Inhaltsverzeichnis 1. Blitzlichtphotolyse 1.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Theoretischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1. Übersicht über Anregungs- und Desaktivierungsprozesse . . . . . . . . 1.2.2. Allgemeines zur Blitzlichtphotolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3. Theorie der Desaktivierungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4. Die Spin-Bahn-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.5. Darstellung des Singulett-Triplett-Überganges anhand des Vektormodells 1.2.6. Der Franck-Condon-Faktor beim strahlenden Zerfall . . . . . . . . . . . 1.2.7. Der strahlungslose Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.8. Die quantenmechanische Beschreibung des strahlungslosen Übergangs . 1.3. Experimenteller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1. Aufbau der Apparatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2. Durchführung des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4. Sicherheitshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 7 7 7 8 8 11 14 15 16 17 19 19 20 21 22 2. UV/VIS- und Fluoreszenzspektroskopie 2.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Protolytische Reaktionen im Grund- und angeregten Zustand. 2.2.1. Theoretischer Teil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2. Experimenteller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Dipolmoment angeregter Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1. Theoretischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2. Experimenteller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Excimere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1. Theoretischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2. Experimenteller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3. Sicherheitshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 23 23 23 31 32 32 36 37 37 41 44 . . . . . . 45 45 45 57 58 59 60 3. Schwingungs-Spektroskopie 3.1. Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie . . . . 3.1.1. Allgemeine und theoretische Grundlagen 3.1.2. Durchführung der Messungen . . . . . . 3.1.3. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4. Sicherheitshinweise . . . . . . . . . . . . 3.1.5. Kurzanleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. NMR-Spektroskopie 4.1. Theoretischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1. Themen des Kolloquiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3. Magnetische Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4. Beschreibung eines NMR-Experiments . . . . . . . . . . . 4.1.5. Messungen von Relaxationszeiten . . . . . . . . . . . . . . 4.1.6. Kernspinrelaxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.7. NMR-Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Experimenteller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1. Temperierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2. Kalibrierung des Bruker-Minispec . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3. Kernspinrelaxation von Lösungen paramagnetischer Ionen 4.2.4. Chemische Verschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5. NMR-Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.6. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.7. Sicherheitshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 65 65 65 67 71 76 79 82 89 89 89 89 91 91 92 92 A. Anhang 99 A.1. Praktikumsprotokolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 A.1.1. Aufbau eines Praktikumsprotokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4 5 Praktikumsordnung 1. Das Praktikum ist Montag bis Freitag von 1300 bis 1800 Uhr geöffnet. 2. Vor dem Beginn des Praktikums findet eine Sicherheitsbelehrung statt, die für jeden Praktikumsteilnehmer obligatorisch ist. Der genaue Termin wird in der Vorbesprechung bekannt gegeben. 3. Im Praktikum darf nicht geraucht werden. Der Verzehr von Lebensmitteln ist in den Praktikumsräumen untersagt. 4. Im Praktikum ist immer eine Schutzbrille zu tragen. 5. Im Praktikum ist geeignete Schutzkleidung zu tragen (Laborkittel, feste, geschlossene Schuhe, lange Hosen, Handschuhe). 6. Mit der Durchführung eines Versuchs darf erst nach Einweisung durch den zuständigen Praktikumsassistenten begonnen werden. 7. Das Praktikum wird in Zweiergruppen durchgeführt. 8. Vor der Durchführung eines Versuches ist beim zuständigen Assistenten ein Vorkolloquium zu absolvieren. Dabei ist ein grundlegendes Verständnis des Versuches nachzuweisen. Auch auf sicherheitsrelevante Aspekte (Gefährdung durch Chemikalien, Hochspannung, elektromagnetische Strahlung, usw.) muss eine Vorbereitung erfolgt sein. Der zuständige Assistent kann die Durchführung des Versuchs verweigern, wenn eine ausreichende Vorbereitung nicht zu erkennen ist. 9. Die Versuchsdurchführung muss vom zuständigen Assistenten bestätigt werden. Ebenso ist das Messprotokoll vom zuständigen Assistenten abzuzeichnen. 10. Zu jedem Versuch ist ein Protokoll anzufertigen. Der Schwerpunkt des Protokolls sollte dabei in einer ausführlichen Auswertung (mit sämtlichen Nebenrechnungen) und einer umfassenden Diskussion liegen. Dem Protokoll ist das testierte Original des Messprotokolls anzuheften. Weitere Hinweise zum Verfassen eines Protokolls sind im Anhang zu finden. 11. Beim Verfassen des Protokolls darf nicht von anderen Protokollen ( Altmeistern“) ab” geschrieben werden. Schriftstücke und Messdaten Dritter dürfen nicht als die eigenen ausgegeben werden. Ein Verstoß dagegen ist vom zuständigen Assistenten sofort dem Praktikumsleiter mitzuteilen und führt zum sofortigen Ausschluss aus dem Praktikum. Bis dahin erbrachte Praktikumsleistungen verfallen. 12. Pro Protokoll gibt es eine Möglichkeit zur Korrektur (,,bitte wieder vorlegen”), danach erfolgt die Bewertung. Wird ein Protokoll schlechter als mit der Note 4,0 bewertet, muss Praktikumsordnung ein Ersatzversuch absolviert werden. 13. Zu jedem Versuch muss ein Nachkolloquium absolviert werden. Termine sind mit den Assistenten rechtzeitig (am Besten am Versuchstag) abzusprechen. 14. Die Versuchsprotokolle sind dem zuständigen Assistenten mindestens 2 Tage vor dem Kolloquium abzugeben. 15. Für die vollständige Durchführung eines Versuchs (Durchführung, Protokoll mit Korrekturen und Kolloquium) stehen maximal zwei Wochen zur Verfügung. Wird diese Frist nicht eingehalten, sind das Eingangskolloquium und der Versuch zu wiederholen oder ein Ersatzversuch durchzuführen. 16. Ein neuer Versuch kann nur ausgegeben werden, wenn höchstens zwei Versuche noch nicht abgeschlossen sind. Stuttgart, den 13.04.2012 gez. H. Dilger 6 7 1. Blitzlichtphotolyse Themen des Kolloquiums • • • • • • • • Aufbau des Spektrometers Jablonski-Termschema, Singulett- und Triplettzustände, Intersystem Crossing (ISC) Spin-Bahn-Kopplung Quantenmechanische Beschreibung des Termschemas, Termsymbolik Relaxationsmechanismen Lebensdauer angeregter Zustände Einsteinsche Absorptions- und Emissionstheorie Alkalispektren 1.1. Einleitung In diesem Versuch werden mittels eines intensiven Lichtblitzes Aromatische Verbindungen elektronisch angeregt und mittels eines Detektionsstrahls das zeitliche Verhalten des ersten Triplettzustands verfolgt. Zentrale Themen dieses Versuchs sind das Verständnis des Jablonski-Termschemas sowie der Ursachen von Fluoreszenz und Phosphoreszenz. 1.2. Theoretischer Teil 1.2.1. Übersicht über Anregungs- und Desaktivierungsprozesse Die Lichtabsorption bei organischen Molekülen beruht darauf, dass ein Elektron aus einem noder π-Orbital in ein antibindendes π*-Orbital überführt wird. Da σ → σ*-Übergänge selten vorkommen und deren Übergangswellenlängen unterhalb von 200 nm liegen (Bindungselektronen!), werden sie meistens nicht betrachtet. Abbildung 1.1 zeigt die möglichen Elektronenübergänge bzw. elektronischen Zustände von Formaldehyd. Wird bei jedem der zwei Übergänge der Spin mitberücksichtigt, so ergeben sich jeweils zwei Zustände mit gepaartem Spin S1 , S2 (Singulettzustände), sowie zwei Zustände mit ungepaartem Spin T1 , T2 (Triplettzustände). Die allgemeinen Verhältnisse lassen sich formalisiert mit Hilfe des Jablonski-Termschemas darstellen (Abbildung 1.2). Die meisten Strahlungs- und strahlungslosen Übergänge in kondensierten Phasen gehen bei Raumtemperatur von den entsprechenden Schwingungsgrundzuständen der einzelnen elektronischen Zustände aus, da eine thermische Besetzung höherer Schwingungsniveaus in der Regel Blitzlichtphotolyse Abb. 1.1.: Elektronenübergänge und elektronische Zustände von Formaldehyd erst bei sehr hohen Temperaturen vorliegt. 1.2.2. Allgemeines zur Blitzlichtphotolyse Kurzlebige Zwischenprodukte photochemischer Reaktionen (Transienten) können mit Hilfe der stationären Absorptions- und Emissions-Spektroskopie nicht zeitaufgelöst registriert werden. Die Intensität des Photolyselichtes ist zu klein, um eine Konzentration der Transienten oberhalb der Nachweisgrenze der spektroskopischen Messmethode aufrecht zu erhalten. Zur Erfassung von Transienten müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: • Die Konzentration des photochemisch erzeugten Transienten muss größer als die Nachweisgrenze der Messmethode sein. • Das schwache Signal des Transienten kann nicht neben dem intensive Streuanteil des Anregungslichtes nachgewiesen werden, d.h. die Dauer des Lichtimpulses hoher Intensität muss wesentlich kleiner sein, als die Lebensdauer des Transienten. Als Impulsquellen dienen Gasentladungsröhren (Blitzlampen), Laser und beschleunigte Elektronen (Pulsradiolyse). Blitzlampen werden durch die Entladung eines Hochspannungskondensators gezündet. Die Blitzdauer steigt mit der Ladespannung. Bei einer Ladespannung von ca. 10 kV und elektrischen Entladungsenergien von 100 − 1000 Ws werden Blitzdauern von ca. 10−5 s erreicht. Der Strahlungswirkungsgrad beträgt ca. 10 − 15%, so dass bei einer Entladungsenergie von 50 Ws ca. 1018 Quanten/Puls erzeugt werden. Dies reicht aus, um eine relativ große Konzentration angeregter Farbstoffmoleküle zu erzeugen. Der Nachweis erfolgt hier über Absorptionsmessungen. 1.2.3. Theorie der Desaktivierungsprozesse Die Ausbeute an Molekülen im Triplettzustand wird durch die relativen Geschwindigkeiten der drei Prozesse bestimmt, die den S1 -Zustand entvölkern: Fluoreszenz (F), Internal Conversion (IC) und Intersystem Crossing (ISC). Für Anthracen und Coronen sind die Quantenausbeuten für innere Umkehr (=IC), Fluores- 8 Blitzlichtphotolyse Abb. 1.2.: Jablonski-Diagramm: Elektronenzustände und Desaktivierungsprozesse eines organischen Moleküls, → Strahlungsprozesse, strahlungslose Prozesse; Die Zahlenangaben geben die Geschwindigkeitskonstanten der einzelnen Prozesse an. Lichtabsorption (A): Fluoreszenz (F): Phosphoreszenz (P): Schwingungsrelaxation(SR): Internal Conversion (IC): Intersystem Crossing (ISC): Übergang Grundzustand → angeregter Zustand Lichtemission bei der Desaktivierung S1 → S0 Lichtemission bei der Desaktivierung T1 → S0 Strahlungslose Desaktivierung von Kernschwingungsniveaus bis zum thermischen Gleichgewicht Strahlungslose Übergänge zwischen verschiedenen angeregten Elektronenzuständen gleicher Spinmultiplizität Strahlungslose Übergänge zwischen angeregten Zuständen unterschiedlicher Spinmultiplizität. 9 Blitzlichtphotolyse zenz und Intersystem Crossing in Tabelle 1.1 zusammengestellt. Tabelle 1.1.: Quantenausbeuten Φ für die Desaktivierung der angeregten Singulettzustände von Anthracen und Coronen in Ethanol bei 293 K. Prozess Quantenausbeute Φ Quantenausbeute Φ Anthracen Coronen S1 - S0 Internal Conversion 0,0 0,2 S1 - S0 Fluoreszenz 0,3 0,2 S1 - T1 Intersystem Crossing 0,7 0,6 Selbst wenn der ISC-Prozess langsamer sein sollte, kann man eine hohe Besetzung des Tripletts erreichen, wenn die Blitzdauer (ca. 10 µs) wesentlich länger als die S1 -Lebensdauer (ca. 50 − 500 ns bei aromatischen Kohlenwasserstoffen) ist. Die in den S0 -Zustand desaktivierten Moleküle werden während des Blitzes immer wieder angeregt, so dass jedes Molekül sehr oft die Chance hat, den Triplettzustand über den ISC-Prozess zu erreichen. Das durch diesen Prozess besetzte Triplettniveau wird in Picosekunden in den Schwingungsgrundzustand von T1 desaktiviert. Seine Lebensdauer ist größer als eine Millisekunde. Im vorliegenden Experiment soll die Entvölkerung dieses Triplettzustandes untersucht werden. Die Übergänge des ISC und der Phosphoreszenz (P) sind zwischen den ungestörten Triplettund Singulettzuständen verboten, da sie die Spinauswahlregel ∆S = 0 verletzen. Das Übergangsmoment MP ergibt sich allgemein zu MP ∼ hS|er̂|T i hα|βi (1.1) mit hα|βi = 0 f ür ∆S = 0 1 f ür ∆S = 6 0 (1.2) Hier sind S, T die Bahnfunktionen der jeweiligen Zustände, α,β die Spinfunktionen und er̂ der Übergangsdipolmoment-Operator. Der Übergangsdipolmoment-Operator wirkt nur auf die Ortsfunktion der Elektronen, nicht auf die Spinfunktionen. Damit sind Orts- und Spinfunktionen separierbar, MP ist nun direkt proportional zu hα|βi und ergibt sich im Falle von S → T-Übergängen wegen der Orthogonalität der Spinfunktionen zu Null (Interkombinationsverbot). Dass trotzdem in Molekülen die Aufhebung dieses Verbots beobachtet wird, liegt an der mangelnden Berücksichtigung von weiteren Störtermen im Hamiltonoperator. Am Beispiel von Helium sollen diese Beiträge kurz angesprochen werden (Abbildung 1.3). 10 Blitzlichtphotolyse Abb. 1.3.: Ausschnitt aus dem Termschema von Helium. Ĥ0 : e2 /4πε0r12 : ĤS1 B1 : ĤS1 B2 : ĤS1 S2 : Dieser Term liefert zwei entartete 1s n1- Niveaus Elektrostatische Abstoßung von Elektron 1 und Elektron 2 mit Abstand r12 Spin-Bahn-Kopplungsoperator mit Eigen- (=Spin) und Bahndrehimpuls vom gleichen Elektron; ergibt die sogenannte Feinstrukturaufspaltung (magnetische Wechselwirkung) und stellt in den meisten Fällen die wichtigste Störung dar Spin-Bahn-Kopplungsoperator mit Spin von Elektron 1 und Bahndrehimpuls von Elektron 2 (magnetische Wechselwirkung) Spin-Spin-Kopplungsoperator von Spins zweier verschiedener Elektronen; magnetische Wechselwirkung Da die Störungen ĤS1 B2 und ĤS1 S2 im Allgemeinen sehr viel kleiner als die Störungen e2 /4πε0 r12 und ĤS1 B1 sind (Ausnahmen: Helium und Wasserstoff), werden sie vernachlässigt, so dass als Hauptstörungen nur noch die elektrostatische Coulombwechselwirkung und die magnetische Spin-Bahn-Wechselwirkung diskutiert werden. Die Regeln, wie sie bei Atomen aufgestellt wurden, werden für die Behandlung ausgedehnter Moleküle übernommen, so dass der SingulettTriplett-Übergang bei organischen Molekülen mit dem Modell der Spin-Bahn-Kopplung an Atomen erklärt werden kann. 1.2.4. Die Spin-Bahn-Kopplung Klassisch gesehen handelt es sich dabei um eine Wechselwirkung zwischen dem magnetischen Moment des Elektrons und dem Magnetfeld, das von der Bahnbewegung desselben Elektrons ~ ℓ ergibt sich herrührt. Das durch die Umlaufbewegung des Elektrons erzeugte Magnetfeld B 11 Blitzlichtphotolyse ~ℓ Abb. 1.4.: Präzessionsbewegung des magnetischen Moments µ ~ s um B nach dem Biot-Savardschen Gesetz zu ~ ℓ = Zeµ0 ~ℓ, B 4πr 3 m0 (1.3) wobei ~ℓ der Bahndrehimpuls, Z die Kernladungszahl, r der Radius der Bahn und m0 die ~ ℓ (am Ort des Spins) präzediert nun das Ruhemasse des Elektrons ist. In diesem Magnetfeld B ~ ℓ ≈ 10 cm−1 magnetische Moment ~µs des Spins (Abb. 1.4). Für C-, H-, N- und O-Atome gilt: B bis 100 cm−1 . ~ℓ Für die Wechselwirkungsenergie V eines magnetischen Moments ~µs in einem Magnetfeld B gilt ~ ℓ, ~ ℓ = e ~sB (1.4) V = −~µs B m0 wodurch sich die Wechselwirkungsenergie zu V = Ze2 µ0 ~ ~s ℓ 8πm20 r 3 (1.5) ergibt (Thomasfaktor 1/2 berücksichtigt). Benutzt man in grober Näherung für r den Radius rn der n-ten Bohrschen Bahn rn = so erhält man 4πε0 ~2 n2 , Ze2 m0 Z4 V ∼ 6 n (1.6) (1.7) Die Wechselwirkungsenergie V , auch Feinstrukturaufspaltung genannt, wächst also mit der vierten Potenz der Kernladungszahl (,,Schweratom-Effekt“) und ist am größten bei kleinen ~ ℓQuantenzahlen n (möglichst große Kernnähe, damit hohe Geschwindigkeit, d.h. hohes B Feld). Ist die Feinstrukturaufspaltung V sehr viel kleiner als die Coulombsche Aufspaltung 2A (vgl. Abb. 1.3), so können die Vektoren nach dem Russel-Saunders-Modell gekoppelt werden (wenn 2A ≪ V , dann liegt j-j-Kopplung vor). Für ein 2-Elektronensystem gilt dann: 12 Blitzlichtphotolyse ~ und S ~ bzw. S ~ und L ~ um J. ~ Abb. 1.5.: Präzessionsbewegungen der ℓi und si um L 1. Schnelle Präzession (d.h. hohe Larmorfrequenz) von jedem ℓi und si um die Richtung von L/S, da starke elektrostatische Wechselwirkung (aneinander vorbeilaufende Elektronen üben Drehmomente aufeinander aus). ~ und S ~ um die Richtung von J, ~ da schwache Spin- Bahn2. Langsame Präzession von L Kopplung. In diesem vektoriellen Bild zeigt sich der quantenmechanische Ansatz. Die elektrostatische Wechselwirkung wird voll berücksichtigt, die Spin-Bahn-Kopplung wird mittels Störungsrechnung berechnet. Im Hamiltonoperator Ĥ Ĥ = Ĥ0 + e2 + a · ŝℓ̂ 4πε0 r (1.8) taucht sie als quantenmechanischer Störoperator a · ŝℓ̂ auf. Da es sich im vorliegenden Fall um ein nicht entartetes System handelt (die Entartung wurde bereits durch die Elektron-Elektron-Wechselwirkung aufgehoben), muss eine Störungsrechnung für nicht entartete Systeme durchgeführt werden. Als Lösungsfunktion für Ĥ ergeben sich Linearkombinationen aus ungestörten Funktionen verschiedener Multiplizität: E D X X Tq a · ŝℓ̂ S0 Tq = S0 + a · Tq (1.9) S ′ = S0 + E (S0 ) − E (Tq ) q q T ′ = T1 + X r D E Sr a · ŝℓ̂ T1 E (T1 ) − E (Sr ) Sr = T1 + b · X Sr (1.10) r wobei Tq , Sr höhere Triplett- bzw. Singulettfunktionen (T1 , T2 , . . . , S2 , S3 , . . . ), E Energieeigenwerte und a, b Amplitudenfaktoren sind. Den Ausgangsfunktionen S0 , T1 werden also eine Reihe von gewichteten Fremdfunktionen Tq , Sr mit der Amplitude a, b zugemischt, die Schrödingergleichung ist nun aufgrund dieses Ansatzes (er̂, ,,diagonalisiert“ die Lösungsmatrix) lösbar. Werden diese Funktionen mit der Näherung S′ ∼ (1.11) = S0 und T ′ = T1 + b · S1 13 (1.12) Blitzlichtphotolyse in die Definition des Übergangsmoments eingesetzt, so erhält man: MP = hS ′ |er̂| T ′ i = hS0 |er̂| T1 i + b · hS0 |er̂| S1 i (1.13) Mit < S0 |er̂| T1 >= 0 und < S0 |er̂| S1 >6= 0 ergibt sich somit eine Aufhebung des Interkombinationsverbots. Da es sich bei den Amplitudenfaktoren a und b im Allgemeinen um relativ kleine Zahlenwerte handelt, ist MP jedoch sehr viel kleiner als für spinerlaubte Übergänge. Im Falle des strahlenden Zerfalls lässt sich die Größenordnung von b leicht abschätzen, wenn man den Zusammenhang zwischen MP und kP berücksichtigt. Es ergibt sich: kP = kF < S1 |er̂| S0 > = kF · b E (T1 ) − E (S1 ) (1.14) wobei kF die Geschwindigkeitskonstante der Fluoreszenz, kP die Geschwindigkeitskonstante der Phosphoreszenz und E(T1 )−E(S1 ) = ∆ES,T der energetische Abstand zwischen Singulettund Triplettterm ist. 1.2.5. Darstellung des Singulett-Triplett-Überganges anhand des Vektormodells Im Folgenden wird ein nπ ∗ -Übergang in einem Formaldehyedmolekül (λ = 303 nm, εmax = 18, 0 l mol−1 cm−1 ) anhand des Vektormodells verdeutlicht. Im Vektormodell ergibt sich fol- Abb. 1.6.: nπ ∗ -Übergang in Formaldehyd; S0 (n2 ) → T1 (n,π ∗ ) gendes Bild: 14 Blitzlichtphotolyse a) Zwei lokal getrennte Spins 1, 2 (py -Orbital von O, px -Orbital von C) werden betrachtet. Per Definition sei ein Singulettzustand n2 π 2 gegeben, was nur durch Phasenverschiebung um 180◦ und gegensinnigen Spin verwirklicht werden kann. Alle Spins präzedieren um ~ 0 ). die z-Achse (Richtung eines beliebigen Magnetfelds H b) Durch den Schweratomeffekt am Sauerstoffatom erfolgt Spin-Bahn-Kopplung bei Spin 1, das Magnetfeld am Ort von Spin 1 ist auf Hz0 + H2SB gestiegen, d.h. die Präzessionsfrequenz hat im Vergleich zu Spin 2 zugenommen, die starre Phasenkopplung ist aufgehoben. Die z-Komponente MS bleibt weiterhin 0, der Gesamtspin S steigt auf Werte zwischen 0 und 1, → Singulett- und Triplettzustände werden gemischt. c) Durch Elektronensprung von Spin 1 aus dem py -Orbital in das px -Orbital des Sauerstoffs kann nun der nπ ∗ -Übergang erzeugt werden (Quantenzahl S ändert sich um eine Einheit; damit der Gesamtdrehimpuls gleich bleibt, ändert sich der Orbitaldrehimpuls). Der hier gezeigte Zustand ist ein reiner Triplettzustand S = 1, MS = 0; es sind aber auch hier Beimischungen von Singulettanteilen (Phasenverschiebung 6= 0) möglich. d) Nur wenn die Phasenverschiebung 0◦ vorliegt, können die Hx - und Hy -Komponenten des Spin-Bahn-Magnetfelds eine Spinumkehr bewirken; es können somit auch die Triplettzustände mit MS = 1, −1 erreicht werden. Als allgemeine Regel gilt: Die Hz -Komponente des Spin-Bahn-Kopplungsfeldes erzeugt Übergänge zwischen Zuständen mit ∆MS = ±1. Abb. 1.7.: Vektormodell des Singulett-Triplett-Übergangs 1.2.6. Der Franck-Condon-Faktor beim strahlenden Zerfall Die Geschwindigkeitskonstante der Phosphoreszenz kP erhält man wegen kP ∼ |M|2 zu: < S ′ |er̂| T ′ > 2 kP ∼ ∆EST 15 (1.15) Blitzlichtphotolyse Die Born-Oppenheimer-Näherung erlaubt ein Umschreiben dieser Gleichung durch Separation der Kernbewegung von der Elektronenbewegung. Der Dipoloperator wird als er̂ ′ geschrieben, da er jetzt keine Funktion der Kernkoordinaten mehr ist. 2 2 2 < S e |er̂ ′ | T e > 2 < χu |χo >2 = M Suo = M F kP ∼ 2 2 ∆ES,T ∆ES,T ∆ES,T (1.16) S e und T e sind die Wellenfunktionen im Singulett- und Triplettzustand. χu und χo sind 2 die Kernschwingungswellenfunktionen des Singulett-/Triplettzustands. Suo wird allgemein als Franck-Condon-Faktor F bezeichnet. Die numerische Berechnung strahlender Konstanten ist trotz der genauen Kenntnis des Mechanismus mit großen Schwierigkeiten verbunden. Es ist jedoch in bestimmten Experimenten möglich, zwischen den Konstanten des strahlenden und des nicht strahlenden Zerfalls zu unterscheiden. Kellogg und Bennett [10] stellten so fest, dass der strahlende Zerfall optisch angeregter Triplettzustände aromatischer Kohlenwasserstoffe mit einer Geschwindigkeitskonstante von kP ≈ 0, 03 s−1 verläuft. Die beobachteten Triplettlebensdauern sind jedoch durchweg kürzer als es dem Wert 1/kP ≈ 30 s entspricht. Der die Triplettlebensdauern bestimmende Mechanismus muss also der strahlungslose Zerfall sein. 1.2.7. Der strahlungslose Zerfall Die strahlungslose Energieabgabe innerhalb einer Spinmultiplizität (IC) oder zwischen verschiedenen Spinmultiplizitäten (ISC) erfolgt über Molekül- und Gitterschwingungen, im Falle von ISC verbunden mit Spin-Bahn-Kopplungen. Die Abbildung 1.8 und 1.9 verdeutlichen diesen Vorgang. Abb. 1.8.: Schematische Darstellung von IC-Übergängen 16 Blitzlichtphotolyse In Abbildung 1.8 geht der Grundschwingungszustand des S2 wegen maximalem Franck-CondonFaktor F (gilt auch für strahlungslose Prozesse!) schnell in einen angeregten Schwingungszustand des S1 über (IC) und relaxiert unter Energieabgabe an die Matrix (Relaxation üblicherweise über C-H-Schwingungen) in den Grundzustand des S1 (SR). Der Übergang von S1 nach S0 erfolgt langsamer, da der Franck-Condon-Faktor F der S1 (v = 0) und S0 (v = 10) Zustände relativ klein ist. Als Konkurrenzprozess wird ab dem S1 natürlich die Fluoreszenz auftreten, da für strahlende Prozesse das Überlappungsintegral zwischen S1 (v = 0) und S0 (v = 0) entscheidend ist. Die Emission von IR-Quanten als Relaxationsprozess ist in allen Fällen sehr unwahrscheinlich. Abb. 1.9.: Schematische Darstellung von ISC-Übergängen In Abbildung 1.9 erfolgt nach Schwingungsrelaxation in den Grundzustand von S1 ein schneller Übergang (großes F ) zum Triplettzustand, Schwingungsrelaxation und nochmaliger T → S Übergang führen in den Grundzustand S0 . Je kleiner der Abstand zwischen S1 und T1 ist, desto schneller erfolgt der Übergang zwischen S1 und T1 . 1.2.8. Die quantenmechanische Beschreibung des strahlungslosen Übergangs Die strahlungslosen Übergänge werden durch zeitliche Änderungen der inter- und intramolekularen Coulomb-Wechselwirkungen hervorgerufen. Die Frequenz dieser Änderungen entspricht dabei der Frequenz der Kernschwingungen von Molekül und Umgebung. Die in der Born-Oppenheimer-Näherung berechneten Elektronenfunktionen verlieren dadurch ihren stationären Charakter, es muss die zeitabhängige Schrödingergleichung benutzt werden. Der Störoperator, der bisher vernachlässigt wurde, ist der Operator der kinetischen Energie der Kerne Ĥvib . Er bewirkt wie ĤSB die Zumischung weiterer Elektronenfunktionen zu S und T durch die Schwingung des Kerngerüsts (,,Schwingungkopplung“). Da bei ISC zusätzlich die Spinmultiplizität gewechselt wird, lautet der Gesamtstöroperator ĤISC ĤISC = Ĥvib + ĤSB . 17 (1.17) Blitzlichtphotolyse Die Wahl des Operators Ĥvib und der zugehörigen Wellenfunktionen unterscheidet die Theorien über strahlungslose Prozesse. Robinson und Frosch [11] nehmen an, dass nur intramolekulare Wechselwirkungen für strahlungslose Prozesse wesentlich sind. Intermolekulare Anteile an Ĥvib werden nur indirekt berücksichtigt, sie führen zu einem Quasikontinuum von Moleküleigenfunktionen mit der Dichte ρ (,,Verbreiterungsmechanismus“ bzgl. der Termwerte). Damit erbeben sich Matrixelemente der Form Ĥ =< S0 χu Ĥvib T1 χ0 > . (1.18) Diese sind bei Gültigkeit der Born-Oppenheimer-Näherung gleich Null. Sind die Wellenfunktionen jedoch zeitabhängig, so ist Ĥ 6= 0. Besonders große Werte nimmt Ĥ dann an, wenn die Energien der Zustände χu und χo gleich sind. Die Wahrscheinlichkeit strahlungsloser Prozesse ergibt sich dann zu 2 ρ Ĥ . (1.19) kISC ∼ 2 ∆ES,T ρ beschreibt die Dichte der Zustände, zu denen ein strahlungsloser Übergang möglich ist. Die Separation von Elektronen- und Schwingungsanteil führt zu: ρ ρ 2 2 kISC ∼ Ĥ < S C F. (1.20) 0 vib T1 > < χu |χo > = 2 2 ∆ES,T ∆ES,T Wie kP ist auch kISC proportional zum Franck-Condon-Faktor F und entspricht M 2 in Gleichung (1.16). Neu hingegen ist der Faktor ρ, der mit zunehmender Kopplung des Übergangs mit der Umgebung (Matrix) offensichtlich den Prozess beschleunigt. In einem vielatomigen Molekül ist der Franck-Condon-Faktor F kein einfaches Integral über zwei Schwingungseigenfunktionen, es muss vielmehr über alle beteiligten Normalschwingungen integriert werden. Ähnliches gilt für alle bisher erwähnten Operatoren, bei denen es sich eigentlich um Vielteilchenoperatoren handelt. Die in Gleichung (1.20) behandelte Abhängigkeit zwischen kISC und ∆ES,T wurde erstmals von Kellogg und Wyeth [12] experimentell nachgewiesen. Die Auftragung von log τISC (= log(1/kISC )) gegen ∆ES,T ergab eine lineare Abhängigkeit. Da an dem ISC-Prozess bei kondensierten Aromaten wesentlich die C-H-Schwingungen beteiligt sind (nur sie können die Schwingungsenergie effektiv an die Matrix abgeben!), muss das Verhältnis der C- und H-Atome im Molekül die Lebensdauer τ mitbestimmen. Bei der Auftragung von log τ gegen NH + NC ∆E − 7, 9 · 10−20 [J] NH (NH , NC : Anzahl der H-, C-Atome im Molekül) erhielt Siebrand [13] eine noch bessere Übereinstimmung mit dem Experiment. Der hier gegebene Einblick in die Theorie der strahlenden und strahlungslosen Prozesse berücksichtigt keine bimolekularen Reaktionen. Die Überlegungen gelten daher nur unter stoßfreien Bedingungen, wie sie in fester Matrix näherungsweise realisiert werden können. 18 Blitzlichtphotolyse Literatur 1. Kellogg, Benett, J. Chem. Phys. 41, 3042 (1964). [10] 2. Robinson, Frosch, J. Chem. Phys. 38, 1187 (1963). [11] 3. Kellogg, Wyeth, J. Chem. Phys. 45, 3156 (1966). [12] 4. Siebrand, J. Chem. Phys. 44, 4055 (1966). [13] 5. N.J. Turro, Modern Molecular Photochemistry. [14] 6. H.G.O. Becker, Einführung in die Photochemie. [15] 7. Haken, Wolf, Atom- und Quantenphysik. [16] 8. Heckmann, Träbert, Einführung in die Spektroskopie der Atomhülle. [17] 1.3. Experimenteller Teil 1.3.1. Aufbau der Apparatur In Abbildung 1.10 ist der Aufbau des Blitzlichtphotolyse-Experiments schematisch dargestellt. Das Messlichtsystem besteht aus einer Lampe, einem Monochromator und einem Photomultiplier. Das auf den Photomultiplier fallende Licht wird in eine intensitätsproportionale Spannung umgewandelt und einem Transientenrecorder zugeführt. Dieser speichert das Signal mit einstellbarer Zeit- und Empfindlichkeitsbasis. Nach Abschluss des Speichervorgangs kann das Signal mittels eines Druckers ausgegeben werden. Abb. 1.10.: Blockschema der kinetischen BlitzphotolyseApparatur Als Auslösesignal zu Beginn des Speichervorganges kann entweder das Signal selbst dienen (interner Trigger), oder es wird (als externer Trigger) ein beim Auslösen des Blitzes zur Verfügung stehender Spannungsimpuls benutzt. 19 Blitzlichtphotolyse 1.3.2. Durchführung des Versuchs Anhand der Anleitung zur Blitzlichtphotolyse-Apparatur werden die Geräteeinstellungen nachgeprüft. Die zu untersuchenden Verbindungen sind in einer Konzentration von ca. 105 mol/l in eine Polymethylmethacrylat-Matrix eingebaut. Jeweils eine dieser zylinderförmigen Proben wird in den Strahlengang zwischen die beiden Blitzröhren eingesetzt. Abb. 1.11.: Beispiel für eine transiente Absorption und Zerfall nach 1. Ordnung Nach Auslösen des Blitzes wird eine zeitlich abhängige Schwächung der Messlichtintensität erwartet, die auf der blitzinduzierten Besetzung des Triplettzustände der Kohlenwasserstoffe und deren nachfolgenden Entvölkerung beruht. In Abbildung 1.11 ist ein Beispiel einer solchen transienten Absorption dargestellt. Nach Lambert und Beer berechnet sich die Extinktion der Probe bei einem bestimmten Zeitpunkt zu I0 E (t) = log = ε · c (t) · d, (1.21) I (t) 20 Blitzlichtphotolyse mit E (t) = Extinktion I0 = Intensität bei t = t0 I (t) = Intensität zum Zeitpunkt t ε = Extinktionskoeffizient (Proportionalitätsfaktor) c (t) = Konzentration zum Zeitpunkt t d = Schichtdicke 1.3.3. Aufgaben 1. Nehmen Sie die Triplett-Triplett-Absorptionsspektren folgender Verbindungen auf: 1,2,5,6-Dibenzoanthracen (I) Chrysen (II) Coronen (III) Picen (IV) Anthracen (V) C22 H14 C18 H12 C24 H12 C22 H14 C14 H10 2. Bestimmen Sie das Absorptionsspektrum der Proben, indem Sie von 400 nm bis 650 nm in Schrittten von 10 nm die Absorptionssignale aufnehmen und die Extinktion zu einem bestimmten, immer gleichen Zeitpunkt nach der Blitzauslösung berechnen und in ein Diagramm eintragen. 3. Bestimmen Sie die Absorptionsmaxima dieser Verbindungen. 4. Bestimmen Sie die Lebensdauer der Triplettzustände dieser Verbindungen. Bestimmen Sie hierzu zuächst die Zerfallskonstante des Triplettzustandes im Absorptionsmaximum. Die Zeitbasis muss dazu so groß gewählt werden, dass das ganze Zerfallssignal auf dem Oszilloskopschirm sichtbar wird. Nach Lambert-Beer gilt wieder E (t) = log I0 = C (t) · ε · d. I (t) (1.22) Für eine Reaktion 1. Ordnung gilt ausserdem ln C (t) = ln C (0) − kt (1.23) oder mit obiger Gleichung (1.22) ln E (t) = ln E (0) − kt . (1.24) Trägt man ln E (t) gegen die Zeit t auf, erhält man eine Gerade mit der negativen Geschwindigkeitskonstanten des Triplettzerfalls als Steigung. Der Kehrwert der Geschwindigkeitskonstanten 1. Ordnung ist die Lebensdauer τT1 . 21 Blitzlichtphotolyse 1.3.4. Sicherheitshinweise Bitt Informieren Sie sich über die Gefahren von Hochspannung, UV-Licht sowie über die im Versuch verwendeten Gefahrstoffe Anthracen, 1,2,5,6-Dibenzoanthracen, Chrysen, Coronen und Picen. 22 23 2. UV/VIS- und Fluoreszenzspektroskopie Themen des Kolloquiums • • • • • • • Absorptions-, Fluoreszenzspektren Franck-Condon-Prinzip, Born-Oppenheimer-Näherung harmonischer/anharmonischer Oszillator Isosbestischer und isostilber Punkt Försterzyklus chromophore Gruppen, Solvatochromie Excimere 2.1. Einleitung Dieser Versuch besteht aus drei Teilen. Der erste Teil behandelt die unterschiedlichen Säurestärken von Grund- und elektronisch angeregetem Zustand am Beispiel des 2-Naphtols. Dessen Dissoziationsgrad wird bei verschiedenen pH-Werten mittels Absorptions- und Fluoreszenzspektroskopie verfolgt. Der zweite Teil behandelt den Einfluss von Lösungsmolekülen auf die Farbe eines Farbstoffs (Solvatochromie). Dipolare Kopplungen einhergehend mit Rot- und Blauverschiebungen von Absorption und Fluoreszenz sind hier von Bedeutung. Der dritte Teil befasst sich mit der Bildung von Excimeren, Teilchen (Dimere), die nur im elektronisch angeregten Zustand existieren können. 2.2. Protolytische Reaktionen im Grund- und angeregten Zustand. 2.2.1. Theoretischer Teil. Die Stärke von Säuren und Basen ist unter anderem abhängig von der ElektronendichteVerteilung im Molekül. So nimmt in der Reihe CH3 COOH; CH2 FCOOH; CHF2 COOH; CF3 COOH bekanntlich die Säurestärke mit zunehmendem Fluorgehalt zu, da aufgrund der elektronenanziehenden Wirkung des Fluors die Abspaltung des Protons durch die verringerte Elektronen- UV-VIS dichte am Sauerstoff begünstigt wird. Nimmt man nun an, dass bei ein und demselben Molekül die Elektronenverteilung im angeregten Zustand wesentlich von der Elektronenverteilung im Grundzustand verschieden ist, dann müsste analog ein Unterschied der Säure- bzw. der Basestärke im Grund- und angeregten Zustand vorhanden sein. So können beim Phenol z. B. die in Abb. 2.1 gezeigten Grenzstrukturen angenommen werden: Abb. 2.1.: Grenzstrukturen von Phenol Im Grundzustand sind vor allem die beiden energiegleichen Strukturen I und II beteiligt. Struktur III, die wegen der Ladungstrennung wesentlich größere Energie besitzt als I und II, liefert keinen nennenswerten Beitrag zum Grundzustand, der ja minimale Energie besitzen soll. Im angeregten Zustand müssen aber energiereichere polare Strukturen des Moleküls, wie III, berücksichtigt werden, woraus sofort folgt, dass die Ladungsverteilung eine andere sein muss. Im Falle des Phenols sinkt die Elektronendichte am Sauerstoff, was eine wesentlich leichtere Abspaltung des Protons, mit anderen Worten, eine erhöhte Säurestärke im angeregten Zustand erwarten lässt. Analoge Überlegungen lassen sich auch bei aromatischen Carbonsäuren und Aminen durchführen. Die Geschwindigkeit protolytischer Reaktionen ist so rasch, dass während der Lebensdauer des angeregten Zustandes von etwa 10−9 s die Neueinstellung des durch die Anregung veränderten protolytischen Gleichgewichts erfolgen kann. Im geeigneten pH-Bereich (pK ∗ < pH < pK) wird somit das bei diesem pH völlig undissoziierte Phenol angeregt und kann noch vor der Emission entsprechend der höher gewordenen Säurestärke ein Proton abspalten und dann nicht mehr als Phenol, sondern als Phenolatanion fluoreszieren. Fluoreszenzspektren die bei verschiedenen pH-Werten aufgenommen wurden erlauben, die Geschwindigkeitskonstanten von Assoziation und Dissoziation im angeregten Zustand zu ermittelt. Diese Möglichkeit kann an der Protolyse des 2-Naphthol aufgezeigt werden (Abb. 2.2). Abb. 2.2.: Protolyse von 2-Naphthol. 2.2.1.1. Bestimmung der Dissoziations- und Assoziationskonstanten bei der Protolyse von 2-Naphthol im angeregten Zustand. Es gilt folgendes Schema 24 UV-VIS kd∗ BG RO−∗ + H3 O+ H2 O + ROH FGGGGGG GGGGG ∗ ka 1 1 A ↑↓ A′ ↑↓ τ τ′ kd H2 O + ROH FGGGGGB GGGGG RO− + H3 O+ ka ∗ Abb. 2.3.: Schema von Dissoziation und Assoziation eines Moleküls in Grund- und angeregtem Zustand. Die kinetischen Gleichungen lauten d 1 ∗ ∗ · [ROH∗ ] + ka∗ [H3 O+ ][RO−∗ ] + A [ROH ] = − kd + dt τ 1 d −∗ ∗ + [RO ] = − ka [H3 O ] + ′ · [RO−∗ ] + kd∗ [ROH∗ ] dt τ (2.1) (2.2) wobei A die Rate der durch Lichtabsorption überführten Moleküle von ROH nach ROH∗ pro Volumeneinheit ist. Handelsübliche Lichtquellen (ausgenommen gepulste Laser) sind nicht intensiv genug, um die Konzentration der Moleküle im Grundzustand merklich ändern zu können. Deshalb bleibt A zeitlich konstant. Das in Abb. 2.3 beschriebene System erreicht sehr schnell sein Gleichgewicht. Auf welcher Seite dieses liegt, hängt von der Konzentration der H3 O+ -Ionen ab. Ist [H3 O+ ] hoch, wird vorwiegend Fluoreszenzlicht der undissoziierte Form (ROH∗ ) festgestellt, während bei geringer H3 O+ -Konzentration vor allem das Licht der dissoziierten Form [RO−∗ ] zu sehen ist. Für eine erfolgreiche Durchführung des Versuchs muss die Wellenlängendifferenz des Fluoreszenzlichts der beiden Spezies groß genug sein, um die Fluoreszenzbanden klar trennen zu können. Fluoresziert die undissoziierte Form bei der Wellenlänge λ und die dissoziierte Form bei λ′ und sind die Konzentration von dissoziierter und undissoziierter Form umgekehrt proportional zueinander, ergibt sich Abb. 2.4. Dies kann erreicht werden, indem man z. B. ein Experiment bei verschiedenen pH-Werten (beispielsweise durch Zugabe von verschiedenen Pufferlösungen oder Natronlauge) durchführt. Im stationären Fall werden die beiden Ableitungen der Gleichungen (2.1) und (2.2) zu Null und man kann die stationären Konzentrationen ausrechnen gemäß [ROH∗ ] = τ A ka∗ [H3 O+ ]τ ′ + 1 ka∗ [H3 O+ ]τ ′ + 1 + kd∗ τ (2.3) kd∗ τ ′ τ A [RO ] = ∗ . (2.4) ka [H3 O+ ]τ ′ + 1 + kd∗ τ I sei die Fluoreszenzintensität, die ausschließlich von ROH∗ stammt. Da die Intensität von Fluoreszenzstrahlung proportioanl zur Konzentration der sie emittierenden Spezies ist, kann I unter Verwendung von Gl. (2.3) wie folgt ausgedrückt werden −∗ k∗ τ ′ 1 1 τ′ 1 I = ∗ + a∗ [H3 O+ ] = ∗ + [H3 O+ ]. I∞ − I kd τ kd τ kd τ K∗ τ 25 (2.5) UV-VIS I( ) I' I i ' Abb. 2.4.: Idealisierte Fluoreszenspektren eines dissoziierenden Moleküls bei verschiedenen pH-Werten. Die undissoziierte Form fluoresziert bei der Wellenlänge λ und die dissoziierte Form bei der Wellenlänge λ′ . Da die Summe der Konzentrationen der beiden emittierenden Spezies konstant ist, treffen sich die Linien aller Spektren in einem Punkt gleicher Emission I(λi ), dem sogenannten isostilben oder auch isoemissiven Punkt. Dieser Punkt ist analog dem isosbestischen Punkt der Absorptionsspektroskopie. 26 UV-VIS Für die dissoziierte Form RO−∗ gilt gemäß Gl. (2.4) I0′ ka∗ τ ′ [H3 O+ ] = 1 + ∗ ′ I 1 + kd τ (2.6) K ∗: Gleichgewichtskonstante des angeregten Zustands ′ I und I : Fluoreszenzintensität von ROH∗ bzw. RO−∗ Indizes 0 und ∞: Grenzfälle für die H3 O+ -Konzentrationen gegen 0 und ∞ kd∗ und ka∗ : Geschwindigkeitskonstanten der Dissoziation bzw. Protonierung im angeregten Zustand. ′ τ und τ : Fluoreszenzlebensdauern des Napthols und des Naphtholats Es ist zu beachten, dass schon im Bereich 10−2 − 10−3 mol l−1 die Ionenkonzentration von der Ionenaktivität zu unterscheiden ist. Für den Aktivitätskoeffizienten f± gilt im für die Auswertung wichtigen Konzentrationsbereich p A [H3 O+ ] p , (2.7) − log f± = 1 + R0 B [H3 O+ ] mit A = 1.24 · 106 /(εr T )3/2 und B = 5.03 · 109 /(εr T )1/2 . R0 ist der mittlere Radius des hydratisierten Ions (ca. 5 Å) und ǫr die relative Dielektrizitätskonstante der Lösung. Somit muss bei der Auswertung nach Gleichung (2.5) gegen den Wert [H3 O+ ]·f± aufgetragen werden. Die Fluoreszenzlebensdauern τ und τ ′ werden aus kinetischen Messungen (Phasenfluorimetrie oder Single-Photon-Counting) bestimmt. Für 2-Naphthol ergeben sich τ ′ = 8 ns und τ = 11 ns. 2.2.1.2. Bestimmung der Gleichgewichtskonstanten im Grundzustand. Der Extinktionskoeffizient einer Mischung aus ROH und RO− ist ε= εROH · [ROH] + εRO− · [RO− ] [ROH] + [RO− ] (2.8) Da die Gesamtkonzentration [ROH] + [RO− ] konstant bleibt, ist es praktisch, ε durch den Dissoziationsgrad [RO− ] α= (2.9) [ROH] + [RO− ] auszudrücken. Damit wird der Extinktionskoeffizient zu ε = (1 − α)εROH + αε− RO . (2.10) Die Gleichgewichtskonstante K wird zu K= [RO− ] · [H3 O+ ] α = · [H3 O+ ]. [ROH] 1−α (2.11) Am Halbwertspunkt α = 1/2 haben wir also den speziellen Fall, dass der pH-Wert gerade mit dem gesuchten pK-Wert übereinstimmt, denn es gilt: pK = − log K = − log[H3 O+ ] = 27 UV-VIS pHα=1/2 . Die α-Werte lassen sich mit Hilfe von Gleichung (2.10) leicht aus Absorptionsspektren extrahieren. Dabei empfiehlt es sich, bei der Auswertung eine Wellenlängen zu wählen, bei der die Extinktionskoeffizienten εROH und εRO möglichst verschieden sind, denn in isosbestischen Punkten wo εROH = εRO− ist, wird ε von α (d.h., von [H3 O+ ]) unabhängig, wie man leicht in Gleichung (2.10) sehen kann. In der Nähe solcher Punkte sollte die Auswertung auf keinen Fall gemacht werden! 2.2.1.3. Der Zusammenhang zwischen pK- und pK∗ -Werten (Förster-Zyklus) Das undissoziierte Molekül ROH und das Anion RO− weisen im allgemeinen Fall unterschiedliche Anregungsenergien E und E ′ auf. Wie in der folgenden Herleitung gezeigt werden soll, besteht ein interessanter Zusammenhang zwischen den Differenzen E − E ′ und pK-pK ∗ , der es erlaubt, den Wert pK-pK ∗ spektroskopisch zu bestimmen. Aus der Beziehung zwischen der Gleichgewichtskonstanten K und der freie Standardreaktionsenthalpie ∆R G0 , ∆R G0 , (2.12) ln K = − RT ergibt sich wegen pK = − log K = − ln K/ ln 10 ∆R G0 − ∆R G0∗ . RT ln 10 (2.13) (∆R H 0 − ∆R H 0∗ ) − T (∆R S 0 − ∆R S 0∗ ) RT ln 10 (2.14) pK − pK ∗ = Mit ∆G = ∆H − T ∆S wird (2.13) zu pK − pK ∗ = Näherungsweise kann man annehmen, dass die Standardreaktionsentropien der Deprotonierung im Grundzustand und im angeregten Zustand gleich groß sind, also ∆R S 0 = ∆R S 0∗ . Damit vereinfacht sich (2.14) zu pK − pK ∗ = (∆R H 0 − ∆R H 0∗ ) RT · ln 10 (2.15) Die Standardreaktionsenthalpie berechnet sich aus der Summe der Standardbildungsenthalpien der Produkte minus derjenigen der Edukte, also ∆R H 0∗ = ∆Hf0 (RO−∗ ) + ∆Hf0 (H3 O+ ) − ∆Hf0 (ROH∗ ) − ∆Hf0 (H2 O) (2.16) ∆R H 0 = ∆Hf0 (RO− ) + ∆Hf0 (H3 O+ ) − ∆Hf0 (ROH) − ∆Hf0 (H2 O). (2.17) Das Subtrahieren von (2.17) und (2.16) gibt ∆R H 0∗ − ∆R H 0 = ∆Hf0 (RO−∗ ) − ∆Hf0 (RO− ) − ∆Hf0 (ROH∗ ) − ∆Hf0 (ROH) . (2.18) In geschwungenen Klammern stehen gerade die Energien die nötig sind, um vom Grundzustand aus einen angeregten Zustand zu erreichen, also E ′ und E. Es gilt noch zu beachten, 28 UV-VIS dass Enthalpien üblicherweise für ein ganzes Mol angegeben werden (J mol−1 ), Absorptionsenergien aber für ein einzelnes Molekül definiert sind (J). Aus Gl. (2.18) folgt somit ∆R H 0∗ − ∆R H 0 = NA (E ′ − E). (2.19) Zwischen der Übergangsenergie und der Frequenz bzw. Wellenzahl unter der Absorption auftritt besteht der Zusammenhang E = hνROH = hcν̃ROH (bzw. E ′ = hνRO− = hcν̃RO− ). Setzt man nun noch Gl. (2.19) in Gl. (2.15) ein, folgt das Resultat pK − pK ∗ = hc NA (E − E ′ ) = (ν̃ROH − ν̃RO− ). RT · ln 10 kT · ln 10 (2.20) Nun tritt Absorption aber nicht diskret bei nur einer einzigen Wellenzahl auf, sondern erscheint in Form breiter Absorptionsbanden. Es böte sich an, für ν̃ROH und ν̃RO− gerade die Wellenzahlen maximaler Absorption zu wählen. Dies wäre aber, wie im folgenden Unterkapitel gezeigt werden soll, nicht richtig. 2.2.1.4. Vergleich von Fluoreszenz und Absorption Für die folgenden Betrachtungen sei auf das Termschema von Abb. 2.5 verwiesen. Weitere Erläuterungen zu diesem Thema können außerdem in den Theorieteilen der Versuche ,,Elektronenschwingungspektroskopie“ und ,,Blitzlichtphotolyse“ gefunden werden. Abb. 2.5.: Termschema einer Säure in der dissoziierten und undissoziierten Form. Bei der Absorption von Licht wird das Molekül in einen elektronisch angeregten Zustand angehoben. Zusätzlich können, bzw. müssen nach dem Franck-Condon-Prinzip Schwingungen angeregt werden. Der 0-0-Übergang (Übergang vom 0-ten Schwingungsniveau des elektronischen Grundzustands in das 0-te Schwingungsniveau des elektronisch angeregten Zustands) benötigt hierzu, wie in Abb. 2.5 leicht zu erkennen ist, die geringste Energie. Für ein Absorptionsspektrum ergäbe sich eine Kurve, wie in Abb. 2.6 dargestellt. 29 UV-VIS Durch Stöße mit Nachbarmolekülen gibt das angeregte Molekül seine Schwingungsenergie wieder ab, bis es den Schwingungsgrundzustand erreicht hat. Von hier aus kann nun ein strahlender Übergang in den elektronischen Grundzustand stattfinden, der aber gemäß dem Franck-Condon-Prinzip wieder vorwiegend zu angeregten Schwingungsniveaus führt. Der 00-Übergang besitzt nun die größte Energie. Dieser Mechanismus erklärt, warum Fluoreszenzspektren bei kleineren Frequenzen (bzw. Wellenzahlen) auftreten als Absorptionsspektren (Abb. 2.6). Dieser Effekt ist auch unter dem Begriff Stokesregel oder Stokes’sche Rotverschiebung bekannt. Abb. 2.6.: Fluoreszenz und Absorption bei bestimmtem pH-Wert. Die Fluoreszenzsbande erscheint als Spiegelbild der Absorptionsbande, ist aber zu kleineren Wellenzahlen verschoben. Nur die 0-0-Übergänge fallen zusammen. Absorptions- und Fluoreszenzbande beinhalten beide den 0-0-Übergang, durch den auch die Übergangsenergie E (bzw. E ′ ) charakterisiert ist. Die Wellenzahl dieses Übergangs kann herausgefunden werden, indem eine geeignete Absorptionsbande und die zugehörige Fluoreszenzbande in die selbe Grafik kopiert und beide Banden auf die gleiche Größe skaliert werden, so wie in Abb. 2.6 gezeigt. Die beiden Kurven schneiden sich im 0-0-Übergang. Auf diese Weise lassen sich die gesuchten Wellenzahlen ν̃ROH und ν̃RO− herausfinden und folglich auch pK − pK ∗ berechnen. 30 UV-VIS 2.2.2. Experimenteller Teil 2.2.2.1. Aufnahme von Spektren Aufgabe 1: Stellen Sie 50 ml der 2·10−3 M Stammlösung von 2-Naphthol in Wasser her. Die Stammlösung wird mit folgenden im Voraus vorbereiteten Lösungen jeweils im Verhältnis 0,5 ml : 2 ml verdünnt. a) b) c) d) e) f) g) h) pH pH pH pH pH pH pH pH = 1 = 2 = 3 = 5 = 7 = 9 = 10 = 13 (Pufferlösung) (Pufferlösung) (Pufferlösung) (Pufferlösung) (H2 0 destilliert) (Pufferlösung) (Pufferlösung) (Pufferlösung) Nehmen Sie Fluoreszenz- und Absorptionsspektren der ganzen Lösungsreihe auf. Verwenden Sie dabei 1 cm Fluoreszenzküvetten aus Quarzglas. Fluoreszenzspektren sind in der rechteckigen Anordnung aufzunehmen. Messbereiche: 335 - 500 nm für die Fluoreszenz bei der Anregungswellenlänge 330 nm 300 - 400 nm für die Absorption (unbedingt mit einer Vergleichsküvette die reines Lösungsmittel enthält) Aufgabe 2: Vergleichen Sie die Fluoreszenzspektren reiner undissoziierter und dissoziierter Formen bei pH=1 und pH=13. Wählen Sie zwei Wellenlängen λ und λ′ aus, bei denen praktisch nur eine der beiden Formen emittiert. Analysieren Sie die Fluoreszenzspektren im pH-Bereich 1 bis 7 mit den Gleichungen (2.5) und (2.6) und bestimmen Sie die Werte kd∗ , ka∗ und pK ∗ . Aufgabe 3: Die folgende Auswertung wird an den Absorptionsspektren durchgeführt. Legen Sie als erstes eine Wellenlängen λ1 fest, bei der möglichst nur die dissoziierte Form absorbiert. Bei dieser Wellenlänge wird, gemäß Gleichung (2.10), der Extinktionskoeffizient ε proportional zu α, weswegen eine Auswertung dort besonders einfach wird. Bestimmen Sie die Absorption beim größten pH-Wert, und berechnen Sie daraus den Absorptionskoeffizienten (εRO− ) der dissoziierten Form. Gehen Sie davon aus, dass bei diesem pH-Wert die Dissoziation vollständig erfolgt ist. Ermitteln Sie nun α für alle Messungen mit pH ≥ 5. Verwenden Sie hierzu Gl. (2.10). Tragen Sie α über die pH-Werte auf und bestimmen Sie grafisch den pH-Wert, bei dem α die Hälfte seines Maximalswerts erreicht. Wegen pK = pHα=1/2 (s. Gl. 2.11) ist der gesuchte pK-Wert somit gefunden. Der Einfluss der Ionenstärke (s. Gl. (2.7)) muss bei dieser Aufgabe nicht berücksichtigt werden. 31 UV-VIS Aufgabe 4: Werten Sie die Fluoreszenz- und Absorptionsspektren wie in Abschnitt 2.2.1.4 gezeigt aus, und berechnen Sie mit Hilfe von Gleichung (2.20) anschließend pK-pK ∗ . Vergleichen Sie dieses Resultat mit den Ergebnissen der vorherigen Aufgaben und diskutieren Sie die Abweichungen. Diskutieren Sie auch die Werte kd∗ , ka∗ , K und pK ∗ . Was sagen sie aus? 2.3. Dipolmoment angeregter Moleküle Werden Absorptionsspektren von Farbstoffen in Lösungsmitteln unterschiedlicher Polarität aufgenommen, so kann in Abhängigkeit von der Stärke der Lösungsmittelpolarität eine Veränderung der Lage der Absorptionsbande und der Fluoreszenzbande beobachtet werden. Dieser Effekt kann dazu verwendet werden, bei bekanntem Dipolmoment des Grundzustands, das Dipolmoment des angeregten Zustands zu berechnen. 2.3.1. Theoretischer Teil Abb. 2.7.: Einfluss der Lösungsmittelpolarität auf die Lage der Energieniveaus des Grundzustands (g) und des angeregten Zustands (e) Löst man einen Farbstoff wie z. B. 1,3,4-trimethylphenazin-2-ol, erscheint er in Eisessig dunkelrot, in Alkohol rot und in Benzol gelb. Jod löst sich je nach Lösungsmittel mit roter, brauner oder violetter Farbe. Dieser Effekt ist unter der Bezeichung Solvatochromie bekannt. Zunächst ist die Energie eines elektronischen Übergangs nur durch die Energiedifferenz zwischen Grund- und angeregtem Zustand bestimmt (Abb. 2.7, b)). Befindet sich das Molekül aber in einem polaren Lösungsmittel und besitzt es ein eigenes Dipolmoment, findet aufgrund dipolarer Wechselwirkungen eine Absenkung der Energieniveaus statt (siehe Abb. 2.7, a),c)). Diese ist umso stärker, je größer das Dipolmoment (µ) des betreffenden Zustands ist. Im Falle 32 UV-VIS von µe ≪ µg (e = angeregt, g = Grundzustand) führt dies zu einer Blauverschiebung (Hypsochromie, Abb. 2.7, a)) des absorbierten Lichts und im Falle µe ≫ µg zu einer Rotverschiebung (Bathochromie, Abb. 2.7, c)). Abb. 2.8.: a) Darstellung des Effekts der Lösungsmittelrelaxation. S0 ist der Grundzustand, S1 der angeregte Franck-Condon-Zustand. Durch Umorientierung des Lösungsmittels relaxiert dieser in den S0′ -Zustand. Die Frequenz der Fluoreszenz νF ′ nach der Lösungsmittelrelaxation ist deutlich geringer als vor der Lösungsmittelrelaxation νF . b) Verschiebung der Banden von Fluorezenz und Absorption aufgrund von Schwingungsrelaxation Noch stärker wirkt sich der Effekt auf die Fluoreszenz aus. Dies ist neben der Schwingungsrelaxation im Wesentlichen auf sogenannte Lösungsmittelrelaxation zurückzuführen (siehe Abb. 2.8). Absorptions- und Fluoreszenzprozesse erfolgen innerhalb einer Zeitspanne in der Größenordnung von 10−15 s, während die Relaxationszeit für die Dipolorientierung (und auch die Schwingungsrelaxation) im Lösungsmittel bei Zimmertemperatur im Breich von 10−12 − 10−10 s liegt. Ein Absorptionsübergang führt das System in den Franck-Condon-Zustand S1 in dem die Orientierung der Lösungsmittelmoleküle noch gleich wie im Grundzustand ist. Während des elektronischen Übergangs hat sich aber das Dipomoment sprunghaft von µg nach µe geändert und die Polarisierung des Lösungsmittels ist nun nicht mehr optimal. Die mittlere Zeit zwischen Absorption und Fluoreszenz liegt in der Größenordnung von 10−9 s. Somit besteht für die Lösungsmittelmoleküle genug Zeit zu relaxieren und dem Gleichgewichtszustand S1′ zuzustreben. Nach einer mittleren Zeit von ca. 10−9 s führt ein Fluoreszenzübergang in den Franck-Condon-Zustand S0′ , wobei das Dipolmoment wiederum sprunghaft geändert wird. Durch erneute Reorientierung der Lösungsmittelmoleküle gelangt das Molekül schließlich in den Grundzustand S0 zurück, wobei wiederum Energie frei wird. Die Umordnungsenergien von Anergungs- und Grundzustand sind von der gleichen Größenordnung. Ihre Summe und die daraus resultierende zusätzliche Rotverschiebung gegenüber der Absorption ist umso größer, je polarer das Lösungsmittel ist. Im Falle von µe >> µg tritt, wie in Abb. 2.9 zu sehen ist, im polaren Lösungsmittel die Rotverschiebung sowohl bei Absorption als auch bei Fluoreszenz auf. Der Einfluss des Lösungsmittels auf die Fluoreszenzbande ist additiv und in diesem Fall besonders stark. Im Falle µe << µg führt die Lösungsmittelrelaxation zwar ebenfalls zu einer Rotverschiebung 33 UV-VIS der Fluoreszenz, die Absorption ist hingegen blauverschoben. Beide Effekte kompensieren sich teilweise und die Einflussnahme des Lösungsmittels auf die Lage einer Fluoreszenzbande bleibt damit gering. in freiem Zustand in polarem Lösungsmittel S'A { in polarem Lösungsmittel } S'F nA n00 nF nF nA nA nF } SF SA { me << mg me >> mg Abb. 2.9.: Einfluss der Lösungsmittelpolarität auf die Lagen der Absorptionsbanden (νA ) und die Fluoreszenzbanden (νF ). SA = mittlere thermische Energie des Grundzustands, SA′ = beim elektronischen Übergang erzeugte Schwingungsenergie, SF′ = thermische Energie des angeregten Zustands, SF = Schwingungsenergie, die beim Fluoreszenzübergang frei wurde. Im freien Zustand sind die Energien der 0-0-Übergange von Fluoreszenz und Absorption noch gleich. Im polaren Lösungsmittel hingegen ist aufgrund der Lösungsmittelrelaxation der 0-0-Übergang der Fluoreszenz gegenüber dem der Absorption rotverschoben. Eine quantitativen Behandlung des Einflusses von Lösungsmitteln auf Elektronenspektren ist sehr aufwändig, denn Molekül und Lösungsmittel müssen als ein Gesamtsystem betrachtet werden. Wir wollen uns daher auf ein stark vereinfachtes Modell beschränken, in dem: 1. das gelöste Molekül als eine Kugel mit dem Radius a angesehen wird, in deren Zentrum sich ein punktförmiger Dipol µ befindet. 2. das dielektrische Verhalten des umgebenden Lösungsmittels nur durch dessen Dielektrizitätskonstante εr und dessen Brechungsindex nD beschrieben wird. Für die Wechselwirkungsenergie Ew zwischen dem Dipolmoment µ des gelösten Moleküls und dem umgebenden Dielektrikum [18] erhält man Ew = 2µ2 εr − 1 · . a3 2εr + 1 (2.21) Damit kann für die lösungsmittelbedingte Wellenzahldifferenz ∆ν̃0−0 der 0-0-Übergänge von 34 UV-VIS Absorption und Emission folgender linearer Zusammenhang abgeleitet werden [19],[20] hc∆ν̃0−0 = wobei ∆f = 2 (µe − µg )2 · ∆f, a3 εr − 1 n2 − 1 − D2 . 2εr + 1 2nD + 1 (2.22) (2.23) Bei Zimmertemperatur sind aber nicht die 0-0-Übergänge, sondern nur die Bandenmaxima der untersuchten Lösungen experimentell zugänglich. Ist ν̃A die Wellenzahl des Absorptionsmaximums und ν̃F die des Fluoreszentmaximums, muss gemäß Abb. 2.9 für den Abstand der Bandenmaxima gelten ν̃A − ν̃F = ∆ν̃0−0 + (SA′ − SA ) + (SF − SF′ ) , (2.24) wobei SA die mittlere thermische Energie des Grundzustands, SA′ die beim elektronischen Übergang erzeugte Schwingungsenergie, SF′ die thermische Energie des angeregten Zustands und SF die beim Fluoreszenzübergang freigewordene Schwingungsenergie ist. Die Summe der beiden Klammern ist, da SA′ > SA und SF′ < SF ist, sicher positiv und stellt die normale Stoke’sche Rotverschiebung der Fluoreszenz dar. Ausser von der Temperatur hängen die Parameter SA′ , SA , SF , SF′ sehr stark von der elektronischen Struktur des Moleküls ab. Die Wechselwirkung zwischen Molekül und Lösungsmittel ist im Vergleich zur inneren (elektronischen) Energie eines Moleküls aber glücklicherweise so gering, dass ein Einfluss des Lösungsmittels auf die elektronische Struktur vernachlässigt werden kann. Dadurch werden auch die Parameter SA′ , SA , SF , SF′ vom Lösungsmittel unabhängig, und dürfen zu einer Konstanten C zusammenfasst werden. Somit lassen sich die Gleichungen (2.22) und (2.24) vereinigen zur Gleichung 2 · (µe − µg )2 ∆ν̃ = ν̃A − ν̃F = · ∆f + C, (2.25) h · c · a3 mit ν̃A = Wellenzahl des Absorptionsmaximums, ν̃F = Wellenzahl des Fluoreszenzmaximums, C = Konstante [cm−1 ] und c = Lichtgeschwindigkeit Zur Überführung von Gl. (2.25) in das SI-System wird der Faktor 1/(4πε0) ergänzt. Damit geht Gl. (2.25) über in (µe − µg )2 1 · ∆f + C . (2.26) ∆ν̃ = 2πε0 h · c · a3 Wird ∆ν̃ über ∆f aufgetragen, kann bei bekanntem µg und a aus dem Anstieg der Geraden das Dipolmoment µe ermittelt werden. ∆f muss zuvor mit Hilfe von Gleichung (2.24) aus der Dielektrizitätskonstanten und dem Brechungsindex des zugehörigen Lösungsmittels berechnet werden. (Die exakte Herleitung von Gl. (2.26) wird nicht verlangt, kann aber in Referenz [3] nachgelesen werden.) 35 UV-VIS 2.3.2. Experimenteller Teil 2.3.2.1. Substanzen und Lösungsmittel Untersucht wird Coumarin 370 (Abb. 2.10): Abb. 2.10.: 7-Ethylamino-6-methyl-4-trifluormethylcoumarin (Coumarin 370). Diese Substanz wird aufgrund ihrer intensiven Fluoreszenzeigenschaften in der Praxis als Laserfarbstoff eingesetzt. Für die Versuchsreihe werden z. B. folgende Lösungsmittel eingesetzt: • Cyclohexan • Diethylether • Ethylacetat • i-Propanol • Cyclohexen • Acetonitril • Dioxan • Pentanol • Ethanol • n-Butanol 2.3.2.2. Aufnahme der Spektren Nehmen Sie die Absorptions- und Fluoreszenzspektren (Anregungswellenlänge: 366 nm) der gegebenen Substanz in allen Lösungsmitteln auf. Messbereiche: Absorption 300 ... 450 nm Fluoreszenz 400 ... 580 nm Genaue Hinweise zur Bedienung der Spektrometer erhalten Sie am Versuchstag. 2.3.2.3. Auswertung Die Ergebnisse werden tabellarisch zusammengefasst (2.1) Das Grundzustandsdipolmoment von Coumarin 370 beträgt µg = 5, 6 D und der Kugelradius liegt bei a = 0, 4 nm. Bei gegebenem µg und anhand der aus der Geradensteigung ermittelten Differenz (µe − µg ) erhalten Sie als Ergebnis das gesuchte Dipolmoment des angeregten Zustands µe . Diskutieren Sie, warum einzelne Punkte nicht auf der Regressionsgeraden liegen, bzw. nicht in die Regressionsrechnung einbezogen werden sollten (Fehlerbetrachtung). Vergleichen Sie 36 UV-VIS die beiden Dipolmomente µg und µe . Welcher der beiden Werte ist höher und woran könnte das liegen? Tabelle 2.1.: Die relativen Dielektrizitätkonstanten und Brechungsindices verschiedenler Lösungmittel Lösungsmittel: ε nD Cyclohexan 2,06 1,4263 Cyclohexen 2,22 1,4450 Ethylacetat 6,11 1,3727 Acetonitril 38,80 1,3460 Diethylether 4,40 1,3526 Dioxan 3,00 1,4251 i-Propanol 26,00 1,3775 n-Butanol 19,20 1,3990 Pentanol 13,90 1,4090 Ethanol 24,30 1.3600 ∆f ν̃A [cm−1 ] ν̃F [cm−1 ] ∆ν̃F [cm−1 ] 2.4. Excimere 2.4.1. Theoretischer Teil 2.4.1.1. Grundlagen Abb. 2.11.: Potentielle Energie als Funktion des intermolekularen Abstandes für den Grundzustand und den ersten angeregten Zustand eines Excimeren. 37 UV-VIS Unter Excimeren versteht man Molekül-Assoziate, die nur in angeregten Elentronenzuständen existieren. Sie sind deshalb unmittelbar nur in Emissionsspektren, vor allem Fluoreszenzspektren, zu erkennen. Trotz ihrer Kurzlebigkeit sind sie für viele photophysikalische und photochemische Effekte verantwortlich. Die Entstehung von Excimeren kann anhand des in Abb. 2.11 gezeigten Potentialkurvenverlaufs erläutert werden. Danach ist der Grundzustand des Excimers instabil, denn bei Verringerung des Molekülabstands nimmt die potentielle Energie stetig zu. Befindet sich aber einer der beiden Reaktionspartner im elektronisch angeregten Zustand, bildet sich ein Potentialminimum heraus, in dem das Eximer stabilisiert wird. Fluoreszenzemission und innermolekulare strahlungslose Desaktivierung angeregter Moleküle A∗ stehen mit chemischen Prozessen gemäß folgendem Schema in Konkurrenz (Abb. 2.12). Abb. 2.12.: Die Excimerenbildung (kr ) steht mit Fluoreszenzemission (ke ) und strahlungsloser Desaktivierung (kd )in Konkurrenz. Während die Prozesse mit ke und kd als monomolekulare Reaktionen angesehen werden können, d[A∗ ] = (ke + kd ) · [A∗ ] (gilt bei kr = 0), (2.27) − dt ist im Fall eines hinzukommenden “chemischen” Konkurrenzprozesses d[A∗ ] = (ke + kd + ka · [B]) · [A∗ ], dt wobei ka die Geschwindigkeitskonstante einer bimolekularen Reaktion darstellt. − (2.28) Der Konkurrenzprozess, dies kann eine chemische Reaktion oder auch der Übertrag der elektronischen Anregungsenergie auf ein anderes Molekül sein, führt zu einem schnelleren Verschwinden der fluoreszierenden Substanz A∗ und dadurch zu einer Reduktion der Fluoreszenzintensität. Man spricht dann von Fluoreszenzlöschung oder Quenching. Die Fluoreszenz-Quantenausbeute φ ist der Bruchteil der angeregten Moleküle, der unter Emission eines Lichtquants desaktiviert wird und ist somit gegeben durch φ= ke . ke + kd + kr (2.29) Man kann diesen Ausdruck umittelbar verstehen als Quotienten der Häufigkeit der günstigen Ereignisse (Fluoreszenz) und der Häufigkeit aller möglichen Ereignisse. Beträgt also die absorbierte Intensität Ia [Quanten/s], so ist die Fluoreszenzintensität I = φ · Ia . 38 UV-VIS Die Fluoreszenzquantenausbeute wird maximal (φ = φmax ), wenn keine Fluroszenlöschung auftritt. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Löschstoffkonzentration [B] (siehe Abb. 2.12 und Gl. 2.28) Null ist. Wegen kr = ka · c (ab hier schreiben wir c statt [B]) gilt die Gleichung von Stern und Volmer c φmax c = 1 + ke +kd = 1 + , (2.30) φ ch k a wenn man die anschauliche Bezeichnung Halbwertslösch-Konzentration (ch = ke + kd )/ka einführt. Für c = ch ist die Fluoreszenzquantenausbeute auf die Hälfte des Maximalwertes gelöscht. ch kann leicht gemessen werden und dient zur Ermittlung der Geschwindigkeitskonstanten ka . Die Größe (ke +kd ) hat ebenfalls anschauliche Bedeutung als reziproke Abklingzeit der ungelöschten Fluoreszenz und kann mit einigem Aufwand direkt gemessen werden. Abb. 2.13.: Fluoreszenzspektren von Anthracen (3 · 10−4 M) in Toluol in Gegenwart von Diethylanilin der folgenden Konzentration: (a) 0,000 M, (b) 0,005 M, (c) 0,025 M und (d) 0,100 M Als Löschstoff können insbesondere auch unangeregte Moleküle des fluoreszenzfähigen Stoffs selbst wirken. Dies zeigt sich in einer Verringerung der Fluoreszenzintensität gemäß der SernVolmer-Gleichung mit zunehmender Konzentration des fluoreszenzfähigen Stoffs (Konzentrationslöschung). Man kann ohne Bedenken von der Eingabekonzentration als Löschstoffkonzentration ausgehen, denn der Bruchteil der angeregten Moleküle ist im Vergleich dazu verschwindend gering. Die Reaktion kann wie folgt dargestellt werden k ·c a A∗ + A −− → (AA)∗ → A + A + Wärme. Das Produkt der Löschreaktion führt zum angeregten Dimer (AA)∗ . Solche angeregten Dimere sind in den meisten Fällen nicht fluoreszenzfähig, auch wenn die Monomere diese Eigenschaften haben. Die Weiterreaktion liefert schließlich wieder die zwei ursprünglichen Monomere, und die Anregungsenergie wird in Form von Wärme freigesetzt. 39 UV-VIS 2.4.1.2. Die Excimerbildung des Pyrens Pyren hat die besondere Eigenschaft, dass auch die angeregten Dimere fluoreszenzfähig sind. Man hat dann das erweiterte Reaktionsschema (Abb. 2.14). Abb. 2.14.: Reaktionsschema der Eximerenbildung des Pyrens. Dimere im Grundzustand existieren dabei nicht, weswegen folgender Reaktionsschritt, der ebenfalls zu angeregten Dimeren führen könnte, nicht stattfindet. Wie im Reaktionsschema angedeutet, ist auch eine Rückreaktion der Assoziaten im angeregten Zustand zu den Ausgangssubstanzen A und A∗ denkbar. Dieser Prozess würde die Fluoreszenzintensität der Excimere verringern, spielt in unserem Fall aber erst bei höheren Temperaturen eine Rolle und kann näherungsweise unberücksichtigt bleiben. Für die Quantenausbeute der Bildung der Excimere gilt φr = ka · c . ke + kd + ka · c (2.31) Die Wahrscheinlichkeit, dass ein schon gebildetes Excimer fluoresziert, ist gegeben durch φ′e = ke′ . ke′ + kd′ (2.32) Die Quantenausbeute der Excimerfluoreszenz muss folglich aus dem Produkt der Gleichungen (2.31) und (2.32) gebildet werden φ′ = φr · φ′e = k′ ka · c · ′ e ′. ke + kd + ka · c ke + kd φ′ wird maximal für c → ∞, nämlich zu φ′max = ke′ ke′ +kd′ (2.33) . Auf gleiche absorbierte Intensität bezogen gilt somit ′ Imax ch φ′max = =1+ . ′ ′ φ I c 40 (2.34) UV-VIS 2.4.2. Experimenteller Teil Es soll die Konzentrationsabhängigkeit der Fluoreszenz von Pyren in Petrolether und Paraffinöl untersucht werden. Zu diesem Zweck wurden Lösungen folgender Konzentrationen über einen Einfrier- und Auftauzyklus bei 10−4 mbar von O2 befreit und unter Vakuum abgeschmolzen. a) Petrolether C1 C2 C3 C4 C5 = 1, 0 · 10−4 = 2, 5 · 10−4 = 5, 0 · 10−4 = 1, 0 · 10−3 = 2, 0 · 10−3 b) Paraffinöl M M M M M C1 C2 C3 C4 C5 = 1, 0 · 10−3 = 2, 5 · 10−3 = 5, 0 · 10−3 = 1, 0 · 10−2 = 2, 0 · 10−2 M M M M M 2.4.2.1. Aufnahme der Fluoreszenzspektren Die Anregung der Moleküle erfolgt bei 333 nm. Der Messbereich der Fluoreszenz liegt bei 370− 620 nm. Bei Berücksichtigung der verschiedenen Absorptionsverhältnisse, d.h. auf konstante absorbierte Intensität bezogen, ergeben sich Spektren ähnliche denen in Abb. 2.13. Ein Schnitt durch die Potentialfläche dieser Reaktion zeigt Abb. 2.11. (Siehe auch Übersichtsartikel von Th. Förster [21]). 2.4.2.2. Auswertung 2.4.2.2.1. Bestimmung der Halbwertskonzentration Die Berücksichtigung der Absorptionsverhältnisse stellt ein schwieriges Problem dar. Durch höhere Konzentrationen ändert sich nicht nur die absorbierte Intensität, sondern auch die geometrischen Eigenschaften der Fluoreszenzprobe. (So rückt z. B. mit zunehmender Konzentration der Lichtschwerpunkt der Fluoreszenz an den vorderen Rand der Küvette). Die Lösung der Probleme ist prinzipiell möglich, geht aber über den Rahmen dieses Praktikums hinaus. Die Bestimmung der Halbwertskonzentration mit Hilfe der Gleichungen c φmax =1+ φ ch (2.35) und φ′max ch =1+ ′ φ c wird deshalb über eine Quotientenbildung durchgeführt, gemäß φmax φ φ′max φ′ oder = c 1 + (c/ch ) = 1 + (ch /c) ch φ′ c I′ φ′ = = max · . φ I φmax ch 41 (2.36) (2.37) (2.38) UV-VIS Die Grenzquantenausbeuten φ′max und φmax betragen für Pyren bei Zimmertemperatur Excimer: Monomer: φ′max = 0, 65 φmax = 0, 62 Durch Auftragen des Quotienten I ′ /I gegen c erhält man Ursprungsgeraden. Aus den Steigungen ermittelt man die Halbwertskonzentrationen. Beachten Sie, dass die Fläche unter der Excimer- bzw. Monomerbande proportional ist zu I’ bzw. zu I. Näherungsweise lässt sich I’ bzw. I nach folgenden Gleichungen ermitteln ′ I ′ = Irelmax · b′1/2 und I = Irelmax · b1/2 (2.39) ′ Irelmax , Irelmax : maximale Instensität der Excimer- bzw. Monomerbande b′1/2 , b1/2 : Halbwertsbreite der Excimeren- bzw. Monomerenbande 2.4.2.2.2. Bestimmung der bimolekularen Geschwindigkeitskonstanten ka der Assoziation und der Viskosität Für die Geschwindigkeitskonstante gilt folgende Beziehung (s. Definition der Halbwertskonzentration, Gl. 2.30 ) ke + kd . (2.40) ka = ch Die Häufigkeitskonstante ke der Strahlung beträgt 1,3 ·106 s−1 . Die Quantenausbeute ist oben angegeben. 2.4.2.2.3. Interpretation der Geschwindigkeitskonstanten (Diffusionskontrolle) Bevor die Moleküle A und A* miteinander reagieren können, müssen sie zunächst zusammenstoßen. Ob nach einem Stoß tatsächlich eine Reaktion stattfindet hängt von Parametern ab wie: Höhe der Reaktionsbarriere, Begegnungszeit, sterische Eigenschaften, Lösungsmittel, usw. In Lösung kann man (im Gegensatz zur Gasphase) davon ausgehen, dass die Stoßzeit lange genug ist, damit ein Stoßpaar mit seiner Umgebung genügend Energie austauschen kann, um reagieren zu können. Zur genaueren Untersuchung unterteilen wir den Prozess A + A∗ = AA∗ mit Hilfe eines kinetischen Schemas in einfache Teilschritte. Wir nehmen an, dass die Bildung des Stoßpaares A- - -A∗ ein Prozess zweiter Ordnung ist: A + A∗ = A- - -A∗ v = kD [A][A∗ ] kD ist von den Diffusionseigenschaften von A und A∗ abhängig. Das Stoßpaar kann wieder auseinander diffundieren, ohne reagiert zu haben, oder es kann ein Excimer AA∗ bilden. Wir nehmen an, dass beide Reaktionen pseudo-erster Ordnung sind, dann gilt A- - -A∗ = A + A* A- - -A∗ = AA∗ 42 v = kD′ [A- - -A∗ ] v = kR [A- - -A∗ ]. UV-VIS Die Konzentration von A- - -A∗ im quasistationärem Zustand erhält man aus der zugehörigen Geschwindigkeitsgleichung: d[A- - -A∗ ] = kD [A][A∗ ] − kD′ [A- - -A∗ ] − kR [A- - -A∗ ] = 0 dt Für [A- - -A∗ ] gilt somit kD [A][A∗ ] . [A- - -A∗ ] = (kD′ + kR ) Das Geschwindigkeitsgesetz für die Bildung des Excimers ist damit kR ∗ kD d[AA∗ ] . = kR [A- - -A∗ ] = ka [A][A∗ ] mit ka = dt (kD′ + kR ) In dieser Gleichung kann man zwei Grenzfälle unterscheiden. Wenn das Stoßpaar viel langsamer in die Edukte dissoziirt als es Excimere bildet, so ist kD′ ≪ kR , und die effektive Geschwindigkeitskonstante wird ka ≈ kR ∗ kD = kD . kR Man bezeichnet diesen Fall als diffusionskontrollierten Grenzfall und die Reaktion als diffusionskontrollierte Reaktion. In diesem Fall nimmt die Geschwindigkeitskonstante ka ihren größten Wert an. Der zweite Grenzfall ist der einer kinetisch kontrollierten Reaktion, bei der für die Reaktion von A- - -A∗ zu AA∗ eine große Aktivierungsenergie nötig ist. In diesem Fall gilt kR ≪ kD′ , und die effektive Geschwindigkeitskonstante wird ka ≈ kR ∗ kD /kD′ = kR ∗ K, wobei K die Gleichgewichtkonstante der Reaktion A + A∗ == A- - -A∗ ist. In diesem Grenzfall hängt die Reaktionsgeschwindigkeit davon ab, wie schnell das Reaktionspaar die benötigte Energie von den umgebenden Solvensmolekülen aufnehmen kann. In diesem Fall ist die Geschwindigkeitskonstante ka immer kleiner als kD . Nach einer Theorie von Einstein und Smoluchowski gilt für die diffusionskontrollierte Geschwindigkeitskonstante in Abhängigkeit von der Viskosität des Lösungsmittels: 8RT kD = mol−1 l s−1 (2.41) 3η Für Wasser bei 20 ◦ C ist z. B. η = 0, 01 P (= g cm−1 s−1 ). Diffusionskontrolliert nennt man eine Reaktion, wie wir oben erläutert haben, bei der jeder Zusammenstoß der Partner zur Reaktion führt. Kennt man in einem Lösungsmittel eine diffusionskontrollierte Reaktion, kann man folglich durch Fluoreszenzmessungen unbekannte Viskositäten anderer Lösungsmittel bestimmen. Umgekehrt kann man aber auch, sofern die Viskosität des Lösungsmittels bekannt ist, mit Hilfe von Gleichung (2.41) die Maximalgeschwindigkeit einer Reaktion abschätzen und diese mit der gemessenen Geschwindigkeit vergleichen. Bestimmen Sie also das Verhältnis ka /kD in den Lösungsmitteln Petrolether und Paraffinöl (ηPetrolether = 0.013 P; ηParaffinöl = 0, 400 P) und bewerten Sie Ihr Ergebnis! 43 UV-VIS 2.4.3. Sicherheitshinweise Bite informieren Sie sich über die Gefahren der im Versuch verwendeten Gefahrstoffe. Diese sind: Organische Lösungsmittel (s. Seite 36), Coumarin, Pufferlösungen, 2-Naptol, Pyren, Paraffin und Petrolether. Literatur 1. L. Onsager, J. Am. Chem. Soc. 1936, 58, 1486. [18] 2. E. Lippert, Z. Naturforsch. 1955, 10a, 541. [19] 3. E. Lippert, Z. Elektrochem. Ber. Bunsenges. Physik. Chem. 1957, 61, 962. [20] 4. Th. Förster, Angew. Chem. 81 (1969) 364. [21] 44 45 3. Schwingungs-Spektroskopie 3.1. Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie Themen des Kolloquiums • • • • • • • Fouriertransformation Fourierspektroskopie (IR, vgl. NMR) Fourier-Spektralphotometer (Aufbau, Prinzip, Auflösung, ...) Starrer Rotator, Rotationsspektren, harmonischer Oszillator Rotationsschwingungsspektren Auswahlregeln Schwingungstypen 3.1.1. Allgemeine und theoretische Grundlagen 3.1.1.1. Infrarotstrahlung Die Infrarotstrahlung lässt sich in folgende Bereiche unterteilen: Ferninfrarot IR Wellenlänge λ [m] Frequenz ν [Hz] Wellenzahl 1/λ [cm−1 ] Energie E [kJ/mol] 3 · 10 −3 − 3 · 10 1011 − 1013 3 − 300 4 · 10 −2 −4 −5 mittleres Infrarot MIR 3 · 10 −5 − 2, 5 · 10 −6 Nahinfrarot NIR 2, 5 · 10−6 − 10−6 1013 − 1, 2 · 1014 1, 2 · 1014 − 3 · 1014 4 − 53 53 − 120 300 − 4000 4000 − 10000 Auf der Seite der kürzerwelligen Strahlung schließen sich der sichtbare und der UV-Bereich, auf der Seite der längerwelligen Strahlung die Mikro-, Kurz- und Radiowellen an. Die Energie der Infrarotstrahlung ist gerade groß genug, um damit Schwingungen von Molekülen anregen zu können. Schwingungsspektroskopie 3.1.1.2. Rotationsschwingungsspektren Betrachtet man eine harmonische Schwingung eines zweiatomigen Moleküls, die dem linearen Kraftgesetz F = −Dx (D: Kraftkonstante) gehorcht, so erhält man für die Kreisfrequenz s s D 1 D ; ν0 = (3.1) ω0 = 2πν0 = µ 2π µ mit der reduzierten Masse m1 · m2 (3.2) m1 + m2 und den Massen m1 und m2 der Atome. Für die quantenmechanischen Energiezustände eines harmonischen Oszillators gilt 1 Ev = h · ν0 v + (3.3) 2 mit den Schwingungsquantenzahlen v = 0, 1, 2, . . . . Voraussetzung für einen Schwingungsübergang ist die Änderung des elektrischen Dipolmoments, wobei die Auswahlregel für den Übergang zu ∆v = ±1 gegeben ist. Ein mit hinreichender Auflösung aufgenommenes Schwingungsspektrum (für die Gasphase) zeigt zusätzlich eine Rotationsfeinstruktur. Für einen starren Rotator existieren die Quantenenergien µ= EJ = hcBJ (J + 1) (3.4) mit den Rotationsquantenzahlen J = 0, 1, 2, . . . , der Rotationskonstante, B= h , 8π 2 cI (3.5) dem Trägheitsmoment I = µr 2 (3.6) und der Bindungslänge r. Die Entartung der Rotationsniveaus beträgt gJ = 2J + 1. Die entsprechenden Auswahlregeln lauten ∆J = ±1 für ∆l = 0 (l: Bahndrehimpulsquantenzahl) oder ∆J = 0 für ∆l = 1. Diese führen zu einem Rotationsschwingungsspektrum (∆v = +1) mit verschiedenen Absorptionszweigen. Für ∆J = −1 erhält man den sog. P-Zweig mit Absorptionslinien, welche den Energiedifferenzen ∆EJP = hν0 − hcJ (Bv+1 + Bv ) + hcJ 2 (Bv+1 − Bv ) (3.7) entsprechen. Für den Q-Zweig gilt, falls ∆l = 1 möglich ist, ∆J = 0 und ∆EJQ = hν0 + hc (Bv+1 − Bv ) J (J + 1) (3.8) und für den R-Zweig ∆J = +1 und ∆EJR = hν0 + 2hcBv+1 + hcJ (3Bv+1 − Bv ) + hcJ 2 (Bv+1 − Bv ) . (3.9) Die Indices v und v + 1 tragen dem Umstand Rechnung, dass die Rotationskonstante B nicht konstant ist, sondern mit zunehmender Bindungslänge r für höhere Schwingungszustände kleiner wird. Ausserdem, hängt B auch von der Rotationsqantenzahl J ab, weil Bindungen bei hohen Rotationszahlen gedehnt werden können (Zentrifugalaufweitung). Dieser Effekt ist aber gering und wir wollen ihn in den weiteren Betrachtugen vernachlässigen. 46 Schwingungsspektroskopie 3.1.1.3. Linienintensität und Linienbreite Die Absorption A wird durch das empirische Lambert-Beer-Gesetz A = lg I0 =ε·c·d I (3.10) beschrieben, wobei I, c, d und ε die Intensität (I0 für einfallendes Licht), die Konzentration, die Schichtdicke und den molaren dekadischen Absorptionskoeffizienten bezeichnen. Abb. 3.1.: Rotationsschwingungszustände und Rotationsschwingungsspektren von NO Die Intensität eines Schwingungs-Rotations-Übergangs ist proportional zum Quadrat des Übergangsmoments µf i (siehe Versuch ,,Elektronenschwingungsspektroskopie“) multipliziert mit der Population des unteren Zustands. µf i ändert sich kaum mit zunehmendem J. Folglich ist vor allem der Besetzungsgrad der Rotationsniveaus von Bedeutung, welcher nach Boltzmann gegeben ist zu −EJ NJ gJ · e kT =P , (3.11) −EJ N J gJ · e kT wobei EJ = hcBJ (J + 1) die energetische Lage des J-ten Rotationsniveaus ist und gJ = 2J +1 der Entartungsgrad. Die Summe im Nenner von Gl. 3.11 ist die Zustandssumme der Rotation. Außerdem muss unter bestimmten Umständen noch eine Kernspinentartung gI berücksichtigt werden, welche aber nur für Moleküle mit symmetrisch äquivalenten Kernen eine Rolle spielt, wie z. B. für CO2 (siehe Anhang). Die relative Intensität eines Übergangs ist somit gegeben durch hcBJ (J +1) (3.12) AJ ∝ gI gJ e− kt . Die endliche Linienbreite in der Infrarotspektroskopie läßt sich auf folgende Beiträge zurückführen: • Dopplerverbreiterung aufgrund der sich mit der Geschwindigkeit vB relativ zum Beobachter B bewegender strahlender Moleküle S mit νB = νS 1 + vc (wenn Beobachter 47 Schwingungsspektroskopie und Quelle sich aufeinander zu bewegen). Die Form einer Gaußkurve ergibt sich aus der Geschwindigkeitsverteilung F (vB ) = m 32 2 mvB · e− 2kT 2πkT 4πvB2 der kinetischen Gastheorie. (3.13) Von geringerer Bedeutung in der IR-Spektroskopie ist die • Lebensdauerverbreiterung oder Unschärfeverbreiterung δE ≈ ~/τ aufgrund der begrenzten Lebensdauer eines am Übergang beteiligten Zustandes. Für die Wellenlängenabhängigkeit der natürlichen Lebensdauer gilt τnat ∼ const· λ3 . Zu der hierdurch hervorgerufenen natürlichen Linienbreite addiert sich die im Infrarotbereich dominierende • Stoßverbreiterung mit der druck- und temperaturabhängigen Stoßzeit τStoß = √ kT 2σv̄p (3.14) mit dem Stoßquerschnitt σ = πr2 und der mittleren Geschwindigkeit v̄ = Z∞ 0 v · F (v) dv (3.15) gemäß 1 1 1 + + ... = τ τnat τStoß (3.16) 3.1.1.4. Mechanische Beschreibung von Schwingungen mehratomiger Moleküle Ein Molekül mit N Atomen besitzt 3N Freiheitsgrade, davon 3 Freiheitsgrade der Translation, 3 Freiheitsgrade der Rotation für nichtlineare und 2 Rotationsfreiheitsgrade für lineare Moleküle. Damit verbleiben 3N − 6 bzw. 3N − 5 Vibrationsfreiheitsgrade, wobei die Anzahl der symmetrischen und antisymmetrischen Valenzschwingungen (Änderung der Bindungslänge) gleich der Anzahl der Bindungen im Molekül ist. Die restlichen Freiheitsgrade entfallen auf weitere Schwingungsformen, z. B. Deformationsschwingungen (Änderung von Bindungswinkeln), Torsionsschwingungen (twisting) um Bindungsachsen, Scherschwingungen (scissoring), Schaukelschwingung (rocking), Wippschwingungen (wagging), Ringwellungsschwingung (ring-puckering) usw. Als einfaches Beispiel für ein lineares Molekül diene Kohlendioxid mit 3 · 3 − 3 − 2 = 4 Schwingungsfreiheitsgraden (man beachte die zweifache Entartung der Deformationsschwingung): Diese Normalschwingungen besitzen jeweils eigene Schwingungsquantenzahlen und finden unabhängig voneinander statt. Zur theoretischen Beschreibung führt man für alle Atome Koordinaten bezüglich des Molekülschwerpunktes ein, x1 und x3 für die Sauerstoffatome und x2 für das Kohlenstoffatom. Die Massen m1 und m2 bezeichnen die Atommassen der Sauerstoffbzw. Kohlenstoffatome 48 Schwingungsspektroskopie Abb. 3.2.: Normalschwingungen des CO2 -Moleküls. a) symmetrische Valenzschwingung Es schwingen nur die Sauerstoffatome, für die Amplituden gilt also x1 = −x3 und x2 = 0. Als Lösung der zugehörigen Differentialgleichung −D · x1 = m1 · ẍ1 mit ẍ1 = erhält man ωs = d2 x1 dt2 r D , m1 (3.17) (3.18) (3.19) wobei D die Kraftkonstante der C=O-Bindung ist. Diese Schwingung ist allerdings infrarotinaktiv. b) antisymmetrische Valenzschwingung Berücksichtigt man die Erhaltung des Schwerpunktes während einer Schwingungsbewegung: m1 x1 + m2 x2 + m3 x3 = 0 und betrachtet man z. B. die Bewegung des Kohlenstoffatoms, so erhält man die Differentialgleichung −D · x2 = µas ẍ2 (3.20) m1 · m2 2m1 + m2 (3.21) mit µas = und ωas = s D , µas (3.22) c) Deformationsschwingung Hier soll x = x1 + x2 und x = R · sin(α/2) mit R = Abstand (C-O) gelten. Daraus folgt für kleine α näherungsweise, dass x = 12 Rα und mit der Erhaltung des Schwerpunktes 49 Schwingungsspektroskopie Abb. 3.3.: Geometrie der Deformationsschwingung. 2m1 x1 + m2 x2 = 0 erhält man x1 = m2 R · α. 2 (2m1 + m2 ) (3.23) Die Auslenkung aus der Gleichgewichtslage beträgt s = R·α. Mit der Winkeldeformationskonsante D ′ gilt dann F = −D ′ s = m1 · ẍ1 (3.24) und nach Einsetzen von s und x1 ergibt sich die Differentialgleichung −D ′ α = µδ α̈ mit µδ = m1 m2 . 2 (2m1 + m2 ) (3.25) (3.26) Für die Lösung folgt daraus ωδ = s D′ . µδ (3.27) Wie aus diesem Beispiel erkennbar ist, besteht das Hauptproblem bei der Beschreibung einer Molekülschwingung darin, eine Formel für die reduzierte Masse aufzustellen. Für größere Moleküle wird dies beliebig kompliziert. Man kann jedoch Moleküle in funktionelle Untereinheiten aufteilen und Kopplungen zwischen Schwingungen derselben näherungsweise vernachlässigen, wenn in ihnen deutliche Unterschiede bezüglich Masse oder Kraftkonstante bestehen oder sie räumlich weit entfernt liegen (bei hoher Symmetrie wie z. B. in kristallinen Bereichen von Makromolekülen ist aber auch eine Kopplung über weite Bereiche möglich). Beispielsweise findet eine X-H-Valenzschwingung aufgrund der niedrigen Masse des H-Atomes oder eine Carbonylschwingung aufgrund der hohen Kraftkonstante praktisch unabhängig von anderen Schwingungen des Moleküls statt. Durch die Einführung von Gruppenfrequenzen kann somit eine Identifikation von Strukturelementen eines Moleküls erfolgen, worauf die große Bedeutung der IR-Spektroskopie für Strukturaufklärung und qualitative Analyse beruht. In Flüssigkeiten und Festkörpern sind zusätzliche Wechselwirkungen mit Nachbaratomen feststellbar, z. B. Gitterschwingungen in Ionenkristallen, Schwingungen adsorbierter Moleküle und Schwingungen von Wasserstoffbrücken. Neben dem Auftreten mechanischer Wechselwirkungen sind auch elektrische Wechselwirkungen der Dipole möglich. Durch das Auftreten von Oberschwingungen (schwache Übergänge für ∆v = ±2, ±3, . . . , Kopplungen und Resonanzerscheinungen (z. B. Fermi-Resonanz, d.h. energetische Aufspaltung einer zufälligen 50 Schwingungsspektroskopie Entartung verschiedener Schwingungen) werden die Spektren zusätzlich verkompliziert. Zu beachten ist ferner, dass aus der großen Zahl möglicher Schwingungen nicht alle infrarotaktiv sind. Hier kann die Ramanspektroskopie eingesetzt werden, bei welcher die Änderung der Polarisierbarkeit bei einer Schwingung Voraussetzung für einen Übergang ist. Für Moleküle mit Inversionszentrum sind gerade diejenigen Schwingungen ramanaktiv, die infrarotinaktiv sind (Alternativ-Verbot). 3.1.1.5. Das Infrarotspektrometer Prinzipielle Bauelemente aller Infrarotspektrometer sind die Strahlungsquelle, der Spektralapparat, der Detektor sowie eine Ausgabeeinheit (Computer). Als Strahlungsquelle im IR-Bereich verwendet man Plancksche Strahler mit der ihnen eigenen Energieverteilung, welche bei der Messwertgewinnung berücksichtigt werden muss. Beispiele sind: • Siliciumcarbidstäbe (Globar) mit einer Betriebstemperatur von 1500 K. Die Zündung erfolgt direkt durch Anlegen einer geeigneten Spannung. • Der Nernst-Stift (Stäbchen aus ZrO mit Zusätzen von Lanthanoxiden) mit einer Betriebstemperatur von 1900K. Dieser muss von außen beheizt werden, besitzt aber eine höhere Strahlungsintensität. • Neuer sind mit Heizwendeln umwickelte Keramikstäbchen, welche von gesinterten Schichten aus Aluminiumoxid und Zirkonsilicat umgeben sind und sich durch ihren wartungsfreien Betrieb und mechanische Stabilität auszeichnen. • Wolfram-, Quarz-Halogen-, Deuterium- und Quecksilberhochdrucklampen • Das im Praktikum verwendete Gerät enthält einen bei 1300 K arbeitenden Schwarzkörperhohlraumstrahler. • In Zukunft wird der Einsatz von Diodenlasern vom Bleichalkogenid-Typ im MIR-Bereich erwartet. Infrarotdetektoren wandeln die einfallende Strahlungsintensität in ein elektrisches Signal um. Man unterscheidet zwischen thermischen Detektoren und Quantendetektoren. Thermische Detektoren besitzen eine wellenlängenunabhängige Empfindlichkeit: • Golay-Zelle: Diese ist sehr empfindlich gegen Erschütterungen und Fremdlichteinfall und wird daher heute nicht mehr verwendet. Sie ist eine kleine gasgefüllte Zelle mit einem IR-durchlässigen Fenster. Die Strahlung wird von einem schwarzen Film absorbiert, erhitzt ein Gas und übt dadurch Druck auf die verspiegelte Rückwand aus, die Teil eines optischen Systems ist. Die Zelle besitzt einen großen linearen Arbeitsbereich und war früher weit verbreitet. • Thermoelemente, die mit Hilfe einer Kontaktstelle aus zwei verschiedenen Metallen Wärmeenergie in elektrische Energie (Thermospannung) umwandeln. Sie besitzen eine geringe Ansprechzeit. 51 Schwingungsspektroskopie • Pyroelektrische Empfänger besitzen eine temperaturabhängige Polarisation im Kristallaufbau und bestehen aus einem strahlungsempfindlichen Kondensator, z. B. DTGS (mit Alanin dotiertes deuteriertes Triglycinsulfat). Dieser Detektortyp wird im Praktikumsgerät verwendet. Ebenfalls kommen Sinterkeramiken wie PZT (Blei-Zirkonat-Titanat) zum Einsatz. Vorteile sind der günstige Preis und die robuste Bauweise. Quantendetektoren sind sehr schnell und empfindlich, die Empfindlichkeit ist jedoch wellenzahlabhängig. Das Arbeitsprinzip beruht auf dem äußeren lichtelektrischen Effekt, bei welchem Strahlung mit einer Mindestenergie Elektronen aus photoaktivem Material von Photozellen und Photomultipliern befreit, welche dann als Ladungsträger aufgefangen werden. Beim für die IR-Spektroskopie wichtigeren inneren Photoeffekt ändert sich der elektronische Zustand des bestrahlten Materials, ohne dass Elektronen es verlassen. Bei Photoleitern (z.B. PbS-Detektor) und Photowiderständen ändert sich dabei die Leitfähigkeit, bei Photoelementen wird eine Photospannung erzeugt. Eine weite Verbreitung besitzt das Halbleiterelement mit CdHgTe (’MCT-Detektor’, Mercury-Cadmium-Tellurid). Es hat eine sehr hohe Ansprechgeschwindigkeit und Empfindlichkeit, die sogar auf Schwankungen der Umgebungstemperatur reagiert und daher unbedingt gekühlt werden muß (Verwendung in der IR-Mikroskopie). Das optische System enthält Spiegel anstelle IR-adsorbierender Gas- und Quartzlinsen. Die Transmission T = I/I0 ergibt sich im Einstrahlverfahren dadurch, dass vom Probenspektrum ein zuvor aufgenommenes Hintergrundspektrum abgezogen wird. Beim Zweistrahlverfahren findet laufend ein elektronischer oder optischer Vergleich von Proben- und Referenzstrahl statt. Bei beiden Verfahren werden atmosphärische Einflüsse weitgehend kompensiert. Bei den Spektralapparaten unterscheidet man allgemein zwischen den dispersiven und den nicht-dispersiven (Fourier-Transform) Spektroskopen. 3.1.1.6. Dispersive Spektroskopie Eine Möglichkeit wäre hier die Verwendung einer durchstimmbaren monochromatischen Strahlungsquelle (Laser, Frequenzgenerator), die allerdings im Infrarotbereich bisher nicht zur Verfügung steht. Stattdessen ist man auf eine polychromatische Strahlungsquelle angewiesen, deren Spektrum durch Filter (Absorption), Gitter (Beugung) oder Prismen (Brechung) aufgetrennt wird. Das dadurch erzeugte näherungsweise monochromatische Licht wird dann wellenzahlabhängig von der Probe absorbiert und man erhält unmittelbar das Spektrum I(ν̃). 3.1.1.7. Fourier-Transform-Spektroskopie Während bei dispersiven IR-Geräten jeder einzelne Messwert dem Transmissionswert bei der zugehörigen Wellenzahl entspricht, enthält das Messsignal bei der FTIR-Technik zu jedem Zeitpunkt Informationen über das gesamte IR-Spektrum. Mit anderen Worten: Während die dispersive IR-Technik direkt das gesuchte IR-Spektrum liefert, muss das FTIR-Messsignal zuerst von der Ortsdomäne (Interferrogramm) in die Wellenzahldomäne (Spektrum) übertragen werden. Diese rechnerische Transformation vom Interferogramm zum gesuchten Spektrum nennt man Fourier-Transformation. Abbildung 3.4 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines FTIR-Spektrometers. Charakteristisches 52 Schwingungsspektroskopie Element der Apparatur ist das unten abgebildete Michelson-Interferometer mit Strahlteiler, feststehenden und beweglichen Spiegel. Die polychromatische Strahlung der Lichtquelle wird vom Strahlteiler in zwei Strahlen mit den Amplituden p a1 (ν̃) = p (ν̃) · ei(ωt+ϕ) (3.28) und a2 (ν̃) = p p (ν̃) · ei(ωt) (3.29) mit dem Phasenunterschied ϕ = 2πν̃γ und dem durch den beweglichen Spiegel erzeugten Gangunterschied γ = 2x, welcher mit Hilfe eines Laserstrahls gemessen wird, aufgeteilt. Abb. 3.4.: Schematischer Aufbau eines FT-IR Spektrometers Die beiden Teilstrahlen interferieren anschließend durch Addition ihrer Amplituden und den Detektor erreicht im Intervall ν̃ + dν̃ die Strahlung mit der Intensität dI = |a1 (ν̃) + a2 (ν̃)|2 dν̃ = 2p (ν̃) [1 + cos (2πν̃γ)] dν̃ = 4p (ν̃) cos2 (πν̃γ) dν̃ (3.30) und im gesamten Bereich I(γ) = 2 Z∞ p (ν̃) dν̃ + 2 0 Z∞ 0 p (ν̃) · cos (2πγ ν̃) dν̃ . (3.31) Dieses Signal ist über die Positionen des beweglichen Spiegels im Wesentlichen konstant. Sind aber die Weglängen der beiden Spiegel gleich, so sind alle Cosinuswellen in Phase und das Interferogramm zeigt ein großes Maximum (engl.: center burst). I (0) = 4 Z∞ p (ν̃)dν̃ (3.32) 0 Für praktisch auftretende p(ν̃) gilt: I (x) = 2 Z∞ p (ν̃) dν̃ = 1 I (0) 2 (3.33) 0 Diese beiden Werte dienen zusammen mit der Symmetrie der Interferogrammfunktion I(γ) = I(−γ) 53 (3.34) Schwingungsspektroskopie der Justierung des Spektrometers. Mit p (ν̃) = p (−ν̃) (3.35) eiϕ = cos ϕ + i · sin ϕ (3.36) und der Euler-Formel erhält man P (γ) = [I (γ) − I (∞)] = Z∞ p (ν̃) · ei2πν̃γ dν̃ . (3.37) −∞ Mit dem Fourier-Integral-Theorem kann man nach der Spektrenfunktion p (ν̃) = Z∞ P (γ) · ei2πν̃γ dγ = 2 Z∞ P (γ) cos (2πν̃γ)dγ (3.38) 0 −∞ auflösen. Abb. 3.5.: Interferogramme und zugehörige Spektren. Abbildung 3.5 zeigt einige einfache und charakteristische Beispiele für die Fouriertransformation eines Interferogramms in das zugehörige Spektrum. Erkennbar sind die Cosinusform des Interferogramms für eine scharfe Spektrallinie, der Übergang in Schwebungen für mehrere Spektrallinien und der exponentielle Abfall auf den Grenzwert I(∞) = 12 I(0) für Spektrallinien mit realer Halbwertsbreite. Zu beachten ist dabei der Zusammenhang mit der Heisenberg’schen Unschärferelation ~2 (3.39) (∆x̄)2 · (∆p̄)2 ≥ 4 54 Schwingungsspektroskopie oder näherungsweise ∆x · ∆p ≥ 1/2 ~ mit Ortsunschärfe ∆x und Impulsunschärfe ∆p. Mit der de-Broglie-Beziehung λ = h/p und der Kohärenzlänge ∆x für Photonen folgt daraus ∆x ≥ 1 , 4π · ∆ν̃ (3.40) d. h. ein streng monochromatischer Wellenzug ist unendlich lang, während ein polychromatisches Wellenpaket eine endliche Halbwertsbreite bzw. Kohärenzlänge besitzt, nach welcher die Interferogrammfunktion abklingt. In der Praxis ergibt sich das Problem, dass der Gangunterschied aufgrund der Geräteabmessungen nicht beliebig groß gewählt werden kann und nur in einem Intervall J = [−γmax +γmax ] gemessen wird. Dies entspricht mathematisch einem Produkt der Interferogrammfunktion mit einer Rechteckfunktion (Boxcar function) für welche gilt: S(γ) = 0 für γ ∋ J und S(γ) = 1 für γ ∈ J. Die Fouriertransformierte dieses Produktes ist das Faltungsprodukt p (ν̃) · ϑ (ν̃) = 2 Z∞ P (γ) · S (γ) · cos (2πν̃γ) dγ , (3.41) 0 wobei ϑ(ν̃) die Fouriertransformierte der Funktion S(γ) ist. In Abbildung 3.6 sind die auftretenden Nebenmaxima als Folge dieser Rechteckblende erkennbar. Abb. 3.6.: Blendenfunktionen und Fouriertransformierte des Produktes aus Blendenfunktion und Interferogramm (Faltungsprodukt). Zudem bestimmt die Blendenfunktion S(γ) die Auflösung: Für die Auflösung A eines Gitterspektrometers gilt ν̃ =n·N (3.42) A= ∆ν̃ mit der Gitterordnung n, der Anzahl N der Gitterstriche, der spektralen Spaltbreite ∆ν̃ und der mittleren Wellenzahl ν̃. Setzt man für ein Michelson-Interferometer mit Rechteckblende N = 2 und γmax = nλ, so ergibt sich ∆ν̃ = 1 . 2γmax 55 (3.43) Schwingungsspektroskopie Durch rechnerische Anwendung anderer Blendenfunktionen (Apodisationsfunktionen, gr. Apodisation = ’Füßchen weg’) kann man zwar die Nebenmaxima vermeiden, gleichzeitig sinkt aber die spektrale Auflösung. Ein weiteres Problem, das sich aus der experimentellen Praxis ergibt, ist die begrenzte Zahl der Messwerte im Gegensatz zum kontinuierlichen mathematischen Spektrum, d.h. die Digitalisierung über die Schrittweite des Gangunterschiedes ∆γ. Um die Interferogrammfunktion hinreichend genau zu beschreiben, muss diese so gewählt werden, dass mindestens 2 Messwerte pro Wellenlänge aufgenommen werden, also 1 λ 2 (3.44) 1 , 2∆γ (3.45) ∆γ ≤ bzw. ν̃ ≤ Infolgedessen ist durch die Schrittweite ∆γ ein maximaler Wert für die Wellenzahl festgelegt, die man als Nyquist-Frequenz bezeichnet. Strahlung höherer Frequenz wird durch ein lowpass-Filter (geschwärzte Polyethylen-Linse) absorbiert. 3.1.1.8. Vergleich von Gitterspektrometer und FT-Spektrometer Wie schon an obigen Formeln erkennbar ist, finden alle Größen in der dispersiven Spektroskopie ihre Entsprechung in der nicht-dispersiven Spektrometrie: 1. Monochromator ⇔ Michaelson Interferometer, Fourier-Transformation 2. Wellenzahl ν̃ ⇔ Gangunterschied γ 3. Spektrum ⇔ Interferogramm 4. Beugungsordnung n ⇔ maximaler Gangunterschied γmax Die Vorteile der FT-Technik sind: • Durch die Entwicklung von leistungsfähigen Digitalrechnern wurde die zeitaufwändige technische Aufspaltung des Spektrums durch eine schnellere, rechnerische ersetzt. Umgekehrt kann in der gleichen Zeit eine höhere Anzahl an Messungen N durchgeführt √ werden und, da das Signal-Rausch-Verhältnis proportional zu N wächst, ist dieses in der gleichen Mess- und Rechenzeit wesentlich besser. • Das Signal-Rausch-Verhältnis verbessert sich zusätzlich dadurch, dass jeder Messpunkt des Interferogramms sämtliche spektrale Information aller Wellenzahlen enthält, während bei der dispersiven Methode nur ein sehr kleiner Wellenzahlbereich ausgewertet wird (Fellgett- oder Multiplex-Vorteil). • Für die FT-Technik sind zweidimensionale Zirkularblenden im Gegensatz zu eindimensionalen Spaltblenden bei der dispersiven Technik verwendbar, wodurch höhere Intensitäten zum Detektor gelangen und damit die Empfindlichkeit steigt (Energie- oder Jacquinot-Vorteil). • Hohe Wellenzahlgenauigkeit durch Lasertechnologie (Connes-Vorteil). 56 Schwingungsspektroskopie • Unabhängigkeit der Auflösung von der Wellenzahl. • Einfachere Verwendung von low-pass-Filtern gegenüber der Abtrennung höherer Gitterordnungen. • Geringe Anfälligkeit gegenüber Fremdlichteinwirkung. 3.1.1.9. Literatur 1. E. Knözinger, Far-Infrared Fourier Spectroscopy as a Mehod for Structure Dtermination in Chemistry, Angew. Chem. Int. Ed. Engl, 15 (1976) 25. [22] 2. L. Genzel, (Fresenius) Z. Anal. Chem., 273 (1975) 391. [23] 3. H. Günzler, H.-U. Gremlich IR-Spektroskopie - Eine Einführung, VCH, Weinheim, 3. Auflage 1996. [24] 4. H. Günzler, H. M. Heise IR-Spektroskopie - Eine Einführung, Wiley-VCH, Weinheim, 4. Auflage 2003. [25] 5. H. Haken, H. Ch. Wolf, Molekülphysik und Quantenchemie, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, 5. Auflage 2006. [16] 6. P. W. Atkins, J. de Paula, Physikalische Chemie, Wiley-VCH, Weinheim, 4. Auflage, 2006. [5] 7. M. L. Myrick et al., J. Chem. Edu., 81 (2004) 379. [26] 8. J.E. Gustavsen, P. Klæboe, H. Kvila, Acta Chem. Scand. A32 (1978) 25. [27] 9. J. Kauppinen, T. Kärkkäinen, E. Kyro, J. Mol. Spectr. 71 (1978) 15. [28] 3.1.2. Durchführung der Messungen Achtung: Die Küvettenfenster bestehen aus Kaliumbromid (Flüssigkeitsküvette) bzw. Natriumchlorid (Gasküvette) und sind feuchtigkeitsempfindlich. Sie dürfen auf keinen Fall mit den Fingern berührt, angehaucht oder mit wasserhaltigen Lösungsmitteln in Berührung kommen, werden daher im Exsikkator aufbewahrt und nur für die Dauer des jeweiligen Versuchs dem Exsikkator entnommen! Die Bedienung des Gerätes erfolgt nach den Anweisungen des Assistenten und einer dem Gerät beiliegenden Kurzanleitung. Für jede Küvette muss vor der Aufnahme des Probenspektrums ein Hintergrundspektrum aufgenommen werden. Es muss mit mindestens der gleichen Zahl von Scans wie das Probenspektrum aufgenommen werden. 1. Nehmen Sie in Absorption für den luftgefüllten Probenraum ein Hintergrundspektrum im Bereich 4500 cm−1 bis 500 cm−1 mit der Auflösung 0,8 cm−1 und 64 scans auf. Drucken Sie das Hintergrundspektrum im gesamten Bereich (ohne Wellenzahlangabe) und zwischen 2380 cm−1 bis 2300 cm−1 (mit Wellenzahlangabe, Rotationsschwingungsspektrum der antisymmetrischen Valenzschwingung) aus. Notieren Sie die Wellenzahl 57 Schwingungsspektroskopie des Q-Zweigs der Deformationsschwingung des CO2 , die sich etwa im Bereich zwischen 650 cm−1 und 700 cm−1 befindet. 2. Nehmen Sie in Absorption im Bereich 3100 cm−1 bis 2600 cm−1 (Auflösung 0,8 cm−1 , 64 scans) zunächst ein Spektrum der mit Stickstoff gefüllten Gasküvette als Hintergrundspektrum auf. Befüllen Sie dann die Küvette mit einem trockenen ChlorwasserstoffStickstoff-Gemisch, indem Sie Stickstoff durch konzentrierte Salzsäure und Schwefelsäure leiten. Schließen Sie den Stickstoffhahn, sobald Sie mit einem befeuchteten Indikatorpapier nachweisen können, dass Chlorwasserstoff einige Zeit (ca. 5 s) durch die Küvette geströmt ist. Anschließend kann das Rotationsschwingungsspektrum von HCl aufgenommen werden. Drucken Sie das gesamte Spektrum aus. Anschließend drucken Sie P- und R-Zweig getrennt aus (mit Wellenzahlangabe) sowie das Interferogramm im Bereich von 78600 bis 78100. 3. Nehmen Sie in Transmission ein Hintergrundspektrum der leeren Flüssigkeitsküvette auf (Geräteeinstellungen: 1030 cm−1 bis 970 cm−1 , Auflösung 0,8 cm−1 , 64 scans). Anschließend nehmen Sie die Transmissionsspektren der reinen Halogencyclohexane auf und drucken diese mit Wellenzahlangabe aus. Notieren Sie sich die Höhe der Banden beider Isomere (siehe Auswertung). 3.1.3. Auswertung 1. HCl a) Indizieren Sie für HCl die Banden beider Zweige, und bilden Sie aus den abgelesenen Bandenlagen die Differenzen ∆EJR − ∆EJP = 2hcBv+1 (2J + 1) (3.46) R P ∆EJ−1 − ∆EJ+1 = 2hcBv (2J + 1), (3.47) bzw. und tragen Sie diese über J auf. Aus den Steigungen erhalten Sie die Rotationskonstanten (B0 , B1 ) für beide Isotope, welche Sie dazu verwenden, die Trägheitsmomente und die Bindungslängen der Zustände zu berechnen. b) Bestimmen Sie aus den Lagen der beiden innersten Linien (J = 1 für P-Zweig und J = 0 für R-Zweig) die ungefähre Lage des Nullübergangs (Übergang bei dem nur Schwingungsenergie aufgebracht werden muss, also ∆v = 1, ∆J = 0, J = 0). Berechnen Sie hieraus mit Hilfe von Gl. 3.1 die Kraftkonstante der H-Cl Bindung. Spielt der Isotopeneffekt hier eine Rolle? c) Berechnen Sie die relativen Besetzungszahlen NJ /N der Rotationsniveaus für beide Isotope mit J = 0 bis 10 des Schwingungsgrundzustands von HCl für Zimmertemperatur. Der Entartungsgrad für Rotationsniveaus beträgt gJ = 2J + 1. Stellen Sie das Ergebnis grafisch dar, und vergleichen Sie es mit den Bandenintensitäten der aufgenommen Spektren. 2. CO2 58 Schwingungsspektroskopie a) Ordnen Sie die gefundenen Banden des Atmosphärenspektrums den Stoffen und allen ihren IR-aktiven Schwingungen zu. b) Berechnen Sie die Winkeldeformationskonstante für die Deformationsschwingung des CO2 . c) Berechnen Sie die Kraftkonstante der antisymmetrischen Valenzschwingung durch abschätzen des Nullübergangs (analog HCl). Schätzen Sie mit Hilfe dieser Kraftkonstanten ab, wo im Raman-Spektrum die symmetrische Valenzschwingung zu erwarten wäre. d) Berechnen Sie die entsprechenden Trägheitsmomente und die Länge der C=OBindung für die antisymmetrische Valenzschwingung von CO2 . (Welche Werte von J sind für die Rotation von CO2 erlaubt? Warum?). Einige Erläuterungen zum Spezialfall CO2 finden Sie im Anhang. 3. Halogencyclohexane a) Bestimmen Sie unter Annahme der Gleichheit der Extinktionskoeffizienten für beide Konformere die prozentualen Anteile der beiden Formen und berechen Sie daraus die Gleichgewichtskonstante Kc und die freie Enthalpie ∆GR für die gegenseitige Umwandlung. Die Auswertung soll bei folgenden Wellenzahlen gemacht werden: ν̃ in cm−1 Chlorcyclohexan Bromcyclohexan axial (ax.) äquatorial (eq.) 1015 993 1010 989 3.1.4. Sicherheitshinweise Bitte informieren Sie sich über die im Versuch verwendeten Gefahrstoffe Salzsäure (konzentriert), Schwefelsäure (konzentriert), Halogencyclohexane. 59 Schwingungsspektroskopie 3.1.5. Kurzanleitung 3.1.5.1. Start der Software OPUS Die Software wird über das Icon Opus 6.5 auf dem Desktop gestartet. Benutzerkennung: Kennwort: Administrator OPUS Zugewiesene Arbeitsplatzumgebung: C:\Programme\OPUS 65\MIR FullAccess.ows Anschließend die Durchführung der automatischen Tests abwarten (Dialogfeld rechts unten) und ggf. weitere Tests durchführen lassen. 3.1.5.2. Durchführung der Messungen Das Bearbeiten der Messeinstellungen sowie das Starten der Messung erfolgt über die Menüleiste: Messen → Erweiterte Messung Einstellung der Messparameter Die Einstellung der Parameter erfolgt im Untermenü Messen → Erweiterte Messung → Erweitert und diese sollen wie folgt gewählt werden: Experiment: Dateiname: Pfad: Auflösung: Scans probe: Scans Hintergrund: Bereich: Resultat: PC2.xpm <@snm>(stehen lassen) C:\Praktikum\PC2\[jeweilige Gruppennummer]\ 0,8 cm−1 64 64 siehe Anleitung Absorption oder Transmission, siehe Anleitung Messung starten Das Starten der Messung von Hintergrund und Probe erfolgt über Untermenü Messen → Erweiterte Messung → Grundeinstellungen Probenname: Hintergrundmessung Probenmessung Für jede Messung ändern Start der Hintergrundmessung Start der Probenmessung 60 Schwingungsspektroskopie Falls nur ein Hintergrundspektrum gemessen werden soll, wird nach der Hintergrundmessung das Untermenü Messen → Erweiterte Messung → Hintergrund geöffnet und das gemessene Hintergrundspektrum als einzelner Datensatz in den Opus-Dateimanager gelegt: Hintergrund speichern Nach dem Start der der Probenmessung öffnet sich das Vorschaufenster für die Messung. Der endgültige Start der Messung erfolgt unten im Vorschaufenster durch: Messung starten Zum Abbrechen einer gestarteten Messung mit der rechten Maustaste auf die Aktivitätsleiste unten klicken: Aufgabenfenster → Stopp von Messungen Dort den entsprechenden Task markieren und abbrechen: → Funktion abbrechen 3.1.5.3. Verwalten und Auswerten der Messungen Allgemeines Im Opus-Dateimanager (linke Fensterseite) können für eine Messung einzeln die Basisspektren und das resultierende Spektrum betrachtet werden. Das Öffnen erfolgt durch einfaches anklicken, das Schließen durch das Menü der rechten Maustaste: → Aus Display entfernen Die einzelnen Spektren werden wie folgt bezeichnet: Hintergrund Probe Differenzspektrum Single Beam Interferogramm R SC R IFG S SC S IFG AB oder TR Spektren Speichern Nach jeder Messung zuerst das neue Spektren abspeichern, dabei zuerst links im OPUS Dateimanager die gewünschte Messung auswählen und anschließend abspeichern über die Menüleiste: 61 Schwingungsspektroskopie Datei → Datei Speichern Messungen können in der Menüleiste mit Datei → Datei Entladen aus dem OPUS Dateimanager und der Anzeige entfernt werden (vorher dort markieren). Umwandlung Transmission ↔ Absoption Im OPUS Dateimanager gewünschtes Spektrum wählen Menü Manipulieren → AB↔TR-Umwandlung Displaygrenzen ändern Klicken Sie mit der rechte Maustaste auf das Spektrum und dann im Kontextmenü auf: Eigenschaften → Displaygrenzen für X-Achse ändern Alle Spektren skalieren → Jedes Spektrum maximieren (Y) Zum Rücksetzen der Grenzen: Alle Spektren skalieren → Alles zeigen Bandensuche Über das Icon Bandensuche oder in der Menüleiste Auswerten → Bandensuche das Fenster zur Bandensuche starten. Im Untermenü → Frequenzbereich müssen manuell die Grenzen des Bereichs für die Bandensuche eingegeben werden oder falls dieser Bereich im Display schon ausgewählt wurde, mittels → Frequenzbereich → Aktuelle Anzeigegrenzen übernommen werden. Anschließend im Untermenü 62 Schwingungsspektroskopie → Spektren selektieren → Interaktiver Modus den interaktiven Modus zur Bandensuche starten und dort Grenzwert und Cursorlinie anpassen und den interaktiven Modus durch speichern beenden. Datenpunkte anzeigen Rechte Maustaste auf Spektrum, im Kontextmenü: Fadenkreuz → Cursor Bestimmung der Bandenhöhe Rechte Maustaste auf Spektrum, im Kontextmenü: Fadenkreuz → Daten folgen Bandentabelle Im Opus-Dateimanager das Bandentabellenfenster für die Peaksuche des gewünschten Spektrums öffnen. Alle Bandeninformationen markieren, kopieren und in WordPad oder Editor einfügen. Drucken der Spektren Erfolgt über die Menüleiste: Drucken → Spektren Schnelldruck Dabei werden alle Spektren innerhalb der auf dem Bildschirm gezeigten Grenzen mit allen Beschriftungen gedruckt. Überzählige Spektren müssen vor dem Druck im OPUS Dateimanager aus dem Display entfernt werden (vgl. 3.1.5.3). 63 Schwingungsspektroskopie Anhang Die Rotationszustände des CO2 Im CO2 -Spektrum sind nur Übergänge aus Rotationszuständen mit geradzahligem J zu finden. Die Erklärung für dieses merkwürdige Verhalten gibt das Pauli-Prinzip, das besagt, dass die Gesamtwellenfunktion für Bosonen (Teilchen mit ganzzahligem Spin)1 symmetrisch sein muss, die Gesamtwellenfunktion des Systems beim Vertauschen zweier identischer Bosonen ihr Vorzeichen also nicht ändert. Da die Rotation des CO2 -Moleküls um 180◦ aber gerade zur Vertauschung zweier Bosonen (16 O hat einen Kernspin von 0) führt, muss die Gesamwellenfunktion des CO2 symmetrisch sein. Die Gesamtwellenfunktion, die sich aus dem Produkt der Einzelfunktionen für Elektronen (Ψel ), Vibrationen (Ψvib ), Rotationen (Ψrot ) und Kerne (Ψnuc ) bildet, Ψ = Ψel Ψvib Ψrot Ψnuc . (3.48) ist im Grundzustand symmetrisch, weil alle Einzelwellenfunktionen und somit auch deren Produkt symmetrisch sind. Für höhere Rotationsniveaus ist hingegen zu beachten, dass bei der rotatorische Wellenfunktion das Vorzeichen gemäß (−1)J alterniert. Somit kann die Gesamtwellenfunktion des CO2 nur dann symmetrisch sein, wenn J geradzahlig ist. Anders verhält es sich im ersten angeregten Schwingungszustand. Weil im Grundzustand nur Rotationszustände mit geradem J besetzt sind und wegen der Auswahlregel ∆J = ±1 können nur Rotationszustände mit ungeradzahligen J im angeregten Schwingungszustand erreicht werden. Dort ist Ψrot antisymmetrisch. Der Übergang ist aber trotzdem möglich, weil auch das Vorzeichen von Schwingungswellenfunktionen mit deren Quantenzahl v alterniert gemäß (−1)v , das Produkt aus Rotations- und Schwingungswellenfunktion also symmetrisch bleibt. Die erwarteten Übergänge sind somit 1 ← 2, 3 ← 4, 5 ← 6, usw. für den P-Zweig und 1 ← 0, 3 ← 2, 5 ← 4, usw. für den R-Zweig, was auch tatsächlich beobachtet wird. Der Q-Zweig bleibt weiterhin die Ausnahme. 1 Bekannter ist das Pauliprinzip für Fermionen (halbzahliger Spin), das besagt, dass deren Gesamtwellenfunktion antisymmetrisch sein muss. Daraus ergibt sich, dass sich zwei Fermionen nie im selben Zustand aufhalten können. 64 65 4. NMR-Spektroskopie 4.1. Theoretischer Teil 4.1.1. Themen des Kolloquiums • • • • • • • • Aufbau des Spektrometers Continuous Wave-Methode (cw-Methode) Fourier-Transform-Technik (FT-NMR) Magnetische Wechselwirkungen Blochsche Gleichungen Relaxationsmechanismen Impulsexperimente (freier Induktionszerfall, Echo-Experimente, Diffusionsmessungen) NMR-Bildgebung (Imaging) 4.1.2. Einleitung Bei der kernmagnetischen Resonanzspektroskopie (Nuclear Magnetic Resonance Spectroscopy) bestimmt man die Eigenschaften von Molekülen, welche Atomkerne mit einem von Null verschiedenen Kernspin besitzen. An den Kernspin ist ein magnetisches Moment gekoppelt, das mit einem an der Probe anliegenden Magnetfeld in Wechselwirkung treten kann. Infolgedessen kann das Molekül verschiedene Energiezustände einnehmen, die sich spektroskopisch verfolgen lassen. Die Bedingung eines von Null verschiedenen Kernspins ist bei allen Atomkernen außer den sogenannten gg-Kernen (Kerne mit gerader Protonen- und gerader Neutronenzahl) erfüllt. Wie Tabelle 4.1 zu entnehmen ist, findet man Atomkerne sowohl mit halb- als auch mit ganzzahligem Kernspin. Zahl der Protonen gerade ungerade gerade ungerade Tabelle 4.1.: Atomkerneigenschaften Zahl der Neutronen Kernspin Beispiele 4 He, 12 C, 16 O gerade 0 gerade halbzahlig 1 H(1/2), 19 F(1/2), 23 Na(3/2) ungerade halbzahlig 29 Si(1/2), 13 C(1/2), 131 Xe(3/2) ungerade ganzzahlig 2 H(1), 10 B(3), 36 Ce(2) Ein Atomkern mit einem von Null verschiedenen Kernspin I~ besitzt ein magnetisches Moment NMR-Spektroskopie ~µ, wobei folgender Zusammenhang besteht ~µ = γ · ~ · I~ (4.1) ~ ist das Plancksche Wirkungsquantum. Die Proportionalitätskonstante γ bezeichnet man als gyromagnetisches Verhältnis, das wiederum über γ = gK e µK = gK ~ 2mp (4.2) mit dem Kern-g-Faktor gK und dem µK in Beziehung steht. mp ist die Masse Kernmagneton ~ p des Protons. Da der Kernspin mit I~ = I(I + 1)~ gequantelt ist, tritt auch eine Quantisierung für das entsprechende magnetische Moment gemäß p |~µ| = γ · ~ · I (I + 1) (4.3) ~ 0 = (0, 0, B0) auf. I ist die Kernspinquantenzahl. In einem homogenen, statischen Magnetfeld B kommt es zu einer Richtungsquantelung, d.h. I~ und damit ~µ können nur ganz bestimmte Orientierungen im Magnetfeld einnehmen (Abbildung 4.1). Abb. 4.1.: a) Magnetisches Moment im Magnetfeld, b) Präzessionsbahnen des magne~ als tischen Moments eines Kernspins mit I= 2, c) Gesamtmagnetisierung M Vektorsumme aller Einzelmomente Es ergibt sich klassisch für die entsprechende potentielle Energie eines Kernspins im Magnetfeld (Zeeman-Wechselwirkung) ~ 0 = −µz · B0 U = −~µ · B (4.4) ~ 0. µz ist die Komponente des magnetischen Moments in z-Richtung, d.h. der Richtung von B Aus der Quantenmechanik ergibt sich, dass auch µz gemäß µz = γ · ~ · mI (4.5) quantisiert ist, wobei hier die magnetische Quantenzahl die Werte mI = −I, −I +1, . . . , I −1, I annehmen kann. Damit folgt für die potentielle Energie U = −~ · γ · B0 · mI . 66 (4.6) NMR-Spektroskopie Wie bereits beim Versuch ,,ESR-Spektroskopie” ausgeführt, führt der Kernspin bei Einwirkung eines äußeren Magnetfelds eine Präzessionsbewegung um die Feldrichtung aus (vgl. rotierender Körper mit Drehimpuls und Drehmoment). Die entsprechende Präzessionsfrequenz ergibt sich zu γ · B0 bzw. ω0 = γ · B0 (4.7) ν0 = 2π ν0 (bzw. ω0 ) ist die sogenannte Larmorfrequenz. Durch die Einwirkung einer elektromagnetischen Strahlung können Übergänge zwischen den Energieniveaus (Gl. 4.6) induziert werden, wobei die Auswahlregel ∆mI = ±1 gilt (Abb. 4.2). Als Bedingung für einen Übergang zwischen zwei Spinzuständen erhält man die sogenannte Resonanzbedingung ∆E = ~ · γ · B0 = h · ν0 = ~ · ω0 (4.8) γ h Bo |−1> ∆ E = γ h Bo |β> = | −1/2 > γ h Bo /2 |0> ∆ E = γ h Bo |α> = | +1/2 > − γ h Bo /2 0 ∆ E = γ h Bo − γ h Bo |1> Spin 1/2 Spin 1 Abb. 4.2.: Energiediagramm und erlaubte Übergänge für den Spin I = 1/2 und den Spin I = 1 . Die magnetische Resonanzspektroskopie beruht also wie die anderen Spektroskopieverfahren auf Übergängen zwischen verschiedenen Energieniveaus. Dazu muss in diesem Fall die Resonanzbedingung erfüllt werden, d.h. die Einstrahlfrequenz muss gleich der Larmorfrequenz sein. Bei den heute verwendeten Magnetfeldern mit einem magnetischen Fluss von B0 = 1 − 22 T sind diese Einstrahlfrequenzen im Radiowellenbereich, d.h. ν0 liegt zwischen 10 und 950 MHz für Protonen. 4.1.3. Magnetische Wechselwirkungen ~ angegeWir hatten in Abschnitt 4.1.2 die Wechselwirkungsenergie klassisch mit U = −~µ · B ben. Um das Spinsystem quantenmechanisch zu beschreiben, braucht man nur die jeweiligen Größen durch die zugehörigen Operatoren zu ersetzen. Man erhält dann unter ausschließlicher Berücksichtigung der Zeeman-Wechselwirkung den Hamiltonoperator ĤZ zu ĤZ = −γ · ~ · B0 · Iˆz . (4.9) ˆ Der Operator Iˆz ist die z-Komponente des Kernspinquantenoperators I~ mit der magnetischen Quantenzahl mI . 67 NMR-Spektroskopie Die entsprechenden Energieeigenwerte erhält man durch lösen der Schrödingergleichung in Gegenwart geeigneter Spinfunktionen | mI > (Dirac-Schreibweise) oder ĤZ |mI i = ε |mI i (4.10) −γ~B0 Iˆz |mI i = ε |mI i . (4.11) Für das I = 1/2-Kernspinsystem ergeben sich unter Berücksichtigung der beiden Spinfunktionen |α >= | + 1/2 > und |β >= | − 1/2 > die beiden Eigenwerte 1 ε1/2 = − γ~B0 2 1 ε−1/2 = + γ~B0 2 (4.12) Wie beim Versuch ,,ESR-Spektroskopie” für den Elektronenspin bereits ausgeführt, müssen für ein reales Kernspinsystem neben der Wechselwirkung mit dem äußeren B0 -Feld (ZeemanWechselwirkung) weitere Wechselwirkungen mit inneren, meist deutlich kleineren Magnetfeldern, mit einbezogen werden. Dies führt bei den beobachteten NMR-Signalen u.a. zu Verschiebungen in den Resonanzlinien oder zu zusätzlichen Aufspaltungen. Weiterhin bestimmen sie das Relaxationsverhalten (s. Abschnitt 4.1.6). Im Folgenden sollen die wichtigsten Wechselwirkungen kurz aufgeführt werden. Auf eine detaillierte Diskussion, beispielsweise der zu erwartenden Kopplungsmuster in den NMR-Spektren, wird aber verzichtet. Die Berücksichtigung aller vorhandenen Wechselwirkungen (WW) eines betrachteten Kernspinsystems ergibt für den Hamiltonoperator X Ĥ = Ĥi = ĤZ + ĤCS + ĤJ + ĤD + ĤQ + ĤSR + ĤN E + ĤRF . (4.13) i Die verschiedenen Terme stehen für Zeeman-WW (Z), chemische Verschiebung (CS), skalare WW (J), dipolare WW (D), Quadrupol-WW (Q), Spin-Relaxations-WW (SR), KernElektron-WW (NE) und Radiofrequenz-WW (RF). Der letzte Term ĤRF beschreibt die Einwirkung der Radiofrequenzstrahlung, welche Übergänge zwischen verschiedenen KernspinNiveaus induziert. 4.1.3.1. Chemische Verschiebung ~ 0 besitzt an den verschiedenen Kernen eines Das von außen auf die Probe einwirkende Feld B Moleküls nicht unbedingt den gleichen Wert. Die örtliche elektronische Umgebung führt zu ~ 0 am Kern einen im Vergleich zur Zeeman-Wechselwirkung geeiner Störung derart, dass B ~ 0 (1 − Φ) besitzt. Der zugehörige Hamiltonoperator ĤCS ergibt ringfügig veränderten Wert B sich zu ~ 0 ΦI. ~ˆ ĤCS = +γ~B (4.14) Φ ist hier der Abschirmungstensor. Er berücksichtigt, dass die Abschirmung im Allgemeinen einen anisotropen Charakter hat, d.h. von der Orientierung des Moleküls zum äußeren Feld abhängt. In isotroper Lösung bleibt nur der isotrope Anteil der Abschirmung übrig. 68 NMR-Spektroskopie Die auf der Abschirmung beruhende Verschiebung einer Resonanzlinie gegenüber der eines willkürlichen gewählten Standards bezeichnet man als chemische Verschiebung δ. Sie berechnet sich nach νProbe − νRef , (4.15) δ= νRef mit νProbe und νref als den Resonanzfrequenzen von Probe und Referenz. δ ist von der Feldstärke des verwendeten Spektrometers unabhängig und wird in ppm angegeben. Für 1 H- und 13 C-Kerne in organischen Lösemitteln wird normalerweise TMS (Tetramethylsilan) als Standard benutzt. Die Elektronendichte um einen Kern und somit dessen Abschirmung wird von den Nachbaratomen beeinflusst. Die Abschirmung ist meist umso schwächer, je elektronegativer die Nachbarn sind. Die Si-Atome im TMS haben einen elektropositiven Charakter. Daher zeigen die TMS-Referenzlinie einen starken Abschirmeffekt. Für die meisten Moleküle ist δ daher positiv, negative Werte kommen aber auch vor. Aus der chemischen Verschiebung kann man Rückschlüsse auf die funktionellen Gruppen ziehen oder in welchem Bindungsverhältnis ein Atom vorliegt. Deshalb ist die chemische Verschiebung sehr wichtig bei der Strukturaufklärung mittels NMR-Spektroskopie. 4.1.3.2. Skalare Wechselwirkung Dieser Beitrag beschreibt die indirekte Kopplung zweier Kernspins, die über die Polarisation der vorhandenen Bindungselektronen zustande kommt. Der entsprechende Hamiltonoperator ist gegeben zu ĤJ = h IˆS J IˆI (4.16) und trägt wiederum dem anisotropen Charakter dieser Wechselwirkung Rechnung. J ist der entsprechende Tensor, und IˆS IˆI sind die Kernspinoperatoren der beiden wechselwirkenden Kernspins. In isotroper Lösung bleibt wiederum die isotrope Kopplungskonstante J übrig, die zu charakteristischen Aufspaltungsmustern in NMR-Spektren führt. Neben der chemischen Verschiebung ist die skalare Kopplung das wichtigste Werkzeug bei der Strukturaufklärung mit NMR-spektroskopischen Verfahren. 4.1.3.3. Dipolare Wechselwirkung Dieser Beitrag berücksichtigt die direkte Wechselwirkung von Kernspins bzw. deren magnetischen Momenten über den Raum hinweg. Der entsprechende Hamiltonoperator ergibt sich allgemein zu ˆ ˆ ˆ ˆ I~1~r I~2~r ~1 I~2 µ0 I ˆ ˆ ĤD = γ 1 γ 2 ~2 −3 = I~1 DI~2 . (4.17) 3 5 4π r r ˆ ˆ γ1 , γ2 sind die gyromagnetischen Verhältnisse der wechselwirkenden Kernspins, I~1 , I~2 die entsprechenden Kernspinoperatoren und ~r der Abstandsvektor zwischen Kern 1 und 2. D ist der dipolare Kopplungstensor. 69 NMR-Spektroskopie Im Gegensatz zur chemischen Verschiebung und skalaren Kopplung verschwindet in isotroper Umgebung der Beitrag der dipolaren Kopplung. Die dipolare Kopplung hat also nur Auswirkung auf die Spektren in anisotroper Umgebung und auf das Relaxationsverhalten (auch im Isotropen). 4.1.3.4. Quadrupolwechselwirkung Für Atomkerne mit einem Kernspin I > 1/2 kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen dem Kernquadrupolmoment und dem elektrischen Feldgradienten am Kernort, die als Quadrupolwechselwirkung bezeichnet wird. Der zugehörige Hamiltonoperator lautet ~ˆ I. ~ˆ ĤQ = IQ (4.18) Q ist der Quadrupolkopplungstensor, der mit dem Quadrupolmoment und dem elektrischen Feldgradienten V gemäß eQ Q= V (4.19) 2I (2I − 1) ~ zusammenhängt. Der elektrische Feldgradienttensor V enthält Elemente wie Vxy = ∂2V , ∂x∂y Vxx = ∂2V ∂x∂x etc. Auch dieser Beitrag verschwindet, wie die dipolare Wechselwirkung, in isotroper Lösung. 4.1.3.5. Spin-Rotationswechselwirkung Diese Wechselwirkung tritt vor allem bei kleinen sich schnell drehenden Molekülen auf. Die schnelle Drehbewegung eines Moleküls erzeugt ein zusätzliches Magnetfeld, das proportional zum Drehimpuls J~ ist. Der Kernspin kann eine Wechselwirkung mit diesem erzeugten Magnetfeld eingehen, wobei der entsprechende Hamiltonoperator mit ˆ ˆ ĤSR = −I~ C J~ (4.20) ˆ gegeben ist. C ist der Spin-Rotationstensor, J~ der Drehimpulsoperator. Dieser Beitrag wird bei einigen Molekülen als wichtiger Relaxationsbeitrag angesehen. 4.1.3.6. Wechselwirkung mit ungepaarten Elektronen Bei diesem Beitrag, der in Gegenwart paramagnetischer Substanzen auftritt, sind wiederum skalare (indirekte) und direkte dipolare Beiträge zu berücksichtigen. Der Hamiltonoperator lautet ~ˆ I~ˆ + I~ˆ D S. ~ˆ ĤN E = a S (4.21) Der erste Term berücksichtigt den skalaren Betrag (Kontaktterm), wobei a die Hyperfeinkopplungskonstante ist (vgl. ESR-Spektroskopie). Der zweite Term beschreibt den dipolaren ~ˆ der Elektronenspinoperator. Beitrag. Hier ist D der Dipol-Dipolkopplungstensor und S 70 NMR-Spektroskopie 4.1.4. Beschreibung eines NMR-Experiments 4.1.4.1. Kernmagnetisierung im Gleichgewicht Bisher wurde die Diskussion für einen einzigen Kernspin geführt, der bestimmte Wechselwirkungen mit seiner Umgebung eingeht. Zur Beschreibung des NMR-Experiments muss man jedoch zu einer makroskopischen Betrachtungsweise übergehen, die alle vorhandenen Spins in einer Probe berücksichtigt. Die entsprechende Größe, die für die weitere Diskussion benötigt wird, ist die Kernmagnetisierung M0 , die sich als die Summe aller magnetischen Momente ergibt. Die Berechnung der Gesamtmagnetisierung geschieht über die Boltzmann-Statistik. Betrachten wir ein I = 1/2-Spinsystem, dann ergibt sich die Gleichgewichts-Kernmagnetisierung zu M0 = Nα µzα + Nβ µzβ = ∆N0 µzα (4.22) wobei Nα , Nβ die relative Besetzung der Zustände α und β sind. µzα = −µzβ sind die zKomponenten der entsprechenden magnetischen Momente. Für die Berechnung von Nα und Nβ greift man auf die Boltzmann-Statistik zurück und wendet die sogenannte HochtemperaturNäherung an, d.h. ∆U ≪ kT . Es folgt damit, dass ∆N0 = Nα − Nß = N∆U γ~B0 =N· . 2kT 2kT (4.23) N ist hier die Gesamtzahl der Spins, d.h. N = Nα + Nβ . Einsetzen von ∆N0 und µZα = 21 γ~ in Gleichung (4.22) führt zu γ 2 ~2 B0 , (4.24) M0 = N 4kT was dem Curie-Gesetz entspricht. Für den Fall einer beliebigen Spinquantenzahl I ergibt sich für die Magnetisierung γ 2 ~2 B0 I (I + 1) M0 = N . (4.25) 3kT 4.1.4.2. Messmethoden und Blochsche Gleichungen Zur Durchführung eines NMR-Experiments benötigt man ein statisches, starkes Magnetfeld B0 , dessen Richtung als die z-Richtung festgelegt ist. Weiterhin wird eine elektromagnetische Strahlung im Radiofrequenzbereich eingestrahlt, die senkrecht zu B0 in der x,y-Ebene liegt und deren magnetische Komponente eine Amplitude B1 aufweist (B1 ≪ B0 ). Im sogenannten Resonanzfall, d.h. wenn die Frequenz des B1 -Feldes der Larmorfrequenz eines Kernspins in der Probe entspricht, kommt es zum Übergang zwischen den Kernspinzuständen, d.h. die Probe absorbiert einen Teil der eingestrahlten Energie. Grundsätzlich unterscheidet man bei den Messverfahren zwischen der continuous wave (cw)Methode und der Impuls- oder Fouriertransformations (FT)-Technik. Der cw-Modus verwendet ein Hochfrequenzfeld schwacher Amplitude, das kontinuierlich einwirkt. Zur Aufzeichnung des Absorptionsspektrums der Probe wird die Frequenz oder die B0 -Feldstärke (s. ESRSpektroskopie) sehr langsam verändert (Abb. 4.3 a,b,c). Die cw-Technik hat verschiedene Nachteile. Das Aufnahmeverfahren ist relativ zeitaufwendig, denn die Radiofrequenz bzw. das Magnetfeld darf aufgrund der langen Relaxationszeiten nicht zu schnell variiert werden, 71 NMR-Spektroskopie um Interferenzeffekte zu vermeiden. Bei zu hoher Energieeinstrahlung kann es aus demselben Grund zu Sättigungseffekten kommen, d.h. die Relaxation erfolgt so langsam, dass allmählich ein Populationsausgleich der Spin-Energieniveaus eintritt und die Signalintensitäten sinken. Dies würde auch die korrekte Kurvenfläche eines Spektrums (Integration) zur Ermittlung der Zahlenverhältnisse der beobachteten Kerne beeinflussen. Ferner können Spektren zur Verbesserung des bei der NMR ohnehin schlechten Signal-Rausch-Verhältnisses nur mit großem Aufwand akkumuliert werden. All dies schließt die Untersuchung von Kernsorten mit geringer natürlicher Häufigkeit (außer 1 H oder 19 F) mit der cw-Technik aus. Abb. 4.3.: Prinzip der cw- und der Impuls- oder FT-NMR-Technik Die Beschreibung des cw-Experiments mit Hilfe der Blochschen Gleichungen wird im Versuch ,,ESR-Spektroskopie” durchgeführt. Letztlich führt die Ableitung zu einer Funktion für das ESR-Signal, das einer Lorentzkurve entspricht. Die Halbwertsbreite ist dabei gleich 1/πT2∗ . T2∗ ist die ,,effektive” Spin-Spin-Relaxationszeit, die den Beitrag durch Feldinhomogenitäten in der Probe beinhaltet (s. unten). Beim FT-Verfahren wird die Probe einem starken Radiofrequenzimpuls von wenigen µs Dauer ausgesetzt. Dadurch kommt es zum Auslenken der Gleichgewichtsmagnetisierung aus der z-Richtung in die x, y-Ebene, d.h. zur Ausbildung einer Quermagnetisierung (Abb. 4.3 a, d). Danach wird der zeitliche Verlauf der Quermagnetisierung (bei abgeschalteter Radiofrequenzstrahlung) detektiert. Man beobachtet ein mit der Relaxationszeit T2∗ exponentiell abklingendes Signal, das als FID (freier Induktionszerfall = free induction decay) bezeichnet wird (Abb. 4.3 e). Die Fouriertransformation des FID-Signals führt dann zum Absorptionsspektrum (Abb. 4.3 c) wie beim cw-Verfahren. Wir wollen im Folgenden das FT-Experiment mit Hilfe der Blochschen Gleichungen beschreiben. Die zeitliche Änderung der Kernmagnetisierung in Gegenwart eines Magnetfelds ist gegeben durch ~ dM ~ × B. ~ = γ M (4.26) dt 72 NMR-Spektroskopie Die Gleichung zur Beschreibung der zeitlichen Abhängigkeit der Bewegung der Gesamtmagnetisierung muss sowohl die Einstellung der Gleichgewichtsmagnetisierung mit den Komponenten (0, 0, M0 ) als auch die Larmorpräzession berücksichtigen. Bloch nahm an, dass sich diese Gleichgewichtsmagnetisierung nach einer Kinetik erster Ordnung einstellt und stellte drei Gleichungen für die Komponenten von M parallel und senkrecht ~ 0 auf: zur Richtung des äußeren Magnetfelds B Mx dMx = − dt T2 dMy My = − dt T2 (Mz − M0 ) dMz = − dt T1 (4.27) Die Relaxationszeit T1 bezeichnet man als longitudinale oder Spin-Gitter-Relaxationszeit, denn sie ist charakteristisch für den Energieaustausch zwischen dem Spinsystem und den restlichen Freiheitsgraden des umgebenden Atom- und Molekül-,,Gitters”. Die Energie des Spinsystems ist nur von der z-Komponente der Magnetisierung abhängig. T2 wird als transversale oder Spin-Spin-Relaxationszeit bezeichnet. Sie bestimmt die Geschwindigkeit, mit der sich die Phasenbeziehung der Spins des Systems zueinander verändert, d.h. die Quermagnetisierung abgebaut wird, und ist letztlich mit der Lebensdauer der Spinzustände verknüpft. Bei der Wechselwirkung der Spins untereinander wird keine Energie mit dem umgebenden Gitter ausgetauscht. ~ setzt sich jetzt zusammen aus der statischen Komponente B0 entlang der z-Richtung, B die zur Aufhebung der Entartung der Spinzustände führt, und einer zeitlich veränderlichen Komponente mit der Amplitude B1 (B1 ≪ B0 ), welche senkrecht zu B0 in der x, y-Ebene liegt und der magnetische Anteil einer auf die Probe wirkenden Radiofrequenzeinstrahlung ist. ~ ergibt sich dann zu Das Gesamtfeld B ~ = B1 cos ωt · ~i + B1 sin ωt · ~j + B0 · ~k B (4.28) mit den Einheitsvektoren ~i, ~j, ~k in x-, y- und z-Richtung. Man setzt jetzt (4.27) und (4.28) in die Bewegungsgleichung (4.26) ein und führt eine Koordinatentransformation in das rotierende Koordinatensystem x’, y’, z durch, welches mit der Winkelgeschwindigkeit ωr um die z-Achse rotiert. Dabei gelten die Beziehungen u = Mx cos ωr t − My sin ωr t v = Mx sin ωr t + My cos ωr t. (4.29) u und v sind die entsprechenden Komponenten der Quermagnetisierung im rotierenden Koordinatensystem. Dies führt zur Bewegungsgleichung im rotierenden Koordinatensystem ! ~ dM ~ ×B ~ eff =γ M (4.30) dt rot 73 NMR-Spektroskopie wobei ~ eff = (B0 − ωr /γ) · ~k + B1 · ~i′ , B (4.31) mit ~i′ als Einheitsvektor entlang der x′ -Richtung. Die ausgeschriebenen Blochschen Gleichungen lauten u du = (ω0 − ωr ) v − dt T2 dv v = − (ω0 − ωr ) u + γB1 Mz − dt T2 Mz − M0 dMz = −γB1 v − dt T1 (4.32) Dabei ist ω0 = γB0 die Winkelgeschwindigkeit der Larmorpräzession um B0 . Es wird jetzt für ein kurzes Zeitintervall (wenige µs) ein Radiofrequenzsignal auf die Probe geschickt. Man spricht auch von der Einstrahlung eines sog. Radiofrequenzimpulses mit Rechteckform. Im rotierenden Koordinatensystem ist dies gleichbedeutend mit dem Einschalten eines zusätzlichen konstanten B1 -Feldes (s. Gl. (4.28)). Dabei wird angenommen, dass B1 ≫ |B0 − (ωr /γ)| und dass die Relaxationszeiten T1 und T2 zu vernachlässigen sind. Ist außerdem die Radiofrequenz (ωr ) gleich groß wie die Larmorfrequenz (ω0 )vereinfachen sich die obigen Gleichungen (4.32) du/dt = 0 dv/dt = γB1 Mz = ω1 Mz dMz /dt = −ω1 v (4.33) u (t) = const. v(t) = M (0) sin ω1 t Mz (t) = M (0) cos ω1 t (4.34) Als Lösung erhält man Diese Gleichungen beschreiben jetzt eine Präzessionsbewegung um das eingestrahlte B1 -Feld. Setzt man jetzt 1 Θ = ω1 t = π/2 (4.35) und berücksichtigt, dass zu Beginn M (0) = M0 bzw. u (0) = 0 ist, dann folgt für die Magnetisierungskomponenten nach dem 90˚- oder π/2-Impuls (s. Abb. 4.4) u =0 v = M0 Mz = 0 (4.36) Nach dem Radiofrequenz-Impuls wird die Quermagnetisierung (u- und v-Komponente) detektiert. Man muss also das Gleichungssystem (4.32) ohne die γB1 -Beiträge lösen. 1 π Der Drehwinkel wird über die Pulsdauer kontrolliert. Für einen 90◦ -Impuls beträgt sie z. B. t90◦ = 2ω 1 π ◦ ◦ für einen 180 -Impuls t180◦ = ω1 . Auch größere Winkel sind möglich. Eine volle 360 -Drehung entspricht dann wieder einem 0◦ -Impuls. 74 NMR-Spektroskopie a) Bo z' b) Bo Mo z' c) Bo z' Θ B1 = 0 x' d) Bo y' z' B1 x' e) x' y' Bo y' z' x' f) y' B1 = 0 x' y' Bo z' Mo x' B1 = 0 y' B1 = 0 Abb. 4.4.: Kernmagnetisierung während eines 90˚-Impulsexperiments Dies liefert folgende Gleichungen u (t) = M0 sin (ω0 − ωr ) t · exp (−t/T2 ) v (t) = M0 cos (ω0 − ωr ) t · exp (−t/T2 ) Mz (t) = M0 [1 − exp (−t/T1 )] (4.37) Betrachten wir die v-Komponente, so entspricht dieses Signal einer Kosinusfunktion, welche exponentiell mit einer Zeitkonstante T2 abfällt. Dies entspricht dem oben erwähnten FIDSignal. T2 ist im Realfall durch die effektive Relaxationszeit T2∗ zu ersetzen, die zusätzlich zum natürlichen T2 die Defokussierung der Spins durch Magnetfeldinhomogenitäten berücksichtigt, d.h. 1 γ∆B0 1 = + . (4.38) ∗ T2 T2 2 Zur Frequenzselektion des detektierten Signals kombiniert man die u- und v-Komponente zu einem komplexen Signal S(t) gemäß (s. Abb. 4.5) S (t) = v (t) + iu (t) = M0 exp (i∆ωt) exp (−t/T2∗ ) (4.39) mit ∆ω = ω0 − ωr . Das NMR-Spektrum erhält man durch Fouriertransformation S (ω) = Z∞ S (t) exp (−iωt)dt, (4.40) 0 was nach Einsetzen von S(t) zu S (ω) = M0 T2∗ M0 T2∗ (∆ω + ω) + i 1 + [(∆ω − ω) T2∗ ]2 1 + [(∆ω − ω) T2∗ ]2 (4.41) führt. Dies entspricht der gleichen Lorentzkurve, wie sie beim normalen cw-Experiment erhalten wird. Die Halbwertsbreite ist wiederum durch ∆ω = 2/T2∗ gegeben. Die wichtigsten Vorteile der heutzutage fast ausschließlich verwendeten FT-NMR-Technik sind 75 NMR-Spektroskopie Abb. 4.5.: FID-Signale und fouriertransformierte NMR-Spektren bei Abweichungen der Referenzfrequenz von der Larmorfrequenz. a) 0 Hz, b) 10 Hz, c) 20 Hz a) die Möglichkeit der Signal/Rausch-Verbesserung durch Aufaddition mehrerer Messungen; dadurch lassen sich auch Untersuchungen an weniger empfindlichen Kernspins (z.B. 13 C) ohne Isotopenanreicherung durchführen. b) die kürzere Messdauer gegenüber der cw-Technik. Bei letzterer dauert die Messung meist mehrere Minuten, während eine Messung im FT-Verfahren in einigen Sekunden durchgeführt werden kann. c) die Möglichkeit, durch Variation der Impulssequenzen Relaxationszeiten zu bestimmen. d) die beliebige Erweiterung der Experimente auf zwei- oder mehrdimensionale Verfahren, die wichtige experimentelle Verfahren bei der Strukturaufklärung biologischer Makromoleküle sind. 4.1.5. Messungen von Relaxationszeiten Relaxationszeiten, die letztlich eine Aussage über das dynamische Verhalten einer Probe erlauben, lassen sich in FT-NMR-Spektroskopie durch Verwendung geeigneter Impulsfolgen sehr einfach bestimmen. 4.1.5.1. Messung der Spin-Gitter-Relaxationszeit T1 Für die Bestimmung der Relaxationszeit T1 setzt man die sog. Inversion-Recovery-Sequenz ein, die aus einer 180˚ - τ - 90˚-Impulsfolge besteht. Durch den 180˚-Impuls wird die Magnetisierung M0 in Richtung der z-Achse gedreht, d.h. direkt nach dem Impuls ist Mz (0) = −M0 . Man verfolgt jetzt die Rückkehr von Mz in den Gleichgewichtszustand, indem man zu verschiedenen Zeitpunkten τ nach dem 180˚-Impuls die aktuelle Magnetisierung Mz bestimmt. Dies geschieht durch einen weiteren 90˚-Impuls, der Mz in eine detektierbare Quermagnetisierung 76 NMR-Spektroskopie überführt (Abb. 4.6 a). Abb. 4.6.: a) Inversion-Recovery-Sequenz und b) zeitlicher Verlauf der Magnetisierung bei diesem Experiment Quantitativ kann dies durch die Blochschen Gleichungen beschrieben werden, wobei u = v = 0 und dMz (t) (Mz (t) − M0 ) =− (4.42) dt T1 Als Lösung erhält man mit Mz (τ = 0) = −M0 . Mz (τ ) = M0 [1 − 2 exp (−τ /T1 )] oder (4.43) τ M0 − Mz (τ ) =− (4.44) ln 2M0 T1 Der entsprechende Kurvenverlauf für dieses Experiment ist in Abb. 4.6 b wiedergegeben. 4.1.5.2. Messung der Spin-Spin-Relaxationszeit T2 Eine Möglichkeit zur Bestimmung der Relaxationszeit T2 , die keinen Beitrag von Feldinhomogenitäten in der Probe enthält (vgl. T2∗ ), ist die Durchführung eines Hahnschen Spin-EchoExperiments mit der Impulsfolge [90◦ - τ - 180◦ - τ ]. Nach der Auslenkung der Magnetisierung in die x, y-Ebene durch den 90◦ -Impuls beginnen die Einzelspins mit unterschiedlichen Larmorfrequenzen - bedingt durch B0 -Inhomogenitäten - auseinander zu laufen, d.h. die verlieren ihre Phasenbeziehung. Durch einen 180◦ -Impuls nach einem Zeitintervall τ nach dem 90◦ -Impuls werden die Positionen der Einzelspins um 180◦ um die x′ -Achse gedreht, ihre Drehrichtung um die z-Achse behalten sie jedoch bei. Infolgedessen treffen die verschiedenen Spins zum Zeitpunkt t = 2τ wieder zusammen, d.h. sie sind wieder in Phase. Das dabei entstehende Signal bezeichnet man als Spinecho (Abb. 4.7 a-e). Die Amplitude des Spinechosignals als Funktion von τ ergibt sich zu M (2τ ) = M0 exp (−2τ /T2 ) (4.45) und ist also nicht mehr abhängig von B0 -Inhomogenitäten in der Probe. Berücksichtigt sind allerdings nicht Effekte durch molekulare Diffusion, die ein Molekül während der Zeit 2τ von einer bestimmten Position im inhomogenen Magnetfeld in eine andere Position überführt, was ebenfalls zur Reduktion der Echoamplitude führt. Es lässt sich zeigen, dass sich das Spinechosignal in Gegenwart eines Feldgradienten G = dBz /dz zu 3 M (2τ ) = M0 exp (−2τ /T2 ) exp − (Dγ 2 G2 /3) (2τ ) (4.46) = M (2τ, G = 0) exp − (Dγ 2 G2 /3) (2τ )3 77 NMR-Spektroskopie Abb. 4.7.: Spinecho- und Carr-Purcell-Experiment. ergibt, wobei D der Diffusionskoeffizient ist. Bei bekanntem Gradienten G lässt sich also über das Spinechoexperiment der Diffusionskoeffizient ermitteln. Carr und Purcell zeigten, dass eine einfache Modifikation der Spin-Echo-Methode den Einfluss der Diffusion auf die Echoamplitude stark reduzieren kann. Die entsprechende Carr-PurcellImpulsfolge lautet [90◦ - τ - 180◦ - 2τ - 180◦ - 2τ - 180◦ - ...]. Bis zum ersten Signalecho entspricht das Experiment dem normalen Spin-Echo-Experiment. Nach dem Phasenverlust der Einzelspins können durch weitere 180˚-Impulse zu den Zeitpunkten τ = 3τ, 5τ, . . . weitere Echos zu den Zeitpunkten t = 4τ, 6τ, . . . erzeugt werden (Abb. 4.7, Abb. 4.8). Abb. 4.8.: Carr-Purcell-Experiment M (2nτ ) = M0 exp (−2nτ /T2 ) exp − Dγ 2 G2 /3 (2nτ 3 ) 78 (4.47) NMR-Spektroskopie oder t 1 2 2 2 1 + Dγ G τ · t = M0 exp − ′ M (t = 2nτ ) = M0 exp − T2 3 T2 (4.48) Dies entspricht formal wieder einem exponentiellen Abfall des Signals mit der Zeitkonstante ′ T2 , die durch 1 1 1 + Dγ 2 G2 τ 2 (4.49) = ′ T2 T2 3 gegeben ist. Die Durchführung von Experimenten bei verschiedenen τ -Werten erlaubt wiederum die Bestimmung von D und T2 . Will man andererseits den Beitrag durch Diffusion minimieren, dann wählt man ein möglichst kleines τ -Intervall. In diesem Fall kann man dann aus einem einzigen Experiment bereits die T2 -Zeit bestimmen. 4.1.6. Kernspinrelaxation Wie in Abschnitt 4.1.4 ausgeführt, kann ein Hochfrequenzfeld mit einer Frequenz, die sich im Bereich der Übergänge zwischen verschiedenen Energieniveaus befindet, die Kernmagnetisierung verändern, indem Übergänge zwischen den Niveaus induziert werden. Neben diesem von außen eingestrahlten Hochfrequenzfeld kann man sich auch innerhalb der Probe auftretende, örtliche Felder vorstellen, die entsprechende Übergänge hervorrufen. Dieser Vorgang lässt sich am einfachsten wieder über die Blochschen Gleichungen klarmachen. Zunächst geht man davon aus, dass das örtlich und zeitlich fluktuierende Magnetfeld Komponenten in x-, y- und z-Richtung gemäß ~b (t) = bx (t)~i + by (t) ~j + bz (t) ~k (4.50) ~ aus dem Gleichgewicht gebracht wurde und aufweist. Wir gehen weiter davon aus, dass M die Komponenten Mx′ , My′ und Mz im rotierenden Koordinatensystem hat. Eine Veränderung dieser Magnetisierungskomponenten kann nur dann erfolgen, wenn entsprechende, im rotierenden Koordinatensystem konstante ~b-Komponenten existieren. Die entsprechende Bewegungsgleichung lautet dann für das rotierende Koordinatensystem ~b × M ~ = bx′~i + by′~j + bz~k × Mx′~i + My′~j + Mz~k = (4.51) rot = (by′ Mz − bz My′ )~i + (bz Mx′ − bx′ Mz ) ~j + (bx′ My′ − by′ Mx′ ) ~k. Diejenigen ~b-Komponenten, die Mz beeinflussen, haben eine Auswirkung auf T1 , und jene, die Mx′ bzw. My′ beeinflussen, eine Auswirkung auf T2 . Man erkennt, dass Mx′ und My′ durch alle drei ~b-Komponenten verändert werden können, während auf Mz nur die bx′ - und by′ -Komponenten wirken können. Demzufolge führen fluktuierende Magnetfelder, die eine Frequenzkomponente bei der Larmorfrequenz ω0 aufweisen, zur T2 - und T1 -Relaxation. Es lässt sich zeigen, dass für T1 und T2 noch eine weitere Komponente bei der Frequenz 2ω0 wirksam ist. Ausschließlich zur T2 Relaxation trägt noch die bz -Komponente bei, die statisch ist. Man spricht hier von einem ,,Nullfrequenz”-Beitrag, der dazu führt, dass T2 6 T1 ist. Die lokalen Felder müssen also zeitabhängig sein, damit man durch die Zerlegung dieser Zeitabhängigkeit in Sinusfunktionen (,,Fourierzerlegung”) eine von Null verschiedene Komponente 79 NMR-Spektroskopie bei den Larmorfrequenzen des untersuchten Spinsystems finden kann. Man charakterisiert deshalb die Wirksamkeit dieser örtlichen Felder b(t) durch spektrale Dichten J (ω) der Form J (ω) = Z∞ < b (t) b (t + τ ) > exp (iωt) dt. (4.52) 0 Die spektrale Dichte ist also die Fouriertransformierte einer Größe, die von den örtlichen Magnetfeldern bestimmt wird und drückt deren Wirksamkeit (Amplitude) aus, um bei der Frequenz ν = ω/2π Kernspinübergänge zu induzieren. Die Klammer in obiger Gleichung zeigt einen Mittelwert über das gesamte Spinsystem in der Probe an. Ein lokales, zeitlich fluktuierendes Feld kann weiterhin nur dann einen Übergang induzieren, wenn es eine bestimmte Kohärenz aufweist, die durch die Größe hb (t) b (t + τ )i, der sogenannten Korrelationsfunktion, berücksichtigt wird. Ein Feld mit sinusförmiger Zeitabhängigkeit (vgl. eingestrahltes B1 -Feld) ist vollständig kohärent. Je ausgeprägter die Kohärenz ist, desto besser vermag der mit b(t) verknüpfte Mechanismus einen Übergang mit der Frequenz ω/2π zu induzieren. Die Fluktuationen der örtlichen Magnetfelder gehen auf Molekularbewegungen zurück, für deren Beschreibung verschiedene Modelle denkbar sind. Ein häufig benutztes Modell - Diffusion und Rotation - führt zu einer exponentiellen Korrelationsfunktion g (τ ) = < b (t) b (t + τ ) > = < b (t)2 > exp (−τ /τc ) , (4.53) wobei τc die Korrelationszeit ist. Sie drückt diejenige Zeit aus, die nötig ist, ein Molekül um den Winkel 1 Radian 360◦ /2π zu drehen. τc liegt für niederviskose Flüssigkeiten zwischen 10−10 bis 10−12 s und ist für eine isotrope Reorientierungsbewegung eines starren, kugelförmigen Moleküls proportional zur Viskosität des Mediums gemäß τc = 4πηa3 . 3kT (4.54) a ist dabei der Radius des Moleküls, welches sich in einem Medium mit der Viskosität η bewegt. Mit diesem Ansatz für die Korrelationsfunktion ergibt sich der Realteil der spektralen Dichte (s. Abb. 4.9) zu τc . (4.55) J (ω) = < b (t)2 > 1 + ω 2 τc2 Ist der einen Relaxationsprozess bestimmende Wechselwirkungsmechanismus bekannt, dann wird das zeitlich veränderliche Feld b (t) durch die entsprechende magnetische Wechselwirkung ersetzt. Diese muss einen anisotropen Charakter haben, denn nur in diesem Fall führt eine Molekularbewegung zu einer Veränderung in der Größe der magnetischen Wechselwirkung. Setzt man jetzt noch einen geeigneten Bewegungsmechanismus zur Beschreibung des Bewegungsverhaltens in der untersuchten Probe an, dann lassen sich entsprechende Ausdrücke für die Relaxationszeiten T1 und T2 ableiten. Diese hängen also vom Typ und Stärke der magnetischen Wechselwirkung, dem Bewegungstyp und dessen Korrelationszeit sowie von der Larmorfrequenz ab. Die Ableitung geschieht über eine zeitabhängige Störungsrechnung, und 80 NMR-Spektroskopie a) b) g( τ) c) g( τ) g( τ) τ τ FT τ FT J(ω) FT J(ω) J(ω) log ω log ω log ω 1/τc Abb. 4.9.: Exponentiell abfallende Korrelationsfunktionen g (τ ) und entsprechende spektrale Dichtefunktionen J (ω). Zur besseren Darstellung wurden die Flächen unter den verschiedenen J (ω)-Kurven willkürlich gewählt, obwohl diese identisch sein müssten. a) langsame Molekularbewegung, d.h. großes τc b) Bewegung auf einer mittleren Zeitskala und c) sehr schnelle Molekularbewegung, d.h. kleines τc es sind die entsprechenden Übergangsraten W zwischen den verschiedenen Spinzuständen zu berechnen. Es zeigt sich, dass die Übergangsraten umgekehrt proportional zu T1 bzw. T2 sind und direkt mit den oben erwähnten spektralen Dichtefunktionen zusammenhängen (Abb. 4.10). Man erhält schließlich Gleichungen für T1 und T2 der Form 1 = c · J (ω0 ) + c′ · J (2ω0 ) T1 1 = d · J (0) + d′ · J (ω0 ) + d′′ · J (2ω0 ) T2 (4.56) c, c′ , d,... sind Vorfaktoren, die von der magnetischen Wechselwirkung abhängen. Der Ausdruck von T2 enthält den bereits erwähnten zusätzlichen ,,Nullfrequenz”-Beitrag J(0). Geht man vom konkreten Fall aus, dass ein dipolar gekoppeltes I = 1/2-Spinpaar (homonukleare Dipol-Dipol-Kopplung mit dem mittleren Abstand r) eine rotatorische Bewegung durchführt, dann erhält man folgende Beziehungen: 1 4τc 3 γ 4 ~2 τc + = T1 10 r 6 1 + ω02 τc2 1 + 4ω02τc2 2τc 3 γ 4 ~2 5τc 1 + (4.57) 3τc + = T2 20 r 6 1 + ω02 τc2 1 + 4ω02 τc2 Man bezeichnet diese Gleichungen als BPP-Gleichungen, nach Bloembergen, Purcell und 81 NMR-Spektroskopie Abb. 4.10.: Abhängigkeit der Übergangsraten W von den spektralen Dichtefunktionen J (ω). Der Verlauf von W ist in etwa identisch mit dem Verlauf von 1/T1 (s. auch Abb. 4.9). a) großes τc (τc ≫ 1/ω0 ) b) τc im mittleren Bereich (τc ≈ 1/ω0 ) c) kleines τc (τc ≪ 1/ω0 ) Pound, die erstmals diese Ableitungen durchgeführt haben. In Abb. 4.11 sind T1 - und T2 Kurven als Funktion der Korrelationszeit aufgetragen. Man erkennt aus dieser Abbildung und den obigen Gleichungen, dass für ω0 τc ≪ 1 T1 und T2 frequenzunabhängig gemäß 1 1 = = A · τc (4.58) T1 T2 werden. Für ω0 τc ≫ 1 wird T1 frequenzabhängig mit 1 1 = A′ · 2 , T1 ω0 τc (4.59) während T2 noch weiter abnimmt. T1 durchläuft ein Minimum wenn die Korrelationszeit τc in etwa der Larmorfrequenz entspricht, d.h. ω0 τc ≈ 1. Abschließend sei erwähnt, dass im Fall verschiedener Beiträge zum Relaxationsverhalten (durch unterschiedliche magnetische Wechselwirkungen, Kap. 4.1.3) die Relaxationszeiten sich über ihre Kehrwerte addieren X 1 X 1 1 1 = bzw. = . (4.60) T1 T1 i T2 T2 i i i 4.1.7. NMR-Bildgebung Bei der NMR-Bildgebung erzeugt man zwei- oder dreidimensionale Bilder eines untersuchten Objekts. Das Verfahren beruht darauf, dass man Spindichten und Relaxationszeiten der Pro- 82 NMR-Spektroskopie T1 log T1 log T2 ωο τc = 1 langsame Bewegung schnelle Bewegung T2 102 100 10 -2 ωοτ c Abb. 4.11.: T1 - und T2 -Relaxationszeiten als Funktion der Korrelationszeit bei konstanter Larmorfrequenz ω0 . ben durch Einwirken von Feldgradienten ortsaufgelöst erfassen und daraus durch geeignete mathematische Verfahren mehrdimensionale Bilder erzeugen kann. Die NMR-Bildgebung findet heute eine breite Anwendung in der Medizintechnik. Beispielsweise lässt sich mit dieser Methode ein Tumor direkt abbilden, da anomal verändertes Gewebe sich in den Relaxationszeiten (Protonen des Wassers) deutlich vom gesundem Gewebe unterscheidet. Betrachten wir eine Probe, auf die über den gesamten Probenraum ein homogenes Magnetfeld wirkt, dann ist die Amplitude des entsprechenden NMR-Signals bei der Frequenz ν proportional zur Anzahl der Spins (=Spindichte), deren Resonanzfrequenz mit dieser Frequenz ν übereinstimmt. Es gelingt jetzt durch Einwirken zusätzlicher Magnetfelder die Resonanzfrequenz von der räumlichen Position abhängig zu machen. Dazu wird dem homogenen Feld B0 ein linearer Gradient Gx = ∂B/∂x in x-Richtung überlagert. Die Resonanzfrequenz wird dann zu ν= γ (B0 + Gx x) = ν + Kx x 2π (4.61) mit Kx = γ/2πGx . Das so erhaltene FID-Signal nach einem 90◦ -Impuls ist dann ein Spindichterofil ρ (x, y) entlang der x-Richtung gemäß S(tx ) = S(tx ) = R∞ R∞ −∞ −∞ R∞ R∞ −∞ −∞ ρ(x, y) · exp[2πiνG (x)tx ] · exp(−t/T2∗ ) dx dy (4.62) ρ(x, y) · exp[iγ Gx x tx ] · exp(−t/T2∗ ) dx dy mit νG (x) = γGx x/2π. Dabei wurde vorausgesetzt, dass die Referenzfrequenz νr gleich der Larmorferquenz ν0 ohne Gradient ist. Aus der obigen Gleichung erkennt man, dass ein linearer Zusammenhang zwischen der Frequenz und der x-Position besteht. In Abbildung 4.12 sind die Verhältnisse für zwei Wasserproben in einem bestimmten räumlichen Abstand wiedergegeben. In Anwesenheit eines Gradienten werden entlang x zwei Signale mit unterschiedlicher Resonanzfrequenz beobachtet. Der Frequenzabstand ist direkt propor- 83 NMR-Spektroskopie Abb. 4.12.: FID-Signale und fouriertransformierte NMR-Spektren zweier Proben in einem homogenen Magnetfeld ohne (a) und mit (b) einem zusätzlichen Gradienten in x-Richtung tional zur räumlichen Position der Proben. In Abbildung 4.13 ist dies für eine zylinderförmige Probe nochmals genauer aufgeführt. Die Fouriertransformierte des FID ergibt ein kontinuierliches Signal, das aus einer Überlagerung von Lorentzkurven unterschiedlicher Intensität aufgrund unterschiedlicher Spindichten über die Probe hinweg zusammengesetzt ist. Für die Erzeugung zwei- und dreidimensionaler Bilder unterscheidet man zwischen der Projektions-Rekonstruktions-Technik und den 2D bzw. 3D FT-NMR-Bildgebungsmethoden. Bei der ersten Methode dreht man normalerweise den Gradienten in kleinen Schritten in der x, y-Richtung und erhält so einen großen Satz von Projektionen der Probe (Abb. 4.14). Alternativ kann auch - wie in diesem Praktikumsversuch - die Probe bei konstant gehaltenen Gradienten gedreht werden. Durch die Überlagerung der nach der Fouriertransformation der FID-Signale erhaltenen Projektionen ergibt sich ein zweidimensionales Querschnittsbild der Kernspindichte. Die Spindichte ρ (x, y) ergibt sich also zu 84 NMR-Spektroskopie Abb. 4.13.: Zylindrisches Objekt bei Vorliegen eines Gradienten in x-Richtung und Fouriertransformierte des FID-Signals. ρ(x, y) = m X Pj (r, φ)∆φ (4.63) j=1 Pj (r, φ) sind die Projektionen für verschiedene Gradienten, die mit der x-Achse einen Winkel φ einschließen. Die Summe läuft über alle m Projektionen mit dem Winkelinkrement ∆φ. Die Algorithmen für dieses Projektions-Rekonstruktions-Verfahren sind identisch zu denjenigen, die bei der Röntgen-Computertomographie eingesetzt werden. Abb. 4.14.: Zusammenhang zwischen einem dreidimensionalen Objekt, seinem zweidimensionalen Schnittbild und vier eindimensionalen Projektionen in der x,y-Ebene. Obwohl das Projektions-Rekonstruktions-Verfahren sehr einfach durchzuführen ist, weist es einige entscheidende Nachteile auf. Deshalb werden meist die FT-Bildgebungsmethoden eingesetzt, die auf dem Prinzip der zweidimensionalen NMR-Spektroskopie aufbauen. Hier wird während einer inkrementierbaren Zeit ty der Gradient in y-Richtung eingeschaltet Das FIDSignal wird dann als Funktion von ty bei ausgeschaltetem y-Gradient in Gegenwart des xGradienten während der Zeit tx detektiert (s. Abb. 4.15). Man erhält somit FID-Signale als Funktion der Zeit ty , die als eine 2D-Datenmatrix S(ty , tx ) mit Z∞ Z∞ S(ty , tx ) = ρ(x, y) · exp[iγ(Gx xtx + Gy yty )] dx dy (4.64) −∞ −∞ 85 NMR-Spektroskopie Abb. 4.15.: Vergleich zwischen a) ein- und b) zweidimensionalen Bildgebungs-FTNMR-Experimenten. aufzufassen sind. Der Relaxationsterm exp (−t/T2∗ ) wurde hierbei weggelassen. Die Spindichte erhält man durch zweimalige Fouriertransformation gemäß ZZ ρ(x, y) = S(ty , tx )[−iγ(Gx xtx + Gy yty )] dtx dty (4.65) Alternativ kann man bei diesem 2D-FT-NMR-Experiment auch das FID-Signal als Funktion einer inkrementierbaren Amplitude des Gy -Gradienten bei konstantem ty -Wert aufnehmen (,,Spin-warp”-Technik), was einige Vorteile gegenüber dem erstgenannten 2D-Verfahren bietet. Prinzipiell führen beide Methoden jedoch zum gleichen Resultat (Abb. 4.16). Um die dritte Dimension des Raum abzutasten, könnte man die obigen, zweidimensionalen NMR-Verfahren um eine weitere Dimension erweitern. Dies würde allerdings zu langen Messzeiten und erheblichen Datenmengen führen. Stattdessen verwendet man die Methode der Schichtselektion, bei der während des Radiofrequenzimpulses ein Gradient entlang der zRichtung anliegt. Kennt man jetzt den angelegten Gradienten, dann kennt man auch die entsprechende Resonanzbedingung zur Anregung einer bestimmten Schicht. Um eine möglichst enge Schicht anzuregen, d.h. eine gute Auflösung zu erreichen, muss einerseits ein möglichst großer Gradient gewählt werden. Diese Bedingung gilt generell für alle Gradienten. Eine weitere Auflösungssteigerung erzielt man bei der Schichtselektion, wenn man einen frequenzselektiven RF-Impuls verwendet. Dieser hat z.B. die Form einer sin(x)/x-Funktion und die entsprechende Fouriertransformierte liefert ein Anregungsfrequenzspektrum mit steil abfallenden Rändern (s. Abb. 4.17). Durch die Länge des Impulses kann der anzuregende Frequenzbereich, d.h. der überstrichene Larmorfrequenzbereich, eingestellt werden. Der Kontrast des erzeugten Bildes ist - wie bereits erwähnt - zunächst eine Folge der unterschiedlichen Spindichten 86 NMR-Spektroskopie Abb. 4.16.: FT-Bildgebungsexperiment an zwei mit Wasser gefüllten Kapillaren. a) komplette Zeitsignale (einschl. ty -Zeit-Intervall), b) Fouriertransformierte der Signale (nur tx -Bereich, Bereich nach der gestrichelten Linie) c) FT-NMR-Bild nach der zweiten Fouriertransformation. Abb. 4.17.: Amplitudenmoduliertes Kosinus-Signal und dessen Fouriertransformierte a) Rechteck-Impuls, b) sin(x)/x-Funktion, welche nach der 2. Nullstelle abgeschnitten ist 87 NMR-Spektroskopie innerhalb der Probe. Des Weiteren kann durch Verwendung von Spinecho- oder InversionRecovery-Impulssequenzen statt des einfachen 90˚-Impulses ein Kontrast durch unterschiedliches Relaxationsverhalten innerhalb der untersuchten Probe hervorgerufen werden. Man spricht dann von T1 - oder T2 -gewichteten Bildern. 88 NMR-Spektroskopie 4.2. Experimenteller Teil 4.2.1. Temperierung Alle Messungen werden bei Zimmertemperatur durchgeführt. Die interne Gerätetemperatur beträgt aber 40 ◦ C. Daher den Thermostaten (Lauda Alpha R8) bitte frühzeitig einschalten und auf 20 ◦ C stellen. Sollte die Umgebungstemperatur stark von der Messtempertur abweichen, den Proben etwas Zeit geben, die Temperatur anzunehmen. 4.2.2. Kalibrierung des Bruker-Minispec Vor den eigentlichen Messungen muss ein sogenannter Daily Check durchgeführt werden. Dazu wird die Probe: ,,Daily Check Sample“ verwendet. Die Probe (vortemperiert auf 40 ◦ C) wird in die Probenhalterung gesteckt und der Daily-Check-Button im Messprogramm (oben rechts) wird angeklickt. Aus der Daily Check Messung soll aus dem Reciever Gain Check der Wert für die Verstärkung (Gain) in dB ausgelesen werden. Anschließend wird ein FID-Signal für die Daily-Check-Probe aufgenommen. Dazu wird aus den minispec applications (rechts oben) die Funktion fid ausgewählt. Anschließend parameter/acquisition parameter öffnen: NS = 10, RD = 1s, Gain (dB) = Wert aus Daily Check, detection mode = magnitude Anschließend measure anklicken (Button unten links) Gemessenes Signal ausdrucken (beschriften): file/print Außerdem die Grafik über das Programm Paint sichern: edit/copy as bitmap Und die Daten in WordPad sichern. edit/copy as data 4.2.3. Kernspinrelaxation von Lösungen paramagnetischer Ionen 4.2.3.1. FID-Messung Gleiche Vorgehensweise wie bei der FID-Messung der Daily-Check-Probe. Verwenden Sie die vom Assistenten ausgegebene Probe. Gemessenes Signal ausdrucken (beschriften) sowie Bild und Daten sichern. 89 NMR-Spektroskopie 4.2.3.2. Bestimmung von T1 mit dem Inversion-Recovery-Experiment In diesem Versuchsteil soll mit der Pulsfolge 180◦ -τ -90◦-τ -Echo (Inversion-Recovery-Experiment) die longitudinale Relaxationszeit (T1 ) bestimmt werden. Gleiche Probe wie beim FID-Experiment. Minispec applications: t1 pcII measure / τ = 0.5 ms / ok Anfang des Signals zoomen / Signalhöhe ablesen und in Abhängigkeit von τ in Tabelle eintragen. Messreihe weiterführen, für jeden Schritt tau verdoppeln bis sich die Signalhöhe kaum mehr ändert. An kritischen Stellen Zwischenwerte setzen. 4.2.3.3. Das Carr-Purcell-Experiment Es wird wieder mit der gleichen Probe gearbeitet. Minispec applications: cpmg pcII Applikation starten. Wählen Sie τ so groß, dass die Höhe des letzten Echos ca. 1/10 der Höhe des ersten beträgt. Ergebnis ausdrucken Höhen der Echos vermessen (am Bildschirm oder auf dem Ausdruck). 4.2.3.4. Automatisierte Messung von T2 an Proben unterschiedlicher Konzentration Messung wird jeweils mit 0.01 M, 0.02 M, 0,04 M, 0,08 M, 0,16 M und 0,32 M CuSO4 durchgeführt Minispec applications: t2 se mb pcII parameter/acquisition parameter: NS = 16, RD = 2, Gain = 60 dB, detection mode = magnitude Messbereich auswählen: 1-200 ms in Parameter / configuration table first duration: 1 ms last duration: 200 ms 10 Messpunkte ok Messung starten Ausgabe im Statusfenster in den Zwischenspeicher kopieren und sichern. Für jede Konzentration den Endwert (T2 ) notieren. 90 NMR-Spektroskopie 4.2.4. Chemische Verschiebung Die chemische Verschiebung kann nur in der Frequenzdomäne bestimmt werden. Der Vorteil liegt darin, dass die Resonanzen verschiedener (chemisch nicht äquivalenter) Kerne als einzelne Peaks zu sehen sind. Der Übergang von der Zeit- in die Frequenzdomäne erfolgt mittels einer Fouriertransformation. Zwei dicht nebeneinander liegende Signale können nur dann als getrennt wahrgenommen werden, wenn deren Linienbreite geringer ist als deren Abstand. Allerdings liegen die chemischen Verschiebungen im ppm-Bereich (ppm = parts per million = millionstel Teil der Resonanzfrequenz). Die NMR-Linien müssen also sehr schmal sein (deutlich schmaler als 1 ppm), damit chemische Verschiebungen überhaupt aufgelöst werden können. Solch schmale Linien erfordern ein überaus homogenes Magnetfeld. In den supraleitenden Magneten der sogenannten hochauflösenden NMR-Spektrometer kann solch eine Homogenität problemlos erreicht werden. Im minisspec mq 20 befindet sich allerdings ein Permanentmagnet mit deutlich größerer Feldinhomogenität, die zu Linienbreiten im Bereich von 5 ppm führt. Dies ist zu viel, um chemische Verschiebungen von Protonen auflösen zu können. 19 Fluor besitzt, genau wie Wasserstoff, einen Kern mit Spin 1/2 und einem magnetischen Moment nahe dem des Wasserstoffs. Die Resonanzfrequenz des Fluors kann vom minispec problemlos erzeugt werden. Die sehr große Elektronegativität des Fluor führt dazu, dass Fluorkerne wesentlich stärker von den Elektronen abgeschirmt werden als Wasserstoffkerne. Die chemischen Verschiebungen am Fluor sind deshalb um bis zu einem Faktor zehn größer als beim Wassestoff. An (per)fluorierten Molekülen ist es daher möglich, Chemische Verschiebungen mit dem minispec zu messen. Stellen Sie das Spektrometer, nach Anleitung des Assistenten, auf Fluormessung um. Fluorierte Probe einsetzen Minispec applications: fluor ft pcII). Fouriertransformation: (process / FFT; process / magnitude) Spektrum ausdrucken 4.2.5. NMR-Bildgebung 1. Probe: Setzen Sie die Probe mit den zwei mit Wasser gefüllten Quarzröhrchen in das Spektrometer ein. Die Ausrichtung der beiden Quarzröhrchen soll dabei senkrecht zur Spektrometerfront sein (Markierung auf 0◦ ). Minispec applications: imaging1 pcII). Das 1D-Siganl ausdrucken und beschriften 91 NMR-Spektroskopie Drehen Sie nun die Probe um 90◦ und führen Sie das Experiment erneut durch. 2. Probe: Minispec applications: imaging2 pcII). Probe auf 0◦ stellen, Applikation starten, Messung abwarten! Drehen Sie die Probe schrittweise um 10◦ und nehmen Sie in jeder Position ein Spektrum auf, indem Sie auf Continue klicken. Nach einer Gesamtdrehung von 180◦ ist das Experiment beendet. Die 18 auf der Fesplatte gespeicherten NMR-spektren müssen nun zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. Hierfür wechseln Sie in den Ordner my documents / pcII / imaging imaging pcII.m durch Doppelklick. Klicken Sie in der linken oberen Ecke des Matlab-Fensters mit der rechten Maustaste auf imaging pcII.m und im Untermenü mit der linken Maustast auf Run“. Die einzelnen Spektren werden nun zusammengefügt und das ” 2D-Bild berechnet. Dies dauert ca. 15 s. Drehen Sie das Bild in eine geeignete Position und drucken Sie es aus. 4.2.6. Auswertung 1. Kernspinrelaxation von Lösungen paramagnetischer Ionen 1. Bestimmung der Spin-Gitter-Relaxationszeit T1 aus dem Inversion-Recovery-Experiment. 2. Bestimmung der Spin-Spin-Relaxationszeit T2 aus dem Carr-Purcell-Experiment. 3. Tragen Sie T2−1 in Abhängikeit der Kupfersulfatkonzentration auf. 2. Chemische Verschiebung und Imaging 1. Diskutieren Sie das 19 F-Spektrum. 2. Diskutieren Sie das 2D-Image. 4.2.7. Sicherheitshinweise Bitte informieren Sie sich über die Gefahren hoher Magnetfelder sowie der im Versuch verwendeten Gefahrstoffe Kupfersulfat, Perfluorotributylamin, CFCl3 . Literatur 1. T. Farrar/E. Becker, Pulse and Fourier Transform NMR, Academic Press, N.Y. 1971. [41] 2. R.K. Harris, Nuclear Magnetic Resonance Spectroscopy, Pitman Bowles, London, 1983. [42] 3. H. Günther, NMR-Spektroskopie, Thieme Verlag, Stuttgart, 1993. [43] 92 NMR-Spektroskopie 4. H. Haken, H.C. Wolf, Atom- und Quantenphysik, Springer, Berlin, 1990. [16] 5. P.T. 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Der Lerneffekt ist dabei enorm. Das Verfassen von Berichten darf also keinesfalls als allwöchentliche Schikane oder als notwendiges Übel aufgefasst werden, das nun mal zum Praktikum gehört. Es ist vielmehr eine Herausforderung, ein selbständig erarbeitetes Thema sachkundig und interessant darzustellen. A.1.1. Aufbau eines Praktikumsprotokolls Die geforderten Protokolle bestehen aus dem eigentlichen Bericht, hand- oder maschinengeschrieben, sowie einem Anhang. Der Bericht ist ein wohlstrukturierter, übersichtlicher Text, der den eigentlichen Untersuchungsgegenstand wiedergibt. Einzelheiten, die die Übersichtlichkeit des Berichts stören würden, aber dennoch wichtig sind, wie z. B. Messprotokolle oder Zwischenrechnungen, sind im Anhang aufzuführen. Ein vollständiger Bericht besteht aus: Titelseite: Sie enthält die Namen der verantwortlichen Personen inkl. des Assistenten, Versuchsdatum, und einen aussagekräftigen Titel. Dieser soll nicht einfach von der Versuchsanleitung abgeschrieben, sondern es soll selbst ein möglichst aussagekräftiger Titel gewählt werden. Desweitern befindet sich auf der Titelseite eine Kurzzusammenfassung (Abstract) der wichtigsten Resultate. Darin wird mit möglichst kurzen und präzisen Sätzen dargestellt, was die hauptsächlichen Ergebnisse sind und wie sie gewonnen wurden. Ein Abstract enthält weder Formeln noch Tabellen oder grafische Darstellungen. Wird Literatur zitiert, ist die Kurzbezeichnung der Zeitschrift mit Seitenangaben in Klammern direkt hinter dem Zitat aufzuführen. Anhang Einführung: Hier soll der eigentliche Untersuchungsgegenstand vorgestellt werden. Die gestellte Aufgabe soll in Zusammenhang mit der Theorie des Versuchs gebracht werden. Die benötigten Formeln sind aufzuführen und zu erläutern. Alle Symbole müssen definiert werden. Hier sollen aber keine ,,Romane“ verfasst oder ganze Buchkapitel abgeschrieben werden. Es braucht nur der Teil der Theorie aufgeführt werden, der für die Diskussion der Ergebnisse auch wirklich nötig ist. Formeln sind so anzupassen, dass sie für die Versuchsauswertung und die Diskussion geeignet sind. Physikalische Größen, Variablen und Konstanten werden immer kursiv geschrieben. Im Formeleditor geschieht dies automatisch, im Text hingegen, wo die Kursiv-Schreibweise für eine gute Übersichtlichkeit besonders wichtig ist, muss manuell nachformatiert werden. Physikalische Einheiten werden hingegen nie kursiv geschrieben, dadurch bleiben Sie von den Variablen gut unterscheidbar. Hier muss also im Formeleditor nachgebessert werden. Experimentelles: Es werden die verwendeten Chemikalien aufgeführt und deren Reinheit, Herkunft und Toxidität angegeben. Von der Messapparatur ist eine schematische Zeichnung anzufertigen. Die Apparatur ist kurz zu beschreiben und das Messprinzip ist zu erläutern. Die Typenbezeichnung der Messapparatur ist anzugeben und deren wichtigste Spezifikationen sind aufzuführen. Resultate und Auswertung: Hier werden die experimentellen Ergebnisse präsentiert. Die gemessenen Werte sind übersichtlich, z.B. in Tabellenform, darzustellen. Hierbei ist auf eine sinnvolle und vollständige Beschriftung zu achten. Jeder Messwert hat eine Einheit. Diese muss immer mit angeben werden. Ob es sich (bei fehlender Einheit) um eine Längen- oder um ein Gewichtsmaß handeln könnte, lässt sich meist noch aus dem Kontext ableiten. Ob es sich bei der fehlenden Einheit aber eher um m oder vielleicht doch um mm, bzw. um mg oder kg handeln soll, ist schon deutlich schwieriger herauszufinden. Wenn möglich sollten Messwerte zusätzlich grafisch, z.B. in Form von Diagrammen, dargestellt werden. Grafische Darstellungen: Auf die grafische Darstellung der Resultate muss besondere Sorgfalt angewandt werden. Alle Bilder sind entsprechend ihrer Abfolge zu nummerieren. Ein Bild soll möglichst selbsterklärend sein. Alle weiteren Informationen stehen in der Legende, die sich unterhalb des Bildes befindet. Die einzelnen Messpunkte sind (sofern es sich nicht um Histogramme handelt) durch Symbole wie Kreise, Quadrate, Dreiecke usw. darzustellen. Die Punkte werden nicht verbunden, sondern es ist, wenn möglich, der erwartete theoretische Verlauf als Kurve mit einzuzeichnen. Auf jede Abbildung muss im Text mindestens ein Mal verwiesen werden. Eine Abbildung (oder Tabelle) erscheint normalerweise auf der Seite, auf der sie zum ersten Mal erwähnt wird. Ist dies aus Platzgründen nicht möglich, dann auf der Folgeseite. Aushilfsweise können auch alle Grafiken (und Tabellen) am Ende des Berichts zusammengefasst werden. Diskussion: Die Diskussion ist der kreativste Teil einer wissenschaftlichen Arbeit. Hier kann der Autor darlegen was ihm wichtig ist, bzw. was er für wichtig hält. Folgende Fragestellungen sollten bearbeitet werden: • Welches sind die wichtigsten Resultate? 100 Anhang • Sind die Daten in sich konsistent? • Wie verhält es ich mit der Reproduzierbarkeit? • Gibt es Ausreißer und wie wurde mit ihnen verfahren? • Wie weit stimmen die Daten mit der vorausgesetzten Theorie überein? • Wie steht es mit der Gültigkeit von Vereinfachungen? • Wie gut stimmen die Ergebnisse mit den Literaturwerten überein? • Wie erklären sich die Abweichungen? • Welche Schlussfolgerungen werden gezogen? • Sind Probleme aufgetreten und wie wurden sie behoben? • Gibt es Schwächen im Versuchsaufbau? Verbesserungsvorschläge sind erwünscht. Literatur: Im Text zitierte Literatur muss als solche gekennzeichnet werden. Alle Literaturhinweise werden am Ende des Protokolls vollständig aufgelistet. Für ein Buch sind anzugeben: Autor(en), Titel des Buches, Erscheinungsjahr, Verlag. Für einen Artikel in einer Zeitschrift: Autor(en), Titel der Zeitschrift, Seitenangabe, Erscheinungsjahr. Anhang: Hier sammelt man die Rohdaten und die vom Assistenten unterschriebenen OriginalMessprotokolle. Alle Zwischenrechnungen werden hier vollständig aufgeführt, damit sie bei Bedarf vom Assistenten nachvollzogen werden können. Diese Form des Anhangs ist nur bei Praktikumsprotokollen notwendig. 101