16. Näherungsverfahren He-Atom mit 2 Elektronen 2 2 p 2i Ze 1 e 1 − ⋅ 2 4 0 r i 4 0 ∣r1 − r2∣ 2 H =∑ i=1 Hi H =∑ H i i Coulomb-WW zwischen den Elektronen 1 ∑V 2 i≠ j ij gesucht sind wieder stationäre Lösungen H =E Die Lösung für unabhängige Teilchen (ohne Elektron-Elektron-WW) ist uns bekannt aus der Lösung für das Wasserstoffatom (Hi ψ = Ei ψ) . Die WW hängt aber von allen Teilchen ab, so dass wir diesen Einfluss nicht isolieren können. Für wenige Elektronen ist das Problem noch nummerisch . exakt lösbar. Der numerische Aufwand steigt sehr schnell mit der Anzahl der Elektronen an, so dass praktisch nur noch Näherungsverfahren genutzt werden können. 141 Warum benötigen wir Näherungsverfahren? Beispiel Sauerstoffatom: O hat 8 Elektronen Die korrekte Vielteilchenwellenfunktion hängt von den Orten aller 8 Elektronen ab. r1 , r2 , r3 , r4 , r5 , r6 , r7 , r8 24 Koordinaten Um die Wellenfunktion zu kennen, benötigen wir also ψ als Funktion aller 24 Koordinaten. ● 10 Werte pro Koordinate 1024 Werte ● 8 Bytes pro Eintrag 1025 Bytes ● 8.5*109 Bytes pro DVD 1015 DVD's ● 10g pro DVD 1010 Tonnen von DVD's Wenn wir zum Beispiel eine Methode finden, bei der wir statt der Vielteilchenwellenfunktion nur die Ladungsdichte aller Elektronen im Raum benötigen, wird es viel einfacher. ρ(r) -> 103*8 Byte ~ 8 kByte Nobelpreis für Chemie 1998 für Walter Kohn und John Pople. 142 Walter Kohn John Pople 16.1 Das Ritz'sche Variationsverfahren Allgemeines Näherungsverfahren mit zahlreichen Anwendungen in Atom-, Molekül-, Kern- und Festkörperphysik ● Wir betrachten ein beliebiges physikalisches System, dessen Hamiltonoperator zeitunabhängig ist. Hφn = En φn soll gelöst werden. Auch wenn H bekannt ist, lässt sich nicht immer eine Lösung für En und φn analytisch finden. Die Variationsmethode erweist sich besonders günstig in solchen Fällen. Wir lösen nicht das gesamte Problem, können aber Aussagen über den Grundzustand (Zustand niedrigster Energie) machen. Hψ0 = E0 ψ0 Ψ0 ist unbekannt ψ beliebiger Ansatz (raten, physikalische Intuition) durch eine Testfunktion 143 ● Der Erwartungswert im Zustand ψ 〈∣H 〉 〈H 〉 = ≥E 0 〈∣〉 Der Erwartungswert für die Energie ist nur gleich E0, falls ψ= ψ0 ist. ● Angenommen, wir kennen die Lösung Hφn = Enφn , dann können wir ψ als Linearkombination von φn ausdrücken. =c 0 0 c1 1...c n n =∑ c j j j 〈∣H 〉=〈∣H ∑ c j j 〉=∑ 〈∣c j H j 〉=∑ c j 〈∣H j 〉=∑ c j 〈∣E j j 〉=∑ c j E j 〈∣ j 〉 j j j j j =∑ c j E j 〈 ∑ c i j∣ j 〉=∑ c i c j E j 〈i∣ j 〉=∑ ci c j E j i j =∑ ∣c i∣ E i ≥ E 0 ∑ ∣c i∣2 * j i ij * 2 ij i i Da E0 (Grundzustand) die kleinste mögliche Energie ist. Eigenzustände φn sind orthonormal 〈i∣ j 〉={1 0 i= j i≠ j Die Testfunktion ψ ist im allgemeinen nicht normiert. 〈∣〉=∑ ∣ci∣ 2 i 144 ● Wenn alle Koeffizienten cn mit Ausnahme von c0 verschwinden, dann ist ψ = c0φ0 ein Eigenvektor von H mit Eigenwert E0 --> Idee der Variationsmethode 1. Wir wählen (möglichst physikalisch sinnvoll) eine Menge von Zustanden ψ, die von einer gewissen Anzahl von Parametern abhängen. 2. Wir berechnen den Erwartungswert von H in diesen Zuständen ψ. 3. Wir minimieren hinsichtlich der freien Parameter. Der erhaltene Wert stellt eine Näherung für E0 dar (im Allg. wissen wir nicht, wie weit wir von E0 weg sind). Jede falsche Wellenfunktion gibt Wert größer als E0, nie einen niedrigen. Im besten Fall können wir die richtige Lösung erraten (ψ0) und E0 bekommen. Anwendungen: H2+-Molekülion H-Atom ψ = e-ηr He-Grundzustand <ψ,H ψ> = E <ψ,ψ> berechnen ∂E =0 ∂ berechnen. 145 Bsp.: Grundzustand des Wasserstoffatoms Wir „raten“ die folgende Form für unsere Testfunktion mit dem Variationsparameter η = N e ∞ ! ∫ x n e −a x d x=ann1 − r 0 Der Faktor N ergibt sich aus der Normierung: 〈 ∣ 〉= N 2 ∞ 2 ∫∫ ∫ e −2 r 0 0 0 ∞ r sin d r d d = N 4 ∫ r e 2 2 2 −2 r 0 2 2 d r =N 4 2 3 = N 3 2 Zur Berechnung des Erwartungswertes der Energie müssen wir den Hamiltonoperator auf unsere Testfunktion wirken lassen und die entsprechenden Integrale ausrechnen. [ 2 −ℏ H = 2 ] 2 ∂2 2 ∂ − 1 L2 − e r ∂r 4 0 r ∂ r2 r 2 ℏ2 −ℏ 2 2 2 e2 − r H = − Ne − N e− r r 2 4 0 r ∞ 2 ∞ 〈∣H 〉=∫ ∫ ∫ H r sin d r d d =∫ 0 0 0 * 2 ∞ 0 [ −ℏ 2 2 ∞ 2 −ℏ2 2 2 ℏ2 e 2 −2 r = N 4 ∫ r e dr 2− N 2 4 ∫ r e−2 r d r = 2 2 4 0 0 0 ] 2 2 e − − N 2 e−2 r 4 r 2 d r r 4 0 r 2 2 2 −ℏ2 2 2 ℏ2 −ℏ2 2 ℏ 2 2 e 1 e 2 2 2 2 = N 4 2− N 4 = N N − N 2 2 4 0 2 2 4 0 23 2 22 146 〈∣H 〉 = E = 〈∣ 〉 ℏ2 e2 1 − N2 2 4 0 N 2 2 ℏ e2 2 = − 2 4 0 3 Nun suchen wir das Minimum für den Energieerwartungswert als Funktion von η. ∂ E ℏ2 e2 = − =0 ∂ 4 0 e2 = 4 0 ℏ 2 Einsetzen von η in Eη ergibt dann 2 e e2 1 E = − =− =−E 0 2 4 0 2 ℏ 4 0 2 a 0 2 e2 1 E0 = = 13,6 eV = 1 Ry 4 0 2 a 0 ℏ2 4 0 a0 = = 0,529177⋅10−10 m 2 e Da wir die korrekte r Abhängigkeit der Wellenfunktion „erraten“ haben, erhalten wir auch die korrekte Energie des Grundzustandes. Jede andere Testfunktion liefert eine größere Energie. 147 16.2 Störungsrechnung Grundidee: Angenommen die Schrödingergleichung für ein kompliziertes System ist nicht mehr exakt lösbar, aber ein etwas einfacheres System durch Vernachlässigen von Termen ist lösbar. Dann können wir diese Eigenwerte und Eigenfunktionen nutzen und den Fehler durch die vernachlässigten Terme durch „Störung“ dieser exakten Eigenwerte und Eigenfunktionen teilweise beheben. Im allgemeinen muss der Beitrag der Störung klein sein, damit wir gute Näherungen erhalten. Man unterscheidet zeitunabhängige und zeitabhängige Störungsrechnung. Weiterhin muss man zwischen entarteten und nichtentarteten Fällen unterscheiden. 148 16.2.1 zeitunabhängige Störungsrechnung: nichtentarteter Fall Wir betrachten einen Hamiltonoperator der zerlegt werden kann in einen bekannten Teil H0 und eine Störung V. H = H 0 V Für λ=1 ist das unser zu lösendes Problem, für λ=0 erhalten wir das ungestörte Problem mit der uns bekannten Lösung. H 0 V =E H 0 n 0=E n 0n 0 n 0=∣n 〉 E n 0= n Wir entwickeln nun die gesuchten Energien E(λ) und Wellenfunktionen ψ(λ) nach Potenzen von λ. Das ist effektiv eine Entwicklung nach Potenzen der Störung V. Da V im allgemeinen ein Operator ist, ist eine direkte Entwicklung des Störpotenzials nicht ohne weiteres möglich. ∞ E n =n ∑ E n =1 ∞ n =∣n 〉 ∑ ∣ n 〉 =1 149 Zur Bestimmung der Korrekturen setzen wir die Potenzreihe in den ursprünglichen Hamiltonoperator ein und sortieren nach Potenzen von λ. : 0 : 1 : 2 = n∣ n 〉 〉V ∣ n 〉 = n ∣ n H 0∣ n 〉 1 H 0 ∣n 2 H 0 ∣ n 1 〉 V ∣ n 〉 = 1 〉 E n ∣ n 〉 2 〉 E n ∣ n 〉 E n ∣ n 〉 n ∣ n 1 1 1 2 ⋮ Das ist eine Hierachie von Gleichung, deren sukzessive Lösung immer mehr Korrekturen höherer Ordnung gibt. Die gesuchte Lösung unseres Problemes erhalten wir durch Einsetzen λ=1. 2 3 4 E n 1≈n E1 E E E n n n n 1 2 3 4 ∣n 1 〉≈∣n 〉∣n 〉∣n 〉∣n 〉∣n 〉 Sofern diese Entwicklung konvergiert, haben wir eine Lösung gefunden. Wenn V hinreichend klein ist, können bereits die ersten Korrekturterme eine gute Näherungslösung darstellen. 150 Berechnung der Korrekturen erster Ordnung En(1). Der Zustand |ψn(1)> kann in der Basis der Eigenzustände von H0 dargestellt werden. 1 ∣1 〉= a ∑ n m∣m 〉 n m 1 1 H 0∣1 n 〉V ∣n 〉 = n∣ n 〉 E n ∣n 〉 Einsetzen in ergibt 1 1 H 0 ∑ a 1 n m∣m 〉V ∣n 〉 = n ∑ a n m∣m 〉 E n ∣n 〉 m m ∑ n−m an1m∣m 〉 E 1 n ∣n 〉=V ∣n 〉 m Nun können wir weiterhin ausnutzen, dass die Eigenzustände von H0 orthonormal sind. Das Skalarprodukt von links mit einem Zustand <k| ergibt dann: 〈 k∣∑ n − m an1m∣m 〉〈 k∣E n1∣n〉=〈 k∣V ∣n〉 m ∑ n −m an1m k m E n1 k n=〈 k∣V ∣n〉 m 1 n − k a 1 n k E n k n =〈k∣V ∣n 〉 Für k=n erhalten wir E 1 n =〈n∣V ∣n 〉 151 Für k≠n erhalten wir 1 ank = 〈k∣V ∣n〉 n −k n≠k Wir müssen hier die Nichtentartung der ungestörten Zustände, also εk ≠ εn voraussetzen. Damit erhalten wir die Korrekturen 1. Ordnung für die Wellenfunktion. 〈m∣V ∣n 〉 ∣m 〉 a 1n n∣n 〉O 2 m≠n n − m 2 n =∣n 〉 ∑ a 1 n k ∣m 〉O = ∣n 〉 ∑ m Der Ausdruck für ann(1) ist noch unbestimmt. Man kann zeigen (siehe Fließbach S. 297), dass dieser Koeffizient rein imaginär sein muss. Das entspricht einer Phase, die keine physikalische Bedeutung besitzt und die Null gesetzt werden kann. Damit verschwindet dieser Term. 〈 m∣V ∣n〉 ∣m 〉O 2 m≠n n −m n = ∣n 〉 ∑ 152 Korrekturen 2. Ordnung erhalten wir auf ähnliche Weise ∣n 〉=∑ a n m∣m 〉 2 2 m Durch Einsetzen in die Gleichungen für λ2 erhalten wir 1 2 H 0∣n2 〉V ∣n1 〉 = n∣n2 〉E 1 n ∣n 〉 E n ∣n 〉 1 2 1 a ∣m 〉E ∣n 〉= V a ∑ n−m an2m∣m 〉∑ E 1 ∑ n nm n n m∣m 〉 m m m Das Skalarprodukt von links mit einem Zustand <k| ergibt dann ∑ n −m an2m k m∑ E n1 an1m k m E n2 k n=∑ an1m 〈k∣V ∣m 〉 m m m 2 1 1 2 1 n − k a n k E n a n k E n k n =∑ a n m 〈 k∣V ∣m〉 m Für k=n erhalten wir die Energiekorrektur zweiter Ordnung (ann(1)=0). E =∑ a 2 n m 1 nm 〈n∣V ∣m〉 〈n∣V ∣m〉 = ∑ 〈n∣V ∣m 〉 = − m , m≠n n m Für k≠n erhalten wir die Koeffizienten ank(2). ∣〈n∣V ∣m 〉∣2 ∑ − m ,m≠ n n m 153 Zusammenfassung: Die 1. Ordnung in der Energie εn+<n|V|n> = <n|H0+V|n> = <n|H|n> ist der Energieerwartungswert des ungestörten Zustandes, also des Zustandes in 0. Ordnung. Die Korrekturen 1. Ordnung in der Wellenfunktion (Zustand) ergeben die Korrekturen 2. Ordnung in der Energie. ∣〈 n∣V ∣m 〉∣2 E n ≈ n 〈 n∣V∣n 〉 ∑ n −m m , m≠n ∣n 〉 ≈ ∣n 〉 〈 m∣V ∣n 〉 ∣m 〉 − m , m≠n n m ∑ Eine notwendige Bedingung für die Gültigkeit der Näherung ist, dass die Korrektur zum ungestörten Zustand klein ist: ∣ ∣ 2 〈n∣V∣m 〉 ≪1 n −m Das Verfahren kann problemlos für immer höhere Ordnungen benutzt werden. 154 16.2.2 zeitunabhängige Störungsrechnung: entarteter Fall Wir nehmen nun an, dass N≥2 Zustände denselben Energiewert ε haben. H 0 ∣ 〉= ∣ 〉 =1, 2, N Eine Störung führt in entarteten Systemen nicht nur zu einer Verschiebung der Energie, sondern im allgemeinen auch zu einer (zumindest teilweisen) Aufhebung der Entartung, also zu einer Aufspaltung der Niveaus. Typische Beispiele sind der Stark-Effekt (Aufspaltung der Niveaus im elektrischen Feld) oder der Zeeman-Effekt (Aufspaltung im magnetischen Feld). Für entartete Zustände ist eine beliebige Linearkombination der entarteten Zustände ebenfalls ein Eigenzustand von H0. Durch die Störung mischen die entarteten Zustände, so dass nur bestimmte Linearkombinationen eine Aufspaltung stattfindet. Die Aufspaltung hängt von der Störung V und der Symmetrie im Raum ab. 155 Um das Mischen der entarteten Zustände zu berücksichtigen, starten wir mit N ∣ 〉= ∑ c ∣ 〉 ∑ a k ∣k 〉O 1 =1 2 k ≠ 2 E = E 1 O Wobei k≠α bedeutet, dass die Summe nicht über die entarteten Zustände läuft. Einsetzen in den Hamiltonoperator ergibt N N =1 =1 2 H 0 V ∣ 〉=∑ c H 0∣ 〉 ∑ c V ∣ 〉 ∑ a1 H ∣k 〉O = k 0 N = ∑ c ∣ 〉 E =1 1 k ≠ N ∑ c∣ 〉 ∑ a k ∣k 〉O 1 =1 2 k ≠ In der 0. Ordnung ist die Gleichung per Definition erfüllt. Die Energiekorrektur in 1. Ordnung ergibt sich durch Skalarprodukt von links mit einem Zustand <β| aus dem Satz der entarteten Zustände ( <β|k>=0, da k> kein entarteter Zustand ist. N N N =1 =1 =1 ∑ c 〈∣V∣ 〉= E 1 ∑ c 〈 ∣ 〉= E 1 ∑ c = E 1 c 156 Die Lösung dieses Gleichungssystemes ergibt die Korrektur 0. Ordnung für die Wellenfunktion und 1. Ordnung in der Energie. Wir können das Gleichungssystem auch als Matrixeigenwertproblem schreiben, mit <α|V|β> = Vαβ für die Matrixelemente V 11 V 21 ⋮ V N1 V 12 V 22 ⋮ V N2 ⋯ ⋯ ⋱ ⋯ V 1N V 2N ⋮ V NN c1 c2 = E 1 ⋮ cN c1 c2 ⋮ cN Wenn die Störung V ein hermitescher Operator ist, ist auch die Matrix hermitesch. Daher erhalten wir als Lösung N orthogonale Eigenvektoren c und N Eigenwerte EN(1). 157