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Homo neanderthalensis
Lebensbilder
und
Urmensch:
Rekonstruktionen
und
Zusammenfassung der Diplomarbeit von Konstanze Weltersbach, Juli 2004.
Beantragt von Prof. Dr. Vincent Ziswiler und ausgeführt unter der Leitung von PD
Dr. Hans-Konrad Schmutz, Anthropologisches Institut der Universität Zürich.
Lange Zeit wurden Bilder nur als schmückendes Beiwerk gesehen, um
komplizierte Sachverhalte auf den Punkt gebracht darzustellen oder Ideen einfacher
zu kommunizieren. Als man aber anfing, sich über die Bedeutung von Bildern
Gedanken zu machen, stellte sich schnell heraus, dass sie mehr als nur nachträgliche
Visualisierungen schon in verbaler Form formulierter Theorien sind. Bilder und
Illustrationen wirken sehr überzeugend; sie prägen sich stärker ein als Texte, weil sie
(oft) stabilere Bilder im Kopf erzeugen. Auch lassen sie nur einen geringen Spielraum
für eigene Interpretationen. Manche Bilder werden wieder und wieder reproduziert
und in verschiedenen Kontexten gezeigt. Sie lösen sich vom ursprünglichen
schriftlichen Bezugsrahmen und repräsentieren nicht mehr das ursprünglich
Dargestellte. Stattdessen verweisen sie auf einen Meilenstein in der Entwicklung des
Faches. Das Ziel dieser Arbeit war es, anhand der anthropologischen Forschungsgeschichte die paläoanthropologischen Modelle der menschlichen Evolution in ihren
jeweiligen zeittypischen wissenschaftlichen Kontext einzubetten. Dabei lag der
Schwerpunkt auf den visuellen Darstellungen. Es konnte gezeigt werden, dass sich
sehr früh Schlüsselelemente und Schlüsselszenen herauskristallisierten, die heute
immanenter Bestandteil der Bildsprache in der Archäologie und Anthropologie sind.
Innovative Darstellungsweisen werden nur schwer akzeptiert, weil sie sich nicht in
bekannte Schemata einordnen lassen. Das schränkt die Möglichkeiten, neue
Erkenntnisse zu visualisieren, ein. Die traditionellen Bildelemente dienen primär der
Vermittlung von Primitivität oder Fortschrittlichkeit, wobei die Frage nach der
Belegbarkeit der gezeigten Elemente oft zweitrangig ist. Es konnte gezeigt werden,
dass trotz des Vorhandenseins archäologischer Artefakte die Darstellung anderer
Attribute bevorzugt wird, weil diese den beabsichtigten Grad an Primitivität besser
vermitteln. Der begleitende Text handelt oft von den archäologischen und
anthropologischen Belegen für die Rekonstruktion, und so kann die bildliche der
schriftlichen Darstellung widersprechen. In diesem Fall stellt sich die Frage, welche
Botschaft beim Zielpublikum einen stärkeren Eindruck hinterlässt. Es ist aber davon
auszugehen, dass Visuelles besser haften bleibt. Da auch Wissenschaftler dem
Einfluss von Bildern und Rekonstruktionen ausgesetzt sind, wurde untersucht, in
welchem Masse bestehende Bilder einen Einfluss auf die Wissenschaft haben. Bei der
Untersuchung der wechselseitigen Beziehungen zwischen Forschungsfeld,
Repräsentationsraum und Öffentlichkeit konnte in einigen Fällen eine Rückkopplung
zwischen Bildern und Forschung nachgewiesen werden. Im Laufe der Arbeit
bestätigte sich die Annahme, dass es sich bei Bildern und Rekonstruktionen um
Inszenierungen von Hypothesen handelt, die über eine grosse suggestive Kraft
verfügen.
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