5. Diskussion

Werbung
5. Diskussion
5.1. Relaxin
5.1.1. Struktur
Eines der Ziele dieser Arbeit war die Klonierung und Analyse von Relaxin cDNA-Sequenzen in
Spezies, bei denen die Sequenzen bisher noch nicht bekannt waren. Die Relaxin cDNA-Sequenzen
aller hier untersuchten Tierspezies ergaben ein einziges Amplifikationsprodukt. Alternative SpliceProdukte, wie sie für das H1- und H2-Relaxin beim Menschen und dem C2-Relaxin des
Chimpansen nachgewiesen wurden (Gunnersen et al., 1996), waren nicht detektierbar. Die aus den
ermittelten Nukleinsäuresequenzen abgeleiteten Peptidsequenzen zeigten in der Reihenfolge vom N´zum C´-Terminus die typische Untergliederung in ein Signalpeptid sowie eine B-, C- und ADomäne. Die Positionen der Cysteine für die Ausbildung der beiden Cystinbrücken zwischen der Aund B-Domäne sowie der Cystinbrücke innerhalb der A-Domäne waren bei allen ermittelten
Relaxinen der unterschiedlichen Tierspezies hochkonserviert. Neben den Cysteinen sind die beiden
Glycine der B- (GlyB24) und der A-Domäne (GlyA14) wichtig für eine korrekte Konformation und die
Bioaktivität des Relaxins (Büllesbach et al., 1992). Sowohl GlyB24 als auch GlyA14 waren in allen
untersuchten Relaxinmolekülen konserviert.
Die B-Domänen aller klonierten Relaxinsequenzen beinhalteten ein Rezeptorbindungsmotiv, wobei
bei den in der vorliegenden Arbeit untersuchten Spezies nur das Relaxin des Dromedars das
klassische -GRELVR- Motiv besaß. Hochkonserviert waren das initiale Glycin (G) und die beiden
Arginine (R), die für die Interaktion mit dem Rezeptor (Büllesbach et al., 1992) sowie für die
Bindung des Relaxinantiserums R6 (Büllesbach et al., 1996) essentiell sind. Die anderen drei
Aminosäurepositionen (ELV) unterlagen einem geringeren evolutionsbiologischen Druck. Nicht die
Anwesenheit einer bestimmten Aminosäure, sondern die physikochemischen Eigenschaften ihrer
Seitenketten waren hier entscheidend. Mit Ausnahme des Sandtigerhaies (Gowan et al., 1981) und
der Ratte (John et al., 1981), die in der Position der Glutaminsäure (E) ein unpolares Glycin besitzen,
enthielten die hier vorgestellten Relaxinsequenzen wie die Rezeptorbindungssequenzen der Relaxine
anderer Spezies (Sherwood, 1994) in gleicher Position die polare, saure Glutaminsäure oder
Asparaginsäure. Ausnahme waren die beiden Relaxinsequenzen von Galago crassicaudatus und
des Lemuren Varecia variegata rubra, die in dieser Position die basische Guanidinogruppe eines
weiteren Arginins aufwiesen. Während somit in dieser Position Polarität das entscheidende Kriterium
zu sein scheint, ist es bei den folgenden beiden Positionen die Anwesenheit einer Aminosäure mit
92
hydrophober Seitenkette. Im Unterschied zum Orang Utan und dem Gorilla, bei denen vermutlich
eines ihrer beiden Relaxine nicht funktional ist (Evans et al., 1994), lassen die Aminosäuresequenzen
der Rezeptorbindungsmotive aller hier vorgestellten Relaxine eine funktionelle Interaktion mit ihrem
Rezeptor vermuten.
Die ermittelten Präprorelaxinsequenzen von Hund, Katze, Dromedar und der beiden
Halbaffenspezies besaßen im N-Terminus der B-Domäne mit Alanin eine potentielle enzymatische
Prozessierungsstelle für die Abspaltung des Signalpeptids (von Heijne 1986; 1983). Im equinen
Präprorelaxin war Alanin durch Lysin ersetzt, was eine Prozessierung durch ein Enzym mit Trypsinartiger Wirkung vermuten läßt (Stryer, 1990). Am Übergang von der B- zur C-Domäne enthielten
alle ermittelten Relaxinsequenzen ein Arginin, mit Ausnahme des Lysins bei der equinen Sequenz.
Koexpression der Subtilisin-artigen Serinprotease Prohormon-Convertase-1 mit dem humanen H2Prorelaxin in der humanen Nierenzellinie 293 haben gezeigt, daß Prohormon-Convertase-1 an dieser
Arginin-Position das H2-Prorelaxin enzymatisch spaltet (Mariott et al., 1992). In Übereinstimmung
mit den Prorelaxinen des Schweines (Haley et al., 1982), der Ratte (Hudson et al., 1981), des
Hamsters (McCaslin and Renegar, 1994), des Wallabys (Parry et al., 1997) und des H2-Relaxins
(Hudson et al., 1983) zeigten die Prorelaxine von Hund, Pferd, Dromedar und den beiden Halbaffen
am Übergang der C- zur A-Domäne mit -RKKR- das klassische enzymatische Motiv für Furin
(Watanabe et al., 1993; Yanagita et al., 1993). Das Prorelaxin des Meerschweinchens (Lee et al.,
1992) und des humanen H1-Relaxins (Hudson et al., 1984) besitzen einen Austausch zu Glutamin
bzw. Prolin für das Arginin in erster Position. Katzenprorelaxin zeigte eine Substitution in der zweiten
Position von Lysin nach Isoleucin, während der Rhesusaffe (Crawford et al., 1989) und der
Marmoset (Einspanier et al., 1997) an gleicher Stelle einen konservativen Austausch von Lysin nach
Arginin enthalten. Diese Aminosäure-Austausche sind vermutlich funktionell unbedeutend und stellen
eine Art evolutionsbiologisches „Grundrauschen“ dar. In allen hier untersuchten Spezies ist eine
enzymatische Prozessierung der Präprorelaxine zu sekretierten Relaxinen anzunehmen.
Alle Versuche, Relaxin in domestizierten Wiederkäuern zu klonieren, waren erfolglos und haben zu
der Vorstellung geführt, daß Wiederkäuer kein funktionales Relaxin exprimieren (Hartung et al.,
1995). Das Präprorelaxin des Dromedars ist das erste in Wiederkäuern klonierte und mit 200
Aminsäuren bislang größte Relaxin. Mit 122 Aminosäuren besaß das Prorelaxin des Dromedars die
längste bislang beschriebene C-Domäne. Verantwortlich hierfür war das nur im Prorelaxin dieser
Spezies beschriebene repetitive Aminosäuremotiv (-RPAP)3-(K/RPAL-)2 im N-Terminus der C93
Domäne. Ob es sich hierbei um ein nur im Dromedar-Relaxin vorkommendes Aminosäuremotiv
handelt oder diese Sequenz typisch für Relaxine andere Wiederkäuer ist und daher für die
Klonierung solcher Relaxine genutzt werden kann, wird derzeit untersucht. Die Länge der CDomänen der Prorelaxine aller übrigen hier klonierten Relaxine war vergleichbar zu bereits
bekannten Relaxin-Sequenzen. Die Prorelaxine der beiden Halbaffenspezies sowie das des Pferdes
besaßen wie das Wallaby (Parry et al., 1997) eine C-Domäne von 109 Aminosäuren. Mit einer
Länge von 93 und 98 Aminosäuren waren die C-Domänen der Prorelaxine von Hund bzw. Katze
kürzer als die C-Domänen von Meerschweinchen (Lee et al., 1992) und Maus (Evans et al., 1993)
mit 102 Aminosäuren, von Schwein (Haley et al., 1982), H1-und H2-Relaxin (Hudson et al., 1983;
1984) und Marmoset (Einspanier et al., 1997) mit 104 Aminosäuren oder der C-Domäne des
Ratten-Prorelaxins mit 105 Aminosäuren (Hudson et al., 1981).
Der Mensch (Crawford et al., 1984) und die Menschenaffen besitzen zwei nichtallele Gene für
Relaxin (Hudson et al., 1983), die vermutlich durch Genduplikation nach der evolutionären Trennung
der Hominoiden entstanden sind. Der Rhesusaffe (Crawford et al., 1989) sowie die hier untersuchte
Galago-Spezies G. crassicaudatus enthielten wie das Schwein (Haley et al., 1982), das Pferd (Min
et al., 1996) und das Wallaby (Parry et al., 1997) nur ein Gen für Relaxin. Der Nachweis nur eines
PCR-Amplifikates bei Dromedar, Hund und Katze sowie einer Relaxin mRNA einheitlicher Größe
bei den untersuchten Carnivoren macht auch in diesen Spezies die Existenz nur eines Relaxingenes
wahrscheinlich.
Wie beim Schwein (Haley et al., 1987), der Ratte (Hudson et al., 1981), der Maus (Evans et al.,
1993) und dem Meerschweinchen (Lee et al., 1992), ergaben die Northern Analysen ein einziges
Relaxin Transkript von 1 kb für das Pferd, den Hund und die Katze. Zusätzliche größere Relaxin
Transkripte, wie sie beim Pferd (Min et al., 1996), der Maus (Evans et al., 1993) und dem
Menschen (Hudson et al., 1984) beschrieben sind, waren nicht detektierbar. In Übereinstimmung mit
Untersuchungen zur molekularen Evolution des Cytochrom b (Yoder et al., 1996a) deuten auch die
bis auf ein Nukleotid identischen Präprorelaxin cDNA Sequenzen der Halbaffenspezies G.
crassicaudatus und V. variegata rubra auf eine enge Verwandschaft zwischen beiden Spezies hin.
Die auf Madagaskar endemischen Lemuren haben mit den in Afrika und Asien heimischen
nachtaktiven Lorisoidae einen gemeinsamen afrikanischen monophyletischen Ursprung (Yoder et al.,
1996b; Rumpler et al., 1986). Die unerwartet hohe Konservierung der beiden Präprorelaxine könnte
Ergebnisse phylogenetischer Studien unterstützen, die eine Mitgliedschaft des Genus Varecia in der
94
Familie der Lemuroidae anzweifeln und Varecia als einen phyletisch primitiveren Genus ansehen
(Macedonia und Stanger, 1994). Das Phylogramm für die Präprorelaxinen beider Halbaffenspezies
zeigte im Unterschied zu den Präprorelaxin-Sequenzen der Alt- und Neuweltaffen eine hohe
Frequenz an Aminosäure-Substitutionen. Ursache hierfür ist eine vornehmlich durch DNAReplikationfehler bedingte (Li et al., 1996) erhöhte molekulare Variabilität in beiden phylogenetisch
alten Familien der Lorisoidae und Lemuroidae, die vor allem innerhalb der letzten 25 Millionen Jahre
mit der Entwicklung der Hominoiden stark abgenommen hat (Fracasso und Patarnello, 1998;
Goodman et al., 1990; Koop et al., 1989).
5.1.2. Mögliche Rolle des Relaxins im Ovar
In der vorliegenden Studie gelang zum ersten Mal der Nachweis von Relaxin im Ovar des Pferdes
und des Dromedars. Das Pferd besitzt ein invertiertes Ovar mit einer im Zentrum gelegenen Cortex
und einer umgebenden Medulla. Der equine Follikel muß während seiner Wanderung zum Ort der
Ovulation, der Ovulationsfossa (Ginther, 1992; Stabenfeldt et al., 1975), ein dichtes kollagenes
Bindegewebe sowie eine straffe Tunica albuginea durchdringen. Matrix-Metalloproteinasen (MMP)
und ihre Inhibitoren sind im Ovar des Menschen (Reich et al., 1991), der Ratte (Hirsch et al., 1993),
der Maus (Curry et al., 1989) sowie des Pferdes (Song et al., 1999) nachgewiesen worden. Relaxin
moduliert die Synthese und Sekretion von Prokollagenase und Kollagen in humanen dermalen
Fibrozyten (Unemori et al., 1993, 1992; Unemori und Amento, 1990), von Kollagen in KaninchenChondrozyten (Bonaventure et al., 1988) und induziert die Sekretion spezifischer MMP in Zellen der
humanen Fetalhäute kurz vor der Geburt (Qin et al., 1998 a+b). Im Ovar bewirkt Relaxin einen
verstärkten Kollagenabbau in der Follikelwand (Norström und Tjugum, 1986), stimuliert die
Sekretion von Gelatinasen in kultivierten Granulosa- und Theka interna-Zellen (Hwang et al., 1996)
und induziert spezifisch die Ovulation im in-vitro perfundierten Rattenovar (Brännström und
MacLennan (1993). Der Nachweis verschiedener Isoformen für equines Relaxin (Stewart et al.,
1991) im HPLC-Eluat der Follikelflüssigkeiten sowie die zunehmende Gesamtmenge an Relaxin in
der Follikelflüssigkeit reifender Follikel (Ryan et al., 1997) läßt vermuten, daß immunoreaktives
Relaxin, wie beim nichtträchtigen Schwein (Bryant-Greenwood et al., 1980; Matsumoto und
Chamley, 1980) und dem Menschen (Wathes et al., 1986; Noci et al., 1983), für die Follikelreifung
und -wanderung und Ovulation im Ovar des Pferdes und möglicherweise auch des Dromedars
bedeutsam ist. Im ovariellen Follikel der zyklischen Stute und des trächtigen Dromedars exprimierten
95
die Granulosa- und Theka interna-Zellen immunoreaktives Relaxin (Ryan et al., 1997). Beim
Schwein (Dening-Kendall et al., 1989; Bagnell et al., 1987; Evans et al., 1983) und beim Menschen
(Lee et al., 1991) exprimieren ausschließlich die Theka interna-Zellen des ovariellen Follikels
immunoreaktives Relaxin und Relaxin mRNA (Bagnell et al., 1990a). Ursachen für den fehlenden
Nachweis von Relaxin mRNA in den ovariellen Follikeln des Pferdes und des Dromedars könnten
auf den Einsatz der nicht-radioaktiv markierten cRNA Sonde zurückzuführen sein, die eine geringere
Sensitivität in der Detektion schwach exprimierter Transkripte besitzen sollen (Bathgate et al., 1996).
In Übereinstimmung mit immunhistochemischen Befunden beim Schwein (Bagnell et al, 1989; Ali et
al., 1986) und beim Menschen (Stoelk et al., 1991) exprimierten große Lutealzellen des reifen
Corpus luteum des Pferdes und des Dromedars immunoreaktives Relaxin. Wie beim Schwein
(Bagnell et al., 1993, 1989) und beim Menschen (Stewart et al., 1995; Stoelk et al., 1991; Ivell et
al., 1989) ergab die PCR-Analyse verschiedener Corpus luteum-Stadien der zyklischen Stute die
stärkste ovarielle Relaxin-Genexpession während der Lutealphase. Im Corpus luteum der zyklischen
Stute erfüllt Relaxin lokale auto-/parakrine Funktionen (siehe unten), da im Serum der nichtträchtigen
Stute kein Relaxin im Blut nachweisbar ist (Stewart et al., 1992a; Stewart und Stabenfeldt, 1981).
Kameliden zeigen im Unterschied zu anderen Wiederkäuern eine durch Kopulation induzierte
Ovulation (Chen et al., 1985; Musa und Abusineina, 1978). Wie beim Schwein (Bazer und
Thatcher, 1977) und beim Pferd (Heap et al., 1982) sezerniert der Embryo des Dromedars in den
ersten 10 Tagen nach der Ovulation größere Mengen an Östrogenen und verhindert so die Luteolyse
des Corpus luteum (Skidmore et al., 1994), welche bei steriler Kopulation nach 8-10 Tagen erfolgt
(Marie und Anouassi, 1987). Der Verlauf und die Höhe der Relaxin-Serumkonzentrationen in den
trächtigen Neuweltkameliden-Spezies Lama und Alapaca sind vergleichbar den Werten bei der
trächtigen Stute (Bravo et al., 1996). Im Unterschied zum Pferd, bei dem die Plazenta der
Hauptsyntheseort für Relaxin ist (Klonisch et al., 1995; Stewart und Stabenfeldt, 1981) und ein
intaktes Ovar für den Verlauf der Trächtigkeit nicht essentiell ist, induziert die Gabe des luteolytisch
wirkenden PGF 2α zu jedem Zeitpunkt der Gravidität des Dromedars einen Abort (Skidmore et al.,
1996). Das Corpus luteum ist der Hauptsyntheseort für Relaxin in den ersten 100 Tagen der ca. 380
tägigen Trächtigkeit. Die um den Tag 93 der Gravidität nachgewiesene Induktion der plazentaren
Relaxin-Genexpression fällt zusammen mit einem Abfall der Serumspiegel für Progesteron in dieser
Spezies (Skidmore et al., 1996).
96
Die funktionelle Bedeutung der Relaxin-Expression im Corpus luteum ist nicht bekannt. Wie die
Reifung der ovariellen Follikel geht die zyklische transiente Ausbildung eines Corpus luteum mit der
Neubildung, Reifung und Degeneration von Gefäßen einher (Goede et al., 1998). Frühe Befunde zur
stimulierenden Wirkung einer kombinierten Gabe von Relaxin und Östrogen auf das Gefäßwachstum
im Endometrium kastrierter Makaken (Dallenbach-Hellwig et al., 1966; Hisaw et al., 1967) sind
durch den Nachweis spezifischer Rezeptoren für Relaxin auf humanen endometrialen Zellen
(Osheroff und King, 1995) sowie die Induktion der Expression von VEGF (Vascular Endothelial
Growth Factor) durch Relaxin in diesen Zellen (Unemori et al., 1999) bestätigt worden. VEGF und
die zwei strukturell eng verwandten VEGF-B und VEGF-C werden in ovariellen
Granulosaluteinzellen exprimiert und wirken stark mitogen auf Endothelzellen (Laitinen et al., 1997).
VEGF ist essentiell für die Ausbildung eines funktionstüchtigen Corpus luteum (Ferrara et al., 1998).
Relaxin und VEGF zeigen im Corpus luteum ein vergleichbares räumliches und zeitliches
Expressionsmuster (Klagsbrun und D´Amore, 1991; Redmer und Reynolds, 1996), jedoch ist
derzeit nicht bekannt, ob Relaxin die Expression von VEGF im Säugetierovar induziert.
5.1.3. Möglicher Zusammenhang zwischen Relaxin-Expression und der Invasivität von
Trophoblast-Zellen
Ein weiteres Ziel dieser Arbeit die vergleichende Darstellung der zellulären Lokalisation der neu
klonierten Relaxine in Plazenten mit unterschiedlicher Trophoblastinvasivität. Eine detaillierte
Kenntnis über die Expression von Relaxin in der Plazenta ist ein wichtiger erster Schritt im
Verständnis der physiologischen Bedeutung dieses Hormons für die Gravidität in Spezies mit
plazentarer Relaxin-Expression. Während beim Schwein (Anderson et al., 1973), der Ratte (Golos
et al., 1984), der Maus (Anderson et al., 1984) und dem Menschen (Stoelk et al., 1991) das
Corpus luteum der Hauptsyntheseort für Relaxin ist, übernimmt die Plazenta diese Funktion beim
Pferd (Stewart und Papkoff, 1986), dem Hund (Steinetz et al., 1990; 1989), der Katze (Addiego et
al., 1987), dem Kaninchen (Eldridge und Fields, 1985) und dem Goldhamster (Renegar et al.,
1987). Das Meerschweinchen ist bislang der einziger Vertreter, bei dem die uterinen endometrialen
Drüsen als der Hauptsyntheseort für Relaxin identifiziert wurden (Pardo und Larkin, 1982).
Relaxin ist ein frühes Sekretionsprodukt der Plazenten von Equiden, Hund und Katze. In der
trächtigen Stute ist immunreaktives Relaxin mit einem homologen RIA im Plasma am Tag 80-85
(Stewart et al., 1992) sowie im Blut uteriner Venen und im Plazentagewebe am Tag 65 der ca. 340
97
Tage dauernden Gravidität nachweisbar (Stewart und Papkoff, 1986; Stewart und Stabenfeldt,
1981). Der erstmalige Nachweis von Relaxin-Transkripten im Allantochorion zweier PferdeEmbryonen am Tag 30 der Gravidität deutet auf bislang unbekannte Funktionen des Relaxins
während der Embryonalentwicklung sowie bei embryo-maternalen Interaktionen in dieser Zeit hin
und erfordert weitere Studien.
In der Plazenta des Pferdes und möglicherweise aller Equiden exprimieren fetale Trophoblasten
Relaxin (Klonisch et al., 1997; 1995). In frühen equinen intra- und interspezifischen
Plazentationsstadien konnten Relaxin mRNA und immunreaktives Relaxin bereits am 45-47 Tag der
Gravidität, nur 8-10 Tage nach Beginn der Implantation, in nicht-invasiven fetalen Trophoblasten
nachgewiesen werden (Klonisch et al., 1997).
Wie beim Pferd (Stewart et al., 1992a; Stewart und Stabenfeldt, 1981) wird immunreaktives
Relaxin beim Hund (Steinetz et al., 1989) und bei der Katze (Stewart und Stabenfeldt, 1985) nur
während der Trächtigkeit, nicht aber während des ovariellen Zyklus, einer Pseudogravidität oder bei
männlichen Tieren im peripheren Blut detektiert. Mit einem homologen RIA ist Relaxin bereits kurz
nach Beginn der Implantation am Tag 18 der 60 Tage dauernden Gravidität beim Hund nachweisbar
und erreicht in der sechsten Trächtigkeitswoche mit bis zu 10 µg/ml die höchsten bislang bei allen
Spezies gemessenen Relaxin-Serumspiegel (Steinetz et al., 1996; 1987). Mit Beginn der
endotheliochorialen Plazentation beim Hund bildet sich um den zentral gelegenen Cytotrophoblasten
des fetalen Villus eine Syncytiotrophoblasten-Schicht aus (Barrau et al., 1975). Relaxin wurde als
spezifisches Sekretionsprodukt des multinukleären Syncytiotrophoblasten identifiziert. Auch die H1und H2-Relaxine beim Menschen (Hansell et al., 1991; Sakbun et al., 1990) und das Relaxin-artige
SQ-10 Molekül des Kaninchens (Lee et al., 1995a; Eldridge und Fields, 1986) werden in
Syncytiotrophoblasten exprimiert. Das Präprorelaxin des Goldhamsters wird in trophoblastären
Riesenzellen und dem Spongio-trophoblasten exprimiert (Renegar et al., 1987).
Relaxin hat Einfluß auf zelluläre Differenzierungsprozesse und verstärkt die Östrogen-induzierte
Verhornung des Vaginalepithels bei Mäusen und Ratten (Schink und Struck, 1968). In
tracheobronchialen Epithelzellen des Kaninchens wird die Genexpression von Relaxin in der frühen
Phase der metaplastischen Differenzierung induziert und durch Retinolsäure supprimiert (Bernacki et
al., 1998; Jetten et al., 1992). Der Syncytiotrophoblast, die trophoblastären Riesenzellen und der
Spongiotrophoblast sind terminal differenzierte Zellen (Faria und Soares, 1991). Lee et al. (1995a)
vermuten, daß Relaxin an den Differenzierungsvorgängen zur Ausbildung maternaler Symplasmen
98
während der Plazentation beim Kaninchen (Hoffman et al., 1977) sowie der Bildung von
Syncytiotrophoblasten beteiligt ist. In der trächtigen Katze steigen die Relaxin-Serumwerte am Tag
20 nach der Ovulation, also 6-7 Tage nach Beginn der Implantation (Denker et al., 1978), und
erreichen im heterologen Schweinerelaxin-RIA maximale Serumkonzentrationen um den Tag 35 der
Gravidität (Stewart und Stabenfeldt, 1985). In der Plazenta der Katze wird Relaxin während der 4.
Woche der Trächtigkeit von Cytotrophoblasten exprimiert, da ein Syncytiotrophoblast erst gegen
Ende der Gravidität nachweisbar wird (Boomsma et al., 1991). Auch bei den Altweltprimaten ist
Relaxin ein frühes Sekretionsprodukt während der Gravidität. Im Unterschied zum NeuweltPrimaten Callithrix jacchus (Steinetz et al., 1995) erreicht Relaxin beim Menschen (Stewart et al.,
1990), dem Chimpansen (Steinetz et al., 1992b) und dem Rhesusaffen (Stewart et al., 1993) im
ersten Trimenon die höchsten Serumkonzentrationen. Für die beiden Primaten Galago
crassicaudatus und Varecia variegata rubra liegen derzeit keine Serumwerte für immunoreaktives
Relaxin während der Gravidität vor, doch ist nicht auszuschließen, daß Relaxin auch in diesen
Spezies ein frühes trophoblastäres Sekretionsprodukt ist.
In der epitheliochorialen Plazenta des Dromedars (van Lennep 1963; 1961) zeigte das luminale
uterine Epithel um den Tag 93 der 380 Tage dauernden Gravidität eine auf einzelne uterine
Epithelzellen beschränkte, schwache Expression von Relaxin, die erst in der zweiten Hälfte der
Trächtigkeit stark zunahm. Ein vergleichbares zeitliches Expressionsmuster für Relaxin ist in den
endometrialen Zellen der interplazentaren Areale trächtiger Ratten (Fields et al., 1992), den primären
und
sekundären
fetalen
Trophoblast-Riesenzellen
der
Decidua
capsularis
und
der
Spongiotrophoblast-Schicht sowie den maternalen endometrialen Granulozyten im Goldhamster
(Renegar et al., 1987) und in den endometrialen Drüsen des Meerschweinchens (Bryant-Greenwood
et al., 1991; Larkin und Renegar, 1986; Pardo und Larkin, 1982) beschrieben worden. In der
Plazenta des Dromedars scheinen maternale wie fetale Zellen Relaxin zu exprimieren, da auch
geringe Mengen immunreaktiven Relaxins, nicht jedoch Relaxin mRNA, in kuboidalen Trophoblasten
detektiert wurden.
In den Plazenten des Pferdes und der Katze war Relaxin ausschließlich in nicht-invasiven fetalen
Trophoblasten exprimiert. Das Pferd besitzt eine kurze Phase hoher Trophoblast-Invasivität während
einer ansonsten nicht-invasiven epitheliochorialen Plazentation. Die Implantation erfolgt durch stark
proliferierende Trophoblasten, die sich zwischen dem 25.-35. Tag der Gravidität als konzentrisches
Band, dem Choriongürtel, um den Konzeptus ausbilden (Moor et al., 1975) und das maternale
99
Endometrium am Tag 36-38 der Gravidität invadieren. Diese invadierenden Trophoblasten
differenzieren zu Gonadotropin-sezernierenden endometrialen Cupzellen (Allen et al., 1973; 1972).
Die invasiven Trophoblasten des Choriongürtels sowie die endometrialen Cupzellen zeigten keine
Expression für Relaxin. Im Gegensatz hierzu exprimierten die nicht-invasiven Trophoblasten des
embryonalen
Allantochorions
sowie
die
nicht-invasiven,
kuboidalen
Trophoblasten
der
epitheliochorialen equinen Plazenta Relaxin (Klonisch et al., 1997).
Sowohl die Relaxin-negativen invadierenden equinen Trophoblast-Zellen des Choriongürtels als auch
die endometrialen Cupzellen präsentieren auf ihrer Zelloberfläche immunoreaktive paternale und
maternale Antigene auf Molekülen des Major Histocompatibility Complex (MHC) der Klasse I
(Donaldson et al., 1992). Das inverse Expressionsmuster für MHC Klasse I Moleküle und Relaxin
wurde auch in kleinen Areolae-artigen Ansammlungen nicht-invasiver, elongierter Trophoblasten in
den Plazenten aller drei untersuchten equinen Graviditätstypen identifiziert (Kydd et al., 1991). Die
Differenzierung dieser Trophoblasten folgt somit einem festgelegten Schema und wird nicht beeinflußt
vom Genotyp oder den zellulären immunologischen Abstoßungsreaktionen der Pferdestute gegen den
intrauterinen Eselembryo. Im Dromedar konnten ebenfalls Areolae-Strukturen elongierter, Relaxinnegativer Tropho-blasten identifiziert werden. In der endotheliochorialen Plazenta der Katze waren
Relaxin-negative invadierende Trophoblasten an der Zottenspitze von Relaxin-positiven villösen
Trophoblasten in der lamellären Plazenta (Leiser und Koob, 1993) zu unterscheiden (Klonisch et al.,
1999a). Das Fehlen geeigneter kreuzreaktiver Antikörper hat bislang den Nachweis von MHC
Klasse I Molekülen in diesen Trophoblasten verhindert. Die Lage der Areolae an der Basis der
Mikrokotyledonen gegenüber der Öffnung endometrialer Drüsen läßt vermuten, daß bei Equiden,
und möglicherweise auch beim Dromedar und der Katze, der Fetus mit Hilfe dieser speziell
differenzierten Trophoblasten eine immunologische Toleranz in der Mutter gegenüber den paternalen
Alloantigenen induziert (Klonisch et al., 1997; Bulmer und Johnson, 1985). Trophoblasten der Maus
exprimieren MHC Klasse I (H-2)-Moleküle (Chatterjee-Hasrouni und Lala, 1982; Jenkinson und
Owen, 1980) und Trophoblasten der Ratte präsentieren sowohl polymorphe wie nicht-klassische
MHC Klasse I-Moleküle in der zweiten Hälfte der Gravidität (Kunz et al., 1996; Fowler et al.,
1990; Billington und Burrows, 1989). In der Schwangeren führt der Übergang vom nicht-invasiven
villösen zum extravillösen Trophoblasten mit begrenzter Invasivität zu tiefgreifenden zellulären
Differenzierungsprozeße, die eine Induktion und Abschaltung von Genen beinhalten. Zu den Genen,
deren Transkription während der Invasion verändert wird, zählen neben den nicht-klassischen MHC
100
Klasse I-Moleküle des HLA-G-Genlocus (McMaster et al., 1995; Ellis et al., 1990; Kovats et al.,
1990) auch Intergrin-Untereinheiten (Aplin, 1997; Vicovac et al., 1995; Damsky et al., 1994) sowie
Matrix-Metalloproteinasen und ihre Inhibitoren (Huppertz et al., 1998). Eine Invasions-vermittelte
transkriptionelle Kontrolle des Relaxingenes bei den invadierenden Trophoblasten der Katze und des
equinen chorionischen Gürtels ist denkbar. Das spezifische Expressionsmuster nicht-invasiver
elongierter Trophoblasten in den Plazenten des Pferdes und des Dromedars könnte auf den
fehlenden direkten Zell-Zell-Kontakt zwischen dem luminalen uterinen Epithel und den elongierten
Trophoblasten zurückzuführen sein (Kydd et al., 1991).
Die funktionelle Bedeutung des Relaxins in der Plazenta ist unbekannt. Beim Pferd (Stewart et al.,
1992a), der Katze (Stewart und Stabenfeldt, 1985), dem Hund (Steinetz et al., 1996) und dem
Menschen (MacLennan et al., 1986) sind niedrige Serumkonzentrationen immunoreaktiven Relaxins
während der Gravidität mit Komplikationen bei der Gravidität assoziiert. Auch in der Hündin und in
Katzen mit einer Taurin-Mangeldiät signalisieren fallende Relaxin-Serumwerte während der
Gravidität eine plazentare Insuffizienz mit drohendem Abort (Dieter et al., 1988; Steinetz et al.,
1996). Im Pferd (Stewart und Papkoff, 1986) und vermutlich auch beim Hund und bei der Katze
wird Relaxin nicht in großen Mengen in der Plazenta gespeichert. Da die Plazenta dieser Spezies der
Hauptsyntheseort für Relaxin ist (Klonisch et al., 1995; 1999 a+b; Addiego et al., 1987; Steinetz et
al., 1996), spiegeln die peripheren Serumwerte für Relaxin während der Trächtigkeit die zunehmende
Anzahl und Größe der für den feto-maternalen Stoff- und Gasaustausch notwendigen plazentaren
Strukturen sowie eine zunehmende trophoblastäre Masse wider. Die Trophoblasten der
Eselembryonen in den extraspezifischen Graviditäten exprimierten Relaxin, obwohl eine starke
zelluläre Immunantwort die Ausbildung von Mikrokotyledonen verhinderte und so den Abort
herbeiführte (Klonisch et al., 1997). Der Abfall der Relaxin-Serumkonzentrationen in der
abortierenden Stute ist somit durch eine ungenügende Ausbildung von Mikrokotyledonen und nicht
durch das Versiegen der Relaxin-Expression in den Trophoblasten bedingt.
Relaxin besitzt wachstumsfördernde Wirkung auf uterines, zervikales und vaginales Gewebe der
Ratte (Burger und Sherwood, 1995; Vasilenko und Mead, 1987) sowie auf zervikales Gewebe des
Schweines während der späten Phase der Gravidität (O´Day et al., 1989). In der humanen
Brustkrebszellinie MCF-7 bewirkt Relaxin abhängig von den eingesetzten Konzentrationen in-vitro
eine Proliferation oder Differenzierung (Bani et al., 1994; Sacchi et al., 1994). Für die Ausbildung
eines laktierenden Brustdrüsengewebes mit ausdifferenzierter Brustwarze ist Relaxin essentiell bei der
101
Maus (Zhao et al., 1999; Bani et al., 1986; 1985), der Ratte (Hwang et al., 1991) und dem Schwein
(Hurley et al., 1991). In den Plazenten aller hier untersuchten Spezies war Relaxin in solchen
plazentaren Strukturen exprimiert, die für den feto-maternalen Gas- und Stoffaustausch wesentlich
sind und während der Gravidität großen strukturellen Veränderungen unterliegen. Im
Zusammenwirken mit Östrogen und Progesteron bewirkt Relaxin eine Vasodilatation (Bani et al.,
1988; Bigazzi et al., 1986) und beeinflußt so die uteroplazentare Zirkulation während der frühen
Gravidität beim Menschen (Jauniaux et al., 1994). Der Nachweis einer intensiven Vaskularisation im
Bereich des Relaxin-exprimierenden trophoblastären Syncytiums im plazentaren Labyrint des
Hundes läßt vermuten, daß Relaxin nicht nur in humanen endometrialen Zellen, sondern auch in der
Plazenta anderer Spezies die Expression von VEGF (Unemori et al., 1999) oder strukturell
verwandter Moleküle mit mitogener Wirkung auf das Gefäßendothel (Desai et al., 1999) induziert
und so indirekt Einfluß auf den feto-maternalen Stoffaustausch nimmt.
5.2. Relaxin-like Faktor
5.2.1. Struktur
Vergleichbar den RLF-Molekülen des Schweines (Adham et al., 1993), des Menschen (Burkhardt
et al., 1994a+b), der Maus (Pusch et al., 1996) sowie der Primatenspezies Callithrix jacchus
(Marmoset; Zarreh-Hoshyari-Khan et al., 1999) zeigten die hier vorgestellten RLF-Sequenzen der
Ziege, des Damwildes und des Galago crassicaudatus die bereits vom Relaxin bekannte
Untergliederung
in
ein
Signalpeptid,
eine
B-,
C-
und
A-Domäne.
Rezeptorbindungssequenz -RALVR- war mit Ausnahme der Maussequenz
Die
potentielle
(-RTLVR-; Pusch et
al., 1996) bei allen RLF-Sequenzen identisch. Das für die Rezeptor-bindung ebenfalls wichtige
Tryptophan in Position 27 der B-Domäne sowie die unmittelbar davor gelegene Peptidsequenz CGGP-, die für die korrekte Positionierung des Tryptophans wichtig erscheint, waren in allen RLF
Sequenzen konserviert (Büllesbach und Schwabe, 1999). Hiermit erfüllen die neu klonierten RLFMoleküle von Ziege, Damwild und G. crassicaudatus wichtige strukturelle Voraussetzungen für die
Rezeptorbindung und Bioaktivität. Eine RLF-Splice-Mutante, die für ein trunkiertes RLF beim
Marmoset nachgewiesen wurde (Zarreh-Hoshyari-Khan et al., 1999), konnte bei den hier
untersuchten Tierspezies nicht detektiert werden.
Ein Vergleich der ermittelten cDNA- und Proteinsequenzen für die RLF Moleküle der Ziege und des
Damwildes mit den bereits bekannten RLF Sequenzen vom Rind (Bathgate et al., 1996) und Schaf
102
(Roche et al., 1996) zeigte, daß innerhalb der Familie der Bovidae das RLF Molekül
hochkonserviert ist. Dies läßt eine ähnliche enzymatische Prozessierung der RLF Moleküle vermuten,
die möglicherweise, wie beim Marmoset-RLF im Baculovirus-Expressionssystem (Zarreh-HoshyariKhan et al., 1999), zur Sekretion des RLF führt.
Die Klonierung der cDNA Sequenz für das RLF des Halbaffen Galago crassicaudatus erlaubte
eine erste phylogenetische Betrachtung zur molekularen Evolution des RLF bei Primaten. Die
Trennung der Halbaffen (Strepsirhinae) von den anthropoiden Primaten (Haplorhinae) erfolgte vor
ca. 55 Millionen Jahren und die Abspaltung der Neuwelt- (Platyrrhinae) von den Altweltaffen
(Catarrhinae) vor etwa 35 Millionen Jahren (Yoder et al., 1996b; Johnson et al., 1996). Wie beim
Relaxin ließ das RLF-Phylogramm die Vermutung zu, daß die RLF-Sequenz von G. crassicaudatus
mit dem humanen und Marmoset-RLF verwandt ist und eine eigenständige molekulare Evolution
durchlaufen hat. Im Unterschied zum Präprorelaxin weist die RLF-Sequenz von G. crassicaudatus
jedoch im Vergleich zu den beiden Primaten Mensch und Marmoset sowie anderen Spezies weniger
Aminosäure-Substitutionen auf. Dies bedingt eine begrenzte molekulare Variabilität und betont die
Bedeutung der Struktur für die RLF-Bioaktivität.
Die Southern-Analysen ergaben, daß im Genom der Ziege, des Damwildes und des G.
crassicaudatus nur eine Kopie für das RLF-Gen existiert. Der Mensch, das Schwein und die Maus
besitzen ebenfalls nur ein RLF-Gen, welches, wie das Relaxin, aus zwei Exonen und einem Intron
aufgebaut ist (Zimmermann et al., 1997; Burkhardt et al., 1994a). Im Unterschied zu den humanen
Relaxingenen, die auf dem kurzen Arm von Chromosom 9 lokalisiert sind (Crawford et al., 1984),
liegt das humane RLF-Gen auf dem kurzen Arm von Chromosom 19 (Burkhardt et al., 1994b). Der
Homologievergleich für die hier klonierten RLF cDNA Moleküle identifizierte neben bereits
bekannten RLF-Sequenzen auch eine Splicemutante der intrazellulären Janus Protein Tyrosinkinase
JAK-3. JAK-3 ist essentiell für die Entwicklung des lymphatischen Systems (Nosaka et al., 1995)
und an Signaltransduktionsprozessen der IL-2-, IL-4-, IL-7-, IL-9- und IL-15-Rezeptoren beteiligt
(Yin et al., 1995; Johnston et al., 1994; Zeng et al., 1994; Witthuhn et al., 1994). Die Analyse der
genomischen Struktur des JAK-3 Genes hat innerhalb des Exon 23 zur Identifizierung eines weiteren
Introns geführt, welches das Exon 23 unterteilt und die beiden RLF-Exone beinhaltet (Koskimies et
al., 1997). Exon 23B des JAK-3 Genes und Exon II des RLF Genes nutzen die gleiche AkzeptorSplice-Verbindung und dies erklärt den Einbau des RLF-Exons II anstelle des JAK-3-Exons 23B in
das JAK-3-Transkript. JAK-3-RLF-Splice Mutanten sind beim Menschen (Safford et al., 1997)
103
und der Maus (Koskimies et al., 1997) beschrieben worden. Die Kinase-defiziente JAK-3-RLF
Splice-Mutante wird im hämatopoetischen System und in epithelialen Karzinomen exprimiert (Lai et
al., 1995) und unterscheidet sich im Expressionsspektrum vom RLF. Über die Funktion dieser
Splice-Mutante ist nichts bekannt.
5.2.2. Hoden
Die hier untersuchten Tierspezies zeigten eine spezifische Expression des RLF-Genes in testikulärem
Gewebe und stimmen mit Befunden zur RLF-Expression im Hoden anderer Spezies überein (ZarrehHoshyari-Khan et al., 1999; Bathgate et al., 1996; Pusch et al. 1996; Burkhardt et al., 1994a). Im
Nebenhoden von Ziege und Damwild konnten keine RLF-Transkripte detektiert werden, obwohl
RLF mRNA im Nebenhoden der Maus und des Rindes nachgewiesen wurde (Bathgate et al., 1996;
Pusch et al., 1996). Im normalen adulten Hoden von Ziege, Damwild und G. crassicaudatus wurde
das RLF-Gen spezifisch in testikulären Leydig Zellen exprimiert. RLF ist ein Marker für Leydig
Zellen im menschlichen Hoden (Ivell et al., 1997b) und die konstitutiv exprimierte RLF-mRNA
macht im adulten bovinen Hoden etwa 5% aller Trankripte aus (Bathgate et al., 1996). Die Leydig
Zellen-spezifische testikuläre Transkription des RLF-Genes wird von einem unmittelbar vor dem
Beginn der transkriptionellen Startposition gelegenen 0,7 kb langen DNA-Abschnitt mit PromoterFunktion gesteuert (Koskimies et al., 1997). Im Hoden der Ratte und der Maus wird das RLF-Gen
entwicklungsabhängig exprimiert (Balvers et al., 1998; Zimmermann et al., 1997; Pusch et al.,
1996). Erste RLF-Transkripte werden am Tag 13,5 p.c. in den fetalen Testes der Maus
(Zimmermann et al., 1997) detektiert, wenn sich die interstitiellen testikulären Leydig Zellen
differenzieren und erstmals vom tubulären System abgrenzbar werden (Rugh, 1990). Am Tag 14 p.c.
beginnen mit der Teilung der Typ A-Spermatogonien erste Schritte der Spermatogenese im
Maushoden (Rugh, 1990), die eine mögliche Funktion für RLF in dieser frühen Phase der
Spermatogenese vermuten lassen. Hierfür spricht auch die gestörte Spermatogenese in Mäusen mit
inaktiviertem RLF-Gen (Adham et al., 1997). Im menschlichen Fetus sind interstitielle, testikuläre
Leydig Zellen erstmals in der achten Schwangerschafts-woche nachweisbar und beginnen,
vergleichbar den differenzierenden fetalen Leydig Zellen der Maus und der Ratte am Tag 13.5 der
Gestation (Rugh, 1990; Magre und Jost, 1984), Testosteron zu sezernieren (Lejeune et al., 1998).
Im postnatalen Hoden der Maus und der Ratte steigt die RLF-Transkriptionsrate mit Beginn der
ersten Differenzierungwelle runder Spermatiden in der Spermiogenese und erreicht im adulten Hoden
104
maximale Transkriptionswerte (Zimmermann et al., 1997). Störungen der Spermatogenese haben
keinen Einfluß auf die konstitutive RLF-Expression in Leydig Zellen des adulten humanen Hodens
(Ivell et al., 1997b). In Hyperplasien und Adenomen testikulärer Leydig Zellen hingegen ist RLF nur
in peripheren Tumoranteilen, nicht aber im Zentrum der Neoplasien, nachweisbar (Klonisch et al.,
1999c). In Übereinstimmung mit Düe et al. (1989) exprimierten weniger als 1% der neoplastischen
Leydig Zellen immunoreaktiven Proliferationsmarker Ki-67. Leydig Zellinien testikulärer Leydig
Zelltumoren wie auch präpuberale Leydig Zellen der Maus (Balvers et al., 1998) zeigen ebenfalls
eine verminderte RLF-Expression (Pusch et al., 1996). RLF ist demnach ein Differenzierungsmarker
für adulte testikuläre Leydigzellen (Balvers et al., 1998; Ivell et al., 1997b). Das Expressionsmuster
für RLF in den humanen Leydigzell-Neoplasien scheint eine zentral fortschreitende zunehmende
Regression in einen weniger differenzierten Leydig Zellphänotyp zu beinhalten (Klonisch et al.,
1999c). Die Ursachen für die Dedifferenzierung und Neoplasie der Leydig Zellen sind unbekannt.
Diethylstilböstrol induziert testikuläre Leydig Zelladenome in der Maus über einen parakrinen, LHunabhängigen Mechanismus (Navickis et al., 1981; Huseby, 1980; Huseby und Samuels, 1977). Die
verstärkte Expression von Östrogen- und Progesteronrezeptoren in humanen Leydig Zellen beim
Übergang vom normalen zum hyperplastischen Zustand (Düe et al., 1989) sowie die Fähigkeit der
Leydig Zellen zur Östrogensekretion (Castle und Richardson, 1986) hat zu der Annahme geführt,
daß die erhöhte Expression von Östrogenrezeptoren fördernd auf die Proliferation und
Dedifferenzierung dieser neoplastischen Leydig Zellen wirkt (Düe et al., 1989). Neben diesem
autokrinen Wirkmechanismus ist eine LH-vermittelte Induktion testikulärer Leydig Zellneoplasien in
Nagern und dem Hund nach Gabe von Testosteron-Antagonisten bekannt (Clegg et al., 1997). Die
hypogonadale (hpg) Maus besitzt eine Deletion im hypothalamischen Gen für das Gonadotropinreleasing hormone (GnRH) mit resultierender Gonadotropin-Defizienz und azoospermischen Testes
(Charlton et al., 1983; Cattenach et al., 1977). Testosteron-Serumspiegel in dieser Mausmutante
sind sehr gering und die geringe RLF-Expression deutet an, daß die Leydig Zellen in einem
präpuberalen Differenzierungszustand verharren (Balvers et al., 1998). Im Gegensatz zur murinen
Leydig Zelltumorlinie MA10, die ebenfalls kein Testosteron sezerniert und nur geringe Mengen an
RLF exprimiert (Balvers et al., 1998), bewirkt die Gabe von LH/hCG in der hpg-Maus eine
Differenzierung der präpuberalen testikulären Leydig Zellen mit Induktion der RLF-Expression
(Balvers et al., 1998; Teerds et al., 1989). Eine intakter hypothalamisch-hyphysär-testikulärer
hormoneller
Regelkreis
scheint
somit
wesentlich
105
für
den
geordneten
Ablauf
der
Differenzierungsschritte sowie die RLF-Expression in normalen testikulären Leydig Zellen. Die RLFnegativen humanen testikulären Leydig Zellen im Zentum der Leydig Zellneoplasien sowie die murine
Leydig Zelltumorlinie MA10 scheinen sich aus diesem hormonellen Regelkreis entkoppelt zu haben.
In Spezies wie der Ziege und dem Damwild mit jahreszeitlich wechselnder Reproduktion
verursachen die zugrundeliegenden hormonellen Wechselwirkungen der hypothalamisch-hyphysärtestikulären Achse saisonale Veränderungen im Differenzierungzustand der testikulären Leydig Zellen
(Zayed et al., 1995; Setchell et al., 1991; Friedlander et al., 1984; Thimonier, 1981; Hocherreau-de
Reviers und Lincoln, 1978). Die Expression von RLF im bovinen Hypothalamus (Bathgate et al.,
1996) und der Nachweis spezifischer RLF-Rezeptoren im Gehirn der Maus (Büllesbach und
Schwabe, 1995) deuten auf bislang unbekannte Funktionen des RLF im Zentralnervensystem
(ZNS). In Spezies mit saisonaler Reproduktion könnte RLF auf verschiedenen Ebenen Einfluß auf
die Spermatogenese nehmen. Das Hodengewebe der Ziege und des Damwildes war zu Beginn von
adulten Tieren gewonnen worden und zeigte bei beiden Spezies eine starke Expression von RLF
mRNA in den Leydig Zellen (Hombach-Klonisch et al., 1999). Die ermittelten RLF cDNASequenzen bilden die Grundlage für die Erstellung eines jahreszeitlichen Expressionsprofils für RLF in
den testikulären Leydig Zellen beider Wiederkäuer-Spezies. Eine solche Studie befindet sich derzeit
in der Vorbereitung.
5.2.3. Ovar
Im Ovar des trächtigen Damwildes wurden RLF-Transkripte in den follikulären Theca interna Zellen,
dem analogen ovariellen Zelltyp zu den testikulären Leydig Zellen, sowie im Corpus luteum
nachgewiesen. Dies entspricht dem RLF-Expressionsprofil im Ovar des Rindes (Bathgate et al.,
1996), des Schafes (Roche et al., 1996), des Marmoset (Zarreh-Hoshyari-Khan et al., 1999) und
des Menschen (Bamberger et al., 1999). Im Ovar der Maus wurde immunoreaktives RLF im
Corpus luteum und in Stromazellen, nicht jedoch in follikulären Strukturen detektiert (Balvers et al.,
1998). Ein Vergleich der Expression von RLF und Relaxin im Corpus luteum der trächtigen Maus
zeigte, daß sowohl RLF wie Relaxin in den gleichen Lutealzellen exprimiert wird. Im Unterschied zu
RLF ist Relaxin jedoch nicht im Corpus luteum des Zyklus und der frühen Gravidität detektierbar
(Balvers et al., 1998). Ob RLF im Ovar ähnliche Funktionen besitzt wie Relaxin ist derzeit
unbekannt.
106
Die zu den Androblastomen zählenden potentiell bösartigen ovariellen Sertoli-Leydigzell-Tumore
(SLCT) stellen mit 0,2% aller ovariellen Tumoren eine seltene Gelegenheit dar, die RLF-Expression
von Leydigzellen in atypischer, nicht-testikulärer Lokalisation zu untersuchen (Young und Scully,
1985, 1984). Der Nachweis immunoreaktiven Cytokeratin 18 in ovariellen, nicht jedoch in
testikulären Leydig Zellen, deutete auf unterschiedliche Differenzierungsmuster in den beiden Leydig
Zellpopulationen hin (Düe et al., 1989). Ähnlich den Leydig Zellen der testikulären Leydig
Zellneoplasien proliferierten die Leydig Zellen der ovariellen SLCT nicht (Klonisch et al., 1999d).
RLF und 3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (3β-HSD), ein Enzym des TestosteronSyntheseweges, wurden spezifisch in den Leydig Zellen der ovariellen SLCT exprimiert (Klonisch et
al., 1999d). Nicht alle ovariellen Leydig Zellen exprimierten RLF. Die Heterogenität im
Expressionsmuster von RLF und 3β-HSD deutete aber auf unterschiedliche Differenzierungsgrade
innerhalb des ovariellen Leydig Zellkompartimentes hin (Klonisch et al., 1999d). In einer
umfangreichen Fallstudie zur RLF-Expression in ovariellen Tumoren wurde RLF kürzlich als Marker
für ovarielle Leydigzellen beschrieben (Bamberger et al., 1999). Nach den hier vorgestellten
Ergebnissen zur RLF-Expression in ovariellen und testikulären Leydig Zellneoplasien ist RLF jedoch
eher als ein Marker für differenzierte ovarielle Leydig Zellen anzusehen.
5.2.4. Uteroplazentares Gewebe
Über die zelluläre Lokalisation der RLF-mRNA in der Plazenta ist bisher nichts bekannt. Beim
Menschen ist neben dem Hoden und dem Ovar die Plazenta das einzige Gewebe, in dem spezifische
RLF-Transkripte mit der Northern Analyse nachweisbar sind (Tashima et al., 1995). In den hier
untersuchten humanen Plazenten des ersten Trimesters erfolgte der Nachweis von RLF-Transkripten
im villösen und extravillösen Cytotrophoblasten sowie schwach in den maternalen Deziduazellen. Das
Expressionsmuster für RLF mRNA im villöse Syncytiotrophoblasten war inkonsistent und wird
weiter untersucht. Immunoreaktives H2-Relaxin wird im villösen Syncytiotrophoblasten, dem
extravillösen Cytotrophoblasten und in maternalen Deciduazellen exprimiert (Sakbun et al., 1990). In
einer laufenden Studie erfolgt derzeit der Nachweis von immunoreaktivem RLF in humanen
Plazenten mit einem neuen polyklonalen Kaninchen-Antiserum, das nach Immunisierung mit einem
RLF Peptid gewonnen wurde. Dies soll klären, ob RLF in villösen und invasiven Cytotrophoblasten
exprimiert wird oder, wie im Falle der HLA Klasse I Moleküle im Syncytiotrophoblasten und
villösen Cytotrophoblasten (Hunt et al., 1991; Yelavarthi et al., 1991), die Translation unterbleibt.
107
Der extravillöse Cytotrophoblast ist eine spezifische Differenzierung des villösen Cytotrophoblasten
beim Menschen (Aplin, 1991). Nach einer kurzen Proliferationphase an der Basis der
mehrschichtigen
Cytotrophoblast-Zellsäulen
der
Haftzotten
invadieren
differenzierte
Cytotrophoblasten das maternale Interstitium und ersetzen das Endothel uteriner Spiralarterien (Zhou
et al., 1997; Pijnenborg et al., 1981, 1980). Die starke Invasivität humaner extravillöser
Cytotrophoblasten (Ramsey et al., 1976) wird durch Matrix-degradierende Metalloproteinasen
vermittelt (Maquoi et al., 1997; Polette et al., 1994; Librach et al., 1991). Als Reaktion auf die
veränderte extrazelluläre Matrix in den Zellsäulen (Damsky et al., 1992; Feinberg et al., 1991) zeigen
humane extravillöse Cytotrophoblasten bereits früh während der Differenzierung zum invasiven
Phänotypes eine Induktion der β1-Integrin-Untereinheit und einen Verlust der α 6β 4-IntegrinExpression in-vivo (Damsky et al., 1994, 1992; Aplin, 1993, 1992, 1991; Korhonen et al., 1991)
und in-vitro (Vicovac et al., 1995). Endovaskuläre Infiltration induziert in diesen Cytotrophoblasten
einen Adhäsionsrezeptor-Phänotyp, der dem der ursprünglichen Endothel-zellen entspricht (Zhou et
al., 1997). Im proliferierenden Cytotrophoblasten an der Basis der Zellsäule (Bulmer et al., 1988)
wird das RLF-Gen exprimiert. RLF-Transkripte waren erheblich früher als immunoreaktives HLA-G
in der Cytotrophoblast-Zellsäule detektierbar. In Übereinstimmung mit Hutter et al. (1996) erfolgte
der Nachweis von immunoreaktivem HLA-G, einem Klasse Ib MHC-Molekül, mit dem
monoklonalen Antikörper HCA2 (Sernee et al., 1998; Hutter et al., 1996) in invadierenden
extravillösen Cytotrophoblasten der nicht-proliferativen Zone der Cytotrophoblast-Zellsäule. Der
humane Cytotrophoblast präsentiert keine klassischen HLA-A und -B Moleküle. Die Präsentation
von HLA-G und HLA-C auf der Zelloberfläche ist spezifisch für den invasiven extravillösen
Cytotrophoblasten der humanen Plazenta (Le Bouteiller und Mallet, 1997; King et al., 1996;
McMaster et al., 1995; Schmidt und Orr, 1995). Vergleichbar der RLF-Expression in testikulären
humanen Leydig Zellen des adulten Hodens (Ivell et al., 1997b), zeigten die invasiven extravillösen
Cytotrophoblasten unabhängig von den ablaufenden Differenzierungsprozessen und der interstitiellen
oder endovaskulären Lokalisation in der humanen Plazenta eine konstitutive Expression von RLFTranskripten (Abb 38). Sollte der Nachweis immunoreaktiven RLF in extravillösen
Cytotrophoblasten gelingen, könnte RLF als früher Marker extravillöser humaner Cytotrophoblasten
dienen. Eine inverse Expression für RLF und HLA-G, wie dies für Relaxin und MHC-Klasse I
Moleküle in Trophoblasten des Pferdes in dieser Arbeit gezeigt wurde, kann aufgrund der
vorliegenden Daten ausgeschlossen werden.
108
Beim Damwild gelang der Nachweis spezifischer RLF-Transkripte im Endo- und Myometrium des
nichträchtigen Uterus sowie im karunkulären Epithel und in spezifischen Trophoblast-Populationen.
Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine RT-PCR-Studie zur RLF-Expression im zyklischen und
trächtigen Rind (Bathgate et al., 1996) und in der trächtigen Ziege (in dieser Arbeit). In der
synepitheliochorialen Plazenta aller Wiederkäuer, einschließlich des Damwildes (Lee et al., 1995b;
Wooding et al., 1997), stellen die ca. 20% binukleären Trophoblasten (BNC) eine speziell
differenzierte, morphologisch distinkte und für die Wiederkäuer-Plazenta spezifische TrophoblastPopulation dar (Gogolin-Ewens et al., 1986). BNC sind erstmals nach der Elongation der
Blastozyste im Trophektoderm nachweisbar und scheinen eine wichtige Rolle bei der Implantation zu
spielen (Wooding, 1984; Wooding und Staples, 1981; Wathes und Wooding, 1980). Als einzige
Trophoblast-Population in der Wiederkäuer-Plazenta sind die BNC zur Migration bis zur
Basalmembran des uterinen Epithels (Wooding und Flint, 1994) sowie zur Synthese und Sekretion
plazentarer Laktogene (Duello et al., 1986), der Pregnancy-Associated Glycoproteins (PAGs;
Green et al., 1998) und des SBU-3 Antigens (Gogolin-Ewens et al., 1986) befähigt. Über die
Sekretion dieser Hormone nehmen die BNC wesentlichen Einfluß auf das plazentare Wachstum
(Wooding et al., 1993). Die BNC der Damwild-Plazenta und hier vor allem die basal dem
Zottenstroma aufliegende BNC zeigten eine starke Expression für RLF. Die apikal dem uterinen
luminalen Epithel gegenüberliegenden BNC exprimierten immunoreaktives plazentares Laktogen und
GSP-60, während RLF mRNA nur noch schwach oder nicht mehr nachweisbar war. Plazentares
Laktogen und GSP-60 werden nur im reifen BNC exprimiert. Während der gesamten Trächtigkeit
entstehen BNC aus uninukleären Trophoblasten durch inkomplette Zellteilung und durchlaufen
mehrere Differenzierungsschritte im trophoblastären Epithel, bevor sie mit luminalen uterinen
Epithelzellen zu kurzlebigen trinukleären Zellen fusionieren (Wooding et al., 1997). Die schwache
RLF-Expression in den uninukleären Trophoblasten wäre möglicherweise als ein erster
Differenzierungsschritt in Richtung BNC-Formation zu interpretieren. Vergleichbar den humanen
proliferierenden extravillösen Cytotrophoblasten an der Basis der Zellsäulen, ist RLF auch in der
synepitheliochorialen Plazenta in der früher Phase der BNC-Differenzierung exprimiert. Die
verminderte RLF-Expression bei gleichzeitiger Trophoblast-Differenzierung zu BNC mit der
Fähigkeit zur feto-maternalen Fusion ähnelt dem Relaxin-Expressionsmuster bei invasiven
Trophoblasten in den Plazenten der Equiden und der Katze (Klonisch et al., 1997; 1999a) und
unterstützt die Annahme, daß in einigen Wiederkäuer-Spezies RLF anstelle des Relaxins exprimiert
109
wird (Bathgate et al., 1996). Neben den RLF mRNA-exprimierenden, kuboidalen, uninukleären
Trophoblasten der plazentaren Villi konnte eine zweite Population uninukleärer, elongierter Zellen an
der Basis der fetalen Villi in der Damwild-Plazenta identifiziert werden. Diese Zellen ähnelten stark
den in der Plazenta des Pferdes anzutreffenden elongierten Trophoblasten (Klonisch et al., 1997)
und präsentierten ebenfalls schwach MHC-Klasse I Moleküle auf ihrer Zelloberfläche. Im
Unterschied zum inversen Expressionsprofil für Relaxin und MHC Klasse I-Molekülen bei den
Equiden (Klonisch et al., 1997), exprimierten diese elongierten Trophoblasten jedoch gleichzeitig
schwach RLF mRNA. Der Nachweis der immunoreaktiven MHC-Klasse I-Moleküle erfolgte mit
dem für HLA-G spezifischen monoklonalen Antikörper 87G (Blaschitz et al., 1997; Hara et al.,
1996; Odum et al., 1991). Dies könnte der erste Hinweis auf die Expression von MHC-Klasse IbMolekülen in anderen Spezies als dem Menschen sein und laufende Untersuchungen sollen diese
Frage klären.
5.3. Ausblick
Die hier vorgestellten Studien haben neue Erkenntnisse zur Expression und möglichen Funktion von
Relaxin und Relaxin-like Faktor (RLF) in den Geweben des männlichen und weiblichen
Reproduktionstraktes erbracht. Die zukünftigen Studien zur Funktion von RLF und Relaxin werden
sich mit den folgenden Fragestellungen befassen:
1. Gibt es Interaktionspartner für RLF und Relaxin? Interaktionspartner des RLF und Relaxins
sollen mit Hilfe des Yeast-Two-Hybrid-Systems identifiziert werden.
2. Nehmen RLF und Relaxin Einfluß auf Differenzierunsprozesse in den Trophoblast-Zellen und
haben sie direkt Einfluß auf das plazentare Wachstum? Mit H1-, H2- und humanem RLFexprimierenden und Tetracyclin-induzierbaren Transfektanten humanen Chorio-carcinomazellen
soll in-vitro und in der Nacktmaus der Einfluß dieser Moleküle auf Wachstum und
Differenzierung von Choriocarcinomzellen studiert werden.
3. Hat Relaxin Einfluß auf die Expression und/oder Präsentation von HLA-Molekülen der Klasse Ib
auf der Oberfläche endometrialer und trophoblastärer Zellinien? Humane Zellinien mit Rezeptoren
für Relaxin und der Präsentation von HLA Klasse Ib-Molekülen (z.B. HLA-G) werden mit
Relaxin inkubiert und die Expression und Präsentation der HLA-Moleküle mit molekular- und
zellbiologischen Methoden untersucht.
110
Herunterladen