wird bei verschiedenen pH-Werten mittels Absorptions- und Fluoreszenzspektroskopie verfolgt. Der zweite Teil behandelt den Einfluss von Lösungsmolekülen auf die
Farbe eines Farbstoffs (Solvatochromie). Dipolare Kopplungen einhergehend mit Rot- und
Blauverschiebungen von Absorption und Fluoreszenz sind hier von Bedeutung. Der dritte
Teil befasst sich mit der Bildung von Excimeren, Teilchen (Dimere), die nur im elektronisch
angeregten Zustand existieren können.
2.2. Protolytische Reaktionen im Grund- und angeregten
Zustand.
2.2.1. Theoretischer Teil.
Die Stärke von Säuren und Basen ist unter anderem abhängig von der ElektronendichteVerteilung im Molekül. So nimmt in der Reihe
CH3 COOH; CH2 FCOOH; CHF2 COOH; CF3 COOH
bekanntlich die Säurestärke mit zunehmendem Fluorgehalt zu, da aufgrund der elektronenanziehenden Wirkung des Fluors die Abspaltung des Protons durch die verringerte Elektronen-
UV-VIS
dichte am Sauerstoff begünstigt wird.
Nimmt man nun an, dass bei ein und demselben Molekül die Elektronenverteilung im angeregten Zustand wesentlich von der Elektronenverteilung im Grundzustand verschieden ist, dann
müsste analog ein Unterschied der Säure- bzw. der Basestärke im Grund- und angeregten
Zustand vorhanden sein.
So können beim Phenol z. B. die in Abb. 2.1 gezeigten Grenzstrukturen angenommen werden:
Abb. 2.1.: Grenzstrukturen von Phenol
Im Grundzustand sind vor allem die beiden energiegleichen Strukturen I und II beteiligt.
Struktur III, die wegen der Ladungstrennung wesentlich größere Energie besitzt als I und II,
liefert keinen nennenswerten Beitrag zum Grundzustand, der ja minimale Energie besitzen
soll. Im angeregten Zustand müssen aber energiereichere polare Strukturen des Moleküls, wie
III, berücksichtigt werden, woraus sofort folgt, dass die Ladungsverteilung eine andere sein
muss. Im Falle des Phenols sinkt die Elektronendichte am Sauerstoff, was eine wesentlich leichtere Abspaltung des Protons, mit anderen Worten, eine erhöhte Säurestärke im angeregten
Zustand erwarten lässt. Analoge Überlegungen lassen sich auch bei aromatischen Carbonsäuren und Aminen durchführen.
Die Geschwindigkeit protolytischer Reaktionen ist so rasch, dass während der Lebensdauer des
angeregten Zustandes von etwa 10−9 s die Neueinstellung des durch die Anregung veränderten
protolytischen Gleichgewichts erfolgen kann. Im geeigneten pH-Bereich (pK ∗ < pH < pK)
wird somit das bei diesem pH völlig undissoziierte Phenol angeregt und kann noch vor der
Emission entsprechend der höher gewordenen Säurestärke ein Proton abspalten und dann
nicht mehr als Phenol, sondern als Phenolatanion fluoreszieren. Fluoreszenzspektren die bei
verschiedenen pH-Werten aufgenommen wurden erlauben, die Geschwindigkeitskonstanten
von Assoziation und Dissoziation im angeregten Zustand zu ermittelt. Diese Möglichkeit kann
an der Protolyse des 2-Naphthol aufgezeigt werden (Abb. 2.2).
Abb. 2.2.: Protolyse von 2-Naphthol.
2.2.1.1. Bestimmung der Dissoziations- und Assoziationskonstanten bei der Protolyse
von 2-Naphthol im angeregten Zustand.
Es gilt folgendes Schema
24
UV-VIS
kd∗
BG RO−∗ + H3 O+
H2 O + ROH FGGGGGG
GGGGG
∗
ka
1
1
A ↑↓
A′ ↑↓
τ
τ′
kd
H2 O + ROH FGGGGGB
GGGGG RO− + H3 O+
ka
∗
Abb. 2.3.: Schema von Dissoziation und Assoziation eines Moleküls in Grund- und angeregtem Zustand.
Die kinetischen Gleichungen lauten
d
1
∗
∗
· [ROH∗ ] + ka∗ [H3 O+ ][RO−∗ ] + A
[ROH ] = − kd +
dt
τ
1
d
−∗
∗
+
[RO ] = − ka [H3 O ] + ′ · [RO−∗ ] + kd∗ [ROH∗ ]
dt
τ
(2.1)
(2.2)
wobei A die Rate der durch Lichtabsorption überführten Moleküle von ROH nach ROH∗ pro
Volumeneinheit ist. Handelsübliche Lichtquellen (ausgenommen gepulste Laser) sind nicht
intensiv genug, um die Konzentration der Moleküle im Grundzustand merklich ändern zu
können. Deshalb bleibt A zeitlich konstant.
Das in Abb. 2.3 beschriebene System erreicht sehr schnell sein Gleichgewicht. Auf welcher
Seite dieses liegt, hängt von der Konzentration der H3 O+ -Ionen ab. Ist [H3 O+ ] hoch, wird
vorwiegend Fluoreszenzlicht der undissoziierte Form (ROH∗ ) festgestellt, während bei geringer
H3 O+ -Konzentration vor allem das Licht der dissoziierten Form [RO−∗ ] zu sehen ist. Für eine
erfolgreiche Durchführung des Versuchs muss die Wellenlängendifferenz des Fluoreszenzlichts
der beiden Spezies groß genug sein, um die Fluoreszenzbanden klar trennen zu können.
Fluoresziert die undissoziierte Form bei der Wellenlänge λ und die dissoziierte Form bei λ′
und sind die Konzentration von dissoziierter und undissoziierter Form umgekehrt proportional
zueinander, ergibt sich Abb. 2.4. Dies kann erreicht werden, indem man z. B. ein Experiment
bei verschiedenen pH-Werten (beispielsweise durch Zugabe von verschiedenen Pufferlösungen
oder Natronlauge) durchführt.
Im stationären Fall werden die beiden Ableitungen der Gleichungen (2.1) und (2.2) zu Null
und man kann die stationären Konzentrationen ausrechnen gemäß
[ROH∗ ] = τ A
ka∗ [H3 O+ ]τ ′ + 1
ka∗ [H3 O+ ]τ ′ + 1 + kd∗ τ
(2.3)
kd∗ τ ′ τ A
[RO ] = ∗
.
(2.4)
ka [H3 O+ ]τ ′ + 1 + kd∗ τ
I sei die Fluoreszenzintensität, die ausschließlich von ROH∗ stammt. Da die Intensität von
Fluoreszenzstrahlung proportioanl zur Konzentration der sie emittierenden Spezies ist, kann
I unter Verwendung von Gl. (2.3) wie folgt ausgedrückt werden
−∗
k∗ τ ′
1
1 τ′
1
I
= ∗ + a∗ [H3 O+ ] = ∗ +
[H3 O+ ].
I∞ − I
kd τ
kd τ
kd τ
K∗ τ
25
(2.5)
UV-VIS
I(
)
I'
I
i
'
Abb. 2.4.: Idealisierte Fluoreszenspektren eines dissoziierenden Moleküls bei verschiedenen pH-Werten. Die undissoziierte Form fluoresziert bei der Wellenlänge
λ und die dissoziierte Form bei der Wellenlänge λ′ . Da die Summe der Konzentrationen der beiden emittierenden Spezies konstant ist, treffen sich die
Linien aller Spektren in einem Punkt gleicher Emission I(λi ), dem sogenannten isostilben oder auch isoemissiven Punkt. Dieser Punkt ist analog
dem isosbestischen Punkt der Absorptionsspektroskopie.
26
UV-VIS
Für die dissoziierte Form RO−∗ gilt gemäß Gl. (2.4)
I0′
ka∗ τ ′
[H3 O+ ]
=
1
+
∗
′
I
1 + kd τ
(2.6)
K ∗:
Gleichgewichtskonstante des angeregten Zustands
′
I und I :
Fluoreszenzintensität von ROH∗ bzw. RO−∗
Indizes 0 und ∞: Grenzfälle für die H3 O+ -Konzentrationen gegen 0 und ∞
kd∗ und ka∗ :
Geschwindigkeitskonstanten der Dissoziation bzw. Protonierung im
angeregten Zustand.
′
τ und τ :
Fluoreszenzlebensdauern des Napthols und des Naphtholats
Es ist zu beachten, dass schon im Bereich 10−2 − 10−3 mol l−1 die Ionenkonzentration von
der Ionenaktivität zu unterscheiden ist. Für den Aktivitätskoeffizienten f± gilt im für die
Auswertung wichtigen Konzentrationsbereich
p
A [H3 O+ ]
p
,
(2.7)
− log f± =
1 + R0 B [H3 O+ ]
mit A = 1.24 · 106 /(εr T )3/2 und B = 5.03 · 109 /(εr T )1/2 . R0 ist der mittlere Radius des
hydratisierten Ions (ca. 5 Å) und ǫr die relative Dielektrizitätskonstante der Lösung. Somit
muss bei der Auswertung nach Gleichung (2.5) gegen den Wert [H3 O+ ]·f± aufgetragen werden.
Die Fluoreszenzlebensdauern τ und τ ′ werden aus kinetischen Messungen (Phasenfluorimetrie
oder Single-Photon-Counting) bestimmt. Für 2-Naphthol ergeben sich τ ′ = 8 ns und τ =
11 ns.
2.2.1.2. Bestimmung der Gleichgewichtskonstanten im Grundzustand.
Der Extinktionskoeffizient einer Mischung aus ROH und RO− ist
ε=
εROH · [ROH] + εRO− · [RO− ]
[ROH] + [RO− ]
(2.8)
Da die Gesamtkonzentration [ROH] + [RO− ] konstant bleibt, ist es praktisch, ε durch den
Dissoziationsgrad
[RO− ]
α=
(2.9)
[ROH] + [RO− ]
auszudrücken. Damit wird der Extinktionskoeffizient zu
ε = (1 − α)εROH + αε−
RO .
(2.10)
Die Gleichgewichtskonstante K wird zu
K=
[RO− ] · [H3 O+ ]
α
=
· [H3 O+ ].
[ROH]
1−α
(2.11)
Am Halbwertspunkt α = 1/2 haben wir also den speziellen Fall, dass der pH-Wert gerade
mit dem gesuchten pK-Wert übereinstimmt, denn es gilt: pK = − log K = − log[H3 O+ ] =
27
UV-VIS
pHα=1/2 . Die α-Werte lassen sich mit Hilfe von Gleichung (2.10) leicht aus Absorptionsspektren extrahieren. Dabei empfiehlt es sich, bei der Auswertung eine Wellenlängen zu wählen,
bei der die Extinktionskoeffizienten εROH und εRO möglichst verschieden sind, denn in isosbestischen Punkten wo εROH = εRO− ist, wird ε von α (d.h., von [H3 O+ ]) unabhängig, wie
man leicht in Gleichung (2.10) sehen kann. In der Nähe solcher Punkte sollte die Auswertung
auf keinen Fall gemacht werden!
2.2.1.3. Der Zusammenhang zwischen pK- und pK∗ -Werten (Förster-Zyklus)
Das undissoziierte Molekül ROH und das Anion RO− weisen im allgemeinen Fall unterschiedliche Anregungsenergien E und E ′ auf. Wie in der folgenden Herleitung gezeigt werden soll,
besteht ein interessanter Zusammenhang zwischen den Differenzen E − E ′ und pK-pK ∗ , der
es erlaubt, den Wert pK-pK ∗ spektroskopisch zu bestimmen.
Aus der Beziehung zwischen der Gleichgewichtskonstanten K und der freie Standardreaktionsenthalpie ∆R G0 ,
∆R G0
,
(2.12)
ln K = −
RT
ergibt sich wegen pK = − log K = − ln K/ ln 10
∆R G0 − ∆R G0∗
.
RT ln 10
(2.13)
(∆R H 0 − ∆R H 0∗ ) − T (∆R S 0 − ∆R S 0∗ )
RT ln 10
(2.14)
pK − pK ∗ =
Mit ∆G = ∆H − T ∆S wird (2.13) zu
pK − pK ∗ =
Näherungsweise kann man annehmen, dass die Standardreaktionsentropien der Deprotonierung im Grundzustand und im angeregten Zustand gleich groß sind, also ∆R S 0 = ∆R S 0∗ .
Damit vereinfacht sich (2.14) zu
pK − pK ∗ =
(∆R H 0 − ∆R H 0∗ )
RT · ln 10
(2.15)
Die Standardreaktionsenthalpie berechnet sich aus der Summe der Standardbildungsenthalpien der Produkte minus derjenigen der Edukte, also
∆R H 0∗ = ∆Hf0 (RO−∗ ) + ∆Hf0 (H3 O+ ) − ∆Hf0 (ROH∗ ) − ∆Hf0 (H2 O)
(2.16)
∆R H 0 = ∆Hf0 (RO− ) + ∆Hf0 (H3 O+ ) − ∆Hf0 (ROH) − ∆Hf0 (H2 O).
(2.17)
Das Subtrahieren von (2.17) und (2.16) gibt
∆R H 0∗ − ∆R H 0 = ∆Hf0 (RO−∗ ) − ∆Hf0 (RO− ) − ∆Hf0 (ROH∗ ) − ∆Hf0 (ROH) . (2.18)
In geschwungenen Klammern stehen gerade die Energien die nötig sind, um vom Grundzustand aus einen angeregten Zustand zu erreichen, also E ′ und E. Es gilt noch zu beachten,
28
UV-VIS
dass Enthalpien üblicherweise für ein ganzes Mol angegeben werden (J mol−1 ), Absorptionsenergien aber für ein einzelnes Molekül definiert sind (J). Aus Gl. (2.18) folgt somit
∆R H 0∗ − ∆R H 0 = NA (E ′ − E).
(2.19)
Zwischen der Übergangsenergie und der Frequenz bzw. Wellenzahl unter der Absorption auftritt besteht der Zusammenhang E = hνROH = hcν̃ROH (bzw. E ′ = hνRO− = hcν̃RO− ). Setzt
man nun noch Gl. (2.19) in Gl. (2.15) ein, folgt das Resultat
pK − pK ∗ =
hc
NA (E − E ′ )
=
(ν̃ROH − ν̃RO− ).
RT · ln 10
kT · ln 10
(2.20)
Nun tritt Absorption aber nicht diskret bei nur einer einzigen Wellenzahl auf, sondern erscheint in Form breiter Absorptionsbanden. Es böte sich an, für ν̃ROH und ν̃RO− gerade die
Wellenzahlen maximaler Absorption zu wählen. Dies wäre aber, wie im folgenden Unterkapitel
gezeigt werden soll, nicht richtig.
2.2.1.4. Vergleich von Fluoreszenz und Absorption
Für die folgenden Betrachtungen sei auf das Termschema von Abb. 2.5 verwiesen. Weitere
Erläuterungen zu diesem Thema können außerdem in den Theorieteilen der Versuche ,,Elektronenschwingungspektroskopie“ und ,,Blitzlichtphotolyse“ gefunden werden.
Abb. 2.5.: Termschema einer Säure in der dissoziierten und undissoziierten Form.
Bei der Absorption von Licht wird das Molekül in einen elektronisch angeregten Zustand
angehoben. Zusätzlich können, bzw. müssen nach dem Franck-Condon-Prinzip Schwingungen
angeregt werden. Der 0-0-Übergang (Übergang vom 0-ten Schwingungsniveau des elektronischen Grundzustands in das 0-te Schwingungsniveau des elektronisch angeregten Zustands)
benötigt hierzu, wie in Abb. 2.5 leicht zu erkennen ist, die geringste Energie. Für ein Absorptionsspektrum ergäbe sich eine Kurve, wie in Abb. 2.6 dargestellt.
29
UV-VIS
Durch Stöße mit Nachbarmolekülen gibt das angeregte Molekül seine Schwingungsenergie
wieder ab, bis es den Schwingungsgrundzustand erreicht hat. Von hier aus kann nun ein
strahlender Übergang in den elektronischen Grundzustand stattfinden, der aber gemäß dem
Franck-Condon-Prinzip wieder vorwiegend zu angeregten Schwingungsniveaus führt. Der 00-Übergang besitzt nun die größte Energie. Dieser Mechanismus erklärt, warum Fluoreszenzspektren bei kleineren Frequenzen (bzw. Wellenzahlen) auftreten als Absorptionsspektren
(Abb. 2.6). Dieser Effekt ist auch unter dem Begriff Stokesregel oder Stokes’sche Rotverschiebung bekannt.
Abb. 2.6.: Fluoreszenz und Absorption bei bestimmtem pH-Wert. Die Fluoreszenzsbande erscheint als Spiegelbild der Absorptionsbande, ist aber zu kleineren Wellenzahlen verschoben. Nur die 0-0-Übergänge fallen zusammen.
Absorptions- und Fluoreszenzbande beinhalten beide den 0-0-Übergang, durch den auch die
Übergangsenergie E (bzw. E ′ ) charakterisiert ist. Die Wellenzahl dieses Übergangs kann herausgefunden werden, indem eine geeignete Absorptionsbande und die zugehörige Fluoreszenzbande in die selbe Grafik kopiert und beide Banden auf die gleiche Größe skaliert werden,
so wie in Abb. 2.6 gezeigt. Die beiden Kurven schneiden sich im 0-0-Übergang. Auf diese
Weise lassen sich die gesuchten Wellenzahlen ν̃ROH und ν̃RO− herausfinden und folglich auch
pK − pK ∗ berechnen.
30
UV-VIS
2.2.2. Experimenteller Teil
2.2.2.1. Aufnahme von Spektren
Aufgabe 1:
Stellen Sie 50 ml der 2·10−3 M Stammlösung von 2-Naphthol in Wasser her. Die Stammlösung
wird mit folgenden im Voraus vorbereiteten Lösungen jeweils im Verhältnis 0,5 ml : 2 ml
verdünnt.
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
h)
pH
pH
pH
pH
pH
pH
pH
pH
= 1
= 2
= 3
= 5
= 7
= 9
= 10
= 13
(Pufferlösung)
(Pufferlösung)
(Pufferlösung)
(Pufferlösung)
(H2 0 destilliert)
(Pufferlösung)
(Pufferlösung)
(Pufferlösung)
Nehmen Sie Fluoreszenz- und Absorptionsspektren der ganzen Lösungsreihe auf. Verwenden
Sie dabei 1 cm Fluoreszenzküvetten aus Quarzglas. Fluoreszenzspektren sind in der rechteckigen Anordnung aufzunehmen.
Messbereiche:
335 - 500 nm für die Fluoreszenz bei der Anregungswellenlänge 330 nm
300 - 400 nm für die Absorption (unbedingt mit einer Vergleichsküvette
die reines Lösungsmittel enthält)
Aufgabe 2:
Vergleichen Sie die Fluoreszenzspektren reiner undissoziierter und dissoziierter Formen bei
pH=1 und pH=13. Wählen Sie zwei Wellenlängen λ und λ′ aus, bei denen praktisch nur eine
der beiden Formen emittiert. Analysieren Sie die Fluoreszenzspektren im pH-Bereich 1 bis 7
mit den Gleichungen (2.5) und (2.6) und bestimmen Sie die Werte kd∗ , ka∗ und pK ∗ .
Aufgabe 3:
Die folgende Auswertung wird an den Absorptionsspektren durchgeführt. Legen Sie als erstes
eine Wellenlängen λ1 fest, bei der möglichst nur die dissoziierte Form absorbiert. Bei dieser
Wellenlänge wird, gemäß Gleichung (2.10), der Extinktionskoeffizient ε proportional zu α,
weswegen eine Auswertung dort besonders einfach wird.
Bestimmen Sie die Absorption beim größten pH-Wert, und berechnen Sie daraus den Absorptionskoeffizienten (εRO− ) der dissoziierten Form. Gehen Sie davon aus, dass bei diesem
pH-Wert die Dissoziation vollständig erfolgt ist. Ermitteln Sie nun α für alle Messungen mit
pH ≥ 5. Verwenden Sie hierzu Gl. (2.10). Tragen Sie α über die pH-Werte auf und bestimmen Sie grafisch den pH-Wert, bei dem α die Hälfte seines Maximalswerts erreicht. Wegen
pK = pHα=1/2 (s. Gl. 2.11) ist der gesuchte pK-Wert somit gefunden.
Der Einfluss der Ionenstärke (s. Gl. (2.7)) muss bei dieser Aufgabe nicht berücksichtigt werden.
31
UV-VIS
Aufgabe 4:
Werten Sie die Fluoreszenz- und Absorptionsspektren wie in Abschnitt 2.2.1.4 gezeigt aus,
und berechnen Sie mit Hilfe von Gleichung (2.20) anschließend pK-pK ∗ . Vergleichen Sie dieses
Resultat mit den Ergebnissen der vorherigen Aufgaben und diskutieren Sie die Abweichungen.
Diskutieren Sie auch die Werte kd∗ , ka∗ , K und pK ∗ . Was sagen sie aus?
2.3. Dipolmoment angeregter Moleküle
Werden Absorptionsspektren von Farbstoffen in Lösungsmitteln unterschiedlicher Polarität
aufgenommen, so kann in Abhängigkeit von der Stärke der Lösungsmittelpolarität eine Veränderung der Lage der Absorptionsbande und der Fluoreszenzbande beobachtet werden. Dieser
Effekt kann dazu verwendet werden, bei bekanntem Dipolmoment des Grundzustands, das
Dipolmoment des angeregten Zustands zu berechnen.
2.3.1. Theoretischer Teil
Abb. 2.7.: Einfluss der Lösungsmittelpolarität auf die Lage der Energieniveaus des
Grundzustands (g) und des angeregten Zustands (e)
Löst man einen Farbstoff wie z. B. 1,3,4-trimethylphenazin-2-ol, erscheint er in Eisessig dunkelrot, in Alkohol rot und in Benzol gelb. Jod löst sich je nach Lösungsmittel mit roter,
brauner oder violetter Farbe. Dieser Effekt ist unter der Bezeichung Solvatochromie bekannt.
Zunächst ist die Energie eines elektronischen Übergangs nur durch die Energiedifferenz zwischen Grund- und angeregtem Zustand bestimmt (Abb. 2.7, b)). Befindet sich das Molekül
aber in einem polaren Lösungsmittel und besitzt es ein eigenes Dipolmoment, findet aufgrund
dipolarer Wechselwirkungen eine Absenkung der Energieniveaus statt (siehe Abb. 2.7, a),c)).
Diese ist umso stärker, je größer das Dipolmoment (µ) des betreffenden Zustands ist. Im Falle
32
UV-VIS
von µe ≪ µg (e = angeregt, g = Grundzustand) führt dies zu einer Blauverschiebung (Hypsochromie, Abb. 2.7, a)) des absorbierten Lichts und im Falle µe ≫ µg zu einer Rotverschiebung
(Bathochromie, Abb. 2.7, c)).
Abb. 2.8.: a) Darstellung des Effekts der Lösungsmittelrelaxation. S0 ist der Grundzustand, S1 der angeregte Franck-Condon-Zustand. Durch Umorientierung des
Lösungsmittels relaxiert dieser in den S0′ -Zustand. Die Frequenz der Fluoreszenz νF ′ nach der Lösungsmittelrelaxation ist deutlich geringer als vor der
Lösungsmittelrelaxation νF .
b) Verschiebung der Banden von Fluorezenz und Absorption aufgrund von
Schwingungsrelaxation
Noch stärker wirkt sich der Effekt auf die Fluoreszenz aus. Dies ist neben der Schwingungsrelaxation im Wesentlichen auf sogenannte Lösungsmittelrelaxation zurückzuführen (siehe
Abb. 2.8). Absorptions- und Fluoreszenzprozesse erfolgen innerhalb einer Zeitspanne in der
Größenordnung von 10−15 s, während die Relaxationszeit für die Dipolorientierung (und
auch die Schwingungsrelaxation) im Lösungsmittel bei Zimmertemperatur im Breich von
10−12 − 10−10 s liegt.
Ein Absorptionsübergang führt das System in den Franck-Condon-Zustand S1 in dem die
Orientierung der Lösungsmittelmoleküle noch gleich wie im Grundzustand ist. Während des
elektronischen Übergangs hat sich aber das Dipomoment sprunghaft von µg nach µe geändert
und die Polarisierung des Lösungsmittels ist nun nicht mehr optimal. Die mittlere Zeit zwischen Absorption und Fluoreszenz liegt in der Größenordnung von 10−9 s. Somit besteht für
die Lösungsmittelmoleküle genug Zeit zu relaxieren und dem Gleichgewichtszustand S1′ zuzustreben. Nach einer mittleren Zeit von ca. 10−9 s führt ein Fluoreszenzübergang in den
Franck-Condon-Zustand S0′ , wobei das Dipolmoment wiederum sprunghaft geändert wird.
Durch erneute Reorientierung der Lösungsmittelmoleküle gelangt das Molekül schließlich in
den Grundzustand S0 zurück, wobei wiederum Energie frei wird. Die Umordnungsenergien
von Anergungs- und Grundzustand sind von der gleichen Größenordnung. Ihre Summe und die
daraus resultierende zusätzliche Rotverschiebung gegenüber der Absorption ist umso größer,
je polarer das Lösungsmittel ist.
Im Falle von µe >> µg tritt, wie in Abb. 2.9 zu sehen ist, im polaren Lösungsmittel die Rotverschiebung sowohl bei Absorption als auch bei Fluoreszenz auf. Der Einfluss des Lösungsmittels
auf die Fluoreszenzbande ist additiv und in diesem Fall besonders stark.
Im Falle µe << µg führt die Lösungsmittelrelaxation zwar ebenfalls zu einer Rotverschiebung
33
UV-VIS
der Fluoreszenz, die Absorption ist hingegen blauverschoben. Beide Effekte kompensieren
sich teilweise und die Einflussnahme des Lösungsmittels auf die Lage einer Fluoreszenzbande
bleibt damit gering.
in freiem
Zustand
in polarem
Lösungsmittel
S'A {
in polarem
Lösungsmittel
}
S'F
nA n00 nF
nF
nA
nA
nF
} SF
SA {
me << mg
me >> mg
Abb. 2.9.: Einfluss der Lösungsmittelpolarität auf die Lagen der Absorptionsbanden
(νA ) und die Fluoreszenzbanden (νF ). SA = mittlere thermische Energie des
Grundzustands, SA′ = beim elektronischen Übergang erzeugte Schwingungsenergie, SF′ = thermische Energie des angeregten Zustands, SF = Schwingungsenergie, die beim Fluoreszenzübergang frei wurde. Im freien Zustand
sind die Energien der 0-0-Übergange von Fluoreszenz und Absorption noch
gleich. Im polaren Lösungsmittel hingegen ist aufgrund der Lösungsmittelrelaxation der 0-0-Übergang der Fluoreszenz gegenüber dem der Absorption
rotverschoben.
Eine quantitativen Behandlung des Einflusses von Lösungsmitteln auf Elektronenspektren ist
sehr aufwändig, denn Molekül und Lösungsmittel müssen als ein Gesamtsystem betrachtet
werden. Wir wollen uns daher auf ein stark vereinfachtes Modell beschränken, in dem:
1. das gelöste Molekül als eine Kugel mit dem Radius a angesehen wird, in deren Zentrum
sich ein punktförmiger Dipol µ befindet.
2. das dielektrische Verhalten des umgebenden Lösungsmittels nur durch dessen Dielektrizitätskonstante εr und dessen Brechungsindex nD beschrieben wird.
Für die Wechselwirkungsenergie Ew zwischen dem Dipolmoment µ des gelösten Moleküls und
dem umgebenden Dielektrikum [18] erhält man
Ew =
2µ2 εr − 1
·
.
a3 2εr + 1
(2.21)
Damit kann für die lösungsmittelbedingte Wellenzahldifferenz ∆ν̃0−0 der 0-0-Übergänge von
34
UV-VIS
Absorption und Emission folgender linearer Zusammenhang abgeleitet werden [19],[20]
hc∆ν̃0−0 =
wobei
∆f =
2 (µe − µg )2
· ∆f,
a3
εr − 1
n2 − 1
− D2
.
2εr + 1 2nD + 1
(2.22)
(2.23)
Bei Zimmertemperatur sind aber nicht die 0-0-Übergänge, sondern nur die Bandenmaxima
der untersuchten Lösungen experimentell zugänglich. Ist ν̃A die Wellenzahl des Absorptionsmaximums und ν̃F die des Fluoreszentmaximums, muss gemäß Abb. 2.9 für den Abstand der
Bandenmaxima gelten
ν̃A − ν̃F = ∆ν̃0−0 + (SA′ − SA ) + (SF − SF′ ) ,
(2.24)
wobei SA die mittlere thermische Energie des Grundzustands, SA′ die beim elektronischen
Übergang erzeugte Schwingungsenergie, SF′ die thermische Energie des angeregten Zustands
und SF die beim Fluoreszenzübergang freigewordene Schwingungsenergie ist. Die Summe der
beiden Klammern ist, da SA′ > SA und SF′ < SF ist, sicher positiv und stellt die normale Stoke’sche Rotverschiebung der Fluoreszenz dar. Ausser von der Temperatur hängen die
Parameter SA′ , SA , SF , SF′ sehr stark von der elektronischen Struktur des Moleküls ab. Die
Wechselwirkung zwischen Molekül und Lösungsmittel ist im Vergleich zur inneren (elektronischen) Energie eines Moleküls aber glücklicherweise so gering, dass ein Einfluss des Lösungsmittels auf die elektronische Struktur vernachlässigt werden kann. Dadurch werden auch die
Parameter SA′ , SA , SF , SF′ vom Lösungsmittel unabhängig, und dürfen zu einer Konstanten C
zusammenfasst werden. Somit lassen sich die Gleichungen (2.22) und (2.24) vereinigen zur
Gleichung
2 · (µe − µg )2
∆ν̃ = ν̃A − ν̃F =
· ∆f + C,
(2.25)
h · c · a3
mit
ν̃A = Wellenzahl des Absorptionsmaximums,
ν̃F = Wellenzahl des Fluoreszenzmaximums,
C = Konstante [cm−1 ] und
c = Lichtgeschwindigkeit
Zur Überführung von Gl. (2.25) in das SI-System wird der Faktor 1/(4πε0) ergänzt. Damit
geht Gl. (2.25) über in
(µe − µg )2
1
· ∆f + C .
(2.26)
∆ν̃ =
2πε0
h · c · a3
Wird ∆ν̃ über ∆f aufgetragen, kann bei bekanntem µg und a aus dem Anstieg der Geraden
das Dipolmoment µe ermittelt werden. ∆f muss zuvor mit Hilfe von Gleichung (2.24) aus der
Dielektrizitätskonstanten und dem Brechungsindex des zugehörigen Lösungsmittels berechnet
werden.
(Die exakte Herleitung von Gl. (2.26) wird nicht verlangt, kann aber in Referenz [3] nachgelesen werden.)
35
UV-VIS
2.3.2. Experimenteller Teil
2.3.2.1. Substanzen und Lösungsmittel
Untersucht wird Coumarin 370 (Abb. 2.10):
Abb. 2.10.: 7-Ethylamino-6-methyl-4-trifluormethylcoumarin (Coumarin 370).
Diese Substanz wird aufgrund ihrer intensiven Fluoreszenzeigenschaften in der Praxis als
Laserfarbstoff eingesetzt.
Für die Versuchsreihe werden z. B. folgende Lösungsmittel eingesetzt:
• Cyclohexan
• Diethylether
• Ethylacetat
• i-Propanol
• Cyclohexen
• Acetonitril
• Dioxan
• Pentanol
• Ethanol
• n-Butanol
2.3.2.2. Aufnahme der Spektren
Nehmen Sie die Absorptions- und Fluoreszenzspektren (Anregungswellenlänge: 366 nm) der
gegebenen Substanz in allen Lösungsmitteln auf.
Messbereiche: Absorption 300 ... 450 nm
Fluoreszenz 400 ... 580 nm
Genaue Hinweise zur Bedienung der Spektrometer erhalten Sie am Versuchstag.
2.3.2.3. Auswertung
Die Ergebnisse werden tabellarisch zusammengefasst (2.1)
Das Grundzustandsdipolmoment von Coumarin 370 beträgt µg = 5, 6 D und der Kugelradius
liegt bei a = 0, 4 nm.
Bei gegebenem µg und anhand der aus der Geradensteigung ermittelten Differenz (µe − µg )
erhalten Sie als Ergebnis das gesuchte Dipolmoment des angeregten Zustands µe .
Diskutieren Sie, warum einzelne Punkte nicht auf der Regressionsgeraden liegen, bzw. nicht
in die Regressionsrechnung einbezogen werden sollten (Fehlerbetrachtung). Vergleichen Sie
36
UV-VIS
die beiden Dipolmomente µg und µe . Welcher der beiden Werte ist höher und woran könnte
das liegen?
Tabelle 2.1.: Die relativen Dielektrizitätkonstanten und Brechungsindices verschiedenler Lösungmittel
Lösungsmittel:
ε
nD
Cyclohexan
2,06 1,4263
Cyclohexen
2,22 1,4450
Ethylacetat
6,11 1,3727
Acetonitril
38,80 1,3460
Diethylether
4,40 1,3526
Dioxan
3,00 1,4251
i-Propanol
26,00 1,3775
n-Butanol
19,20 1,3990
Pentanol
13,90 1,4090
Ethanol
24,30 1.3600
∆f
ν̃A [cm−1 ]
ν̃F [cm−1 ]
∆ν̃F [cm−1 ]
2.4. Excimere
2.4.1. Theoretischer Teil
2.4.1.1. Grundlagen
Abb. 2.11.: Potentielle Energie als Funktion des intermolekularen Abstandes für den
Grundzustand und den ersten angeregten Zustand eines Excimeren.
37
UV-VIS
Unter Excimeren versteht man Molekül-Assoziate, die nur in angeregten Elentronenzuständen
existieren. Sie sind deshalb unmittelbar nur in Emissionsspektren, vor allem Fluoreszenzspektren, zu erkennen. Trotz ihrer Kurzlebigkeit sind sie für viele photophysikalische und
photochemische Effekte verantwortlich.
Die Entstehung von Excimeren kann anhand des in Abb. 2.11 gezeigten Potentialkurvenverlaufs erläutert werden. Danach ist der Grundzustand des Excimers instabil, denn bei Verringerung des Molekülabstands nimmt die potentielle Energie stetig zu. Befindet sich aber einer
der beiden Reaktionspartner im elektronisch angeregten Zustand, bildet sich ein Potentialminimum heraus, in dem das Eximer stabilisiert wird.
Fluoreszenzemission und innermolekulare strahlungslose Desaktivierung angeregter Moleküle
A∗ stehen mit chemischen Prozessen gemäß folgendem Schema in Konkurrenz (Abb. 2.12).
Abb. 2.12.: Die Excimerenbildung (kr ) steht mit Fluoreszenzemission (ke ) und strahlungsloser Desaktivierung (kd )in Konkurrenz.
Während die Prozesse mit ke und kd als monomolekulare Reaktionen angesehen werden
können,
d[A∗ ]
= (ke + kd ) · [A∗ ]
(gilt bei kr = 0),
(2.27)
−
dt
ist im Fall eines hinzukommenden “chemischen” Konkurrenzprozesses
d[A∗ ]
= (ke + kd + ka · [B]) · [A∗ ],
dt
wobei ka die Geschwindigkeitskonstante einer bimolekularen Reaktion darstellt.
−
(2.28)
Der Konkurrenzprozess, dies kann eine chemische Reaktion oder auch der Übertrag der elektronischen Anregungsenergie auf ein anderes Molekül sein, führt zu einem schnelleren Verschwinden der fluoreszierenden Substanz A∗ und dadurch zu einer Reduktion der Fluoreszenzintensität. Man spricht dann von Fluoreszenzlöschung oder Quenching.
Die Fluoreszenz-Quantenausbeute φ ist der Bruchteil der angeregten Moleküle, der unter
Emission eines Lichtquants desaktiviert wird und ist somit gegeben durch
φ=
ke
.
ke + kd + kr
(2.29)
Man kann diesen Ausdruck umittelbar verstehen als Quotienten der Häufigkeit der günstigen Ereignisse (Fluoreszenz) und der Häufigkeit aller möglichen Ereignisse. Beträgt also die
absorbierte Intensität Ia [Quanten/s], so ist die Fluoreszenzintensität I = φ · Ia .
38
UV-VIS
Die Fluoreszenzquantenausbeute wird maximal (φ = φmax ), wenn keine Fluroszenlöschung
auftritt. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Löschstoffkonzentration [B] (siehe Abb. 2.12 und
Gl. 2.28) Null ist. Wegen kr = ka · c (ab hier schreiben wir c statt [B]) gilt die Gleichung von
Stern und Volmer
c
φmax
c
= 1 + ke +kd = 1 + ,
(2.30)
φ
ch
k
a
wenn man die anschauliche Bezeichnung Halbwertslösch-Konzentration (ch = ke + kd )/ka
einführt. Für c = ch ist die Fluoreszenzquantenausbeute auf die Hälfte des Maximalwertes
gelöscht. ch kann leicht gemessen werden und dient zur Ermittlung der Geschwindigkeitskonstanten ka . Die Größe (ke +kd ) hat ebenfalls anschauliche Bedeutung als reziproke Abklingzeit
der ungelöschten Fluoreszenz und kann mit einigem Aufwand direkt gemessen werden.
Abb. 2.13.: Fluoreszenzspektren von Anthracen (3 · 10−4 M) in Toluol in Gegenwart
von Diethylanilin der folgenden Konzentration: (a) 0,000 M, (b) 0,005 M,
(c) 0,025 M und (d) 0,100 M
Als Löschstoff können insbesondere auch unangeregte Moleküle des fluoreszenzfähigen Stoffs
selbst wirken. Dies zeigt sich in einer Verringerung der Fluoreszenzintensität gemäß der SernVolmer-Gleichung mit zunehmender Konzentration des fluoreszenzfähigen Stoffs (Konzentrationslöschung). Man kann ohne Bedenken von der Eingabekonzentration als Löschstoffkonzentration ausgehen, denn der Bruchteil der angeregten Moleküle ist im Vergleich dazu
verschwindend gering. Die Reaktion kann wie folgt dargestellt werden
k ·c
a
A∗ + A −−
→ (AA)∗ → A + A + Wärme.
Das Produkt der Löschreaktion führt zum angeregten Dimer (AA)∗ . Solche angeregten Dimere
sind in den meisten Fällen nicht fluoreszenzfähig, auch wenn die Monomere diese Eigenschaften haben. Die Weiterreaktion liefert schließlich wieder die zwei ursprünglichen Monomere,
und die Anregungsenergie wird in Form von Wärme freigesetzt.
39
UV-VIS
2.4.1.2. Die Excimerbildung des Pyrens
Pyren hat die besondere Eigenschaft, dass auch die angeregten Dimere fluoreszenzfähig sind.
Man hat dann das erweiterte Reaktionsschema (Abb. 2.14).
Abb. 2.14.: Reaktionsschema der Eximerenbildung des Pyrens.
Dimere im Grundzustand existieren dabei nicht, weswegen folgender Reaktionsschritt, der
ebenfalls zu angeregten Dimeren führen könnte, nicht stattfindet.
Wie im Reaktionsschema angedeutet, ist auch eine Rückreaktion der Assoziaten im angeregten Zustand zu den Ausgangssubstanzen A und A∗ denkbar. Dieser Prozess würde die
Fluoreszenzintensität der Excimere verringern, spielt in unserem Fall aber erst bei höheren
Temperaturen eine Rolle und kann näherungsweise unberücksichtigt bleiben.
Für die Quantenausbeute der Bildung der Excimere gilt
φr =
ka · c
.
ke + kd + ka · c
(2.31)
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein schon gebildetes Excimer fluoresziert, ist gegeben durch
φ′e =
ke′
.
ke′ + kd′
(2.32)
Die Quantenausbeute der Excimerfluoreszenz muss folglich aus dem Produkt der Gleichungen
(2.31) und (2.32) gebildet werden
φ′ = φr · φ′e =
k′
ka · c
· ′ e ′.
ke + kd + ka · c ke + kd
φ′ wird maximal für c → ∞, nämlich zu φ′max =
ke′
ke′ +kd′
(2.33)
.
Auf gleiche absorbierte Intensität bezogen gilt somit
′
Imax
ch
φ′max
=
=1+
.
′
′
φ
I
c
40
(2.34)
UV-VIS
2.4.2. Experimenteller Teil
Es soll die Konzentrationsabhängigkeit der Fluoreszenz von Pyren in Petrolether und Paraffinöl untersucht werden. Zu diesem Zweck wurden Lösungen folgender Konzentrationen über
einen Einfrier- und Auftauzyklus bei 10−4 mbar von O2 befreit und unter Vakuum abgeschmolzen.
a) Petrolether
C1
C2
C3
C4
C5
= 1, 0 · 10−4
= 2, 5 · 10−4
= 5, 0 · 10−4
= 1, 0 · 10−3
= 2, 0 · 10−3
b) Paraffinöl
M
M
M
M
M
C1
C2
C3
C4
C5
= 1, 0 · 10−3
= 2, 5 · 10−3
= 5, 0 · 10−3
= 1, 0 · 10−2
= 2, 0 · 10−2
M
M
M
M
M
2.4.2.1. Aufnahme der Fluoreszenzspektren
Die Anregung der Moleküle erfolgt bei 333 nm. Der Messbereich der Fluoreszenz liegt bei 370−
620 nm. Bei Berücksichtigung der verschiedenen Absorptionsverhältnisse, d.h. auf konstante
absorbierte Intensität bezogen, ergeben sich Spektren ähnliche denen in Abb. 2.13. Ein Schnitt
durch die Potentialfläche dieser Reaktion zeigt Abb. 2.11. (Siehe auch Übersichtsartikel von
Th. Förster [21]).
2.4.2.2. Auswertung
2.4.2.2.1. Bestimmung der Halbwertskonzentration
Die Berücksichtigung der Absorptionsverhältnisse stellt ein schwieriges Problem dar. Durch
höhere Konzentrationen ändert sich nicht nur die absorbierte Intensität, sondern auch die
geometrischen Eigenschaften der Fluoreszenzprobe. (So rückt z. B. mit zunehmender Konzentration der Lichtschwerpunkt der Fluoreszenz an den vorderen Rand der Küvette).
Die Lösung der Probleme ist prinzipiell möglich, geht aber über den Rahmen dieses Praktikums hinaus. Die Bestimmung der Halbwertskonzentration mit Hilfe der Gleichungen
c
φmax
=1+
φ
ch
(2.35)
und
φ′max
ch
=1+
′
φ
c
wird deshalb über eine Quotientenbildung durchgeführt, gemäß
φmax
φ
φ′max
φ′
oder
=
c
1 + (c/ch )
=
1 + (ch /c)
ch
φ′
c
I′
φ′
= = max · .
φ
I
φmax ch
41
(2.36)
(2.37)
(2.38)
UV-VIS
Die Grenzquantenausbeuten φ′max und φmax betragen für Pyren bei Zimmertemperatur
Excimer:
Monomer:
φ′max = 0, 65
φmax = 0, 62
Durch Auftragen des Quotienten I ′ /I gegen c erhält man Ursprungsgeraden. Aus den Steigungen ermittelt man die Halbwertskonzentrationen. Beachten Sie, dass die Fläche unter der
Excimer- bzw. Monomerbande proportional ist zu I’ bzw. zu I. Näherungsweise lässt sich I’
bzw. I nach folgenden Gleichungen ermitteln
′
I ′ = Irelmax
· b′1/2 und I = Irelmax · b1/2
(2.39)
′
Irelmax
, Irelmax : maximale Instensität der Excimer- bzw. Monomerbande
b′1/2 , b1/2 : Halbwertsbreite der Excimeren- bzw. Monomerenbande
2.4.2.2.2. Bestimmung der bimolekularen Geschwindigkeitskonstanten ka der Assoziation und der Viskosität
Für die Geschwindigkeitskonstante gilt folgende Beziehung (s. Definition der Halbwertskonzentration, Gl. 2.30 )
ke + kd
.
(2.40)
ka =
ch
Die Häufigkeitskonstante ke der Strahlung beträgt 1,3 ·106 s−1 . Die Quantenausbeute ist oben
angegeben.
2.4.2.2.3. Interpretation der Geschwindigkeitskonstanten (Diffusionskontrolle)
Bevor die Moleküle A und A* miteinander reagieren können, müssen sie zunächst zusammenstoßen. Ob nach einem Stoß tatsächlich eine Reaktion stattfindet hängt von Parametern
ab wie: Höhe der Reaktionsbarriere, Begegnungszeit, sterische Eigenschaften, Lösungsmittel,
usw. In Lösung kann man (im Gegensatz zur Gasphase) davon ausgehen, dass die Stoßzeit
lange genug ist, damit ein Stoßpaar mit seiner Umgebung genügend Energie austauschen
kann, um reagieren zu können. Zur genaueren Untersuchung unterteilen wir den Prozess
A + A∗ = AA∗
mit Hilfe eines kinetischen Schemas in einfache Teilschritte. Wir nehmen an, dass die Bildung
des Stoßpaares A- - -A∗ ein Prozess zweiter Ordnung ist:
A + A∗ = A- - -A∗ v = kD [A][A∗ ]
kD ist von den Diffusionseigenschaften von A und A∗ abhängig. Das Stoßpaar kann wieder
auseinander diffundieren, ohne reagiert zu haben, oder es kann ein Excimer AA∗ bilden. Wir
nehmen an, dass beide Reaktionen pseudo-erster Ordnung sind, dann gilt
A- - -A∗ = A + A*
A- - -A∗ = AA∗
42
v = kD′ [A- - -A∗ ]
v = kR [A- - -A∗ ].
UV-VIS
Die Konzentration von A- - -A∗ im quasistationärem Zustand erhält man aus der zugehörigen
Geschwindigkeitsgleichung:
d[A- - -A∗ ]
= kD [A][A∗ ] − kD′ [A- - -A∗ ] − kR [A- - -A∗ ] = 0
dt
Für [A- - -A∗ ] gilt somit
kD [A][A∗ ]
.
[A- - -A∗ ] =
(kD′ + kR )
Das Geschwindigkeitsgesetz für die Bildung des Excimers ist damit
kR ∗ kD
d[AA∗ ]
.
= kR [A- - -A∗ ] = ka [A][A∗ ] mit ka =
dt
(kD′ + kR )
In dieser Gleichung kann man zwei Grenzfälle unterscheiden. Wenn das Stoßpaar viel langsamer in die Edukte dissoziirt als es Excimere bildet, so ist kD′ ≪ kR , und die effektive
Geschwindigkeitskonstante wird
ka ≈
kR ∗ kD
= kD .
kR
Man bezeichnet diesen Fall als diffusionskontrollierten Grenzfall und die Reaktion als diffusionskontrollierte Reaktion. In diesem Fall nimmt die Geschwindigkeitskonstante ka ihren
größten Wert an.
Der zweite Grenzfall ist der einer kinetisch kontrollierten Reaktion, bei der für die Reaktion von A- - -A∗ zu AA∗ eine große Aktivierungsenergie nötig ist. In diesem Fall gilt kR ≪ kD′ ,
und die effektive Geschwindigkeitskonstante wird
ka ≈ kR ∗ kD /kD′ = kR ∗ K,
wobei K die Gleichgewichtkonstante der Reaktion A + A∗ == A- - -A∗ ist. In diesem Grenzfall hängt die Reaktionsgeschwindigkeit davon ab, wie schnell das Reaktionspaar die benötigte
Energie von den umgebenden Solvensmolekülen aufnehmen kann. In diesem Fall ist die Geschwindigkeitskonstante ka immer kleiner als kD .
Nach einer Theorie von Einstein und Smoluchowski gilt für die diffusionskontrollierte Geschwindigkeitskonstante in Abhängigkeit von der Viskosität des Lösungsmittels:
8RT
kD =
mol−1 l s−1
(2.41)
3η
Für Wasser bei 20 ◦ C ist z. B. η = 0, 01 P (= g cm−1 s−1 ).
Diffusionskontrolliert nennt man eine Reaktion, wie wir oben erläutert haben, bei der jeder Zusammenstoß der Partner zur Reaktion führt. Kennt man in einem Lösungsmittel eine
diffusionskontrollierte Reaktion, kann man folglich durch Fluoreszenzmessungen unbekannte Viskositäten anderer Lösungsmittel bestimmen. Umgekehrt kann man aber auch, sofern
die Viskosität des Lösungsmittels bekannt ist, mit Hilfe von Gleichung (2.41) die Maximalgeschwindigkeit einer Reaktion abschätzen und diese mit der gemessenen Geschwindigkeit
vergleichen.
Bestimmen Sie also das Verhältnis ka /kD in den Lösungsmitteln Petrolether und Paraffinöl
(ηPetrolether = 0.013 P; ηParaffinöl = 0, 400 P) und bewerten Sie Ihr Ergebnis!
43
UV-VIS
2.4.3. Sicherheitshinweise
Bite informieren Sie sich über die Gefahren der im Versuch verwendeten Gefahrstoffe. Diese
sind: Organische Lösungsmittel (s. Seite 36), Coumarin, Pufferlösungen, 2-Naptol, Pyren,
Paraffin und Petrolether.
Literatur
1. L. Onsager, J. Am. Chem. Soc. 1936, 58, 1486. [18]
2. E. Lippert, Z. Naturforsch. 1955, 10a, 541. [19]
3. E. Lippert, Z. Elektrochem. Ber. Bunsenges. Physik. Chem. 1957, 61, 962. [20]
4. Th. Förster, Angew. Chem. 81 (1969) 364. [21]
44
45
3. Schwingungs-Spektroskopie
3.1. Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie
Themen des Kolloquiums
•
•
•
•
•
•
•
Fouriertransformation
Fourierspektroskopie (IR, vgl. NMR)
Fourier-Spektralphotometer (Aufbau, Prinzip, Auflösung, ...)
Starrer Rotator, Rotationsspektren, harmonischer Oszillator
Rotationsschwingungsspektren
Auswahlregeln
Schwingungstypen
3.1.1. Allgemeine und theoretische Grundlagen
3.1.1.1. Infrarotstrahlung
Die Infrarotstrahlung lässt sich in folgende Bereiche unterteilen:
Ferninfrarot IR
Wellenlänge λ [m]
Frequenz ν [Hz]
Wellenzahl 1/λ [cm−1 ]
Energie E [kJ/mol]
3 · 10
−3
− 3 · 10
1011 − 1013
3 − 300
4 · 10
−2
−4
−5
mittleres Infrarot MIR
3 · 10
−5
− 2, 5 · 10
−6
Nahinfrarot NIR
2, 5 · 10−6 − 10−6
1013 − 1, 2 · 1014
1, 2 · 1014 − 3 · 1014
4 − 53
53 − 120
300 − 4000
4000 − 10000
Auf der Seite der kürzerwelligen Strahlung schließen sich der sichtbare und der UV-Bereich,
auf der Seite der längerwelligen Strahlung die Mikro-, Kurz- und Radiowellen an. Die Energie
der Infrarotstrahlung ist gerade groß genug, um damit Schwingungen von Molekülen anregen
zu können.
Schwingungsspektroskopie
3.1.1.2. Rotationsschwingungsspektren
Betrachtet man eine harmonische Schwingung eines zweiatomigen Moleküls, die dem linearen
Kraftgesetz F = −Dx (D: Kraftkonstante) gehorcht, so erhält man für die Kreisfrequenz
s
s
D
1 D
; ν0 =
(3.1)
ω0 = 2πν0 =
µ
2π µ
mit der reduzierten Masse
m1 · m2
(3.2)
m1 + m2
und den Massen m1 und m2 der Atome. Für die quantenmechanischen Energiezustände eines
harmonischen Oszillators gilt
1
Ev = h · ν0 v +
(3.3)
2
mit den Schwingungsquantenzahlen v = 0, 1, 2, . . . . Voraussetzung für einen Schwingungsübergang ist die Änderung des elektrischen Dipolmoments, wobei die Auswahlregel für den Übergang zu ∆v = ±1 gegeben ist. Ein mit hinreichender Auflösung aufgenommenes Schwingungsspektrum (für die Gasphase) zeigt zusätzlich eine Rotationsfeinstruktur. Für einen starren
Rotator existieren die Quantenenergien
µ=
EJ = hcBJ (J + 1)
(3.4)
mit den Rotationsquantenzahlen J = 0, 1, 2, . . . , der Rotationskonstante,
B=
h
,
8π 2 cI
(3.5)
dem Trägheitsmoment
I = µr 2
(3.6)
und der Bindungslänge r. Die Entartung der Rotationsniveaus beträgt gJ = 2J + 1. Die
entsprechenden Auswahlregeln lauten ∆J = ±1 für ∆l = 0 (l: Bahndrehimpulsquantenzahl)
oder ∆J = 0 für ∆l = 1. Diese führen zu einem Rotationsschwingungsspektrum (∆v =
+1) mit verschiedenen Absorptionszweigen. Für ∆J = −1 erhält man den sog. P-Zweig mit
Absorptionslinien, welche den Energiedifferenzen
∆EJP = hν0 − hcJ (Bv+1 + Bv ) + hcJ 2 (Bv+1 − Bv )
(3.7)
entsprechen. Für den Q-Zweig gilt, falls ∆l = 1 möglich ist, ∆J = 0 und
∆EJQ = hν0 + hc (Bv+1 − Bv ) J (J + 1)
(3.8)
und für den R-Zweig ∆J = +1 und
∆EJR = hν0 + 2hcBv+1 + hcJ (3Bv+1 − Bv ) + hcJ 2 (Bv+1 − Bv ) .
(3.9)
Die Indices v und v + 1 tragen dem Umstand Rechnung, dass die Rotationskonstante B nicht
konstant ist, sondern mit zunehmender Bindungslänge r für höhere Schwingungszustände
kleiner wird. Ausserdem, hängt B auch von der Rotationsqantenzahl J ab, weil Bindungen
bei hohen Rotationszahlen gedehnt werden können (Zentrifugalaufweitung). Dieser Effekt ist
aber gering und wir wollen ihn in den weiteren Betrachtugen vernachlässigen.
46
Schwingungsspektroskopie
3.1.1.3. Linienintensität und Linienbreite
Die Absorption A wird durch das empirische Lambert-Beer-Gesetz
A = lg
I0
=ε·c·d
I
(3.10)
beschrieben, wobei I, c, d und ε die Intensität (I0 für einfallendes Licht), die Konzentration,
die Schichtdicke und den molaren dekadischen Absorptionskoeffizienten bezeichnen.
Abb. 3.1.: Rotationsschwingungszustände und Rotationsschwingungsspektren von NO
Die Intensität eines Schwingungs-Rotations-Übergangs ist proportional zum Quadrat des
Übergangsmoments µf i (siehe Versuch ,,Elektronenschwingungsspektroskopie“) multipliziert
mit der Population des unteren Zustands. µf i ändert sich kaum mit zunehmendem J. Folglich
ist vor allem der Besetzungsgrad der Rotationsniveaus von Bedeutung, welcher nach Boltzmann gegeben ist zu
−EJ
NJ
gJ · e kT
=P
,
(3.11)
−EJ
N
J gJ · e kT
wobei EJ = hcBJ (J + 1) die energetische Lage des J-ten Rotationsniveaus ist und gJ = 2J +1
der Entartungsgrad. Die Summe im Nenner von Gl. 3.11 ist die Zustandssumme der Rotation.
Außerdem muss unter bestimmten Umständen noch eine Kernspinentartung gI berücksichtigt
werden, welche aber nur für Moleküle mit symmetrisch äquivalenten Kernen eine Rolle spielt,
wie z. B. für CO2 (siehe Anhang). Die relative Intensität eines Übergangs ist somit gegeben
durch
hcBJ (J +1)
(3.12)
AJ ∝ gI gJ e− kt .
Die endliche Linienbreite in der Infrarotspektroskopie läßt sich auf folgende Beiträge zurückführen:
• Dopplerverbreiterung aufgrund der sich mit der Geschwindigkeit vB relativ zum Beobachter B bewegender strahlender Moleküle S mit νB = νS 1 + vc (wenn Beobachter
47
Schwingungsspektroskopie
und Quelle sich aufeinander zu bewegen). Die Form einer Gaußkurve ergibt sich aus der
Geschwindigkeitsverteilung
F (vB ) =
m 32
2
mvB
· e− 2kT
2πkT
4πvB2
der kinetischen Gastheorie.
(3.13)
Von geringerer Bedeutung in der IR-Spektroskopie ist die
• Lebensdauerverbreiterung oder Unschärfeverbreiterung δE ≈ ~/τ aufgrund der begrenzten Lebensdauer eines am Übergang beteiligten Zustandes. Für die Wellenlängenabhängigkeit der natürlichen Lebensdauer gilt τnat ∼ const· λ3 . Zu der hierdurch hervorgerufenen
natürlichen Linienbreite addiert sich die im Infrarotbereich dominierende
• Stoßverbreiterung mit der druck- und temperaturabhängigen Stoßzeit
τStoß = √
kT
2σv̄p
(3.14)
mit dem Stoßquerschnitt σ = πr2 und der mittleren Geschwindigkeit
v̄ =
Z∞
0
v · F (v) dv
(3.15)
gemäß
1
1
1
+
+ ...
=
τ
τnat
τStoß
(3.16)
3.1.1.4. Mechanische Beschreibung von Schwingungen mehratomiger Moleküle
Ein Molekül mit N Atomen besitzt 3N Freiheitsgrade, davon 3 Freiheitsgrade der Translation, 3 Freiheitsgrade der Rotation für nichtlineare und 2 Rotationsfreiheitsgrade für lineare Moleküle. Damit verbleiben 3N − 6 bzw. 3N − 5 Vibrationsfreiheitsgrade, wobei die
Anzahl der symmetrischen und antisymmetrischen Valenzschwingungen (Änderung der Bindungslänge) gleich der Anzahl der Bindungen im Molekül ist. Die restlichen Freiheitsgrade entfallen auf weitere Schwingungsformen, z. B. Deformationsschwingungen (Änderung
von Bindungswinkeln), Torsionsschwingungen (twisting) um Bindungsachsen, Scherschwingungen (scissoring), Schaukelschwingung (rocking), Wippschwingungen (wagging), Ringwellungsschwingung (ring-puckering) usw. Als einfaches Beispiel für ein lineares Molekül diene
Kohlendioxid mit 3 · 3 − 3 − 2 = 4 Schwingungsfreiheitsgraden (man beachte die zweifache
Entartung der Deformationsschwingung):
Diese Normalschwingungen besitzen jeweils eigene Schwingungsquantenzahlen und finden unabhängig voneinander statt. Zur theoretischen Beschreibung führt man für alle Atome Koordinaten bezüglich des Molekülschwerpunktes ein, x1 und x3 für die Sauerstoffatome und x2
für das Kohlenstoffatom. Die Massen m1 und m2 bezeichnen die Atommassen der Sauerstoffbzw. Kohlenstoffatome
48
Schwingungsspektroskopie
Abb. 3.2.: Normalschwingungen des CO2 -Moleküls.
a) symmetrische Valenzschwingung
Es schwingen nur die Sauerstoffatome, für die Amplituden gilt also x1 = −x3 und x2 = 0.
Als Lösung der zugehörigen Differentialgleichung
−D · x1 = m1 · ẍ1
mit
ẍ1 =
erhält man
ωs =
d2 x1
dt2
r
D
,
m1
(3.17)
(3.18)
(3.19)
wobei D die Kraftkonstante der C=O-Bindung ist. Diese Schwingung ist allerdings
infrarotinaktiv.
b) antisymmetrische Valenzschwingung
Berücksichtigt man die Erhaltung des Schwerpunktes während einer Schwingungsbewegung: m1 x1 + m2 x2 + m3 x3 = 0 und betrachtet man z. B. die Bewegung des Kohlenstoffatoms, so erhält man die Differentialgleichung
−D · x2 = µas ẍ2
(3.20)
m1 · m2
2m1 + m2
(3.21)
mit
µas =
und
ωas =
s
D
,
µas
(3.22)
c) Deformationsschwingung
Hier soll x = x1 + x2 und x = R · sin(α/2) mit R = Abstand (C-O) gelten. Daraus folgt
für kleine α näherungsweise, dass x = 12 Rα und mit der Erhaltung des Schwerpunktes
49
Schwingungsspektroskopie
Abb. 3.3.: Geometrie der Deformationsschwingung.
2m1 x1 + m2 x2 = 0 erhält man
x1 =
m2
R · α.
2 (2m1 + m2 )
(3.23)
Die Auslenkung aus der Gleichgewichtslage beträgt s = R·α. Mit der Winkeldeformationskonsante D ′ gilt dann
F = −D ′ s = m1 · ẍ1
(3.24)
und nach Einsetzen von s und x1 ergibt sich die Differentialgleichung
−D ′ α = µδ α̈
mit
µδ =
m1 m2
.
2 (2m1 + m2 )
(3.25)
(3.26)
Für die Lösung folgt daraus
ωδ =
s
D′
.
µδ
(3.27)
Wie aus diesem Beispiel erkennbar ist, besteht das Hauptproblem bei der Beschreibung einer
Molekülschwingung darin, eine Formel für die reduzierte Masse aufzustellen. Für größere Moleküle wird dies beliebig kompliziert. Man kann jedoch Moleküle in funktionelle Untereinheiten
aufteilen und Kopplungen zwischen Schwingungen derselben näherungsweise vernachlässigen,
wenn in ihnen deutliche Unterschiede bezüglich Masse oder Kraftkonstante bestehen oder
sie räumlich weit entfernt liegen (bei hoher Symmetrie wie z. B. in kristallinen Bereichen
von Makromolekülen ist aber auch eine Kopplung über weite Bereiche möglich). Beispielsweise findet eine X-H-Valenzschwingung aufgrund der niedrigen Masse des H-Atomes oder
eine Carbonylschwingung aufgrund der hohen Kraftkonstante praktisch unabhängig von anderen Schwingungen des Moleküls statt. Durch die Einführung von Gruppenfrequenzen kann
somit eine Identifikation von Strukturelementen eines Moleküls erfolgen, worauf die große
Bedeutung der IR-Spektroskopie für Strukturaufklärung und qualitative Analyse beruht.
In Flüssigkeiten und Festkörpern sind zusätzliche Wechselwirkungen mit Nachbaratomen feststellbar, z. B. Gitterschwingungen in Ionenkristallen, Schwingungen adsorbierter Moleküle
und Schwingungen von Wasserstoffbrücken. Neben dem Auftreten mechanischer Wechselwirkungen sind auch elektrische Wechselwirkungen der Dipole möglich. Durch das Auftreten
von Oberschwingungen (schwache Übergänge für ∆v = ±2, ±3, . . . , Kopplungen und Resonanzerscheinungen (z. B. Fermi-Resonanz, d.h. energetische Aufspaltung einer zufälligen
50
Schwingungsspektroskopie
Entartung verschiedener Schwingungen) werden die Spektren zusätzlich verkompliziert. Zu
beachten ist ferner, dass aus der großen Zahl möglicher Schwingungen nicht alle infrarotaktiv
sind. Hier kann die Ramanspektroskopie eingesetzt werden, bei welcher die Änderung der
Polarisierbarkeit bei einer Schwingung Voraussetzung für einen Übergang ist. Für Moleküle
mit Inversionszentrum sind gerade diejenigen Schwingungen ramanaktiv, die infrarotinaktiv
sind (Alternativ-Verbot).
3.1.1.5. Das Infrarotspektrometer
Prinzipielle Bauelemente aller Infrarotspektrometer sind die Strahlungsquelle, der Spektralapparat, der Detektor sowie eine Ausgabeeinheit (Computer).
Als Strahlungsquelle im IR-Bereich verwendet man Plancksche Strahler mit der ihnen eigenen
Energieverteilung, welche bei der Messwertgewinnung berücksichtigt werden muss. Beispiele
sind:
• Siliciumcarbidstäbe (Globar) mit einer Betriebstemperatur von 1500 K. Die Zündung
erfolgt direkt durch Anlegen einer geeigneten Spannung.
• Der Nernst-Stift (Stäbchen aus ZrO mit Zusätzen von Lanthanoxiden) mit einer Betriebstemperatur von 1900K. Dieser muss von außen beheizt werden, besitzt aber eine
höhere Strahlungsintensität.
• Neuer sind mit Heizwendeln umwickelte Keramikstäbchen, welche von gesinterten Schichten aus Aluminiumoxid und Zirkonsilicat umgeben sind und sich durch ihren wartungsfreien Betrieb und mechanische Stabilität auszeichnen.
• Wolfram-, Quarz-Halogen-, Deuterium- und Quecksilberhochdrucklampen
• Das im Praktikum verwendete Gerät enthält einen bei 1300 K arbeitenden Schwarzkörperhohlraumstrahler.
• In Zukunft wird der Einsatz von Diodenlasern vom Bleichalkogenid-Typ im MIR-Bereich
erwartet.
Infrarotdetektoren wandeln die einfallende Strahlungsintensität in ein elektrisches Signal um.
Man unterscheidet zwischen thermischen Detektoren und Quantendetektoren. Thermische
Detektoren besitzen eine wellenlängenunabhängige Empfindlichkeit:
• Golay-Zelle: Diese ist sehr empfindlich gegen Erschütterungen und Fremdlichteinfall und
wird daher heute nicht mehr verwendet. Sie ist eine kleine gasgefüllte Zelle mit einem
IR-durchlässigen Fenster. Die Strahlung wird von einem schwarzen Film absorbiert,
erhitzt ein Gas und übt dadurch Druck auf die verspiegelte Rückwand aus, die Teil
eines optischen Systems ist. Die Zelle besitzt einen großen linearen Arbeitsbereich und
war früher weit verbreitet.
• Thermoelemente, die mit Hilfe einer Kontaktstelle aus zwei verschiedenen Metallen
Wärmeenergie in elektrische Energie (Thermospannung) umwandeln. Sie besitzen eine geringe Ansprechzeit.
51
Schwingungsspektroskopie
• Pyroelektrische Empfänger besitzen eine temperaturabhängige Polarisation im Kristallaufbau und bestehen aus einem strahlungsempfindlichen Kondensator, z. B. DTGS (mit
Alanin dotiertes deuteriertes Triglycinsulfat). Dieser Detektortyp wird im Praktikumsgerät verwendet. Ebenfalls kommen Sinterkeramiken wie PZT (Blei-Zirkonat-Titanat)
zum Einsatz. Vorteile sind der günstige Preis und die robuste Bauweise.
Quantendetektoren sind sehr schnell und empfindlich, die Empfindlichkeit ist jedoch wellenzahlabhängig. Das Arbeitsprinzip beruht auf dem äußeren lichtelektrischen Effekt, bei welchem Strahlung mit einer Mindestenergie Elektronen aus photoaktivem Material von Photozellen und Photomultipliern befreit, welche dann als Ladungsträger aufgefangen werden.
Beim für die IR-Spektroskopie wichtigeren inneren Photoeffekt ändert sich der elektronische
Zustand des bestrahlten Materials, ohne dass Elektronen es verlassen. Bei Photoleitern (z.B.
PbS-Detektor) und Photowiderständen ändert sich dabei die Leitfähigkeit, bei Photoelementen wird eine Photospannung erzeugt. Eine weite Verbreitung besitzt das Halbleiterelement
mit CdHgTe (’MCT-Detektor’, Mercury-Cadmium-Tellurid). Es hat eine sehr hohe Ansprechgeschwindigkeit und Empfindlichkeit, die sogar auf Schwankungen der Umgebungstemperatur
reagiert und daher unbedingt gekühlt werden muß (Verwendung in der IR-Mikroskopie).
Das optische System enthält Spiegel anstelle IR-adsorbierender Gas- und Quartzlinsen. Die
Transmission T = I/I0 ergibt sich im Einstrahlverfahren dadurch, dass vom Probenspektrum
ein zuvor aufgenommenes Hintergrundspektrum abgezogen wird. Beim Zweistrahlverfahren
findet laufend ein elektronischer oder optischer Vergleich von Proben- und Referenzstrahl
statt. Bei beiden Verfahren werden atmosphärische Einflüsse weitgehend kompensiert.
Bei den Spektralapparaten unterscheidet man allgemein zwischen den dispersiven und den
nicht-dispersiven (Fourier-Transform) Spektroskopen.
3.1.1.6. Dispersive Spektroskopie
Eine Möglichkeit wäre hier die Verwendung einer durchstimmbaren monochromatischen Strahlungsquelle (Laser, Frequenzgenerator), die allerdings im Infrarotbereich bisher nicht zur
Verfügung steht. Stattdessen ist man auf eine polychromatische Strahlungsquelle angewiesen, deren Spektrum durch Filter (Absorption), Gitter (Beugung) oder Prismen (Brechung)
aufgetrennt wird. Das dadurch erzeugte näherungsweise monochromatische Licht wird dann
wellenzahlabhängig von der Probe absorbiert und man erhält unmittelbar das Spektrum I(ν̃).
3.1.1.7. Fourier-Transform-Spektroskopie
Während bei dispersiven IR-Geräten jeder einzelne Messwert dem Transmissionswert bei der
zugehörigen Wellenzahl entspricht, enthält das Messsignal bei der FTIR-Technik zu jedem
Zeitpunkt Informationen über das gesamte IR-Spektrum. Mit anderen Worten: Während die
dispersive IR-Technik direkt das gesuchte IR-Spektrum liefert, muss das FTIR-Messsignal
zuerst von der Ortsdomäne (Interferrogramm) in die Wellenzahldomäne (Spektrum) übertragen werden. Diese rechnerische Transformation vom Interferogramm zum gesuchten Spektrum
nennt man Fourier-Transformation.
Abbildung 3.4 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines FTIR-Spektrometers. Charakteristisches
52
Schwingungsspektroskopie
Element der Apparatur ist das unten abgebildete Michelson-Interferometer mit Strahlteiler,
feststehenden und beweglichen Spiegel. Die polychromatische Strahlung der Lichtquelle wird
vom Strahlteiler in zwei Strahlen mit den Amplituden
p
a1 (ν̃) = p (ν̃) · ei(ωt+ϕ)
(3.28)
und
a2 (ν̃) =
p
p (ν̃) · ei(ωt)
(3.29)
mit dem Phasenunterschied ϕ = 2πν̃γ und dem durch den beweglichen Spiegel erzeugten
Gangunterschied γ = 2x, welcher mit Hilfe eines Laserstrahls gemessen wird, aufgeteilt.
Abb. 3.4.: Schematischer Aufbau eines FT-IR Spektrometers
Die beiden Teilstrahlen interferieren anschließend durch Addition ihrer Amplituden und den
Detektor erreicht im Intervall ν̃ + dν̃ die Strahlung mit der Intensität
dI = |a1 (ν̃) + a2 (ν̃)|2 dν̃ = 2p (ν̃) [1 + cos (2πν̃γ)] dν̃ = 4p (ν̃) cos2 (πν̃γ) dν̃
(3.30)
und im gesamten Bereich
I(γ) = 2
Z∞
p (ν̃) dν̃ + 2
0
Z∞
0
p (ν̃) · cos (2πγ ν̃) dν̃ .
(3.31)
Dieses Signal ist über die Positionen des beweglichen Spiegels im Wesentlichen konstant. Sind
aber die Weglängen der beiden Spiegel gleich, so sind alle Cosinuswellen in Phase und das
Interferogramm zeigt ein großes Maximum (engl.: center burst).
I (0) = 4
Z∞
p (ν̃)dν̃
(3.32)
0
Für praktisch auftretende p(ν̃) gilt:
I (x) = 2
Z∞
p (ν̃) dν̃ =
1
I (0)
2
(3.33)
0
Diese beiden Werte dienen zusammen mit der Symmetrie der Interferogrammfunktion
I(γ) = I(−γ)
53
(3.34)
Schwingungsspektroskopie
der Justierung des Spektrometers. Mit
p (ν̃) = p (−ν̃)
(3.35)
eiϕ = cos ϕ + i · sin ϕ
(3.36)
und der Euler-Formel
erhält man
P (γ) = [I (γ) − I (∞)] =
Z∞
p (ν̃) · ei2πν̃γ dν̃ .
(3.37)
−∞
Mit dem Fourier-Integral-Theorem kann man nach der Spektrenfunktion
p (ν̃) =
Z∞
P (γ) · ei2πν̃γ dγ = 2
Z∞
P (γ) cos (2πν̃γ)dγ
(3.38)
0
−∞
auflösen.
Abb. 3.5.: Interferogramme und zugehörige Spektren.
Abbildung 3.5 zeigt einige einfache und charakteristische Beispiele für die Fouriertransformation eines Interferogramms in das zugehörige Spektrum. Erkennbar sind die Cosinusform
des Interferogramms für eine scharfe Spektrallinie, der Übergang in Schwebungen für mehrere
Spektrallinien und der exponentielle Abfall auf den Grenzwert I(∞) = 12 I(0) für Spektrallinien mit realer Halbwertsbreite. Zu beachten ist dabei der Zusammenhang mit der Heisenberg’schen Unschärferelation
~2
(3.39)
(∆x̄)2 · (∆p̄)2 ≥
4
54
Schwingungsspektroskopie
oder näherungsweise ∆x · ∆p ≥ 1/2 ~ mit Ortsunschärfe ∆x und Impulsunschärfe ∆p. Mit
der de-Broglie-Beziehung λ = h/p und der Kohärenzlänge ∆x für Photonen folgt daraus
∆x ≥
1
,
4π · ∆ν̃
(3.40)
d. h. ein streng monochromatischer Wellenzug ist unendlich lang, während ein polychromatisches Wellenpaket eine endliche Halbwertsbreite bzw. Kohärenzlänge besitzt, nach welcher
die Interferogrammfunktion abklingt.
In der Praxis ergibt sich das Problem, dass der Gangunterschied aufgrund der Geräteabmessungen nicht beliebig groß gewählt werden kann und nur in einem Intervall J = [−γmax +γmax ]
gemessen wird. Dies entspricht mathematisch einem Produkt der Interferogrammfunktion mit
einer Rechteckfunktion (Boxcar function) für welche gilt: S(γ) = 0 für γ ∋ J und S(γ) = 1
für γ ∈ J. Die Fouriertransformierte dieses Produktes ist das Faltungsprodukt
p (ν̃) · ϑ (ν̃) = 2
Z∞
P (γ) · S (γ) · cos (2πν̃γ) dγ ,
(3.41)
0
wobei ϑ(ν̃) die Fouriertransformierte der Funktion S(γ) ist. In Abbildung 3.6 sind die auftretenden Nebenmaxima als Folge dieser Rechteckblende erkennbar.
Abb. 3.6.: Blendenfunktionen und Fouriertransformierte des Produktes aus Blendenfunktion und Interferogramm (Faltungsprodukt).
Zudem bestimmt die Blendenfunktion S(γ) die Auflösung: Für die Auflösung A eines Gitterspektrometers gilt
ν̃
=n·N
(3.42)
A=
∆ν̃
mit der Gitterordnung n, der Anzahl N der Gitterstriche, der spektralen Spaltbreite ∆ν̃ und
der mittleren Wellenzahl ν̃. Setzt man für ein Michelson-Interferometer mit Rechteckblende
N = 2 und γmax = nλ, so ergibt sich
∆ν̃ =
1
.
2γmax
55
(3.43)
Schwingungsspektroskopie
Durch rechnerische Anwendung anderer Blendenfunktionen (Apodisationsfunktionen, gr. Apodisation = ’Füßchen weg’) kann man zwar die Nebenmaxima vermeiden, gleichzeitig sinkt
aber die spektrale Auflösung. Ein weiteres Problem, das sich aus der experimentellen Praxis
ergibt, ist die begrenzte Zahl der Messwerte im Gegensatz zum kontinuierlichen mathematischen Spektrum, d.h. die Digitalisierung über die Schrittweite des Gangunterschiedes ∆γ. Um
die Interferogrammfunktion hinreichend genau zu beschreiben, muss diese so gewählt werden,
dass mindestens 2 Messwerte pro Wellenlänge aufgenommen werden, also
1
λ
2
(3.44)
1
,
2∆γ
(3.45)
∆γ ≤
bzw.
ν̃ ≤
Infolgedessen ist durch die Schrittweite ∆γ ein maximaler Wert für die Wellenzahl festgelegt,
die man als Nyquist-Frequenz bezeichnet. Strahlung höherer Frequenz wird durch ein lowpass-Filter (geschwärzte Polyethylen-Linse) absorbiert.
3.1.1.8. Vergleich von Gitterspektrometer und FT-Spektrometer
Wie schon an obigen Formeln erkennbar ist, finden alle Größen in der dispersiven Spektroskopie ihre Entsprechung in der nicht-dispersiven Spektrometrie:
1. Monochromator ⇔ Michaelson Interferometer, Fourier-Transformation
2. Wellenzahl ν̃ ⇔ Gangunterschied γ
3. Spektrum ⇔ Interferogramm
4. Beugungsordnung n ⇔ maximaler Gangunterschied γmax
Die Vorteile der FT-Technik sind:
• Durch die Entwicklung von leistungsfähigen Digitalrechnern wurde die zeitaufwändige
technische Aufspaltung des Spektrums durch eine schnellere, rechnerische ersetzt. Umgekehrt kann in der gleichen Zeit eine höhere Anzahl an Messungen
N durchgeführt
√
werden und, da das Signal-Rausch-Verhältnis proportional zu N wächst, ist dieses in
der gleichen Mess- und Rechenzeit wesentlich besser.
• Das Signal-Rausch-Verhältnis verbessert sich zusätzlich dadurch, dass jeder Messpunkt
des Interferogramms sämtliche spektrale Information aller Wellenzahlen enthält, während
bei der dispersiven Methode nur ein sehr kleiner Wellenzahlbereich ausgewertet wird
(Fellgett- oder Multiplex-Vorteil).
• Für die FT-Technik sind zweidimensionale Zirkularblenden im Gegensatz zu eindimensionalen Spaltblenden bei der dispersiven Technik verwendbar, wodurch höhere Intensitäten zum Detektor gelangen und damit die Empfindlichkeit steigt (Energie- oder
Jacquinot-Vorteil).
• Hohe Wellenzahlgenauigkeit durch Lasertechnologie (Connes-Vorteil).
56
Schwingungsspektroskopie
• Unabhängigkeit der Auflösung von der Wellenzahl.
• Einfachere Verwendung von low-pass-Filtern gegenüber der Abtrennung höherer Gitterordnungen.
• Geringe Anfälligkeit gegenüber Fremdlichteinwirkung.
3.1.1.9. Literatur
1. E. Knözinger, Far-Infrared Fourier Spectroscopy as a Mehod for Structure Dtermination
in Chemistry, Angew. Chem. Int. Ed. Engl, 15 (1976) 25. [22]
2. L. Genzel, (Fresenius) Z. Anal. Chem., 273 (1975) 391. [23]
3. H. Günzler, H.-U. Gremlich IR-Spektroskopie - Eine Einführung, VCH, Weinheim, 3.
Auflage 1996. [24]
4. H. Günzler, H. M. Heise IR-Spektroskopie - Eine Einführung, Wiley-VCH, Weinheim,
4. Auflage 2003. [25]
5. H. Haken, H. Ch. Wolf, Molekülphysik und Quantenchemie, Springer-Verlag Berlin,
Heidelberg, New York, 5. Auflage 2006. [16]
6. P. W. Atkins, J. de Paula, Physikalische Chemie, Wiley-VCH, Weinheim, 4. Auflage,
2006. [5]
7. M. L. Myrick et al., J. Chem. Edu., 81 (2004) 379. [26]
8. J.E. Gustavsen, P. Klæboe, H. Kvila, Acta Chem. Scand. A32 (1978) 25. [27]
9. J. Kauppinen, T. Kärkkäinen, E. Kyro, J. Mol. Spectr. 71 (1978) 15. [28]
3.1.2. Durchführung der Messungen
Achtung: Die Küvettenfenster bestehen aus Kaliumbromid (Flüssigkeitsküvette) bzw. Natriumchlorid (Gasküvette) und sind feuchtigkeitsempfindlich. Sie dürfen auf keinen Fall mit
den Fingern berührt, angehaucht oder mit wasserhaltigen Lösungsmitteln in Berührung kommen, werden daher im Exsikkator aufbewahrt und nur für die Dauer des jeweiligen Versuchs
dem Exsikkator entnommen! Die Bedienung des Gerätes erfolgt nach den Anweisungen des
Assistenten und einer dem Gerät beiliegenden Kurzanleitung.
Für jede Küvette muss vor der Aufnahme des Probenspektrums ein Hintergrundspektrum
aufgenommen werden. Es muss mit mindestens der gleichen Zahl von Scans wie das Probenspektrum aufgenommen werden.
1. Nehmen Sie in Absorption für den luftgefüllten Probenraum ein Hintergrundspektrum
im Bereich 4500 cm−1 bis 500 cm−1 mit der Auflösung 0,8 cm−1 und 64 scans auf.
Drucken Sie das Hintergrundspektrum im gesamten Bereich (ohne Wellenzahlangabe)
und zwischen 2380 cm−1 bis 2300 cm−1 (mit Wellenzahlangabe, Rotationsschwingungsspektrum der antisymmetrischen Valenzschwingung) aus. Notieren Sie die Wellenzahl
57
Schwingungsspektroskopie
des Q-Zweigs der Deformationsschwingung des CO2 , die sich etwa im Bereich zwischen
650 cm−1 und 700 cm−1 befindet.
2. Nehmen Sie in Absorption im Bereich 3100 cm−1 bis 2600 cm−1 (Auflösung 0,8 cm−1 ,
64 scans) zunächst ein Spektrum der mit Stickstoff gefüllten Gasküvette als Hintergrundspektrum auf. Befüllen Sie dann die Küvette mit einem trockenen ChlorwasserstoffStickstoff-Gemisch, indem Sie Stickstoff durch konzentrierte Salzsäure und Schwefelsäure
leiten. Schließen Sie den Stickstoffhahn, sobald Sie mit einem befeuchteten Indikatorpapier nachweisen können, dass Chlorwasserstoff einige Zeit (ca. 5 s) durch die Küvette
geströmt ist. Anschließend kann das Rotationsschwingungsspektrum von HCl aufgenommen werden. Drucken Sie das gesamte Spektrum aus. Anschließend drucken Sie P- und
R-Zweig getrennt aus (mit Wellenzahlangabe) sowie das Interferogramm im Bereich von
78600 bis 78100.
3. Nehmen Sie in Transmission ein Hintergrundspektrum der leeren Flüssigkeitsküvette
auf (Geräteeinstellungen: 1030 cm−1 bis 970 cm−1 , Auflösung 0,8 cm−1 , 64 scans). Anschließend nehmen Sie die Transmissionsspektren der reinen Halogencyclohexane auf
und drucken diese mit Wellenzahlangabe aus. Notieren Sie sich die Höhe der Banden
beider Isomere (siehe Auswertung).
3.1.3. Auswertung
1. HCl
a) Indizieren Sie für HCl die Banden beider Zweige, und bilden Sie aus den abgelesenen Bandenlagen die Differenzen
∆EJR − ∆EJP = 2hcBv+1 (2J + 1)
(3.46)
R
P
∆EJ−1
− ∆EJ+1
= 2hcBv (2J + 1),
(3.47)
bzw.
und tragen Sie diese über J auf. Aus den Steigungen erhalten Sie die Rotationskonstanten (B0 , B1 ) für beide Isotope, welche Sie dazu verwenden, die Trägheitsmomente und die Bindungslängen der Zustände zu berechnen.
b) Bestimmen Sie aus den Lagen der beiden innersten Linien (J = 1 für P-Zweig
und J = 0 für R-Zweig) die ungefähre Lage des Nullübergangs (Übergang bei dem
nur Schwingungsenergie aufgebracht werden muss, also ∆v = 1, ∆J = 0, J = 0).
Berechnen Sie hieraus mit Hilfe von Gl. 3.1 die Kraftkonstante der H-Cl Bindung.
Spielt der Isotopeneffekt hier eine Rolle?
c) Berechnen Sie die relativen Besetzungszahlen NJ /N der Rotationsniveaus für beide
Isotope mit J = 0 bis 10 des Schwingungsgrundzustands von HCl für Zimmertemperatur. Der Entartungsgrad für Rotationsniveaus beträgt gJ = 2J + 1. Stellen Sie
das Ergebnis grafisch dar, und vergleichen Sie es mit den Bandenintensitäten der
aufgenommen Spektren.
2. CO2
58
Schwingungsspektroskopie
a) Ordnen Sie die gefundenen Banden des Atmosphärenspektrums den Stoffen und
allen ihren IR-aktiven Schwingungen zu.
b) Berechnen Sie die Winkeldeformationskonstante für die Deformationsschwingung
des CO2 .
c) Berechnen Sie die Kraftkonstante der antisymmetrischen Valenzschwingung durch
abschätzen des Nullübergangs (analog HCl). Schätzen Sie mit Hilfe dieser Kraftkonstanten ab, wo im Raman-Spektrum die symmetrische Valenzschwingung zu
erwarten wäre.
d) Berechnen Sie die entsprechenden Trägheitsmomente und die Länge der C=OBindung für die antisymmetrische Valenzschwingung von CO2 . (Welche Werte von
J sind für die Rotation von CO2 erlaubt? Warum?). Einige Erläuterungen zum
Spezialfall CO2 finden Sie im Anhang.
3. Halogencyclohexane
a) Bestimmen Sie unter Annahme der Gleichheit der Extinktionskoeffizienten für beide Konformere die prozentualen Anteile der beiden Formen und berechen Sie daraus die Gleichgewichtskonstante Kc und die freie Enthalpie ∆GR für die gegenseitige Umwandlung. Die Auswertung soll bei folgenden Wellenzahlen gemacht werden:
ν̃ in cm−1
Chlorcyclohexan
Bromcyclohexan
axial (ax.) äquatorial (eq.)
1015
993
1010
989
3.1.4. Sicherheitshinweise
Bitte informieren Sie sich über die im Versuch verwendeten Gefahrstoffe Salzsäure (konzentriert), Schwefelsäure (konzentriert), Halogencyclohexane.
59
Schwingungsspektroskopie
3.1.5. Kurzanleitung
3.1.5.1. Start der Software OPUS
Die Software wird über das Icon Opus 6.5 auf dem Desktop gestartet.
Benutzerkennung:
Kennwort:
Administrator
OPUS
Zugewiesene Arbeitsplatzumgebung: C:\Programme\OPUS 65\MIR FullAccess.ows
Anschließend die Durchführung der automatischen Tests abwarten (Dialogfeld rechts unten)
und ggf. weitere Tests durchführen lassen.
3.1.5.2. Durchführung der Messungen
Das Bearbeiten der Messeinstellungen sowie das Starten der Messung erfolgt über die Menüleiste:
Messen → Erweiterte Messung
Einstellung der Messparameter
Die Einstellung der Parameter erfolgt im Untermenü
Messen → Erweiterte Messung → Erweitert
und diese sollen wie folgt gewählt werden:
Experiment:
Dateiname:
Pfad:
Auflösung:
Scans probe:
Scans Hintergrund:
Bereich:
Resultat:
PC2.xpm
<@snm>(stehen lassen)
C:\Praktikum\PC2\[jeweilige Gruppennummer]\
0,8 cm−1
64
64
siehe Anleitung
Absorption oder Transmission, siehe Anleitung
Messung starten
Das Starten der Messung von Hintergrund und Probe erfolgt über Untermenü
Messen → Erweiterte Messung → Grundeinstellungen
Probenname:
Hintergrundmessung
Probenmessung
Für jede Messung ändern
Start der Hintergrundmessung
Start der Probenmessung
60
Schwingungsspektroskopie
Falls nur ein Hintergrundspektrum gemessen werden soll, wird nach der Hintergrundmessung
das Untermenü
Messen → Erweiterte Messung → Hintergrund
geöffnet und das gemessene Hintergrundspektrum als einzelner Datensatz in den Opus-Dateimanager
gelegt:
Hintergrund speichern
Nach dem Start der der Probenmessung öffnet sich das Vorschaufenster für die Messung. Der
endgültige Start der Messung erfolgt unten im Vorschaufenster durch:
Messung starten
Zum Abbrechen einer gestarteten Messung mit der rechten Maustaste auf die Aktivitätsleiste
unten klicken:
Aufgabenfenster → Stopp von Messungen
Dort den entsprechenden Task markieren und abbrechen:
→ Funktion abbrechen
3.1.5.3. Verwalten und Auswerten der Messungen
Allgemeines
Im Opus-Dateimanager (linke Fensterseite) können für eine Messung einzeln die Basisspektren und das resultierende Spektrum betrachtet werden. Das Öffnen erfolgt durch einfaches
anklicken, das Schließen durch das Menü der rechten Maustaste:
→ Aus Display entfernen
Die einzelnen Spektren werden wie folgt bezeichnet:
Hintergrund
Probe
Differenzspektrum
Single Beam Interferogramm
R SC
R IFG
S SC
S IFG
AB oder TR
Spektren Speichern
Nach jeder Messung zuerst das neue Spektren abspeichern, dabei zuerst links im OPUS Dateimanager die gewünschte Messung auswählen und anschließend abspeichern über die Menüleiste:
61
Schwingungsspektroskopie
Datei → Datei Speichern
Messungen können in der Menüleiste mit
Datei → Datei Entladen
aus dem OPUS Dateimanager und der Anzeige entfernt werden (vorher dort markieren).
Umwandlung Transmission ↔ Absoption
Im OPUS Dateimanager gewünschtes Spektrum wählen
Menü Manipulieren → AB↔TR-Umwandlung
Displaygrenzen ändern
Klicken Sie mit der rechte Maustaste auf das Spektrum und dann im Kontextmenü auf:
Eigenschaften → Displaygrenzen für X-Achse ändern
Alle Spektren skalieren → Jedes Spektrum maximieren (Y)
Zum Rücksetzen der Grenzen:
Alle Spektren skalieren → Alles zeigen
Bandensuche
Über das Icon Bandensuche oder in der Menüleiste
Auswerten → Bandensuche
das Fenster zur Bandensuche starten. Im Untermenü
→ Frequenzbereich
müssen manuell die Grenzen des Bereichs für die Bandensuche eingegeben werden oder falls
dieser Bereich im Display schon ausgewählt wurde, mittels
→ Frequenzbereich → Aktuelle Anzeigegrenzen
übernommen werden. Anschließend im Untermenü
62
Schwingungsspektroskopie
→ Spektren selektieren → Interaktiver Modus
den interaktiven Modus zur Bandensuche starten und dort Grenzwert und Cursorlinie anpassen und den interaktiven Modus durch speichern beenden.
Datenpunkte anzeigen
Rechte Maustaste auf Spektrum, im Kontextmenü:
Fadenkreuz → Cursor
Bestimmung der Bandenhöhe
Rechte Maustaste auf Spektrum, im Kontextmenü:
Fadenkreuz → Daten folgen
Bandentabelle
Im Opus-Dateimanager das Bandentabellenfenster für die Peaksuche des gewünschten Spektrums öffnen. Alle Bandeninformationen markieren, kopieren und in WordPad oder Editor
einfügen.
Drucken der Spektren
Erfolgt über die Menüleiste:
Drucken → Spektren Schnelldruck
Dabei werden alle Spektren innerhalb der auf dem Bildschirm gezeigten Grenzen mit allen Beschriftungen gedruckt. Überzählige Spektren müssen vor dem Druck im OPUS Dateimanager
aus dem Display entfernt werden (vgl. 3.1.5.3).
63
Schwingungsspektroskopie
Anhang
Die Rotationszustände des CO2
Im CO2 -Spektrum sind nur Übergänge aus Rotationszuständen mit geradzahligem J zu finden. Die Erklärung für dieses merkwürdige Verhalten gibt das Pauli-Prinzip, das besagt, dass
die Gesamtwellenfunktion für Bosonen (Teilchen mit ganzzahligem Spin)1 symmetrisch sein
muss, die Gesamtwellenfunktion des Systems beim Vertauschen zweier identischer Bosonen
ihr Vorzeichen also nicht ändert. Da die Rotation des CO2 -Moleküls um 180◦ aber gerade
zur Vertauschung zweier Bosonen (16 O hat einen Kernspin von 0) führt, muss die Gesamwellenfunktion des CO2 symmetrisch sein. Die Gesamtwellenfunktion, die sich aus dem Produkt
der Einzelfunktionen für Elektronen (Ψel ), Vibrationen (Ψvib ), Rotationen (Ψrot ) und Kerne
(Ψnuc ) bildet,
Ψ = Ψel Ψvib Ψrot Ψnuc .
(3.48)
ist im Grundzustand symmetrisch, weil alle Einzelwellenfunktionen und somit auch deren
Produkt symmetrisch sind. Für höhere Rotationsniveaus ist hingegen zu beachten, dass bei
der rotatorische Wellenfunktion das Vorzeichen gemäß (−1)J alterniert. Somit kann die Gesamtwellenfunktion des CO2 nur dann symmetrisch sein, wenn J geradzahlig ist.
Anders verhält es sich im ersten angeregten Schwingungszustand. Weil im Grundzustand
nur Rotationszustände mit geradem J besetzt sind und wegen der Auswahlregel ∆J = ±1
können nur Rotationszustände mit ungeradzahligen J im angeregten Schwingungszustand
erreicht werden. Dort ist Ψrot antisymmetrisch. Der Übergang ist aber trotzdem möglich, weil
auch das Vorzeichen von Schwingungswellenfunktionen mit deren Quantenzahl v alterniert
gemäß (−1)v , das Produkt aus Rotations- und Schwingungswellenfunktion also symmetrisch
bleibt. Die erwarteten Übergänge sind somit 1 ← 2, 3 ← 4, 5 ← 6, usw. für den P-Zweig
und 1 ← 0, 3 ← 2, 5 ← 4, usw. für den R-Zweig, was auch tatsächlich beobachtet wird. Der
Q-Zweig bleibt weiterhin die Ausnahme.
1
Bekannter ist das Pauliprinzip für Fermionen (halbzahliger Spin), das besagt, dass deren Gesamtwellenfunktion antisymmetrisch sein muss. Daraus ergibt sich, dass sich zwei Fermionen nie im selben Zustand
aufhalten können.
64
65
4. NMR-Spektroskopie
4.1. Theoretischer Teil
4.1.1. Themen des Kolloquiums
•
•
•
•
•
•
•
•
Aufbau des Spektrometers
Continuous Wave-Methode (cw-Methode)
Fourier-Transform-Technik (FT-NMR)
Magnetische Wechselwirkungen
Blochsche Gleichungen
Relaxationsmechanismen
Impulsexperimente (freier Induktionszerfall, Echo-Experimente, Diffusionsmessungen)
NMR-Bildgebung (Imaging)
4.1.2. Einleitung
Bei der kernmagnetischen Resonanzspektroskopie (Nuclear Magnetic Resonance Spectroscopy) bestimmt man die Eigenschaften von Molekülen, welche Atomkerne mit einem von Null
verschiedenen Kernspin besitzen. An den Kernspin ist ein magnetisches Moment gekoppelt,
das mit einem an der Probe anliegenden Magnetfeld in Wechselwirkung treten kann. Infolgedessen kann das Molekül verschiedene Energiezustände einnehmen, die sich spektroskopisch
verfolgen lassen.
Die Bedingung eines von Null verschiedenen Kernspins ist bei allen Atomkernen außer den
sogenannten gg-Kernen (Kerne mit gerader Protonen- und gerader Neutronenzahl) erfüllt.
Wie Tabelle 4.1 zu entnehmen ist, findet man Atomkerne sowohl mit halb- als auch mit
ganzzahligem Kernspin.
Zahl der Protonen
gerade
ungerade
gerade
ungerade
Tabelle 4.1.: Atomkerneigenschaften
Zahl der Neutronen Kernspin
Beispiele
4
He, 12 C, 16 O
gerade
0
gerade
halbzahlig 1 H(1/2), 19 F(1/2), 23 Na(3/2)
ungerade
halbzahlig 29 Si(1/2), 13 C(1/2), 131 Xe(3/2)
ungerade
ganzzahlig 2 H(1), 10 B(3), 36 Ce(2)
Ein Atomkern mit einem von Null verschiedenen Kernspin I~ besitzt ein magnetisches Moment
NMR-Spektroskopie
~µ, wobei folgender Zusammenhang besteht
~µ = γ · ~ · I~
(4.1)
~ ist das Plancksche Wirkungsquantum. Die Proportionalitätskonstante γ bezeichnet man als
gyromagnetisches Verhältnis, das wiederum über
γ = gK
e
µK
= gK
~
2mp
(4.2)
mit dem Kern-g-Faktor gK und dem
µK in Beziehung steht. mp ist die Masse
Kernmagneton
~ p
des Protons. Da der Kernspin mit I~ = I(I + 1)~ gequantelt ist, tritt auch eine Quantisierung für das entsprechende magnetische Moment gemäß
p
|~µ| = γ · ~ · I (I + 1)
(4.3)
~ 0 = (0, 0, B0)
auf. I ist die Kernspinquantenzahl. In einem homogenen, statischen Magnetfeld B
kommt es zu einer Richtungsquantelung, d.h. I~ und damit ~µ können nur ganz bestimmte
Orientierungen im Magnetfeld einnehmen (Abbildung 4.1).
Abb. 4.1.: a) Magnetisches Moment im Magnetfeld, b) Präzessionsbahnen des magne~ als
tischen Moments eines Kernspins mit I= 2, c) Gesamtmagnetisierung M
Vektorsumme aller Einzelmomente
Es ergibt sich klassisch für die entsprechende potentielle Energie eines Kernspins im Magnetfeld (Zeeman-Wechselwirkung)
~ 0 = −µz · B0
U = −~µ · B
(4.4)
~ 0.
µz ist die Komponente des magnetischen Moments in z-Richtung, d.h. der Richtung von B
Aus der Quantenmechanik ergibt sich, dass auch µz gemäß
µz = γ · ~ · mI
(4.5)
quantisiert ist, wobei hier die magnetische Quantenzahl die Werte mI = −I, −I +1, . . . , I −1, I
annehmen kann. Damit folgt für die potentielle Energie
U = −~ · γ · B0 · mI .
66
(4.6)
NMR-Spektroskopie
Wie bereits beim Versuch ,,ESR-Spektroskopie” ausgeführt, führt der Kernspin bei Einwirkung eines äußeren Magnetfelds eine Präzessionsbewegung um die Feldrichtung aus (vgl. rotierender Körper mit Drehimpuls und Drehmoment). Die entsprechende Präzessionsfrequenz
ergibt sich zu
γ
· B0
bzw.
ω0 = γ · B0
(4.7)
ν0 =
2π
ν0 (bzw. ω0 ) ist die sogenannte Larmorfrequenz.
Durch die Einwirkung einer elektromagnetischen Strahlung können Übergänge zwischen den
Energieniveaus (Gl. 4.6) induziert werden, wobei die Auswahlregel ∆mI = ±1 gilt (Abb. 4.2).
Als Bedingung für einen Übergang zwischen zwei Spinzuständen erhält man die sogenannte
Resonanzbedingung
∆E = ~ · γ · B0 = h · ν0 = ~ · ω0
(4.8)
γ h Bo
|−1>
∆ E = γ h Bo
|β> = | −1/2 >
γ h Bo /2
|0>
∆ E = γ h Bo
|α> = | +1/2 >
− γ h Bo /2
0
∆ E = γ h Bo
− γ h Bo
|1>
Spin 1/2
Spin 1
Abb. 4.2.: Energiediagramm und erlaubte Übergänge für den Spin I = 1/2 und den
Spin I = 1
.
Die magnetische Resonanzspektroskopie beruht also wie die anderen Spektroskopieverfahren
auf Übergängen zwischen verschiedenen Energieniveaus. Dazu muss in diesem Fall die Resonanzbedingung erfüllt werden, d.h. die Einstrahlfrequenz muss gleich der Larmorfrequenz sein.
Bei den heute verwendeten Magnetfeldern mit einem magnetischen Fluss von B0 = 1 − 22 T
sind diese Einstrahlfrequenzen im Radiowellenbereich, d.h. ν0 liegt zwischen 10 und 950 MHz
für Protonen.
4.1.3. Magnetische Wechselwirkungen
~ angegeWir hatten in Abschnitt 4.1.2 die Wechselwirkungsenergie klassisch mit U = −~µ · B
ben. Um das Spinsystem quantenmechanisch zu beschreiben, braucht man nur die jeweiligen
Größen durch die zugehörigen Operatoren zu ersetzen. Man erhält dann unter ausschließlicher
Berücksichtigung der Zeeman-Wechselwirkung den Hamiltonoperator ĤZ zu
ĤZ = −γ · ~ · B0 · Iˆz .
(4.9)
ˆ
Der Operator Iˆz ist die z-Komponente des Kernspinquantenoperators I~ mit der magnetischen
Quantenzahl mI .
67
NMR-Spektroskopie
Die entsprechenden Energieeigenwerte erhält man durch lösen der Schrödingergleichung in
Gegenwart geeigneter Spinfunktionen | mI > (Dirac-Schreibweise)
oder
ĤZ |mI i = ε |mI i
(4.10)
−γ~B0 Iˆz |mI i = ε |mI i .
(4.11)
Für das I = 1/2-Kernspinsystem ergeben sich unter Berücksichtigung der beiden Spinfunktionen |α >= | + 1/2 > und |β >= | − 1/2 > die beiden Eigenwerte
1
ε1/2 = − γ~B0
2
1
ε−1/2 = + γ~B0
2
(4.12)
Wie beim Versuch ,,ESR-Spektroskopie” für den Elektronenspin bereits ausgeführt, müssen
für ein reales Kernspinsystem neben der Wechselwirkung mit dem äußeren B0 -Feld (ZeemanWechselwirkung) weitere Wechselwirkungen mit inneren, meist deutlich kleineren Magnetfeldern, mit einbezogen werden. Dies führt bei den beobachteten NMR-Signalen u.a. zu Verschiebungen in den Resonanzlinien oder zu zusätzlichen Aufspaltungen. Weiterhin bestimmen
sie das Relaxationsverhalten (s. Abschnitt 4.1.6). Im Folgenden sollen die wichtigsten Wechselwirkungen kurz aufgeführt werden. Auf eine detaillierte Diskussion, beispielsweise der zu
erwartenden Kopplungsmuster in den NMR-Spektren, wird aber verzichtet.
Die Berücksichtigung aller vorhandenen Wechselwirkungen (WW) eines betrachteten Kernspinsystems ergibt für den Hamiltonoperator
X
Ĥ =
Ĥi = ĤZ + ĤCS + ĤJ + ĤD + ĤQ + ĤSR + ĤN E + ĤRF .
(4.13)
i
Die verschiedenen Terme stehen für Zeeman-WW (Z), chemische Verschiebung (CS), skalare WW (J), dipolare WW (D), Quadrupol-WW (Q), Spin-Relaxations-WW (SR), KernElektron-WW (NE) und Radiofrequenz-WW (RF). Der letzte Term ĤRF beschreibt die Einwirkung der Radiofrequenzstrahlung, welche Übergänge zwischen verschiedenen KernspinNiveaus induziert.
4.1.3.1. Chemische Verschiebung
~ 0 besitzt an den verschiedenen Kernen eines
Das von außen auf die Probe einwirkende Feld B
Moleküls nicht unbedingt den gleichen Wert. Die örtliche elektronische Umgebung führt zu
~ 0 am Kern einen im Vergleich zur Zeeman-Wechselwirkung geeiner Störung derart, dass B
~ 0 (1 − Φ) besitzt. Der zugehörige Hamiltonoperator ĤCS ergibt
ringfügig veränderten Wert B
sich zu
~ 0 ΦI.
~ˆ
ĤCS = +γ~B
(4.14)
Φ ist hier der Abschirmungstensor. Er berücksichtigt, dass die Abschirmung im Allgemeinen
einen anisotropen Charakter hat, d.h. von der Orientierung des Moleküls zum äußeren Feld
abhängt. In isotroper Lösung bleibt nur der isotrope Anteil der Abschirmung übrig.
68
NMR-Spektroskopie
Die auf der Abschirmung beruhende Verschiebung einer Resonanzlinie gegenüber der eines
willkürlichen gewählten Standards bezeichnet man als chemische Verschiebung δ. Sie berechnet sich nach
νProbe − νRef
,
(4.15)
δ=
νRef
mit νProbe und νref als den Resonanzfrequenzen von Probe und Referenz.
δ ist von der Feldstärke des verwendeten Spektrometers unabhängig und wird in ppm angegeben. Für 1 H- und 13 C-Kerne in organischen Lösemitteln wird normalerweise TMS (Tetramethylsilan) als Standard benutzt. Die Elektronendichte um einen Kern und somit dessen
Abschirmung wird von den Nachbaratomen beeinflusst. Die Abschirmung ist meist umso
schwächer, je elektronegativer die Nachbarn sind. Die Si-Atome im TMS haben einen elektropositiven Charakter. Daher zeigen die TMS-Referenzlinie einen starken Abschirmeffekt. Für
die meisten Moleküle ist δ daher positiv, negative Werte kommen aber auch vor.
Aus der chemischen Verschiebung kann man Rückschlüsse auf die funktionellen Gruppen
ziehen oder in welchem Bindungsverhältnis ein Atom vorliegt. Deshalb ist die chemische
Verschiebung sehr wichtig bei der Strukturaufklärung mittels NMR-Spektroskopie.
4.1.3.2. Skalare Wechselwirkung
Dieser Beitrag beschreibt die indirekte Kopplung zweier Kernspins, die über die Polarisation
der vorhandenen Bindungselektronen zustande kommt. Der entsprechende Hamiltonoperator
ist gegeben zu
ĤJ = h IˆS J IˆI
(4.16)
und trägt wiederum dem anisotropen Charakter dieser Wechselwirkung Rechnung. J ist der
entsprechende Tensor, und IˆS IˆI sind die Kernspinoperatoren der beiden wechselwirkenden
Kernspins. In isotroper Lösung bleibt wiederum die isotrope Kopplungskonstante J übrig, die
zu charakteristischen Aufspaltungsmustern in NMR-Spektren führt. Neben der chemischen
Verschiebung ist die skalare Kopplung das wichtigste Werkzeug bei der Strukturaufklärung
mit NMR-spektroskopischen Verfahren.
4.1.3.3. Dipolare Wechselwirkung
Dieser Beitrag berücksichtigt die direkte Wechselwirkung von Kernspins bzw. deren magnetischen Momenten über den Raum hinweg. Der entsprechende Hamiltonoperator ergibt sich
allgemein zu


ˆ
ˆ 

ˆ
ˆ

I~1~r I~2~r 
~1 I~2
µ0
I
ˆ ˆ
ĤD =
γ 1 γ 2 ~2
−3
= I~1 DI~2 .
(4.17)
3
5


4π
r
 r

ˆ ˆ
γ1 , γ2 sind die gyromagnetischen Verhältnisse der wechselwirkenden Kernspins, I~1 , I~2 die entsprechenden Kernspinoperatoren und ~r der Abstandsvektor zwischen Kern 1 und 2. D ist der
dipolare Kopplungstensor.
69
NMR-Spektroskopie
Im Gegensatz zur chemischen Verschiebung und skalaren Kopplung verschwindet in isotroper
Umgebung der Beitrag der dipolaren Kopplung. Die dipolare Kopplung hat also nur Auswirkung auf die Spektren in anisotroper Umgebung und auf das Relaxationsverhalten (auch im
Isotropen).
4.1.3.4. Quadrupolwechselwirkung
Für Atomkerne mit einem Kernspin I > 1/2 kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen
dem Kernquadrupolmoment und dem elektrischen Feldgradienten am Kernort, die als Quadrupolwechselwirkung bezeichnet wird. Der zugehörige Hamiltonoperator lautet
~ˆ I.
~ˆ
ĤQ = IQ
(4.18)
Q ist der Quadrupolkopplungstensor, der mit dem Quadrupolmoment und dem elektrischen
Feldgradienten V gemäß
eQ
Q=
V
(4.19)
2I (2I − 1) ~
zusammenhängt. Der elektrische Feldgradienttensor V enthält Elemente wie Vxy =
∂2V
,
∂x∂y
Vxx =
∂2V
∂x∂x
etc. Auch dieser Beitrag verschwindet, wie die dipolare Wechselwirkung, in isotroper
Lösung.
4.1.3.5. Spin-Rotationswechselwirkung
Diese Wechselwirkung tritt vor allem bei kleinen sich schnell drehenden Molekülen auf. Die
schnelle Drehbewegung eines Moleküls erzeugt ein zusätzliches Magnetfeld, das proportional zum Drehimpuls J~ ist. Der Kernspin kann eine Wechselwirkung mit diesem erzeugten
Magnetfeld eingehen, wobei der entsprechende Hamiltonoperator mit
ˆ
ˆ
ĤSR = −I~ C J~
(4.20)
ˆ
gegeben ist. C ist der Spin-Rotationstensor, J~ der Drehimpulsoperator. Dieser Beitrag wird
bei einigen Molekülen als wichtiger Relaxationsbeitrag angesehen.
4.1.3.6. Wechselwirkung mit ungepaarten Elektronen
Bei diesem Beitrag, der in Gegenwart paramagnetischer Substanzen auftritt, sind wiederum
skalare (indirekte) und direkte dipolare Beiträge zu berücksichtigen. Der Hamiltonoperator
lautet
~ˆ I~ˆ + I~ˆ D S.
~ˆ
ĤN E = a S
(4.21)
Der erste Term berücksichtigt den skalaren Betrag (Kontaktterm), wobei a die Hyperfeinkopplungskonstante ist (vgl. ESR-Spektroskopie). Der zweite Term beschreibt den dipolaren
~ˆ der Elektronenspinoperator.
Beitrag. Hier ist D der Dipol-Dipolkopplungstensor und S
70
NMR-Spektroskopie
4.1.4. Beschreibung eines NMR-Experiments
4.1.4.1. Kernmagnetisierung im Gleichgewicht
Bisher wurde die Diskussion für einen einzigen Kernspin geführt, der bestimmte Wechselwirkungen mit seiner Umgebung eingeht. Zur Beschreibung des NMR-Experiments muss man
jedoch zu einer makroskopischen Betrachtungsweise übergehen, die alle vorhandenen Spins in
einer Probe berücksichtigt. Die entsprechende Größe, die für die weitere Diskussion benötigt
wird, ist die Kernmagnetisierung M0 , die sich als die Summe aller magnetischen Momente ergibt. Die Berechnung der Gesamtmagnetisierung geschieht über die Boltzmann-Statistik. Betrachten wir ein I = 1/2-Spinsystem, dann ergibt sich die Gleichgewichts-Kernmagnetisierung
zu
M0 = Nα µzα + Nβ µzβ = ∆N0 µzα
(4.22)
wobei Nα , Nβ die relative Besetzung der Zustände α und β sind. µzα = −µzβ sind die zKomponenten der entsprechenden magnetischen Momente. Für die Berechnung von Nα und
Nβ greift man auf die Boltzmann-Statistik zurück und wendet die sogenannte HochtemperaturNäherung an, d.h. ∆U ≪ kT . Es folgt damit, dass
∆N0 = Nα − Nß =
N∆U
γ~B0
=N·
.
2kT
2kT
(4.23)
N ist hier die Gesamtzahl der Spins, d.h. N = Nα + Nβ . Einsetzen von ∆N0 und µZα = 21 γ~
in Gleichung (4.22) führt zu
γ 2 ~2 B0
,
(4.24)
M0 = N
4kT
was dem Curie-Gesetz entspricht. Für den Fall einer beliebigen Spinquantenzahl I ergibt sich
für die Magnetisierung
γ 2 ~2 B0 I (I + 1)
M0 = N
.
(4.25)
3kT
4.1.4.2. Messmethoden und Blochsche Gleichungen
Zur Durchführung eines NMR-Experiments benötigt man ein statisches, starkes Magnetfeld
B0 , dessen Richtung als die z-Richtung festgelegt ist. Weiterhin wird eine elektromagnetische
Strahlung im Radiofrequenzbereich eingestrahlt, die senkrecht zu B0 in der x,y-Ebene liegt
und deren magnetische Komponente eine Amplitude B1 aufweist (B1 ≪ B0 ). Im sogenannten
Resonanzfall, d.h. wenn die Frequenz des B1 -Feldes der Larmorfrequenz eines Kernspins in
der Probe entspricht, kommt es zum Übergang zwischen den Kernspinzuständen, d.h. die
Probe absorbiert einen Teil der eingestrahlten Energie.
Grundsätzlich unterscheidet man bei den Messverfahren zwischen der continuous wave (cw)Methode und der Impuls- oder Fouriertransformations (FT)-Technik. Der cw-Modus verwendet ein Hochfrequenzfeld schwacher Amplitude, das kontinuierlich einwirkt. Zur Aufzeichnung des Absorptionsspektrums der Probe wird die Frequenz oder die B0 -Feldstärke (s. ESRSpektroskopie) sehr langsam verändert (Abb. 4.3 a,b,c). Die cw-Technik hat verschiedene
Nachteile. Das Aufnahmeverfahren ist relativ zeitaufwendig, denn die Radiofrequenz bzw.
das Magnetfeld darf aufgrund der langen Relaxationszeiten nicht zu schnell variiert werden,
71
NMR-Spektroskopie
um Interferenzeffekte zu vermeiden. Bei zu hoher Energieeinstrahlung kann es aus demselben
Grund zu Sättigungseffekten kommen, d.h. die Relaxation erfolgt so langsam, dass allmählich
ein Populationsausgleich der Spin-Energieniveaus eintritt und die Signalintensitäten sinken.
Dies würde auch die korrekte Kurvenfläche eines Spektrums (Integration) zur Ermittlung der
Zahlenverhältnisse der beobachteten Kerne beeinflussen. Ferner können Spektren zur Verbesserung des bei der NMR ohnehin schlechten Signal-Rausch-Verhältnisses nur mit großem
Aufwand akkumuliert werden. All dies schließt die Untersuchung von Kernsorten mit geringer
natürlicher Häufigkeit (außer 1 H oder 19 F) mit der cw-Technik aus.
Abb. 4.3.: Prinzip der cw- und der Impuls- oder FT-NMR-Technik
Die Beschreibung des cw-Experiments mit Hilfe der Blochschen Gleichungen wird im Versuch
,,ESR-Spektroskopie” durchgeführt. Letztlich führt die Ableitung zu einer Funktion für das
ESR-Signal, das einer Lorentzkurve entspricht. Die Halbwertsbreite ist dabei gleich 1/πT2∗ .
T2∗ ist die ,,effektive” Spin-Spin-Relaxationszeit, die den Beitrag durch Feldinhomogenitäten
in der Probe beinhaltet (s. unten).
Beim FT-Verfahren wird die Probe einem starken Radiofrequenzimpuls von wenigen µs Dauer ausgesetzt. Dadurch kommt es zum Auslenken der Gleichgewichtsmagnetisierung aus der
z-Richtung in die x, y-Ebene, d.h. zur Ausbildung einer Quermagnetisierung (Abb. 4.3 a,
d). Danach wird der zeitliche Verlauf der Quermagnetisierung (bei abgeschalteter Radiofrequenzstrahlung) detektiert. Man beobachtet ein mit der Relaxationszeit T2∗ exponentiell
abklingendes Signal, das als FID (freier Induktionszerfall = free induction decay) bezeichnet
wird (Abb. 4.3 e). Die Fouriertransformation des FID-Signals führt dann zum Absorptionsspektrum (Abb. 4.3 c) wie beim cw-Verfahren.
Wir wollen im Folgenden das FT-Experiment mit Hilfe der Blochschen Gleichungen beschreiben. Die zeitliche Änderung der Kernmagnetisierung in Gegenwart eines Magnetfelds ist gegeben durch
~
dM
~ × B.
~
= γ M
(4.26)
dt
72
NMR-Spektroskopie
Die Gleichung zur Beschreibung der zeitlichen Abhängigkeit der Bewegung der Gesamtmagnetisierung muss sowohl die Einstellung der Gleichgewichtsmagnetisierung mit den Komponenten (0, 0, M0 ) als auch die Larmorpräzession berücksichtigen.
Bloch nahm an, dass sich diese Gleichgewichtsmagnetisierung nach einer Kinetik erster Ordnung einstellt und stellte drei Gleichungen für die Komponenten von M parallel und senkrecht
~ 0 auf:
zur Richtung des äußeren Magnetfelds B
Mx
dMx
= −
dt
T2
dMy
My
= −
dt
T2
(Mz − M0 )
dMz
= −
dt
T1
(4.27)
Die Relaxationszeit T1 bezeichnet man als longitudinale oder Spin-Gitter-Relaxationszeit,
denn sie ist charakteristisch für den Energieaustausch zwischen dem Spinsystem und den
restlichen Freiheitsgraden des umgebenden Atom- und Molekül-,,Gitters”. Die Energie des
Spinsystems ist nur von der z-Komponente der Magnetisierung abhängig.
T2 wird als transversale oder Spin-Spin-Relaxationszeit bezeichnet. Sie bestimmt die Geschwindigkeit, mit der sich die Phasenbeziehung der Spins des Systems zueinander verändert,
d.h. die Quermagnetisierung abgebaut wird, und ist letztlich mit der Lebensdauer der Spinzustände verknüpft. Bei der Wechselwirkung der Spins untereinander wird keine Energie mit
dem umgebenden Gitter ausgetauscht.
~ setzt sich jetzt zusammen aus der statischen Komponente B0 entlang der z-Richtung,
B
die zur Aufhebung der Entartung der Spinzustände führt, und einer zeitlich veränderlichen
Komponente mit der Amplitude B1 (B1 ≪ B0 ), welche senkrecht zu B0 in der x, y-Ebene
liegt und der magnetische Anteil einer auf die Probe wirkenden Radiofrequenzeinstrahlung
ist.
~ ergibt sich dann zu
Das Gesamtfeld B
~ = B1 cos ωt · ~i + B1 sin ωt · ~j + B0 · ~k
B
(4.28)
mit den Einheitsvektoren ~i, ~j, ~k in x-, y- und z-Richtung.
Man setzt jetzt (4.27) und (4.28) in die Bewegungsgleichung (4.26) ein und führt eine Koordinatentransformation in das rotierende Koordinatensystem x’, y’, z durch, welches mit der
Winkelgeschwindigkeit ωr um die z-Achse rotiert. Dabei gelten die Beziehungen
u = Mx cos ωr t − My sin ωr t
v = Mx sin ωr t + My cos ωr t.
(4.29)
u und v sind die entsprechenden Komponenten der Quermagnetisierung im rotierenden Koordinatensystem. Dies führt zur Bewegungsgleichung im rotierenden Koordinatensystem
!
~
dM
~ ×B
~ eff
=γ M
(4.30)
dt
rot
73
NMR-Spektroskopie
wobei
~ eff = (B0 − ωr /γ) · ~k + B1 · ~i′ ,
B
(4.31)
mit ~i′ als Einheitsvektor entlang der x′ -Richtung.
Die ausgeschriebenen Blochschen Gleichungen lauten
u
du
= (ω0 − ωr ) v −
dt
T2
dv
v
= − (ω0 − ωr ) u + γB1 Mz −
dt
T2
Mz − M0
dMz
= −γB1 v −
dt
T1
(4.32)
Dabei ist ω0 = γB0 die Winkelgeschwindigkeit der Larmorpräzession um B0 .
Es wird jetzt für ein kurzes Zeitintervall (wenige µs) ein Radiofrequenzsignal auf die Probe geschickt. Man spricht auch von der Einstrahlung eines sog. Radiofrequenzimpulses mit
Rechteckform. Im rotierenden Koordinatensystem ist dies gleichbedeutend mit dem Einschalten eines zusätzlichen konstanten B1 -Feldes (s. Gl. (4.28)). Dabei wird angenommen, dass
B1 ≫ |B0 − (ωr /γ)| und dass die Relaxationszeiten T1 und T2 zu vernachlässigen sind. Ist
außerdem die Radiofrequenz (ωr ) gleich groß wie die Larmorfrequenz (ω0 )vereinfachen sich
die obigen Gleichungen (4.32)
du/dt = 0
dv/dt = γB1 Mz = ω1 Mz
dMz /dt = −ω1 v
(4.33)
u (t) = const.
v(t) = M (0) sin ω1 t
Mz (t) = M (0) cos ω1 t
(4.34)
Als Lösung erhält man
Diese Gleichungen beschreiben jetzt eine Präzessionsbewegung um das eingestrahlte B1 -Feld.
Setzt man jetzt 1
Θ = ω1 t = π/2
(4.35)
und berücksichtigt, dass zu Beginn M (0) = M0 bzw. u (0) = 0 ist, dann folgt für die Magnetisierungskomponenten nach dem 90˚- oder π/2-Impuls (s. Abb. 4.4)
u =0
v = M0
Mz = 0
(4.36)
Nach dem Radiofrequenz-Impuls wird die Quermagnetisierung (u- und v-Komponente) detektiert. Man muss also das Gleichungssystem (4.32) ohne die γB1 -Beiträge lösen.
1
π
Der Drehwinkel wird über die Pulsdauer kontrolliert. Für einen 90◦ -Impuls beträgt sie z. B. t90◦ = 2ω
1
π
◦
◦
für einen 180 -Impuls t180◦ = ω1 . Auch größere Winkel sind möglich. Eine volle 360 -Drehung entspricht
dann wieder einem 0◦ -Impuls.
74
NMR-Spektroskopie
a)
Bo
z'
b)
Bo
Mo
z'
c)
Bo
z'
Θ
B1 = 0
x'
d)
Bo
y'
z'
B1
x'
e)
x'
y'
Bo
y'
z'
x'
f)
y'
B1 = 0
x'
y'
Bo
z'
Mo
x'
B1 = 0
y'
B1 = 0
Abb. 4.4.: Kernmagnetisierung während eines 90˚-Impulsexperiments
Dies liefert folgende Gleichungen
u (t)
= M0 sin (ω0 − ωr ) t · exp (−t/T2 )
v (t)
= M0 cos (ω0 − ωr ) t · exp (−t/T2 )
Mz (t) = M0 [1 − exp (−t/T1 )]
(4.37)
Betrachten wir die v-Komponente, so entspricht dieses Signal einer Kosinusfunktion, welche
exponentiell mit einer Zeitkonstante T2 abfällt. Dies entspricht dem oben erwähnten FIDSignal. T2 ist im Realfall durch die effektive Relaxationszeit T2∗ zu ersetzen, die zusätzlich zum
natürlichen T2 die Defokussierung der Spins durch Magnetfeldinhomogenitäten berücksichtigt,
d.h.
1
γ∆B0
1
=
+
.
(4.38)
∗
T2
T2
2
Zur Frequenzselektion des detektierten Signals kombiniert man die u- und v-Komponente zu
einem komplexen Signal S(t) gemäß (s. Abb. 4.5)
S (t) = v (t) + iu (t) = M0 exp (i∆ωt) exp (−t/T2∗ )
(4.39)
mit ∆ω = ω0 − ωr .
Das NMR-Spektrum erhält man durch Fouriertransformation
S (ω) =
Z∞
S (t) exp (−iωt)dt,
(4.40)
0
was nach Einsetzen von S(t) zu
S (ω) =
M0 T2∗
M0 T2∗ (∆ω + ω)
+
i
1 + [(∆ω − ω) T2∗ ]2
1 + [(∆ω − ω) T2∗ ]2
(4.41)
führt. Dies entspricht der gleichen Lorentzkurve, wie sie beim normalen cw-Experiment erhalten wird. Die Halbwertsbreite ist wiederum durch ∆ω = 2/T2∗ gegeben.
Die wichtigsten Vorteile der heutzutage fast ausschließlich verwendeten FT-NMR-Technik
sind
75
NMR-Spektroskopie
Abb. 4.5.: FID-Signale und fouriertransformierte NMR-Spektren bei Abweichungen der
Referenzfrequenz von der Larmorfrequenz. a) 0 Hz, b) 10 Hz, c) 20 Hz
a) die Möglichkeit der Signal/Rausch-Verbesserung durch Aufaddition mehrerer Messungen; dadurch lassen sich auch Untersuchungen an weniger empfindlichen Kernspins (z.B.
13
C) ohne Isotopenanreicherung durchführen.
b) die kürzere Messdauer gegenüber der cw-Technik. Bei letzterer dauert die Messung
meist mehrere Minuten, während eine Messung im FT-Verfahren in einigen Sekunden
durchgeführt werden kann.
c) die Möglichkeit, durch Variation der Impulssequenzen Relaxationszeiten zu bestimmen.
d) die beliebige Erweiterung der Experimente auf zwei- oder mehrdimensionale Verfahren,
die wichtige experimentelle Verfahren bei der Strukturaufklärung biologischer Makromoleküle sind.
4.1.5. Messungen von Relaxationszeiten
Relaxationszeiten, die letztlich eine Aussage über das dynamische Verhalten einer Probe erlauben, lassen sich in FT-NMR-Spektroskopie durch Verwendung geeigneter Impulsfolgen sehr
einfach bestimmen.
4.1.5.1. Messung der Spin-Gitter-Relaxationszeit T1
Für die Bestimmung der Relaxationszeit T1 setzt man die sog. Inversion-Recovery-Sequenz
ein, die aus einer 180˚ - τ - 90˚-Impulsfolge besteht. Durch den 180˚-Impuls wird die Magnetisierung M0 in Richtung der z-Achse gedreht, d.h. direkt nach dem Impuls ist Mz (0) = −M0 .
Man verfolgt jetzt die Rückkehr von Mz in den Gleichgewichtszustand, indem man zu verschiedenen Zeitpunkten τ nach dem 180˚-Impuls die aktuelle Magnetisierung Mz bestimmt. Dies
geschieht durch einen weiteren 90˚-Impuls, der Mz in eine detektierbare Quermagnetisierung
76
NMR-Spektroskopie
überführt (Abb. 4.6 a).
Abb. 4.6.: a) Inversion-Recovery-Sequenz und b) zeitlicher Verlauf der Magnetisierung
bei diesem Experiment
Quantitativ kann dies durch die Blochschen Gleichungen beschrieben werden, wobei u = v = 0
und
dMz (t)
(Mz (t) − M0 )
=−
(4.42)
dt
T1
Als Lösung erhält man mit Mz (τ = 0) = −M0 .
Mz (τ ) = M0 [1 − 2 exp (−τ /T1 )]
oder
(4.43)
τ
M0 − Mz (τ )
=−
(4.44)
ln
2M0
T1
Der entsprechende Kurvenverlauf für dieses Experiment ist in Abb. 4.6 b wiedergegeben.
4.1.5.2. Messung der Spin-Spin-Relaxationszeit T2
Eine Möglichkeit zur Bestimmung der Relaxationszeit T2 , die keinen Beitrag von Feldinhomogenitäten in der Probe enthält (vgl. T2∗ ), ist die Durchführung eines Hahnschen Spin-EchoExperiments mit der Impulsfolge [90◦ - τ - 180◦ - τ ]. Nach der Auslenkung der Magnetisierung in die x, y-Ebene durch den 90◦ -Impuls beginnen die Einzelspins mit unterschiedlichen
Larmorfrequenzen - bedingt durch B0 -Inhomogenitäten - auseinander zu laufen, d.h. die verlieren ihre Phasenbeziehung. Durch einen 180◦ -Impuls nach einem Zeitintervall τ nach dem
90◦ -Impuls werden die Positionen der Einzelspins um 180◦ um die x′ -Achse gedreht, ihre Drehrichtung um die z-Achse behalten sie jedoch bei. Infolgedessen treffen die verschiedenen Spins
zum Zeitpunkt t = 2τ wieder zusammen, d.h. sie sind wieder in Phase. Das dabei entstehende
Signal bezeichnet man als Spinecho (Abb. 4.7 a-e).
Die Amplitude des Spinechosignals als Funktion von τ ergibt sich zu
M (2τ ) = M0 exp (−2τ /T2 )
(4.45)
und ist also nicht mehr abhängig von B0 -Inhomogenitäten in der Probe. Berücksichtigt sind
allerdings nicht Effekte durch molekulare Diffusion, die ein Molekül während der Zeit 2τ von
einer bestimmten Position im inhomogenen Magnetfeld in eine andere Position überführt,
was ebenfalls zur Reduktion der Echoamplitude führt. Es lässt sich zeigen, dass sich das
Spinechosignal in Gegenwart eines Feldgradienten G = dBz /dz zu
3
M (2τ ) = M0 exp (−2τ /T2 ) exp − (Dγ 2 G2 /3) (2τ
)
(4.46)
= M (2τ, G = 0) exp − (Dγ 2 G2 /3) (2τ )3
77
NMR-Spektroskopie
Abb. 4.7.: Spinecho- und Carr-Purcell-Experiment.
ergibt, wobei D der Diffusionskoeffizient ist. Bei bekanntem Gradienten G lässt sich also über
das Spinechoexperiment der Diffusionskoeffizient ermitteln.
Carr und Purcell zeigten, dass eine einfache Modifikation der Spin-Echo-Methode den Einfluss
der Diffusion auf die Echoamplitude stark reduzieren kann. Die entsprechende Carr-PurcellImpulsfolge lautet [90◦ - τ - 180◦ - 2τ - 180◦ - 2τ - 180◦ - ...]. Bis zum ersten Signalecho
entspricht das Experiment dem normalen Spin-Echo-Experiment. Nach dem Phasenverlust
der Einzelspins können durch weitere 180˚-Impulse zu den Zeitpunkten τ = 3τ, 5τ, . . . weitere
Echos zu den Zeitpunkten t = 4τ, 6τ, . . . erzeugt werden (Abb. 4.7, Abb. 4.8).
Abb. 4.8.: Carr-Purcell-Experiment
M (2nτ ) = M0 exp (−2nτ /T2 ) exp − Dγ 2 G2 /3 (2nτ 3 )
78
(4.47)
NMR-Spektroskopie
oder
t
1 2 2 2
1
+ Dγ G τ · t = M0 exp − ′
M (t = 2nτ ) = M0 exp −
T2 3
T2
(4.48)
Dies entspricht formal wieder einem exponentiellen Abfall des Signals mit der Zeitkonstante
′
T2 , die durch
1
1
1
+ Dγ 2 G2 τ 2
(4.49)
=
′
T2
T2 3
gegeben ist. Die Durchführung von Experimenten bei verschiedenen τ -Werten erlaubt wiederum die Bestimmung von D und T2 . Will man andererseits den Beitrag durch Diffusion
minimieren, dann wählt man ein möglichst kleines τ -Intervall. In diesem Fall kann man dann
aus einem einzigen Experiment bereits die T2 -Zeit bestimmen.
4.1.6. Kernspinrelaxation
Wie in Abschnitt 4.1.4 ausgeführt, kann ein Hochfrequenzfeld mit einer Frequenz, die sich im
Bereich der Übergänge zwischen verschiedenen Energieniveaus befindet, die Kernmagnetisierung verändern, indem Übergänge zwischen den Niveaus induziert werden. Neben diesem von
außen eingestrahlten Hochfrequenzfeld kann man sich auch innerhalb der Probe auftretende,
örtliche Felder vorstellen, die entsprechende Übergänge hervorrufen. Dieser Vorgang lässt sich
am einfachsten wieder über die Blochschen Gleichungen klarmachen. Zunächst geht man davon aus, dass das örtlich und zeitlich fluktuierende Magnetfeld Komponenten in x-, y- und
z-Richtung gemäß
~b (t) = bx (t)~i + by (t) ~j + bz (t) ~k
(4.50)
~ aus dem Gleichgewicht gebracht wurde und
aufweist. Wir gehen weiter davon aus, dass M
die Komponenten Mx′ , My′ und Mz im rotierenden Koordinatensystem hat. Eine Veränderung dieser Magnetisierungskomponenten kann nur dann erfolgen, wenn entsprechende, im
rotierenden Koordinatensystem konstante ~b-Komponenten existieren. Die entsprechende Bewegungsgleichung lautet dann für das rotierende Koordinatensystem
~b × M
~
= bx′~i + by′~j + bz~k × Mx′~i + My′~j + Mz~k =
(4.51)
rot
= (by′ Mz − bz My′ )~i + (bz Mx′ − bx′ Mz ) ~j + (bx′ My′ − by′ Mx′ ) ~k.
Diejenigen ~b-Komponenten, die Mz beeinflussen, haben eine Auswirkung auf T1 , und jene,
die Mx′ bzw. My′ beeinflussen, eine Auswirkung auf T2 . Man erkennt, dass Mx′ und My′
durch alle drei ~b-Komponenten verändert werden können, während auf Mz nur die bx′ - und
by′ -Komponenten wirken können.
Demzufolge führen fluktuierende Magnetfelder, die eine Frequenzkomponente bei der Larmorfrequenz ω0 aufweisen, zur T2 - und T1 -Relaxation. Es lässt sich zeigen, dass für T1 und
T2 noch eine weitere Komponente bei der Frequenz 2ω0 wirksam ist. Ausschließlich zur T2 Relaxation trägt noch die bz -Komponente bei, die statisch ist. Man spricht hier von einem
,,Nullfrequenz”-Beitrag, der dazu führt, dass T2 6 T1 ist.
Die lokalen Felder müssen also zeitabhängig sein, damit man durch die Zerlegung dieser Zeitabhängigkeit in Sinusfunktionen (,,Fourierzerlegung”) eine von Null verschiedene Komponente
79
NMR-Spektroskopie
bei den Larmorfrequenzen des untersuchten Spinsystems finden kann. Man charakterisiert
deshalb die Wirksamkeit dieser örtlichen Felder b(t) durch spektrale Dichten J (ω) der Form
J (ω) =
Z∞
< b (t) b (t + τ ) > exp (iωt) dt.
(4.52)
0
Die spektrale Dichte ist also die Fouriertransformierte einer Größe, die von den örtlichen
Magnetfeldern bestimmt wird und drückt deren Wirksamkeit (Amplitude) aus, um bei der
Frequenz ν = ω/2π Kernspinübergänge zu induzieren. Die Klammer in obiger Gleichung zeigt
einen Mittelwert über das gesamte Spinsystem in der Probe an.
Ein lokales, zeitlich fluktuierendes Feld kann weiterhin nur dann einen Übergang induzieren,
wenn es eine bestimmte Kohärenz aufweist, die durch die Größe hb (t) b (t + τ )i, der sogenannten Korrelationsfunktion, berücksichtigt wird. Ein Feld mit sinusförmiger Zeitabhängigkeit
(vgl. eingestrahltes B1 -Feld) ist vollständig kohärent. Je ausgeprägter die Kohärenz ist, desto
besser vermag der mit b(t) verknüpfte Mechanismus einen Übergang mit der Frequenz ω/2π
zu induzieren.
Die Fluktuationen der örtlichen Magnetfelder gehen auf Molekularbewegungen zurück, für deren Beschreibung verschiedene Modelle denkbar sind. Ein häufig benutztes Modell - Diffusion
und Rotation - führt zu einer exponentiellen Korrelationsfunktion
g (τ ) = < b (t) b (t + τ ) > = < b (t)2 > exp (−τ /τc ) ,
(4.53)
wobei τc die Korrelationszeit ist. Sie drückt diejenige Zeit aus, die nötig ist, ein Molekül um den
Winkel 1 Radian 360◦ /2π zu drehen. τc liegt für niederviskose Flüssigkeiten zwischen 10−10
bis 10−12 s und ist für eine isotrope Reorientierungsbewegung eines starren, kugelförmigen
Moleküls proportional zur Viskosität des Mediums gemäß
τc =
4πηa3
.
3kT
(4.54)
a ist dabei der Radius des Moleküls, welches sich in einem Medium mit der Viskosität η
bewegt.
Mit diesem Ansatz für die Korrelationsfunktion ergibt sich der Realteil der spektralen Dichte
(s. Abb. 4.9) zu
τc
.
(4.55)
J (ω) = < b (t)2 >
1 + ω 2 τc2
Ist der einen Relaxationsprozess bestimmende Wechselwirkungsmechanismus bekannt, dann
wird das zeitlich veränderliche Feld b (t) durch die entsprechende magnetische Wechselwirkung
ersetzt. Diese muss einen anisotropen Charakter haben, denn nur in diesem Fall führt eine
Molekularbewegung zu einer Veränderung in der Größe der magnetischen Wechselwirkung.
Setzt man jetzt noch einen geeigneten Bewegungsmechanismus zur Beschreibung des Bewegungsverhaltens in der untersuchten Probe an, dann lassen sich entsprechende Ausdrücke für
die Relaxationszeiten T1 und T2 ableiten. Diese hängen also vom Typ und Stärke der magnetischen Wechselwirkung, dem Bewegungstyp und dessen Korrelationszeit sowie von der
Larmorfrequenz ab. Die Ableitung geschieht über eine zeitabhängige Störungsrechnung, und
80
NMR-Spektroskopie
a)
b)
g( τ)
c)
g( τ)
g( τ)
τ
τ
FT
τ
FT
J(ω)
FT
J(ω)
J(ω)
log ω
log ω
log ω
1/τc
Abb. 4.9.: Exponentiell abfallende Korrelationsfunktionen g (τ ) und entsprechende
spektrale Dichtefunktionen J (ω). Zur besseren Darstellung wurden die
Flächen unter den verschiedenen J (ω)-Kurven willkürlich gewählt, obwohl
diese identisch sein müssten.
a) langsame Molekularbewegung, d.h. großes τc
b) Bewegung auf einer mittleren Zeitskala und
c) sehr schnelle Molekularbewegung, d.h. kleines τc
es sind die entsprechenden Übergangsraten W zwischen den verschiedenen Spinzuständen
zu berechnen. Es zeigt sich, dass die Übergangsraten umgekehrt proportional zu T1 bzw.
T2 sind und direkt mit den oben erwähnten spektralen Dichtefunktionen zusammenhängen
(Abb. 4.10).
Man erhält schließlich Gleichungen für T1 und T2 der Form
1
= c · J (ω0 ) + c′ · J (2ω0 )
T1
1
= d · J (0) + d′ · J (ω0 ) + d′′ · J (2ω0 )
T2
(4.56)
c, c′ , d,... sind Vorfaktoren, die von der magnetischen Wechselwirkung abhängen. Der Ausdruck von T2 enthält den bereits erwähnten zusätzlichen ,,Nullfrequenz”-Beitrag J(0).
Geht man vom konkreten Fall aus, dass ein dipolar gekoppeltes I = 1/2-Spinpaar (homonukleare Dipol-Dipol-Kopplung mit dem mittleren Abstand r) eine rotatorische Bewegung
durchführt, dann erhält man folgende Beziehungen:
1
4τc
3 γ 4 ~2
τc
+
=
T1
10 r 6
1 + ω02 τc2
1 + 4ω02τc2
2τc
3 γ 4 ~2
5τc
1
+
(4.57)
3τc +
=
T2
20 r 6
1 + ω02 τc2
1 + 4ω02 τc2
Man bezeichnet diese Gleichungen als BPP-Gleichungen, nach Bloembergen, Purcell und
81
NMR-Spektroskopie
Abb. 4.10.: Abhängigkeit der Übergangsraten W von den spektralen Dichtefunktionen
J (ω). Der Verlauf von W ist in etwa identisch mit dem Verlauf von 1/T1
(s. auch Abb. 4.9).
a) großes τc (τc ≫ 1/ω0 )
b) τc im mittleren Bereich (τc ≈ 1/ω0 )
c) kleines τc (τc ≪ 1/ω0 )
Pound, die erstmals diese Ableitungen durchgeführt haben. In Abb. 4.11 sind T1 - und T2 Kurven als Funktion der Korrelationszeit aufgetragen.
Man erkennt aus dieser Abbildung und den obigen Gleichungen, dass für ω0 τc ≪ 1 T1 und
T2 frequenzunabhängig gemäß
1
1
=
= A · τc
(4.58)
T1
T2
werden. Für ω0 τc ≫ 1 wird T1 frequenzabhängig mit
1
1
= A′ · 2 ,
T1
ω0 τc
(4.59)
während T2 noch weiter abnimmt. T1 durchläuft ein Minimum wenn die Korrelationszeit τc
in etwa der Larmorfrequenz entspricht, d.h. ω0 τc ≈ 1.
Abschließend sei erwähnt, dass im Fall verschiedener Beiträge zum Relaxationsverhalten
(durch unterschiedliche magnetische Wechselwirkungen, Kap. 4.1.3) die Relaxationszeiten sich
über ihre Kehrwerte addieren
X 1 X 1 1
1
=
bzw.
=
.
(4.60)
T1
T1 i
T2
T2 i
i
i
4.1.7. NMR-Bildgebung
Bei der NMR-Bildgebung erzeugt man zwei- oder dreidimensionale Bilder eines untersuchten
Objekts. Das Verfahren beruht darauf, dass man Spindichten und Relaxationszeiten der Pro-
82
NMR-Spektroskopie
T1
log T1
log T2
ωο τc = 1
langsame
Bewegung
schnelle
Bewegung
T2
102
100
10 -2
ωοτ c
Abb. 4.11.: T1 - und T2 -Relaxationszeiten als Funktion der Korrelationszeit bei konstanter Larmorfrequenz ω0 .
ben durch Einwirken von Feldgradienten ortsaufgelöst erfassen und daraus durch geeignete
mathematische Verfahren mehrdimensionale Bilder erzeugen kann. Die NMR-Bildgebung findet heute eine breite Anwendung in der Medizintechnik. Beispielsweise lässt sich mit dieser
Methode ein Tumor direkt abbilden, da anomal verändertes Gewebe sich in den Relaxationszeiten (Protonen des Wassers) deutlich vom gesundem Gewebe unterscheidet.
Betrachten wir eine Probe, auf die über den gesamten Probenraum ein homogenes Magnetfeld
wirkt, dann ist die Amplitude des entsprechenden NMR-Signals bei der Frequenz ν proportional zur Anzahl der Spins (=Spindichte), deren Resonanzfrequenz mit dieser Frequenz ν
übereinstimmt. Es gelingt jetzt durch Einwirken zusätzlicher Magnetfelder die Resonanzfrequenz von der räumlichen Position abhängig zu machen. Dazu wird dem homogenen Feld
B0 ein linearer Gradient Gx = ∂B/∂x in x-Richtung überlagert. Die Resonanzfrequenz wird
dann zu
ν=
γ
(B0 + Gx x) = ν + Kx x
2π
(4.61)
mit Kx = γ/2πGx . Das so erhaltene FID-Signal nach einem 90◦ -Impuls ist dann ein Spindichterofil ρ (x, y) entlang der x-Richtung gemäß
S(tx ) =
S(tx ) =
R∞ R∞
−∞ −∞
R∞ R∞
−∞ −∞
ρ(x, y) · exp[2πiνG (x)tx ] · exp(−t/T2∗ ) dx dy
(4.62)
ρ(x, y) · exp[iγ Gx x tx ] · exp(−t/T2∗ ) dx dy
mit νG (x) = γGx x/2π. Dabei wurde vorausgesetzt, dass die Referenzfrequenz νr gleich der
Larmorferquenz ν0 ohne Gradient ist. Aus der obigen Gleichung erkennt man, dass ein linearer
Zusammenhang zwischen der Frequenz und der x-Position besteht.
In Abbildung 4.12 sind die Verhältnisse für zwei Wasserproben in einem bestimmten räumlichen Abstand wiedergegeben. In Anwesenheit eines Gradienten werden entlang x zwei Signale
mit unterschiedlicher Resonanzfrequenz beobachtet. Der Frequenzabstand ist direkt propor-
83
NMR-Spektroskopie
Abb. 4.12.: FID-Signale und fouriertransformierte NMR-Spektren zweier Proben in einem homogenen Magnetfeld ohne (a) und mit (b) einem zusätzlichen Gradienten in x-Richtung
tional zur räumlichen Position der Proben. In Abbildung 4.13 ist dies für eine zylinderförmige
Probe nochmals genauer aufgeführt. Die Fouriertransformierte des FID ergibt ein kontinuierliches Signal, das aus einer Überlagerung von Lorentzkurven unterschiedlicher Intensität
aufgrund unterschiedlicher Spindichten über die Probe hinweg zusammengesetzt ist.
Für die Erzeugung zwei- und dreidimensionaler Bilder unterscheidet man zwischen der Projektions-Rekonstruktions-Technik und den 2D bzw. 3D FT-NMR-Bildgebungsmethoden.
Bei der ersten Methode dreht man normalerweise den Gradienten in kleinen Schritten in
der x, y-Richtung und erhält so einen großen Satz von Projektionen der Probe (Abb. 4.14).
Alternativ kann auch - wie in diesem Praktikumsversuch - die Probe bei konstant gehaltenen
Gradienten gedreht werden. Durch die Überlagerung der nach der Fouriertransformation der
FID-Signale erhaltenen Projektionen ergibt sich ein zweidimensionales Querschnittsbild der
Kernspindichte. Die Spindichte ρ (x, y) ergibt sich also zu
84
NMR-Spektroskopie
Abb. 4.13.: Zylindrisches Objekt bei Vorliegen eines Gradienten in x-Richtung und Fouriertransformierte des FID-Signals.
ρ(x, y) =
m
X
Pj (r, φ)∆φ
(4.63)
j=1
Pj (r, φ) sind die Projektionen für verschiedene Gradienten, die mit der x-Achse einen Winkel
φ einschließen. Die Summe läuft über alle m Projektionen mit dem Winkelinkrement ∆φ. Die
Algorithmen für dieses Projektions-Rekonstruktions-Verfahren sind identisch zu denjenigen,
die bei der Röntgen-Computertomographie eingesetzt werden.
Abb. 4.14.: Zusammenhang zwischen einem dreidimensionalen Objekt, seinem zweidimensionalen Schnittbild und vier eindimensionalen Projektionen in der
x,y-Ebene.
Obwohl das Projektions-Rekonstruktions-Verfahren sehr einfach durchzuführen ist, weist es
einige entscheidende Nachteile auf. Deshalb werden meist die FT-Bildgebungsmethoden eingesetzt, die auf dem Prinzip der zweidimensionalen NMR-Spektroskopie aufbauen. Hier wird
während einer inkrementierbaren Zeit ty der Gradient in y-Richtung eingeschaltet Das FIDSignal wird dann als Funktion von ty bei ausgeschaltetem y-Gradient in Gegenwart des xGradienten während der Zeit tx detektiert (s. Abb. 4.15).
Man erhält somit FID-Signale als Funktion der Zeit ty , die als eine 2D-Datenmatrix S(ty , tx )
mit
Z∞ Z∞
S(ty , tx ) =
ρ(x, y) · exp[iγ(Gx xtx + Gy yty )] dx dy
(4.64)
−∞ −∞
85
NMR-Spektroskopie
Abb. 4.15.: Vergleich zwischen a) ein- und b) zweidimensionalen Bildgebungs-FTNMR-Experimenten.
aufzufassen sind. Der Relaxationsterm exp (−t/T2∗ ) wurde hierbei weggelassen. Die Spindichte
erhält man durch zweimalige Fouriertransformation gemäß
ZZ
ρ(x, y) =
S(ty , tx )[−iγ(Gx xtx + Gy yty )] dtx dty
(4.65)
Alternativ kann man bei diesem 2D-FT-NMR-Experiment auch das FID-Signal als Funktion
einer inkrementierbaren Amplitude des Gy -Gradienten bei konstantem ty -Wert aufnehmen
(,,Spin-warp”-Technik), was einige Vorteile gegenüber dem erstgenannten 2D-Verfahren bietet. Prinzipiell führen beide Methoden jedoch zum gleichen Resultat (Abb. 4.16).
Um die dritte Dimension des Raum abzutasten, könnte man die obigen, zweidimensionalen NMR-Verfahren um eine weitere Dimension erweitern. Dies würde allerdings zu langen
Messzeiten und erheblichen Datenmengen führen. Stattdessen verwendet man die Methode
der Schichtselektion, bei der während des Radiofrequenzimpulses ein Gradient entlang der zRichtung anliegt. Kennt man jetzt den angelegten Gradienten, dann kennt man auch die entsprechende Resonanzbedingung zur Anregung einer bestimmten Schicht. Um eine möglichst
enge Schicht anzuregen, d.h. eine gute Auflösung zu erreichen, muss einerseits ein möglichst
großer Gradient gewählt werden. Diese Bedingung gilt generell für alle Gradienten. Eine weitere Auflösungssteigerung erzielt man bei der Schichtselektion, wenn man einen frequenzselektiven RF-Impuls verwendet. Dieser hat z.B. die Form einer sin(x)/x-Funktion und die entsprechende Fouriertransformierte liefert ein Anregungsfrequenzspektrum mit steil abfallenden
Rändern (s. Abb. 4.17). Durch die Länge des Impulses kann der anzuregende Frequenzbereich,
d.h. der überstrichene Larmorfrequenzbereich, eingestellt werden. Der Kontrast des erzeugten Bildes ist - wie bereits erwähnt - zunächst eine Folge der unterschiedlichen Spindichten
86
NMR-Spektroskopie
Abb. 4.16.: FT-Bildgebungsexperiment an zwei mit Wasser gefüllten Kapillaren.
a) komplette Zeitsignale (einschl. ty -Zeit-Intervall),
b) Fouriertransformierte der Signale (nur tx -Bereich, Bereich nach der gestrichelten Linie)
c) FT-NMR-Bild nach der zweiten Fouriertransformation.
Abb. 4.17.: Amplitudenmoduliertes Kosinus-Signal und dessen Fouriertransformierte
a) Rechteck-Impuls,
b) sin(x)/x-Funktion, welche nach der 2. Nullstelle abgeschnitten ist
87
NMR-Spektroskopie
innerhalb der Probe. Des Weiteren kann durch Verwendung von Spinecho- oder InversionRecovery-Impulssequenzen statt des einfachen 90˚-Impulses ein Kontrast durch unterschiedliches Relaxationsverhalten innerhalb der untersuchten Probe hervorgerufen werden. Man
spricht dann von T1 - oder T2 -gewichteten Bildern.
88
NMR-Spektroskopie
4.2. Experimenteller Teil
4.2.1. Temperierung
Alle Messungen werden bei Zimmertemperatur durchgeführt. Die interne Gerätetemperatur
beträgt aber 40 ◦ C. Daher den Thermostaten (Lauda Alpha R8) bitte frühzeitig einschalten und auf 20 ◦ C stellen. Sollte die Umgebungstemperatur stark von der Messtempertur
abweichen, den Proben etwas Zeit geben, die Temperatur anzunehmen.
4.2.2. Kalibrierung des Bruker-Minispec
Vor den eigentlichen Messungen muss ein sogenannter Daily Check durchgeführt werden.
Dazu wird die Probe: ,,Daily Check Sample“ verwendet. Die Probe (vortemperiert auf
40 ◦ C) wird in die Probenhalterung gesteckt und der Daily-Check-Button im Messprogramm
(oben rechts) wird angeklickt. Aus der Daily Check Messung soll aus dem Reciever Gain
Check der Wert für die Verstärkung (Gain) in dB ausgelesen werden.
Anschließend wird ein FID-Signal für die Daily-Check-Probe aufgenommen. Dazu wird aus
den minispec applications (rechts oben) die Funktion fid ausgewählt.
Anschließend parameter/acquisition parameter öffnen:
NS = 10, RD = 1s, Gain (dB) = Wert aus Daily Check, detection mode = magnitude
Anschließend measure anklicken (Button unten links)
Gemessenes Signal ausdrucken (beschriften):
file/print
Außerdem die Grafik über das Programm Paint sichern:
edit/copy as bitmap
Und die Daten in WordPad sichern.
edit/copy as data
4.2.3. Kernspinrelaxation von Lösungen paramagnetischer Ionen
4.2.3.1. FID-Messung
Gleiche Vorgehensweise wie bei der FID-Messung der Daily-Check-Probe. Verwenden Sie die
vom Assistenten ausgegebene Probe.
Gemessenes Signal ausdrucken (beschriften) sowie Bild und Daten sichern.
89
NMR-Spektroskopie
4.2.3.2. Bestimmung von T1 mit dem Inversion-Recovery-Experiment
In diesem Versuchsteil soll mit der Pulsfolge 180◦ -τ -90◦-τ -Echo (Inversion-Recovery-Experiment)
die longitudinale Relaxationszeit (T1 ) bestimmt werden.
Gleiche Probe wie beim FID-Experiment.
Minispec applications: t1 pcII measure / τ = 0.5 ms / ok
Anfang des Signals zoomen / Signalhöhe ablesen und in Abhängigkeit von τ in Tabelle eintragen. Messreihe weiterführen, für jeden Schritt tau verdoppeln bis sich die Signalhöhe kaum
mehr ändert. An kritischen Stellen Zwischenwerte setzen.
4.2.3.3. Das Carr-Purcell-Experiment
Es wird wieder mit der gleichen Probe gearbeitet.
Minispec applications: cpmg pcII
Applikation starten. Wählen Sie τ so groß, dass die Höhe des letzten Echos ca. 1/10 der Höhe
des ersten beträgt.
Ergebnis ausdrucken
Höhen der Echos vermessen (am Bildschirm oder auf dem Ausdruck).
4.2.3.4. Automatisierte Messung von T2 an Proben unterschiedlicher Konzentration
Messung wird jeweils mit 0.01 M, 0.02 M, 0,04 M, 0,08 M, 0,16 M und 0,32 M CuSO4
durchgeführt
Minispec applications: t2 se mb pcII
parameter/acquisition parameter:
NS = 16, RD = 2, Gain = 60 dB, detection mode = magnitude
Messbereich auswählen: 1-200 ms in
Parameter / configuration table
first duration: 1 ms
last duration: 200 ms
10 Messpunkte
ok
Messung starten
Ausgabe im Statusfenster in den Zwischenspeicher kopieren und sichern. Für jede Konzentration den Endwert (T2 ) notieren.
90
NMR-Spektroskopie
4.2.4. Chemische Verschiebung
Die chemische Verschiebung kann nur in der Frequenzdomäne bestimmt werden. Der Vorteil
liegt darin, dass die Resonanzen verschiedener (chemisch nicht äquivalenter) Kerne als einzelne
Peaks zu sehen sind. Der Übergang von der Zeit- in die Frequenzdomäne erfolgt mittels einer
Fouriertransformation.
Zwei dicht nebeneinander liegende Signale können nur dann als getrennt wahrgenommen werden, wenn deren Linienbreite geringer ist als deren Abstand. Allerdings liegen die chemischen
Verschiebungen im ppm-Bereich (ppm = parts per million = millionstel Teil der Resonanzfrequenz). Die NMR-Linien müssen also sehr schmal sein (deutlich schmaler als 1 ppm), damit
chemische Verschiebungen überhaupt aufgelöst werden können. Solch schmale Linien erfordern ein überaus homogenes Magnetfeld. In den supraleitenden Magneten der sogenannten
hochauflösenden NMR-Spektrometer kann solch eine Homogenität problemlos erreicht werden. Im minisspec mq 20 befindet sich allerdings ein Permanentmagnet mit deutlich größerer
Feldinhomogenität, die zu Linienbreiten im Bereich von 5 ppm führt. Dies ist zu viel, um
chemische Verschiebungen von Protonen auflösen zu können.
19
Fluor besitzt, genau wie Wasserstoff, einen Kern mit Spin 1/2 und einem magnetischen
Moment nahe dem des Wasserstoffs. Die Resonanzfrequenz des Fluors kann vom minispec
problemlos erzeugt werden.
Die sehr große Elektronegativität des Fluor führt dazu, dass Fluorkerne wesentlich stärker
von den Elektronen abgeschirmt werden als Wasserstoffkerne. Die chemischen Verschiebungen am Fluor sind deshalb um bis zu einem Faktor zehn größer als beim Wassestoff. An
(per)fluorierten Molekülen ist es daher möglich, Chemische Verschiebungen mit dem minispec
zu messen.
Stellen Sie das Spektrometer, nach Anleitung des Assistenten, auf Fluormessung um.
Fluorierte Probe einsetzen
Minispec applications: fluor ft pcII).
Fouriertransformation: (process / FFT; process / magnitude)
Spektrum ausdrucken
4.2.5. NMR-Bildgebung
1. Probe:
Setzen Sie die Probe mit den zwei mit Wasser gefüllten Quarzröhrchen in das Spektrometer
ein. Die Ausrichtung der beiden Quarzröhrchen soll dabei senkrecht zur Spektrometerfront
sein (Markierung auf 0◦ ).
Minispec applications: imaging1 pcII).
Das 1D-Siganl ausdrucken und beschriften
91
NMR-Spektroskopie
Drehen Sie nun die Probe um 90◦ und führen Sie das Experiment erneut durch.
2. Probe:
Minispec applications: imaging2 pcII).
Probe auf 0◦ stellen, Applikation starten, Messung abwarten!
Drehen Sie die Probe schrittweise um 10◦ und nehmen Sie in jeder Position ein Spektrum
auf, indem Sie auf Continue klicken. Nach einer Gesamtdrehung von 180◦ ist das Experiment beendet. Die 18 auf der Fesplatte gespeicherten NMR-spektren müssen nun zu einem
Gesamtbild zusammengefügt werden. Hierfür wechseln Sie in den Ordner my documents /
pcII / imaging imaging pcII.m durch Doppelklick. Klicken Sie in der linken oberen Ecke des
Matlab-Fensters mit der rechten Maustaste auf imaging pcII.m und im Untermenü mit der
linken Maustast auf Run“. Die einzelnen Spektren werden nun zusammengefügt und das
”
2D-Bild berechnet. Dies dauert ca. 15 s. Drehen Sie das Bild in eine geeignete Position und
drucken Sie es aus.
4.2.6. Auswertung
1. Kernspinrelaxation von Lösungen paramagnetischer Ionen
1. Bestimmung der Spin-Gitter-Relaxationszeit T1 aus dem Inversion-Recovery-Experiment.
2. Bestimmung der Spin-Spin-Relaxationszeit T2 aus dem Carr-Purcell-Experiment.
3. Tragen Sie T2−1 in Abhängikeit der Kupfersulfatkonzentration auf.
2. Chemische Verschiebung und Imaging
1. Diskutieren Sie das
19
F-Spektrum.
2. Diskutieren Sie das 2D-Image.
4.2.7. Sicherheitshinweise
Bitte informieren Sie sich über die Gefahren hoher Magnetfelder sowie der im Versuch verwendeten Gefahrstoffe Kupfersulfat, Perfluorotributylamin, CFCl3 .
Literatur
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Berlin : Springer-Verlag, 2002
97
99
A. Anhang
A.1. Praktikumsprotokolle
Das Brot eines Wissenschaftlers ist die Publikation. Eine wissenschaftliche Arbeit, mag sie
auch noch so brillant sein, wird von den Fachkollegen erst dann wahrgenommen, wenn sie
publiziert ist. Allerdings ist das Schreiben von Publikationen sehr mühsam und wird daher
gerne auf die lange Bank geschoben. Wenn aber die ,,Ernte“ in Form einer Publikation nicht
eingefahren wird, war die vorangegangene Forschungsarbeit vergebens.
Bevor eine wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht werden kann, muss sie auf wissenschaftliche
Relevanz und Richtigkeit geprüft werden. Sie wird aber auch nur dann akzeptieren, wenn sie
gewisse Mindestanforderungen an Form und Struktur aufweist.
Wissenschaftliches Schreiben erfordert, die Arbeit zu strukturieren und sich intensiv mit der
Materie auseinanderzusetzen. Der Lerneffekt ist dabei enorm. Das Verfassen von Berichten
darf also keinesfalls als allwöchentliche Schikane oder als notwendiges Übel aufgefasst werden,
das nun mal zum Praktikum gehört. Es ist vielmehr eine Herausforderung, ein selbständig
erarbeitetes Thema sachkundig und interessant darzustellen.
A.1.1. Aufbau eines Praktikumsprotokolls
Die geforderten Protokolle bestehen aus dem eigentlichen Bericht, hand- oder maschinengeschrieben, sowie einem Anhang. Der Bericht ist ein wohlstrukturierter, übersichtlicher Text,
der den eigentlichen Untersuchungsgegenstand wiedergibt. Einzelheiten, die die Übersichtlichkeit des Berichts stören würden, aber dennoch wichtig sind, wie z. B. Messprotokolle oder
Zwischenrechnungen, sind im Anhang aufzuführen.
Ein vollständiger Bericht besteht aus:
Titelseite: Sie enthält die Namen der verantwortlichen Personen inkl. des Assistenten, Versuchsdatum, und einen aussagekräftigen Titel. Dieser soll nicht einfach von der Versuchsanleitung abgeschrieben, sondern es soll selbst ein möglichst aussagekräftiger Titel
gewählt werden.
Desweitern befindet sich auf der Titelseite eine Kurzzusammenfassung (Abstract) der
wichtigsten Resultate. Darin wird mit möglichst kurzen und präzisen Sätzen dargestellt,
was die hauptsächlichen Ergebnisse sind und wie sie gewonnen wurden. Ein Abstract
enthält weder Formeln noch Tabellen oder grafische Darstellungen. Wird Literatur zitiert, ist die Kurzbezeichnung der Zeitschrift mit Seitenangaben in Klammern direkt
hinter dem Zitat aufzuführen.
Anhang
Einführung: Hier soll der eigentliche Untersuchungsgegenstand vorgestellt werden. Die gestellte Aufgabe soll in Zusammenhang mit der Theorie des Versuchs gebracht werden.
Die benötigten Formeln sind aufzuführen und zu erläutern. Alle Symbole müssen definiert werden. Hier sollen aber keine ,,Romane“ verfasst oder ganze Buchkapitel abgeschrieben werden. Es braucht nur der Teil der Theorie aufgeführt werden, der für die
Diskussion der Ergebnisse auch wirklich nötig ist. Formeln sind so anzupassen, dass sie
für die Versuchsauswertung und die Diskussion geeignet sind.
Physikalische Größen, Variablen und Konstanten werden immer kursiv geschrieben. Im
Formeleditor geschieht dies automatisch, im Text hingegen, wo die Kursiv-Schreibweise
für eine gute Übersichtlichkeit besonders wichtig ist, muss manuell nachformatiert werden. Physikalische Einheiten werden hingegen nie kursiv geschrieben, dadurch bleiben
Sie von den Variablen gut unterscheidbar. Hier muss also im Formeleditor nachgebessert
werden.
Experimentelles: Es werden die verwendeten Chemikalien aufgeführt und deren Reinheit,
Herkunft und Toxidität angegeben. Von der Messapparatur ist eine schematische Zeichnung anzufertigen. Die Apparatur ist kurz zu beschreiben und das Messprinzip ist zu
erläutern. Die Typenbezeichnung der Messapparatur ist anzugeben und deren wichtigste
Spezifikationen sind aufzuführen.
Resultate und Auswertung: Hier werden die experimentellen Ergebnisse präsentiert. Die
gemessenen Werte sind übersichtlich, z.B. in Tabellenform, darzustellen. Hierbei ist auf
eine sinnvolle und vollständige Beschriftung zu achten. Jeder Messwert hat eine Einheit. Diese muss immer mit angeben werden. Ob es sich (bei fehlender Einheit) um eine
Längen- oder um ein Gewichtsmaß handeln könnte, lässt sich meist noch aus dem Kontext ableiten. Ob es sich bei der fehlenden Einheit aber eher um m oder vielleicht doch
um mm, bzw. um mg oder kg handeln soll, ist schon deutlich schwieriger herauszufinden. Wenn möglich sollten Messwerte zusätzlich grafisch, z.B. in Form von Diagrammen,
dargestellt werden.
Grafische Darstellungen: Auf die grafische Darstellung der Resultate muss besondere
Sorgfalt angewandt werden. Alle Bilder sind entsprechend ihrer Abfolge zu nummerieren.
Ein Bild soll möglichst selbsterklärend sein. Alle weiteren Informationen stehen in der
Legende, die sich unterhalb des Bildes befindet. Die einzelnen Messpunkte sind (sofern
es sich nicht um Histogramme handelt) durch Symbole wie Kreise, Quadrate, Dreiecke
usw. darzustellen. Die Punkte werden nicht verbunden, sondern es ist, wenn möglich,
der erwartete theoretische Verlauf als Kurve mit einzuzeichnen. Auf jede Abbildung
muss im Text mindestens ein Mal verwiesen werden. Eine Abbildung (oder Tabelle)
erscheint normalerweise auf der Seite, auf der sie zum ersten Mal erwähnt wird. Ist dies
aus Platzgründen nicht möglich, dann auf der Folgeseite. Aushilfsweise können auch alle
Grafiken (und Tabellen) am Ende des Berichts zusammengefasst werden.
Diskussion: Die Diskussion ist der kreativste Teil einer wissenschaftlichen Arbeit. Hier
kann der Autor darlegen was ihm wichtig ist, bzw. was er für wichtig hält. Folgende
Fragestellungen sollten bearbeitet werden:
• Welches sind die wichtigsten Resultate?
100
Anhang
• Sind die Daten in sich konsistent?
• Wie verhält es ich mit der Reproduzierbarkeit?
• Gibt es Ausreißer und wie wurde mit ihnen verfahren?
• Wie weit stimmen die Daten mit der vorausgesetzten Theorie überein?
• Wie steht es mit der Gültigkeit von Vereinfachungen?
• Wie gut stimmen die Ergebnisse mit den Literaturwerten überein?
• Wie erklären sich die Abweichungen?
• Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
• Sind Probleme aufgetreten und wie wurden sie behoben?
• Gibt es Schwächen im Versuchsaufbau?
Verbesserungsvorschläge sind erwünscht.
Literatur: Im Text zitierte Literatur muss als solche gekennzeichnet werden. Alle Literaturhinweise werden am Ende des Protokolls vollständig aufgelistet. Für ein Buch sind
anzugeben: Autor(en), Titel des Buches, Erscheinungsjahr, Verlag. Für einen Artikel in
einer Zeitschrift: Autor(en), Titel der Zeitschrift, Seitenangabe, Erscheinungsjahr.
Anhang: Hier sammelt man die Rohdaten und die vom Assistenten unterschriebenen OriginalMessprotokolle. Alle Zwischenrechnungen werden hier vollständig aufgeführt, damit sie
bei Bedarf vom Assistenten nachvollzogen werden können. Diese Form des Anhangs ist
nur bei Praktikumsprotokollen notwendig.
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