Welt der Wissenschaft: GroSSteleskope Wer war Monsieur Coudé? Optische Anordnungen und mechanische Lösungen für Großteleskope Schon bald nach der Erfindung des Teleskops haben hervorragende Astronomen und Techniker die prinzipiell verschiedenen Möglichkeiten entdeckt, die optischen Komponenten ihrer Instrumente anzuordnen. Seither entwickeln Ingenieure immer neue Lösungen für die mechanischen Komponenten immer größerer Teleskope. Von Hans Jürgen Kärcher In Kürze ó Innerhalb weniger Jahrzehnte D ie Entwicklung des Teleskops kabinen bezeichnen. Zum Beispiel haben seit 400 Jahren wird angetrie­ alle neuen optischen Riesenfernrohre, wie ben durch den Wunsch, weni­ das European Extremely Large Telescope ge ganz unterschiedliche, zum (E-ELT) oder das amerikanische Thirty Me­ Teil widersprüchliche Forderungen der As­ ter Telescope (TMT), beiderseits ihrer Ele­ tronomen immer besser zu erfüllen: Das vationslager große Nasmyth-Plattformen, erkannt, welche Konstruktionswei- Teleskop soll möglichst lichtstark sein, ein und die neuen großen Sonnenteleskope sen für Teleskope grundsätzlich möglichst großes Gesichtsfeld, möglichst (das European Solar Telescope und das hohe räumliche und spektrale Auflösung amerikanische Advanced Technology So­ haben die großen Astronomen und Ingenieure der ersten Generation möglich sind. ó Seit vier Jahrhunderten werden besitzen ... und natürlich soll das resultie­ lar Telescope) haben »im Keller« jeweils die damals eingeschlagenen Wege rende, immer größere Instrument mög­ eine riesige rotierende Coudé-Plattform. in verschiedenen Kombinationen lichst preiswert, handlich und bequem zu beschritten. Die allgemeine tech- bedienen sein. nologische Entwicklung steuert Als neugieriger Ingenieur möchte man wissen, was das denn für Männer waren, Das Ringen um immer leistungsfähi­ die den Teleskopen oder ihren so wich­ diesen Prozess. ó So kommt es, dass noch heute we- gere Optiken führte schon früh zu einer tigen optischen und mechanischen Kom­ kleinen Zahl unterschiedlicher Lösungen, ponenten vor Jahrhunderten ihren Namen sentliche Komponenten der mo- die seither mitsamt der entsprechenden gaben. Zu den Großen der ersten Stunde – dernsten Teleskope die Namen der Mechanik zwar stetig weiterentwickelt, Galilei, Kepler, Newton und Herschel – so­ Altmeister tragen. Nur »Coudé« ist aber grundsätzlich beibehalten wurden. wie zu Gregory und Nasmyth finden sich kein Eigenname, sondern bezeich- So kommt es, dass, wer sich heute als im Internet biografische Erläuterungen net einen speziellen, »geknickten« Strukturmechaniker mit der Entwicklung und Porträts in Öl. Cassegrain ist ärmer Strahlengang. der Teleskopmontierungen auseinander­ dran – es gibt kein Porträt von ihm, nur setzt, auf die Namen merkwürdiger alter ein Straßenschild in seinem französischen Männer trifft – etwa Galilei, Kepler, New­ Heimatort Chaudon. Bei Coudé schließlich ton, Gregory, Cassegrain, Nasmyth oder stößt man auf eine Überraschung: Der Coudé –, die verschiedene Anordnungen Name bezeichnet keine Person, sondern von Linsen, Spiegeln oder Beobachtungs­ ist das französische Wort für »ellbogenar­ 42 November 2011 Sterne und Weltraum Johannes Kepler (1571 - 1630) public domain Isaac Newton (1643 - 1727) James Gregory (1638 - 1675) William Herschel (1738 - 1822) James Nasmyth (1808 - 1890) tig geknickt« – abgeleitet von le coude, der durch das Okular, schaut man sich das Ellbogen! vom Objektiv entworfene Bild an. Dabei Claus Schäfer (1629 - 1693) public domain Laurent Cassegrain public domain public domain Galileo Galilei (1564 - 1642) public domain public domain Barbara Herrenkind Die Namensgeber der Teleskop-Bauarten Coudé, »ellbogenartig geknickt« Das soll hier der Anlass sein, einmal der wirkt das Okular als Lupe. Das ist auch für Geschichte der verschiedenen Optikanord­ einen Nichtoptiker einfach zu verstehen, nungen nachzugehen, um zu verstehen, zumindest beim keplerschen oder »astro­ wieso die­se jahrhundertealten Namen nomischen« Fernrohr (siehe die Skizzen noch heute aktuell sind. Dabei zeigt sich, auf S. 44). Dessen Nachteil ist aber, dass dass die Gregory-, Cassegrain-, Nasmyth- hier das Bild »auf dem Kopf« steht (in der und Coudé-Systeme ganz unterschied­ Grafik durch den nach unten weisenden liche optische Eigenschaften besitzen. Pfeil angedeutet). Dieser Nachteil wird Dies wiederum erfordert unterschiedliche beim galileischen, »holländischen« oder praktische Lösungen für die Anordnung terrestrischen Fernrohr vermieden. Im der Teleskopachsen und die Platzierung Unterschied zum keplerschen Fernrohr ist der Empfangsinstrumente und hat damit sein Okular keine konvexe Sammellinse einen immensen Einfluss auf den mecha­ wie das Objektiv, sondern eine konkave Zu diesem Beitrag stehen didaktische nischen Aufbau der Teleskope. Auf den Zerstreuungslinse. Dadurch rückt das Materialien auf unserer Internet­seite oben gezeigten Bildern sind – soweit vor­ Okular nach vorn und erzeugt kein reelles, www.wissenschaft-schulen.de/ handen – die Porträts der zitierten Männer sondern ein »virtuelles« Bild des Objekts, artikel/1116789 zur freien Verfü- und ihre Lebensdaten zu sehen. was für einen Nichtoptiker das Verständ­ gung. Teleskope unterstützen unsere nis des Strahlengangs etwas erschwert. Sinnesorgane bei der immer einge- Historische Betrachtungen zur Optik Wie schon der Name sagt, setzte henderen Erforschung des Weltalls. sich die galileische Anordnung bald für Es stellt sich schnell heraus, dass Galileo Galilei und Johannes Kepler terrestrische Anwendungen durch, die wissbegierige Schüler bereits mit ih- bauten die ersten Linsensysteme oder keplersche für astronomische. Dies liegt rem Schulwissen der geometrischen Refraktoren. Deren Funktionsweise ist daran, dass das »Kopfstehen« bei astro­ Optik manches Problem des Teleskop- noch ganz einfach: Vorne, durch das nomischen Anwendungen nicht so sehr baus eigenständig lösen können. Objektiv, fällt das Licht ein, und hinten, stört, wie wenn man mit einem Feldste­ www.astronomie-heute.de November 2011 43 SuW-Grafik, nach: Otto Lueger, Lexikon der gesamten Technik, Leipzig 1914 a b Optik nach Galilei a b a b Optik nach Kepler A M m A� a b A M m M B B� Optik nach Gregory/Cassegrain A B� M b B a A� public domain Optik nach Newton SuW-Grafik, nach: Amédée Guillemni, Les Applications de la Physique, Paris 1874 B Das von Johannes Kepler 1627 eigenhändig entworfene Frontispiz seiner »Rudolphinischen Tafeln«. Im Inneren des Tempels stehen die großen Astronomen der Vergangenheit mit ihren Instrumenten, links oben auf dem Dach hält eine Dame das neue Teleskop in der ausgestreckten Hand. Optik nach Herschel Schon früh entdeckten große Astronomen cher die Landschaft betrachtet und den Spiegels erzeugte reelle Bild des betrach­ die grundsätzlich verschiedenen, zum Teil fernen Kirchturm auf dem Kopf stehend teten Gegenstands befindet sich vor dem noch heute gängigen Arten, ein telesko- zu Gesicht bekommt. Auch ist die Abbil­ Spiegel, dort, wo das Licht einfällt. Um es pisches Bild zu erzeugen und zu betrachten. dungsgenauigkeit des keplerschen Fern­ für den Beobachtbar zugänglich zu ma­ Die oben gezeigten Skizzen entstammen rohrs etwas höher als die des galileischen. chen, setzte Newton in den Strahlengang alten Lehrbüchern aus den Jahren 1874 und Dafür ist dieses kürzer. des reflektierten Lichts einen zusätzlichen 1914. Beim Gregory/Cassegrain-System Die wellenlängenabhängige Brechung schrägen Planspiegel ein, der das Licht ringt der Autor noch um das rechte des Lichts führt in Refraktoren unwei­ seitlich aus dem Tubus herauslenkt. Hier Verständnis und zeichnet, wie auf S. 45 gerlich zur chromatischen Aberration. lässt sich das in der Fokalebene entste­ erläutert, eine Art Zwitter aus Gregorys und Um dieses Problem zu umgehen, ersetzte hende reelle Bild mit dem Okular als Lupe Cassegrains Lösung! Isaac Newton als Erster die Objektivlinse betrachten. 44 November 2011 durch einen Spiegel. Dabei ergab sich ein James Gregory in St Andrews, Schott­ neues Problem: Das in der Fokalebene des land stellte dann auch beim Reflektor Sterne und Weltraum die alten Beobachtungsverhältnisse der ellen bei Gregory. Cassegrain und Gregory der ausgestreckten Hand gehalten – die Refraktoren wieder her, indem er statt stehen also hinsichtlich des Strahlengangs »Bildstabilität« war bei dieser Montierung Newtons Planspiegel einen konkaven »Se­ für Reflektoren in derselben Beziehung sicherlich begrenzt! kundärspiegel« vor die Fo­kalebene des Pri­ wie Galilei und Kepler für Refraktoren. Die Nürnberger Sternwarte, gegründet märspiegels setzte. Der Sekundärspiegel Schließlich erfand William Herschel den 1678 von Georg Christoph Eimmart, war lenkt das Licht durch ein zentrales Loch im »Frontviewer«: Das vom leicht gekippten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Primärspiegel hindurch, und hinter die­ Hauptspiegel entworfene Bild be­trachtete größte Sternwarte Deutschlands. Auf dem sem entsteht in einer zweiten Fokalebene er durch ein am Rand der vorderen Tele­ unten gezeigten Bild, das die Sternwarte das Bild. Damit waren für den Beobachter skopöffnung angebrachtes Okular. im Jahr 1716 zeigt, sind noch zahlreiche die gleichen bequemen Verhältnisse ge­ Quadranten und andere Instrumente aus fällt das Licht in den Tubus ein, und hinten Von den Anfängen zur azimutalen Montierung lässt sich das entstandene Bild »durch die Ein Teleskop besteht nicht nur aus optisch nur mit Kimme und Korn, zur Vermessung Röhre« betrachten. wirksamen Komponenten, es benötigt der Sternörter benutzt wurden. Dagegen schaffen wie bei den Refraktoren: Vorne vorteleskopischer Zeit zu sehen, die auch damals noch nach wie vor ohne Linsen, Unsere auf S. 44 gezeigte historische auch eine Montierung, welche die op­ ist bei den dargestellten Teleskopen ein Skizze des Gregory-Prinzips haben wir tischen Komponenten in ihrer korrekten technologischer Fortschritt erkennbar: Sie einem 140 Jahre alten populärwissenschaft­ Anordnung festhält und die gewünschte sind auf hohen Pfosten mit Querpflöcken lichen Buch entnommen. Interessanter­ Ausrichtung und Nachführung des Tele­ aufgelagert und werden vom Beobachter weise hat der Zeichner den gregoryschen skops ermöglicht. Mit ihr wollen wir uns mit der Hand am Okular nachgeführt. Die Strahlengang nicht ganz verstanden: Er jetzt beschäftigen. Pfosten mit den Querpflöcken kann man hat zwar richtigerweise zwei konkave Spie­ Eine der ersten Darstellungen eines gel gezeichnet, aber die vom Primärspiegel keplerschen Teleskops finden wir auf dem reflektierten Strahlen müssten sich zuerst Frontispiz der »Tabulae Rudolphinae«, die Ein solcher Pfosten war ganz offen­ vor dem Sekundärspiegel in dessen Fokal­ Kepler 1627 veröffentlichte (Bild links). sichtlich auch der Ausgangspunkt von ebene kreuzen und erst danach auf diesen Das von dem Autor selbst entworfene William Herschels Entwicklung seiner fallen. Bei dem dargestellten Strahlengang Frontispiz zeigt den Tempel der Astro­ Teleskopmontierungen. Die Querpflöcke müsste der Sekundärspiegel konvex sein – nomie, in dessen Innerem Ptolemäus, ersetzte er zunächst durch einen Fla­ und damit sind wir bei Laurent Cassegrain Kopernikus und Tycho Brahe mit ihren as­ angelangt, der einer solchen Anordnung tronomischen Instrumenten – reinen Peil­ seinen Namen gegeben hat. Er hat etwa zur geräten, wie Quadranten, Oktanten und Auf dieser Darstellung der Nürnberger gleichen Zeit wie Gregory in Frankreich ge­ Ähnlichem – zu sehen sind. Das Teleskop Sternwarte aus dem Jahr 1716 sind lebt. Bei seinem Strahlengang wird wieder dagegen wird von einer weiblichen, links einfachste »Teleskopmontierungen« zu ein virtuelles Bild beobachtet statt des re­ oben auf dem Dach stehenden Gestalt in erkennen. als einfachste »Teleskopmontierungen« public domain ansehen. www.astronomie-heute.de November 2011 45 bezeichnen werden. Das letzte Teleskop dieser Art, mit vielen komplexen »Her­ schel-Plattformen«, war der Leviathan von Lord Ross im irischen Birr, der noch bis 1905 im Einsatz war. Die äquatoriale Montierung Die azimutale Montierung nach Herschel hatte zwei entscheidende Nachteile, die public domain public domain sich nur durch das Geschick der Beob­ achter ausgleichen ließen. Zum einen war ihre Bildstabilität durch die beiden wackeligen Achsantriebe stark beeinträch­ tigt, und zum anderen war sie bei längerer Beobachtungszeit mit einer Bildfelddre­ William Herschel hängte seine als »Frontviewer« konstruierten Tele­skope hung verbunden. Es ist deshalb nicht zunächst mit Hilfe eines Flaschenzugs an einen Pfosten (links). Später wurde verwunderlich, dass die erste historisch daraus die azimutale Montierung seines 1,22-Meter-Reflektors (rechts). nachweisbare »äquatoriale Montierung« bereits 1618 – neun Jahre nach Galileis ersten teleskopischen Himmelsbeobach­ schenzug (Bild oben). Als seine Spiegel tungen – auftauchte, als der Augsburger und damit auch seine Montierungen im­ Jesuitenpater Christoph Scheiner sich ei­ mer größer wurden, entwickelte er daraus nen Heliografen baute (heute wird das In­ die erste azimutale Montierung, und die strument als Sonnenteleskop bezeichnet). damalige, auf Holzpfosten und Stangen, Wegen der Helligkeit der Sonne schaute Laufrollen, Flaschenzügen und Winden man durch den Heliografen nicht hin­ basierende Technologie erreichte eine ge­ durch, sondern es wurde in der Bildebene wisse Reife. Da Herschel seine Teleskope der Optik ein Abbild der Sonne erzeugt als Frontviewer auslegte, ergänzte er die (Bild links). Dadurch wurden die mangeln­ Montierung – um das Okular zu errei­ de Stabilität und die Bildfelddrehung viel chen – durch eine bewegliche Plattform, auffälliger, und Christoph Scheiner ließ sozusagen eine »Herschel-Plattform« in sich zur Vermeidung dieser Nachteile das dem Sinne, wie wir später die Nasmyth- dargestellte erste »Äquatorial« aus Holz Plattformen einfallen, bei dem eine Achse – die Stun­ Großteleskope R. Arlt / AIP Johann A. Repsold: Zur Geschichte der Astronomischen Messwerkzeuge, Leipzig 1908 moderner Bereits 1618 baute Christoph Scheiner einen »Heliografen«, den er auf eine äquatoriale Montierung setzte (oben). Nicht wesentlich anders sieht die 1826 von Um am weit ausladenden Okular des 1899 in Betrieb genommenen Großen Joseph von Fraunhofer für sein »Heliome- Potsdamer Refraktors mit Kepler-Optik und Deutscher Montierung zu ter« gebaute Montierung aus (unten). beobachten, waren aufwändige Leitern und bewegliche Podeste erforderlich. 46 November 2011 Sterne und Weltraum Newcombe-Engelmann: Populäre Astronomie, Leipzig, 1892 William Lassell baute diesen äquatorial ten Reflektor baute er eine hölzerne, rotie­ montierten 1,2-Meter-Reflektor 1863 auf rende »Azimut-Plattform«, die allein dazu der Insel Malta. Um das newtonsche Okular diente, den ebenfalls hölzernen Turm zu erreichen, musste der Beobachter in zu tragen. Der Beobachter befand sich einem Aufzug sitzen, der außen an einem in dem außen am Turm angebrachten um das Teleskop rotierenden Turm Aufzug – um das newtonsche angebracht war. Das Teleskop hatte auch stets in eine für ihn erreichbare Position eine neuartige, zukunftsweisende Gabel- bringen zu können, war der obere Teil des montierung. Tubus drehbar an den unteren Teil ange­ Okular flanscht. Der Aufwand für den Turmbau scheint größer als der für die ebenfalls gut erkennbare, richtungsweisende »Ga­ belmontierung« dieses Reflektors – sie sieht der Gabelmontierung des 2,2-MeterTeleskops auf dem Calar Alto schon sehr denachse – parallel zur Erdachse ausge­ für sein keplersches Fernrohr gebauten richtet ist. Der große Vorteil: Die Nachfüh­ äquatorialen Montierung. Das hatte den rung zur Kompensation der Erddrehung großen praktischen Vorteil, dass man Nasmyth und Coudé erfolgt allein durch Rotation des Teleskops »von hinten« hindurchschauen konnte. Die geschilderten praktischen Nachteile um die Stundenachse, und die Bildfelddre­ Dadurch ließ sich der Astronom ohne all­ waren der Ausgangspunkt für die nach­ hung entfällt. Das war der Ausgangspunkt zu viel Aufwand mit beweglichen Leitern folgende Entwicklung hin zur »Nasmyth- für die Entwicklung der bis zum Ende des oder mit drehbaren Podesten in die Nähe Plattform« und zum »Coudé-Labor«, und 20. Jahrhunderts dominierenden äquatori­ des Okulars bringen. Der Große Potsda­ dieser Entwicklung wollen wir uns jetzt alen Montierung. mer Refraktor liefert ein anschauliches ähnlich (Bild auf S. 50). Im 19. Jahrhundert setzten sich die Beispiel dieser Bauweise (rechtes Bild auf äquatorial montierten Refraktoren durch, S. 46 unten). Bei anderen Instrumenten, Unten links beobachtet James Nasmyth, insbesondere Pionierarbeit wie dem Lick-Refraktor in Kalifornien oder auf der ersten »Nasmyth-Plattform« Joseph Fraunhofers. Für seine Refrakto­ dem Yerkes-Refraktor in Chicago, wurde sitzend, an seinem azimutal montierten ren, deren Optik er in Benediktbeuern aus der Kuppelboden als hydraulisch beweg­ 20-Zoll-Reflektor (um 1845). Mit den einem wesentlich verbesserten, schlieren­ liche Hebebühne ausgeführt. beiden Handrädern führt er das Instrument dank der nach. In Azimut folgt sein Sitz dem freien Glas fertigte, baute er ausgeklügelte Bei den frühen äquatorial montier­ äquatoriale Montierungen, wie sein »Heli­ ten Reflektoren war die Situation für Teleskop, die Höhe des Okulars ist unverän- ometer« von 1826 sehr gut erkennen lässt den Beobachter wegen der newton­schen derlich. Das rechte Bild zeigt einen (linkes Bild auf S. 46 unten) – sie wurden Anordnung des Okulars wesentlich un­ Astronomen, der am äquatorial montierten bald als »Deutsche Montierungen« be­ gemütlicher, denn der Astronom musste ersten Coudé-Refraktor der Pariser zeichnet und für die vielen, noch Anfang in jeder Lage des Teleskops an die Spitze Sternwarte beobachtet (um 1850). Die des 20 . Jahrhunderts in aller Welt errichte­ des Tubus gebracht werden. Das Bild oben Deklination wird vor dem Objektiv mit ten großen Refraktoren verwendet. einem drehbaren Ablenkspiegel eingestellt, gefundene Lösung dieses Problems: Für der Coudé-Fokus liegt oben im »Coudé- nach dem Prinzip der von Fraunhofer seinen 1863 auf der Insel Malta errichte­ Labor« in der Stundenachse fest. J. Plaßmann, J. Pohle: »Himmel und Erde« Band 1, ca. 1900 J. Plaßmann, J. Pohle: »Himmel und Erde« Band 1, ca. 1900 zeigt die von William Lassell (1799 – 1880) Alle großen Refraktoren arbeiteten www.astronomie-heute.de November 2011 47 Die optischen Eigenschaften der verschiedenen Foki A m Beispiel des 3,5-Meter-Teleskops auf dem Calar Alto seien Beispiel des Primärfokus erläutern, wie die Brennweite mit den hier die optischen Eigenschaften der verschiedenen Foki optischen Eigenschaften des Systems zusammenhängt. erläutert. Das Bild unten zeigt das Teleskop in der Montagehalle Der optisch wirksame Durchmesser des Primärspiegels d1 von bei C. Zeiss, Oberkochen. In der Grafik rechts daneben sind die drei 3,5 Metern ergibt zusammen mit seiner Brennweite f1 von 12,25 Fokalstationen bezeichnet. Die Grafiken rechts oben zeigen die Metern ein Öffnungsverhältnis (Brennweite zu Durchmesser) Strahlengänge der drei Betriebsarten. Deren Realisierung erfor- f1/d1 = 3,5 (das Zusammentreffen der Zahlenwerte für Öffnung derte einen hohen mechanischen Aufwand: Worin unterscheiden und Öffnungsverhältnis ist zufällig). In der ersten der drei Skizzen sich ihre optischen Eigenschaften? auf der rechten Seite unten ist die Situation des Primärfokus dar- In den Skizzen für den Primär- und den RC-Fokus kommen die gestellt, hier allerdings mit dem Öffnungsverhältnis f1/d1= 1, das für ein modernes Großteleskop eher typisch ist. Achsen der Montierung nicht vor. Das bedeutet, dass die Art der Montierung – azimutal oder äquato­rial – für diese Betriebsmoden Das Abbildungsverhalten beruht auf den Fokaleigenschaften keine Rolle spielt. Dagegen müssen beim Coudé-Fokus die ver- der Parabel, die einfallenden Photonen werden im Brennpunkt kon- schiedenen Umlenkspiegel in den Schnittpunkten der jeweiligen zentriert. Man kann sich leicht überzeugen, dass ein um den Winkel Achsen angebracht werden, was einen hohen mechanischen Auf- e1 einfallen­der Lichtstrahl einen in der Fokal­ebene ver­scho­benen wand erfordert. Und die Stundenachse muss am Aufstellungsort Lichtpunkt erzeugt, dessen Versatz relativ zur optischen Achse wir mit u1 bezeichnen, und dass die Richtungsabweichung des parallel zur Erdachse ausgerichtet werden. Die Wege der Photonen bis zu den verschiedenen Fokal­ebenen, Lichtstrahls gerade dem Verhältnis u1/f1 von Bildpunktverschiebung das heißt die Brennweiten der drei Betriebsmoden, sind unter- zu Brennweite entspricht. Im Primärfokus des 3,5-Meter-Teleskops schiedlich lang. In der Tabelle ganz rechts sind dazu einige Daten entspricht einer Richtungsabweichung des Lichtstrahls von einer des 3,5-Meter-Teleskops angegeben. Zunächst wollen wir am Bogensekunde einer Bildpunktverschiebung von 0,06 Millimetern; das heißt, wenn wir eine Fotoplatte hätten, deren Korngröße gerade 0,06 Millimeter wäre, oder ein CCD-Chip, dessen Pixel diese Auf der Schnittzeichnung unten sind die drei Foki des 3,5-Meter- Größe hätten, dann läge das Auflösungsvermögen des Instruments Teleskops auf dem Calar Alto bezechnet: der Primärfokus mit der gerade bei einer Bogensekunde. Daraus ergibt sich als Anforderung am Frontring befestigten Beobach­terkabine, der Ritchey-Chré- an die Teleskopmechanik eine Ausrichtungsgenauigkeit von einer tien-Fokus hinter dem Hauptspiegel, und der ortsfeste Coudé- Bogensekunde – das ist bereits eine große Herausforderung für Fokus auf der Stundenachse. Der Wechsel von einem Fokus zum den Konstrukteur, wenn man bedenkt, dass gute Theodoliten eine anderen erfordert den Austausch des Frontrings mit Hilfe einer Auflösung von 0,5 Bogensekunden erreichen – und dahinter steckt aufwändigen Mechanik. Das Bild links zeigt das vormontierte Telesop in der Montagehalle bei Carl Zeiss, Oberkochen. Das die Entwicklungsarbeit von Generationen von Theodolitenbauern! Für den RC- und den Coudé-Fokus sind in der Tabelle rechts große Hufeisen dient der Nachführung im Stundenwinkel. zwei weitere Brennweiten angegeben: die Brennweite f2 des Primärfokus Deklinationsachse RC-Fokus C. Zeiss, Oberkochen C. Zeiss, Oberkochen Coudé-Fokus Stundenachse Südlager 48 November 2011 Nordlager Sterne und Weltraum Sekundärspiegels und die Brennweite f des gesamten Systems. Je größer die Brennweite, desto größer die lineare Strecke, die in der Brennebene einem gegebenen Winkel am Himmel entspricht. Ein gegebenes Auflösungselement unseres Detektors, zum Beispiel ein Pixel des CCD, entspricht also einem umso kleineren Winkel am Himmel, je größer die Brennweite des abbildenden Systems ist. Mit dem gleichen Detektor kann also der Astronom bei größerer Brennweite kleinere Winkelabstände auflösen – vorausgesetzt, die Mechanik erlaubt eine entsprechend hohe Ausrichtungsgenauigkeit. Die Systembrennweiten des RC- und des Coudé-Fokus sind viel größer als die des Primärfokus, beim RC-Fokus 35 Meter und beim Coudé-Fokus sogar 122,5 Meter. Die Auflösung ist in diesen Moden Primärfokus entsprechend höher – beim RC-Modus entspricht eine Bogense- Ritchey-ChrétienFokus (RC-Fokus) kunde einer Bildfeldverschiebung von 0,17 Millimetern, und beim Coudé-Fokus 0,60 Millimetern. Wir sehen, dass die Auflösung in der Bild­ebene proportional zur Systembrennweite zunimmt. (Auf die »Beugungsbegrenzung«, die noch zu beachten wäre, wollen Stundenachse wir hier nicht näher eingehen.) Nun müssen wir klären, was denn die »Systembrennweite« ist und warum sie so viel länger sein kann als der Tubus selbst. Dies hat etwas mit der »Vergrößerung« m zu tun, und das wollen wir uns anhand der zwei Prinzipskizzen in der Mitte und rechts H. J. Kärcher / SuW-Grafik unten veranschaulichen. Das Gregory-System (Mitte) und das Cassegrain-System (rechts) funktionieren im Prinzip gleichartig, nur ist beim Cassegrain-System der Sekundärspiegel hyperbolisch statt elliptisch geformt (deswegen die negativen Vorzeichen in der Tabelle). Der Unterschied entspricht, wie schon erwähnt, dem Unterschied zwischen einem galilei­schen und einem keplerschen Coudé-Fokus Refraktor, und wir überlegen uns das Ganze anhand des einfacher überschaubaren Gre­gory-Systems. Auf Grund der Brenn­ punkteigenschaften des parabolischen Primärspiegels wird das Licht im Brennpunkt f1 gebündelt, fällt dann auf den elliptischen Sekundärspiegel und wird von diesem auf Grund der Brennpunkteigenschaften der Ellipse im Brennpunkt f2 erneut gebündelt. Die Skizze zeigt, dass der Öffnungswinkel des in f1 einfallenden Lichts größer ist als der des in f2 einfallenden Lichts – das Verhältnis der beiden Brennweiten wird als »Vergrößerung« m bezeichnet. Nunmehr kann man mit der Lage des Sekundärspiegels und seiner Brennweite spielen – wie die unten stehenden Skizzen zeigen, hat das Cassegrain-System den Vorteil, dass hier der Tubus kürzer ist als beim Gregory-System. Kennzahlen der drei Foki des Calar-Alto-3,5-Meter-Teleskops Kennzahlen Primärfokus RC-Fokus Coudé-Fokus f1 [m] 12,25 12,25 d1 [m] 3,5 3,5 12,25 3,5 f1/d1 3,5 3,5 3,5 f2 [m] – -5,63 -0,275 d2 [m] – 1,12 0,847 f [m] 12,25 35 122,5 f/d 3,5 10 35 m 1,0 2,9 10,0 e1 Paraboloid Elipsoid H. J. Kärcher / SuW-Grafik f1 f2 f1 u1 Hyperboloid d 2 d1 f2 f1 d 2 d1 e1 Primärfokus www.astronomie-heute.de Gregory-System Cassegrain-System November 2011 49 Gabelmontierung des Teleskops 4-stöckiger senkrecht stehender CoudéSpektrograf C. Zeiss, Oberkochen C. Zeiss, Oberkochen / MPIA Coudé-Periskop gekröpftes Zentralteil des serruierschen Tubus zuwenden. Dazu betrachten wir das Ur- des Erfinders dieser Anordnung ist lei­ Beim 2,2-Meter-Teleskop auf dem Calar Nasmyth- und das Ur-Coudé-Teleskop. der nicht überliefert. Der Aufwand für Alto verläuft der Coudé-Strahlengang Das Bild auf S. 47 unten links zeigt die Montierung erscheint auf dem Bild auf der Stundenachse nach Norden und James Nasmyth, wie er um 1845 in Man­ relativ groß, und die geknickte Optik hat wird durch ein Periskop nach unten in chester auf der »Nasmyth-Plattform« sei­ sicherlich einige optische Nachteile – die einen vertikal angeordneten Spektro­- nes azimutal montierten Teleskops sitzt. geknickten Refraktoren konnten sich grafen geführt. Die Nasmyth-Plattform ist ursprünglich nicht durchsetzen. Die beiden Bilder ein Sitz, der auf der ebenerdigen Plattform machen aber klar, dass mitbewegte Nas­ des Teleskops befestigt ist und sich mit myth-Plattformen etwas mit azimutal von Carl Zeiss in Oberkochen zu sehen diesem in Azimut dreht. Nasmyth selbst montierten und ortsfeste Coudé-Labors und daneben eine Schnittzeichnung des hält in beiden Händen zwei Handräder, etwas mit äquatorial montierten Telesko­ Teleskops in seiner Kuppel. mit denen er den Azimut und die Eleva­ pen zu tun haben. In beiden Fällen spielt Das Teleskop hat drei Fokalstationen: tion des Teleskop­tubus unabhängig von­ zunächst die Bequemlichkeit des Beob­ den Primärfokus, den Ritchey-Chrétien- einander verstellen und so das Teleskop achters eine Rolle – später werden das Fokus (kurz: RC-Fokus) und den Coudé- dem Stern in seiner scheinbaren Bewe­ stabile Mitführen großer und schwerer Fokus. Die entsprechenden Strahlengänge gung am Himmel nachführen kann. Der Messinstrumente auf der Nasmyth-Platt­ sind im Kasten auf S. 48/49 genauer be­ Bilddrehung kann er das Teleskop nicht form einerseits und deren raumfeste Auf­ schrieben. Am Ort des Primärfokus kann nachführen – er muss sie »per Software« stellung im Coudé-Fokus andererseits den der Beobachter tatsächlich selbst arbeiten. in seinem Kopf kompensieren. Dieses Ausschlag geben. An Stelle des newtonschen Ablenkspiegels Teleskop besaß vermutlich einen Primär­ sitzt er in einer Kabine mitten im Strah­ ser, einen Sekundärspiegel nach Gregory Das 3,5-Meter-Teleskop auf dem Calar Alto und einen Nasmyth-Spiegel – einen in die Nachdem die großen äquatorial mon­ Öffnung stellen dafür wohl die untere Elevationsachse verlagerten newtonschen tierten Refraktoren mit dem Yerkes- Grenze dar. Dabei sitzt der Beobachter nur Ablenkspiegel. Es sind auch ein kleines Teleskop die technischen Grenzen der in Zenitstellung aufrecht; wenn er näher Zielfernrohr an der Spitze des Tubus und Linsensysteme erreicht hatten, gingen am Horizont beobachtet, kippt sein Stuhl ein nicht benutztes newtonsches Okular die Astronomen bei der weiteren Ver­ in alle denkbaren Richtungen, und seine zu erkennen. größerung der Teleskopöffnung wieder Lage wird ziemlich ungemütlich! spiegel mit etwa 50 Zentimeter Durchmes­ lengang. Das ist natürlich nur bei einem sehr großen Teleskop möglich: 3,5 Meter Das Bild auf S. 47 unten rechts zeigt ei­ zu den ebenfalls äquatorial montierten Der Ritchey-Chrétien-Fokus entspricht nen namenlosen Astronomen am ersten Reflektoren über – diese Entwicklung er­ dem Cassegrain-Fokus, mit einer Anfang Coudé-Teleskop der Pariser Sternwarte. reichte ihren Höhepunkt mit dem 1949 des 20. Jahrhunderts von George W. Rit­ Er sitzt bequem in einem witterungsge­ fertig gestellten 5-Meter-Hale-Teleskop chey und Henri Chrétien entwickelten, schützten Raum und hat ein ortsfestes auf dem Mount Palomar. Wir wollen uns verbesserten Optik, die aber nur die Okular mit Hilfseinrichtungen zur Stern­ die Fokusproblematik eines solchen In­ Form der Spiegeloberflächen betrifft, vermessung vor sich. Der Strahlengang struments anhand des 1985 in Betrieb ge­ ohne die Mechanik zu beeinflussen. Der im Refraktor ist zweimal durch Umlenk­ nommenen 3,5-Meter-Teleskops auf dem Fokus liegt hinter dem Primärspiegel; spiegel »ellbogenartig geknickt«. Der er­ Calar Alto anschauen, dessen Aufbau dem das Abschattungsproblem entfällt, aber ste Umlenkspiegel befindet sich vor dem des Hale-Teleskops entspricht. Im Kasten die räumliche Bewegung in beiden Ach­ Objektiv, der zweite im Schnittpunkt des auf S. 48/49 ist unten links das vormon­ sen muss der Beobachter oder das Mess­ Tubus mit der Stundenachse. Der Name tierte Instrument in der Montagehalle instrument immer noch mitmachen. 50 November 2011 Sterne und Weltraum Deswegen ist hinter dem Primärspiegel meist ein Käfig angebracht (auf unserem Bild nicht dargestellt), der verhindern soll, dass der Beobachter hinunterfällt. Dagegen liegt der Coudé-Fokus ortsfest in einem Nebenraum, wo der Astronom be­ quem unter Laborbedingungen arbeiten kann. Heutzutage ist das Bequemlichkeits­ argument natürlich nicht mehr gültig, da an allen Fokalstationen elektronisch kontrollierte Instrumente arbeiten, die nur noch bei der Installation, nicht aber während der Beobachtung zugänglich sein müssen. Das Konzept der Foki beim 3,5-Me­ ter-Teleskop auf dem Calar Alto stammt aus der Vor-Computerzeit, als noch Foto­ platten als Detektoren eingesetzt wurden, die der Beobachter von Hand austauschen musste. Praktische Fragen der Teleskopmechanik LBTO Welchen Einfluss haben die verschiedenen Fokalebenen auf die Mechanik des 3,5-Me­ ter-Teleskops? Seine Montierung folgt der klassischen »Hufeisen-Montierung« des Achsen erfolgen muss, ist im digitalen Das Large Binocular Telescope (LBT) auf Hale-Teleskops, bezeichnet nach der hufei­ Zeitalter kein Hindernis mehr. dem Mount Graham in Arizona besteht aus zwei 8-Meter-Spiegeln auf einer gemein- senförmigen Laufbahn des Nordlagers der Das etwas kleinere 2,2-Meter-Teleskop Stundenachse. Die Gestalt des Hufeisens auf dem Calar Alto hat noch keine Hufei­ samen Montierung. Es wird von einem führt zu einer optimal ausbalancierten sen-Montierung, sondern eine Gabelmon­ Konsortium US-amerikanischer, deutscher Gesamtstruktur. Die Deklinationsachse tierung, wie sie William Lassell schon 150 und italienischer Institute betrieben. ist im Schwerpunkt der gabelförmigen Jahre früher verwendet hatte (siehe Bild Stundenachse angeordnet, auf ihr liegt auf S. 47 oben). Das 2,2-Meter-Teleskop auch der Schwerpunkt des Tubus. Die den besitzt einen neuartigen Coudé-Strahlen­ Tubus umfassende Stundenachse und der gang, zu dem das auf den beiden Bildern (in der Skizze auf S. 48 unten hellblaue) oben links erkennbare Periskop gehört. Das LBT erlaubt verschiedene Strahlfüh- Grundrahmen der Montierung werden Es dient zur Ablenkung des Lichts in den rungen. Im linken Teilbild ist der linke sehr groß, schwer und teuer. Bei dieser tiefer im Gebäude vertikal angeordneten Spiegel in Ritchey-Chrétien-Konfiguration Bauweise scheint eine Vergrößerung der Coudé-Spektrografen. Der Ablenkspiegel betrieben, der rechte in Gregory-Nasmyth- Öffnung über die fünf Meter des Hale- im Schnittpunkt von Deklinations- und Anordnung mit adaptiver Optik (AO). Teleskops hinaus kaum sinnvoll und fi­ Stundenachse lenkt den Coudé-Strahl nanzierbar zu sein. Deshalb haben die nicht mehr seitlich durch die Deklinati­ Rechts läuft das Licht beider Spiegel im Fokus f4 zur Interferenz zusammen. M1, neueren Großteleskope wieder azimutale onsachse ab, sondern senkrecht dazu in M2 ... und L1, L2 ... bezeichnen Spiegel und Montierungen. Dass damit die Nachfüh­ die Stundenachse. Dadurch wird der kom­ Linsen, die Derotatoren DR kompensieren rung wieder über eine Rotation um zwei plizierte, noch beim 3,5-Meter-Teleskop die Bildfelddrehung. H. J. Kärcher / SuW-Grafik M2-AO M2-RC f3 M3 DR M1 DR f2 Cassegrain-Fokus www.astronomie-heute.de M2-AO f1 M1 M3 M1 Gregory-Fokus M2-AO f1 f3 L5 M L5 6 L7 f3 M3 L7 f4 f1 M1 interferometrischer Coudé-Fokus November 2011 51 2 4 3 5 5 Wiphu Rujopakarn / LBTO 6 1 1 Das Large Binocular Telescope enthält möglichst allen unterschiedlichen Anfor­ Spiegel M3 (5) zu erkennen, und oben ist zahlreiche optische Komponenten: zwei derungen der Astronomen gleichzeitig der zugehörige ausgeschwenkte Gregory- Hauptspiegel (1),ausgeschwenkter ge­recht werden soll. Spiegel (2) zu sehen. Ganz unten sind die Gre­gory-Spiegel (2), eingeschwenkter Das LBT ist ein Universalinstrument: beiden Hauptspiegel (1) für das linke und Cassegrain-Spiegel (3), Primärfokuskamera Es besitzt zwei identische Primärfoki, zwei (4), eingeschwenkter Nasmyth-Spiegel (5), Cassegrain- Ritchey- Der Cassegrain-Spiegel ist in klassischer optische Bank zum Aufbau der interfero- Chrétien-)Foki, sechs Nasmyth-Foki und Ritchey-Chrétien-Manier ge­schliff­en und metrischen Spiegel und Linsen (6). einen Coudé-Fokus, der gleichzeitig auch poliert, während der Gregory-Spiegel ein als (beziehungsweise das rechte Auge zu sehen. werden ganz modernes Element ist: Er ist sehr kann. Alle diese Modi können parallel dünn, und seine Form kann durch hunder­ gewählte Weg durch das Südlager der betrieben werden oder sind in kürzester te von an seiner Rückseite angebrachten Stundenachse durch das feststehende Pe­ Zeit auswechselbar (siehe Bild S. 51 unten). Piezo-Aktuatoren viele hundert Mal pro riskop ersetzt. Infolgedessen ändert sich Die optischen Elemente und ihre Wechsel­ Sekunde verändert werden – neben seiner der Einstellwinkel des Ablenkspiegels mit mechanismen sind – im Gegensatz zum klassischen Rolle als Gregory-Spiegel dient der Deklination des beobachteten Objekts: 3,5-Meter-Teleskop auf dem Calar Alto – er auch der aktiven Kompensation der von Der Spiegel muss auf den halben Deklina­ alle aus der Ferne zu bedienen. den Turbulenzen der Atmosphäre verur­ Interferometer betrieben tionswinkel eingestellt werden. Damit der Die Grafik unten links auf S. 51 zeigt auf sachten Verbiegungen der einfallenden Strahlengang nicht mit dem Mittelstück dem rechten Auge des großen Feldstechers Wellenfronten (adaptive Optik, kurz AO des Tubus kollidiert, hat dieses eine Kröp­ die die genannt). Die Derotatoren (DR) sind in je­ fung erhalten (siehe Bild S. 50 oben links). auch für den Primärfokusbetrieb gilt, wenn man den Gregory-Spiegel M2-AO und den der Fokalstation notwendig, um die durch Nasmyth-Spiegel M3 aus dem Strahlen­ Bildfeldrotation zu kompensieren. Gregory/Nasmyth-Anordnung, die azimutale Montierung entstehende Das LBT als ultimatives Multifunktionsinstrument gang heraus- und in der Brennebene f1 die Schließlich zeigt die Skizze unten Nach so viel historischer Vorarbeit über Primärfokus-Kamera hineinschwenkt. Das rechts auf S. 51 die Strahlführung, in der die verschiedenen Foki bei traditionellen Bild oben zeigt rechts die aus dem Strah­ das LBT seine Zweiäugigkeit ausspielt. Hier Teleskopen wollen wir uns nun einem lengang herausgeschwenkte Primärfokus- werden im Gregory-Nasmyth-Modus (mit modernen Großteleskop zuwenden, und adaptiver Optik) die beiden Strahlengänge zwar dem Large Binocular Telescope (LBT) Kamera (4), die den eingeschwenkten Cassegrain-Spiegel M2-RC verdeckt, und auf dem Mount Graham bei Tucson in darunter den eingeschwenkten Nasmyth- in der Mitte zum interferometrischen Fo­ kus f4 zusammengeführt. Dazu sind zwei Arizona (Bild auf S. 51 oben). Hier wird die Spiegel M3 (5). Auf der linken Seite sind weitere Umlenkspiegel M6 und zwei zu­ Summe der geschilderten Erfahrungen der eingeschwenkte Cassegrain-Spiegel sätzliche paarige Linsensysteme L5 und L7 in einem einzigen Gerät umgesetzt, das (3) und ein ausgeschwenkter Nasmyth- notwendig. Die zugehörige mechanische 52 November 2011 Sterne und Weltraum f1 M2 H. J. Kärcher / SuW-Grafik f2 f3 DR M4-AO Auf den beiden geordnet. Auf beiden Plattformen sind je Nas­myth- drei große Instrumente fest installiert – sie Plattformen links werden abwechselnd in den Strahlengang und rechts des E-ELT gebracht. Der Wechsel zwischen den ein­ sind je drei zelnen Instrumenten erfordert keinerlei Mess­ins­tru­mente Eingriff in die Mechanik – er erfolgt durch fest installiert. Sie Umklappen eines in der Mitte zwischen werden über den drei Instrumenten angeordneten Spie­ wenige Umlenkspiegel wahlweise gels. Die adaptive Optik steckt in dem de­ formierbaren Spiegel (M4-AO), der wie der mit Licht vom Gregory-Spiegel des LBT mit Piezo-Aktua­ Primärspiegel M1 versorgt. toren bestückt ist. Zusätzlich hat das E-ELT M5-Tip-Tilt M1 M3 noch einen aktiven planaren Kippspiegel (M5-Tip-Tilt). Mit diesem Spiegel werden, unabhängig vom deformierbaren Spiegel M1 M4-AO, Zitterbewegungen des Bildes in der Bildebene korrigiert werden – er entspricht dem Bildstabilisierungssystem einer Digi­ talkamera. Mittlerweile haben die größten Tele­ skope solche Dimensionen erreicht, dass sie aus Kostengründen nur noch von internationalen Konsortien wissenschaft­ licher Institute gebaut und betrieben wer­ den können. Deshalb müssen sie für die NasmythPlattform unterschiedlichsten Anforderungen der Wissenschaftler und für einen schnellen Wechsel der Instrumente ausgelegt sein. Ob dabei der komplexe Ansatz des LBT oder der überschaubarere Ansatz des E-ELT der bessere Weg ist, wird die im Betrieb ge­ sammelte Erfahrung zeigen. MT Mechatronics Hans Jürgen Kärcher war als Systemingenieur für Teleskope bei MAN Gustavsburg ( jetzt MT Mechatronics) unter Konstruktion, welche die interferome­ Am Large Binocular Telescope sind fünf vielen anderen Projekten trischen Spiegel und Linsen trägt, ist im deutsche, in der LBT-Beteiligungsgesell­ maßgeblich am Entwurf und Bau des großen Bild links oben in Grün zu sehen (6). schaft (LBTB) organisierte astronomische Millimeterwellenteleskops GMT/LMT in Die Tubusstruktur des LBT lässt keine Institute zu 25 Prozent beteiligt, und zwar Mexiko und des Flugzeugteleskops SOFIA Erinnerungen mehr aufkommen an den nicht nur an den Investitionen für das Te­ beteiligt. Seit 2006 ist er für Forschungs- und klassischen Serrurier-Tubus, wie ihn das leskop, sondern auch am Bau seiner wich­ Entwicklungsprogramme bei MT Mechatronics 2,2-Meter- und das 3,5-Meter-Teleskop auf tigsten Messgeräte. Dafür stehen ihnen in Mainz zuständig. dem Calar Alto zeigen (siehe die Bilder auf 25 Prozent der Beobachtungszeit zu. S. 48 und 50). Dem Tubus entsprechen die und silbrigen Verbindungsrohre, die auf Größer, weiter, schneller: das E-ELT möglichst hohe Steifigkeit ausgelegt sind. Das heutzutage ultimative Großteleskop An Stelle des ausgeklügelten Verformungs­ ist sicherlich das gegenwärtig bei der ESO verhaltens des Serrurier-Tubus (siehe SuW in der Planung befindliche European Ex­ 11/2010, S. 44 – 55) treten nun die Korrektur­ tremely Large Telescope (E-ELT, Bild oben). fähigkeiten der adaptiven Optik. Dagegen Es hat nicht so viele Fokusstationen wie entspricht die (im Bild nicht sichtbare) das LBT, sondern konzentriert sich auf zwei Montierung des LBT der azimutalen Schau­ große Nasmyth-Plattformen. Diese sind kelstuhl-Montierung des E - ELT, wie sie in links und rechts der Elevationslager auf der dem zitierten SuW-Beitrag als die optimale das gesamte Teleskop tragenden, in Azimut Lösung für Großteleskope geschildert wird. rotierenden Struktur (der Alhidade) an­ im Bild links oben sichtbaren roten Träger www.astronomie-heute.de Literaturhinweise Kärcher, H.: Das Teleskop und die Brücke. In: Sterne und Weltraum 11/2010, S. 44 – 55 Straßmeier, K.: Das Large Binocular Telescope. In: Sterne und Weltraum 5/2003, S. 30 – 38 Weitere Literatur und Weblinks zum Thema: www.astronomie-heute/artikel/ 1124251 November 2011 53