Sonderausgabe Dezember 2014 Die alliierte Verweigerung von Friedensgesprächen 1914 – 1919 Vortrag gehalten am 5.Juli 2014 anlässlich der Jahreshauptversammlung des Vereins der Freunde des Bayerischen Armeemuseums in Ingolstadt von Professor Hans Fenske. King George V. Kaiser Franz Josef Kaiser Wilhelm II. Zar Nikolaus II. In unregelmäßigen Folgen wird der „Freundeskreis“ in Sonderausgaben besondere Themen ansprechen 2 Der Festvortrag der diesjährigen Hauptversammlung des Freundeskreises am 5. Juli 2014 im Armeemuseum in Ingolstadt stand ganz im Zeichen des I. Weltkrieges. Der renommierte Historiker Professor Hans Fenske widmete sich dem Thema „Die alliierte Verweigerung von Friedensgesprächen 1914 - 1919“. Ein spannendes Kapitel der Geschichte. Im Juli 1914 (also vor 100 Jahren) begann in Europa eine neue Ära. Die politische Landkarte hatte 1919 ein anderes Gesicht erhalten und Europa hat seine Weltstellung verlohren. Und wer hatte die Schuld? Wir sind Herrn Professor Hans Fenske dankbar für seine offenen und klärenden Worte. Vortrag Bei der Übergabe des Friedensvertrags an die deutsche Delegation am 7. Mai 1919 in Versailles sagte der französische Ministerpräsident Clemenceau in sehr schroffem Ton, den Alliierten sei der fürchterlichste Krieg aufgezwungen worden, nun sei die Stunde der Abrechnung da. Mündliche Verhandlungen werde es nicht geben, nur schriftliche Bemerkungen zur Gesamtheit des Vertrags seien binnen zwei Wochen zulässig. In seiner Antwort wies der deutsche Außenminister Brockdorff-Rantzau den Vorwurf der Alleinschuld zurück und verlangte, daß eine unparteiische Kommission das Maß der Schuld aller Beteiligten ermitteln solle. angemessenen Sicht kamen. Bereits 1914 erklärte der sehr angesehene amerikanische Jurist John William Burgess nach dem Studium der von den Kriegführenden vorgelegten Farbbücher ( von jeder Regierung vorgelegte offizielle Bücher der diplomatischen Dokumente ), die Entente habe einen weit größeren Anteil an der Verantwortung für den Krieg als Deutschland und die Donaumonarchie. Der schweizerische Privatgelehrte Ernst Urteile Neutraler/ Unparteiischer zum Kriegsausbruch Selbstverständlich waren die Siegermächte zur Bildung eines solchen Gremiums nicht bereit. Aber es gab zahlreiche neutrale Gelehrte, die bei ihren Forschungen zu einer den Tatsachen Georges Clemenceau 3 Sauerbeck bestätigte das 1919 völlig. Nach seinem Befund hatte die Entente den Krieg ohne Not entfesselt und ihn ohne Not zu dem gemacht, was er war, zum Grab ganzer Völker. Als dritte und größte Schuld lastete er der Entente an, den Krieg durch den Friedensvertrag „zum schlimmsten Unheil sich auswachsen zu lassen, das die Welt bedrohen kann, zu einem viel entsetzlicheren Krieg“ als der 1914 begonnene, zu einem Krieg nicht nur zwischen den Völkern, sondern in ihnen, in dem jedenfalls die europäische Welt „ihre tausendjährigen Werte zugrunde gehen sieht“. Der französische Journalist und frühere Diplomat Alcide Ebray empfahl 1924 eine gründliche Revision des Versailler Vertrags. Den entscheidenden Anteil an der Kriegsschuld schrieb er dem Zarenreich zu, während er Deutschland bescheinigte, im Juli 1914 in Wien und St. Petersburg für eine versöhnliche Haltung gewirkt zu haben. Zu einem ähnlichen Befund kamen Sachverständige aus Norwegen, der Schweiz, den Niederlanden, Schweden und Finnland, die ihre Gutachten 1927 in einem vom Norwegischen Komitee zur Untersuchung der Kriegsschuldfrage herausgegebenen Band vorlegten. Nach Hermann Aall, Professor des Völkerrechts in Oslo,dem Sekretär des Komitees, hatte Rußland den Krieg provoziert und Großbritannien einen entscheidenden Anteil an seinem Ausbruch. Axel Drolsum von der Universität Oslo stellte fest, „dass Deutschland 1914 als die einzige Macht sich ehrlich und nach allen Kräften für den Frieden bemüht hat. Seine Friedensbestrebungen scheiterten an dem Kriegswillen der andern Mächte“. Krisenherd Balkan und Juli Krise In Serbien war seit dem blutigen Offiziersputsch vom Juni 1903, bei dem das Königspaar ermordet wurde, die Radikale Partei die bestimmende Kraft. Sie betrieb eine ausgesprochen antiösterreichische Außenpolitik. Alle Serben sollten in einem Staat vereinigt werden. Das bedingte den Zugriff auf weite Territorien der Donaumonarchie, lebten dort doch mehr Serben als im Königreich. Als das Habsburgerreich die von ihm seit 1878 verwalteten Provinzen Bosnien und Herzegowina im Oktober 1908 annektierte, gab es eine schwere internationale Krise. Bei ihrer Beilegung im März 1909 mußte sich Serbien vertraglich verpflichten, fortan gutnachbarliche Beziehungen zu Österreich-Ungarn zu pflegen. Das änderte jedoch nichts an der scharfen Frontstellung. Zunächst richtete sich die Aktivität aber nach Süden. Der zur Eroberung Libyens im Herbst 1911 von Italien begonnene Krieg gegen das Osmanische Reich veranlasste Gespräche Serbiens und Bulgariens darüber, ob man sich nicht ebenfalls gegen die Türken wenden sollte. Sie schlossen im März 1912 ein Bündnis und eröffneten im Herbst den Feldzug. Gemeinsam mit Montenegro und Griechenland nahmen sie dem Osmanischen Reich im Ersten Balkankrieg fast dessen gesamten Besitz auf dem Balkan ab. Das geschah mit voller Billigung Rußlands, das die Meerengen unter seine Kontrolle bringen wollte und deshalb starkes Interesse an Veränderungen auf dem Balkan hatte. Der Erfolg steigerte das serbische Selbst- 4 bewußtsein sehr. Bereits im November 1912 meldete der französische Gesandte in Belgrad nach Paris, Serbien sei entschlossen, bei der ersten Gelegenheit Österreich zu demontieren. König Peter I. fragte den russischen Gesandten, ob man den Zusammenbruch des Habsburgerreichs jetzt bewirken oder damit noch warten solle. Der Gesandte gab die Frage nach St. Petersburg weiter. Von dort kam im Februar 1913 die Antwort, Rußland sei derzeit zu einem Krieg gegen Österreich-Ungarn nicht bereit. Serbien möge einstweilen mit dem jüngsten Gebietszuwachs zufrieden sein, „um dann später, wenn die Zeit reif geworden sein wird, das österreich-ungarische Geschwür aufzubrechen.“ In der Folge kamen weitere Äußerungen aus St. Petersburg, Serbien finde sein verheißenes Land in der Donaumonarchie, es müsse sich auf den unausweichlichen Kampf vorbereiten. Als Serbien im Streit um die eben gemachte Beute im Sommer 1913 gemeinsam mit Griechenland und Rumänien im Zweiten Balkankrieg gegen Bulgarien vorging, stärkte ihm Rußland den Rücken; es war eindeutig ein russischer Satellit. Das Verlangen Serbiens nach einem Zugang zur Adria führte neuerlich zu einer schweren Krise. Für die Beilegung sorgten das Deutsche Reich, das in Wien mäßigend wirkte, und Großbritannien. Anfang 1914 sah die Führung in St. Petersburg Rußland deutlich besser auf den Krieg vorbereitet als ein Jahr zuvor. Bei einem Kriegsrat wurde beschlossen, den kommenden Krieg zur Eroberung der Dardanellen zu benutzen. Die russische Militärzeitschrift bekundete ausdrücklich die Kriegsbereitschaft des Zarenreiches und Ende März sagte der Sasonow Leiter der Militärakademie vor Offizieren, der Krieg mit dem Dreibund sei unvermeidlich und werde wohl im Sommer ausbrechen. Der russische Außenminister Sasonow ließ zur gleichen Zeit in London auf den schnellen Abschluß der Verhandlungen über eine britisch-russische Marinekonvention drängen. Anfang Juni meldete der belgische Gesandte in St. Petersburg nach Brüssel, Rußland werde bald von seinem Kriegswerkzeug Gebrauch machen. Unzweifelhaft war, daß das Zarenreich im Kriegsfall Rückhalt an Frankreich und Großbritannien hatte. Ein Bündnis mit Frankreich bestand seit 1894, mit Großbritannien war 1907 eine Verständigung über die Interessen in Asien zustande gekommen, so wie Frankreich und Großbritannien sich 1904 über Marokko und Ägypten verständigt hatten. Diese Konvention von 1904 wurde ab 1905 ergänzt durch feste Absprachen zwischen den Generalstäben der beiden Staaten, in die auch Belgien einbezogen wurde. Es bestand ein gemeinsamer Operationsplan. 5 Ein britisches Expeditionskorps von 150.000 Mann sollte spätestens drei Wochen nach dem ersten Mobilmachungstag in Belgien einsatzbereit sein. Im September 1912 war Sasonow sechs Tage lang mit König Georg V. und dem britischen Außenminister Grey im schottischen Balmoral zusammen. Er bekam die Zusicherung, Großbritannien werde Frankreich im Falle eines deutsch-französischen Kriegs in jeder Hinsicht unterstützen. Grey sagte dabei, England werde der deutschen Machtstellung dann einen so vernichtenden Schlag wie möglich versetzten – ihm war das schnelle wirtschaftliche Wachstum Deutschlands ein großes Ärgernis; dessen Schwächung ein Herzensanliegen. Der französische Ministerpräsident und Außenminister Dragutin Dimitrijevic Poincaré versicherte Rußland im Laufe des Jahres 1912 wiederholt, Frankreich werde im Kriegsfall nicht zögern, seine Verpflichtungen gegenüber dem Zarenreich zu erfüllen. Bei seinem Besuch in St. Petersburg im August warb er für eine russische Intervention auf dem Balkan, und im November schlug er Sasonow einen Präventivkrieg Rußlands, Frankreichs und Großbritanniens vor, um ein Eingreifen der Donaumonarchie in den Balkankrieg zu verhindern. Bei einer derartigen Aktion wäre auch Deutschland ein Angriffsobjekt gewesen. Als der serbische Geheimbund „Vereinigung oder Tod“ 1914 die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajewo vorbereitete, fragte der Anführer des Putsches von 1903 und nunmehrige Geheimdienstchef Dimitrijevic den russischen Militärattaché, ob das Vorhaben genehm sei. Der holte in St. Petersburg das Placet ein. Daß die Donaumonarchie auf die Ermordung ihres Thronfolgers durch serbische Hand hart reagieren würde, war indessen unzweifelhaft. Offenbar sah man in St. Petersburg jetzt den Augenblick gekommen, das österreich-ungarische „Geschwür“ aufzubrechen. Der Mord geschah am 28. Juni. Gut drei Wochen später trafen Poincaré, jetzt Staatpräsident und sein Ministerpräsident Viviani am 20. Juli zu einem seit längerem geplanten Staatsbesuch in St. Petersburg ein. Sie wiederholten in den Gesprächen dieser Tage die schon oft gegebene Zusicherung der unbedingten französischen Bundestreue. Sasonow und Viviani waren sich am 23. Juli einig, daß alles getan werden mußte, um dem österreichischen Verlangen nach Aufklärung oder irgendeiner 6 Die Schüsse von Sarajevo Aufforderung zuvorzukommen, die man als Einmischung in Serbiens Unabhängigkeit ansehen konnte. Bei einem Essen am Abend des 22. Juli sagte die Gattin des Großfürsten Nikolai Nikolajevitsch, der die kaiserliche Garde kommandierte, ihrem Tischherrn, dem französischen Botschafter Paléologue, der Krieg werde noch Ende des Monats beginnen, von Österreich werde nichts übrig bleiben, Deutschland vernichtet werden. Mutmaßlich gab sie damit die Ansicht ihres Mannes wieder. Unmittelbar nach der Abreise der Staatsgäste ließ der Zar am 24. Juli informell die Mobilmachung beginnen, formell geschah das erst fünf Tage später gegen ÖsterreichUngarn, am Tage darauf insgesamt. Die britische Flotte wurde am 26. Juli in Kriegsbereitschaft versetzt, Frankreich rief gleichzeitig alle Urlauber zu ihren Einheiten zurück. In Wien waren Außenminister Berchthold und der Generalstabschef nach dem Mord für sofortiges Losschlagen, der ungarische Ministerpräsident verhinderte das. Man einigte sich auf eine hart formulierte Note an Serbien, die aber erst nach der Abreise Poincarés aus St. Petersburg überreicht werden sollte. Ein hoher Beamter des Außenministeriums wurde nach Berlin entsandt, um nach der deutschen Haltung zu fragen. Er erfuhr am 5. Juli, daß mit der deutschen Bundestreue zu rechnen sei. Am Abend dieses Tages waren sich die maßgeblichen deutschen Entscheidungsträger bei einem Treffen einig, daß Rußland nicht intervenieren werde, eine krasse Fehleinschätzung. Die österreichische Note an Serbien sollte innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden. Sie verlangte die Unterdrückung der gegen die Habsburgermonarchie gerichteten Bestrebungen und President Raymond Poincaré 7 erbat die Teilnahme österreichischer Beauftragter dran sowie an der Aufklärung des Mordes. Daß die Attentäter Verbindung zu Dimitrijevic hatten, war von einem von ihnen im Verhör gestanden worden. Im serbischen Ministerrat war die Neigung zum Entgegenkommen zunächst stark, eine Rückfrage in St. Petersburg bewirkte dann aber einen Meinungsumschlag. So machte Serbien am Nachmittag des 25. Juli mobil und übergab drei Stunden später eine recht konziliante Antwort. Nur die Mitwirkung von Österreichern bei der Unterdrückung der subversiven Arbeit und an der Aufklärung des Mordes wurde abgelehnt. Am selben Tage ließ Berchtold in St. Petersburg sagen, daß der Kampf mit Serbien, wenn er „uns aufgezwungen wird“, nicht um territorialen Gewinn gehe, sondern der Verteidigung diene, und daß die serbische Souveränität nicht angetastet werde. Das Deutsche Reich suchte bis zuletzt zu vermitteln. Am 28. Juli, dem Tag der österreichischen Kriegserklärung an Serbien, riet Kaiser Wilhelm II. in Wien, in Belgrad haltzumachen, und noch am 31. Juli bat er den Zaren drängend, das „Unheil, das nun die ganze zivilisierte Welt bedroht“, abzuwenden. Der Friede Europas könne erhalten bleiben, wenn Rußland die militärischen Maßnahmen einstelle, die Deutschland und Österreich-Ungarn bedrohten. Da Nikolaus II. die Mobilmachungsordre nicht aufhob, teilte das Deutsche Reich Rußland am Abend des 1. August mit, daß es den Kriegszustand als eingetreten betrachte. Am 3. August erklärte es auch Frankreich den Krieg, nachdem die Bemühungen, Frankreich neutral zu halten, erfolg- los geblieben waren. Das war präventiv gedacht: Frankreich sollte nicht die Wahl für den Zeitpunkt des Angriffs überlassen bleiben. Die Verletzung der nur nominell bestehenden belgischen Neutralität gab Grey, der sich während der ganzen Krise sehr unehrlich verhalten hatte, die willkommene Gelegenheit, Großbritannien am 4. August in den Krieg zu führen. Eindeutig wollte Rußland im Sommer 1914 den großen Krieg, und Frankreich und Großbritannien wollten ihn ebenfalls. Sie taten nichts, um in St. Petersburg zu mäßigen und bestärkten durch die Bekundung ihrer Loyalität den russischen Kriegswillen. Deutschland und Österreich-Ungarn wollten den großen Krieg nicht. Sie glaubten allzu lange an die Möglichkeit, den serbisch-österreichischen Konflikt zu begrenzen. Ziele der Entente Bei seiner Rundreise durch das Vereinigte Königreich sagte Premierminister Asquith im September in Edinburgh, der Krieg sei der „Kreuzzug gegen die Anmaßung einer einzelnen Macht, die Entwicklung Europas zu beherrschen“. In Dublin erklärte er, es gehe darum, zu verhindern, daß kleine Nationen von einer sich überhebenden Macht vernichtet würden, und es gehe um „die endgültige Abschaffung des Militarismus als des regierenden Faktors in den Beziehungen der Staaten“. In einer Rede in London sprach er am 9. November von der notwendigen Niederwerfung des preußischen Militarismus. Sein Parteifreund Lloyd George rief am 19. September aus, das deutsche Volk müsse von der Hölle 8 Der englische Aussenminister Edward Grey der Militärkaste befreit werden. „Nicht eher soll der Krieg enden, als bis der Friede Europas gesichert ist durch völlige und endgültige Garantie gegen die Möglichkeit, daß der Friede je wieder durch den Militarismus Preußens gestört werden kann“. In der Thronrede hieß es am 11. November, England werde solange weiterkämpfen, bis es den Frieden bestimmen könne. Von dieser Haltung ging die britische Regierung in der Folge nicht ab. Auch in Frankreich fehlte es nicht an der Forderung, den preußischen Militarismus zu zerschlagen. Im Oktober 1914 nannte Außenminister Delcassé dem russischen Botschafter als das Ziel Frankreichs „die Vernichtung des Deutschen Reiches und die möglichste Schwächung der militärischen und politischen Macht Preußens“. Ähnlich sprach Sasonow im September in einem Memorandum für die französische Regierung von der Zerstörung der deutschen Macht und der deutschen Anmaßung, in Europa vorherrschend zu sein. Am 5. September verpflichteten sich die drei Entente-Staaten vertraglich, keinen Separatfrieden zu schließen und sich nur nach Absprache mit den Verbündeten öffentlich zu den Kriegszielen zu äußern. Über diese Ziele wurden manche Verträge geschlossen, auch mit Staaten, die, wie Italien 1915, sich im Laufe des Krieges den Alliierten anschlossen. Es ging bei diesen Planungen um eine erhebliche Schwächung Deutschlands sowie um die Zerschlagung der Donaumonarchie und des Osmanischen Reiches, das im Herbst 1914 an die Seite der Mittelmächte getreten war. Nach den großen Anfangserfolgen des deutschen Heeres im Westen war nicht auszuschließen, daß mit den Gegnern bald über den Frieden zu sprechen war. Bethmann Hollweg ließ deshalb im Hauptquartier, wo er sich aufhielt, einen Théophile Delcasé 9 ausdrücklich als vorläufig bezeichneten Katalog denkbarer Ziele aufstellen und übersandte ihn am 9. September den Staatssekretären für Auswärtiges und für Inneres zur Überprüfung. Die Vorschläge gingen dahin, Frankreich für 15 bis 20 Jahre zu einer so bemessenen Kriegsentschädigung zu verpflichten, daß es zu hohen Rüstungsaufwendungen nicht in der Lage war, territoriale Opfer mit Ausnahme des Erzbeckens von Briey aber nicht bringen mußte. Des Weiteren sollte es durch einen Handelsvertrag eng an Deutschland gebunden werden. An anderer Stelle des Katalogs war die Rede von einem mitteleuropäischen Wirtschaftsverein unter deutscher Führung. Damit identifizierte Bethmann Hollweg sich am ehesten. Um ein festes Programm handelt es sich bei diesem Papier nicht. Mit der Schlacht an der Marne kam die deutsche Offensive zum Stehen, es begann der Stellungskrieg, und die Hoffnungen auf ein baldiges Kriegsende mußten aufgegeben werden. Mitte November trug der preußische Kriegsminister General von Falkenhayn, der nun die Operationen im Westen leitete, dem Kanzler vor, es sei unmöglich, einen anständigen Frieden zu erreichen, solange Rußland, Frankreich und England zusammenhielten. So müsse versucht werden, Rußland von der gegnerischen Koalition abzusprengen. Dann könnten Frankreich und England niedergerungen werden. Aber vermutlich werde Frankreich einlenken, wenn Rußland Frieden mache. Rußland sollte eine ausreichende Kriegsentschädigung zahlen, territorial aber unversehrt bleiben, abgesehen von einigen kleinen Grenzkorrekturen. Frankreich sollte ebenfalls zu einer Kriegsentschädigung verpflichtet werden, aber doch einen ehrenvollen Frieden erhalten, da Deutschland und Frankreich nach dem Krieg wieder einvernehmlich zusammenleben müßten. Bethmann Hollweg stimmte diesen Überlegungen voll zu. Gelinge es nicht, Rußland von der gegnerischen Koalition zu lösen, könnte der Krieg eine für Deutschland unglückliche Wendung nehmen. Aber selbst wenn dieses Extrem nicht eintrete, habe es nur die Aussicht, „daß der Krieg wegen allgemeiner gegenseitiger Erschöpfung ohne ausgesprochene militärische Niederlage der einen oder anderen Partei“ aufhöre. An dieser Ansicht hielt Bethmann Hollweg in der Folge fest. Sein Kriegsziel war nun die Selbstbehauptung Deutschlands. Für dessen Sicherheit wollte er Garantien erlangen, erläuterte das aber nur allgemein. Belgien und Polen sollte nicht wieder zum Aufmarschgebiet gegen Deutschland werden können. Deutsche Friedenssondierungen Kurz nach dem Gespräch Falkenhayns mit Bethmann Hollweg bot der dänische König Christian X. über den dänischen Reeder und Staatsrat Hans Niels Andersen und den deutschen Reeder Albert Ballin, einem Freund des Kaisers Wilhelm II. die Vermittlung eines Friedens in London und St. Petersburg an. Bethmann Hollweg wollte die Antwort verzögern, damit zunächst noch die militärische Lage im Osten verbessert werden konnte, aber Falkenhayn und der Kaiser hielten eine Verständigung mit Rußland für dringend und gaben Andersen einen positiven Bescheid. Dieser hörte im März 10 Der Reichstag in Berlin mit BismarckDenkmal um 1900 1915 bei seinem ersten Aufenthalt in Petrograd, wie die russische Hauptstadt nun hieß, von Zar Nikolaus II., er werde seine Verbündeten niemals im Stich lassen und sei entschieden gegen einen Sonderfrieden. In diesem Sinne wurden auch der britische und der französische Botschafter, die von Andersens Besuch Kenntnis erlangt hatten, bei Außenminister Sasonow vorstellig. Als Andersen im Juni und August auf Wunsch Bethmann Hollwegs neuerlich in Petrograd war, erhielt er keinen anderen Bescheid. Ebenfalls im November 1914 versuchte das Auswärtige Amt mit Japan ins Gespräch zu kommen, das dem Reich im August den Krieg erklärt und das deutsche Pachtgebiet Kiautschou in der chinesischen Provinz Shantung besetzt hatte. Staatssekretär Jagow meinte, England könne kein Interesse an einer weiteren Stärkung Japans haben. Das biete dem Deutschen Reich, wenn es den Verlust Kiautschous hinnehme, die Möglichkeit zu einer Anknüpfung mit Japan. Danach könnte Japan mit Rußland vermitteln. Dieser Kontaktversuch brachte gar nichts. Im Dezember 1914 ließ der japanische Gesandte in Stockholm Uchida, seinen deutschen Kollegen über schwedische Mittelsmänner wissen, Japan sei an einer Verständigung mit Deutschland interessiert. Er handelte dabei nicht im Auftrag seiner Regierung, sondern aus eigener Initiative. So erbrachten auch diese Kontakte nichts. Als Uchida Anfang 1916 erstmals persönlich mit dem deutschen Gesandten zusammentraf mußte er erklären, daß es gemäß der Londoner Vereinbarung vom September 1914 keinen Sonderfrieden geben werde und das das Deutsche Reich sich den Friedensbedingungen der Entente unterwerfen müsse. Bethmann Hollweg erklärte wiederholt öffentlich, das Reich sei bei angemessenen Vorschlägen jederzeit gesprächsbereit. Dem Vertrauten Präsident Wilsons, Edward House, sprach er im Januar 1916 seine Sympathie für einen von den USA gemachten Friedensschritt aus. Im Verlaufe des Jahres folgten drei weitere Erklärungen in diesem Sinne. Mit dem österreich-ungarischen Außenminister Burian verständigte er sich im Oktober auf einen gemeinsamen Friedensschritt. Er sollte zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem er nicht als Zeichen von Schwäche ausgelegt werden konnte. Das war nach der Eroberung Rumäniens der Fall. Am 12.Dezember machten die Mittelmächte der Entente über neutrale Staaten den Vorschlag, alsbald Friedensverhandlungen aufzunehmen. Sie würden dabei Vorschläge unterbreiten, die eine geeignete Grundlage für einen dauerhaften Frieden seien. Das taten sie auch öffentlich kund. Die Alliierten lehnten schroff ab und erklärten, Deutschland 11 und seine Verbündeten müßten für alles, was sie begangen hätten, Sühne, Wiedergutmachung und Bürgschaft leisten. Auch das Vermittlungsangebot Wilsons vom 16. Dezember 1916 wiesen sie zurück. Es sei derzeit unmöglich, einen Frieden zu schließen, der ihren Vorstellungen entspreche. Sie wollten die Wiederherstellung Belgien, Serbiens und Montenegros, die Rückgabe Elsaß- Theobald von Bethmann Hollweg Lothringen an Frankreich, die Übertragung aller polnisch besiedelten Gebiete an Rußland und die Zerschlagung der Donaumonarchie sowie des Osmanischen Reiches. Auch wollten sie die Mittelmächte nicht gleichberechtigt an Friedensverhandlungen teilnehmen lassen. Wilson bot dem deutschen Botschafter Ende Januar 1917 nochmals seine guten Dienste für einen Ausgleich zwischen den Kriegsgegnern an und bat um Mitteilung der deutschen Vorstellungen. Genannt wurden ihm die Gewinnung einer Deutschland und Polen gegen Rußland sichernden Grenze – die Mittelmächte hatten jüngst das Königreich Polen proklamiert –, eine Verständigung über koloniale Fragen, gewisse Korrekturen an der Grenze zu Frankreich und der wirtschaftliche und finanzielle Ausgleich zwischen den Kriegsgegnern. Nach dem Tode des Kaisers Franz Joseph im November 1916 trat sein Großneffe Karl an die Spitze des Habsburgerreiches. Nach dem Mißerfolg des Friedensangebots vom Dezember 1916 suchte Karl I. auf privaten Wegen nach Friedensmöglichkeiten. Sein Schwager Prinz Sixtus von Bourbon-Parma, ein belgischer Offizier, führte im Frühjahr 1917 in der Schweiz, in Paris und in London etliche Gespräche, die jedoch kein Ergebnis hatten. Im Februar 1917 nahm das Deutsche Reich den unbeschränkten U-Boot-Krieg wieder auf. Daraufhin traten die USA im April auf der Seite der Entente in den Krieg ein. Es dauerte freilich bis zum Beginn des Jahres 1918, ehe amerikanische Truppen in Frankreich in großem Umfang zum Einsatz kamen. Die Hoffnung der Seekriegsleitung, England durch den U-Boot-Krieg in wenigen Monaten zum Einlenken zu bringen, erfüllte sich nicht. Der Krieg dauerte unentschieden fort. Die Friedensresolutiun des Reichstags Im Frühjahr 1917 fürchtete die österreichische Führung, die Donaumonarchie werde den Krieg nicht über den nächsten Winter hinaus fortsetzen können. Kaiser Karl I. und der neue Außenminister Czernin drängten deshalb in Berlin auf neue Frie- 12 Zar Nikolaus II densvorschläge. Bethmann Hollweg bekräftigte seine Gesprächsbereitschaft, sagte aber, gegenwärtig könne der Krieg nur durch die Unterwerfung der Mittelmächte unter den Willen der Alliierten beendet werden. Man müsse die Entwicklung in Rußland abwarten. Dort hatte es im März Arbeiterunruhen gegeben, der Zar deshalb abgedankt, sein Bruder auf die Thronfolge verzichtet. Mitte April erhob der russische Rätekongreß die Forderung nach einem allgemeinen Frieden ohne Annexionen und Entschädigungen. In Deutschland nahm die Sozialdemokratie diese Formel sogleich auf. Auch der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger, der für die Reichsregierung gelegentlich im Ausland war, machte sie sich zu eigen. Vor allem auf ihn ging die Resolution zurück, die der Reichstag am 19. Juli 1917 verabschiedete. Mit deutlicher Mehrheit sprach sich das Parlament für einen Frieden der Verständigung und der dauerhaften Versöhnung der Völker und gegen erzwungene Gebietsabtretungen und wirtschaftliche und finanzielle Vergewaltigungen aus. Nur ein Wirtschaftsfrieden mache ein freundliches Zusammenleben der Völker möglich. Auch trat der Reichstag für die Schaffung internationaler Rechtsorganisationen ein. Die Oberste Heeresleitung war gegen die Resolution. Bethmann Hollweg hielt sie zu diesem Zeitpunkt für unpassend und verlor deshalb das Vertrauen der sich für sie einsetzenden Parteien. Am 13. Juli trat er zurück. Sein Nachfolger Georg Michaelis bekannte sich zu Beginn der Debatte über die Resolution zur dauernden Versöhnung der Völker und zu einem Frieden der Verständigung, der aber Deutschlands Interessen in Europa und in Übersee garantieren müsse. Papst Benedikt XV. 13 Lloyd George, nunmehr britischer Premier, nannte die Rede ein Bekenntnis zum Kriege und zu einem falschen Frieden. Am 11. August 1917 forderte Papst Benedikt XV. die Kriegführenden zu Friedensverhandlungen auf. Er sprach sich für eine obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit bei allen zwischenstaatlichen Streitfragen, die Regelung aller territorialen Fragen in versöhnlichem Geist, den wechselseitigen Verzicht auf Kriegsentschädigungen, die Abrüstung und die Freiheit der Meere aus. Dieser Aufruf war durch Nuntius Eugenio Pacelli (der spätere Pius XII) Ende Juni mit der Reichsleitung abgestimmt worden. Eine amtliche deutsche Stellungnahme dazu erging erst Mitte September und sprach den lebhaften Wunsch aus, der päpstlichen Initiative möge Erfolg beschieden sein. Diese Erklärung wurde sofort an die Presse gegeben, damit legte sich die Reichsregierung wiederum, wie schon so oft, öffentlich auf eine Verständigung fest. Die Alliierten lehnten den Vorschlag des Papstes sogleich ab, sehr entschieden tat das Wilson. Am 1. November schied Michaelis aus dem Amt. Der neue Reichskanzler Georg Graf von Hertling nahm in der Friedensfrage keine andere Haltung ein als seine beiden Vorgänger. Brest-Litowsk In Rußland gelangten die Bolschewiki am 7. November 1917 durch einen Aufstand an die Macht. Lenin, der Vorsitzende des nun herrschenden Rates der Volkskommissare, erklärte am 9. November vor dem Rätekongress, seine Regierung werden den Völkern aller kriegführenden Staaten den Frieden auf der Grundlage der Sowjetbedingungen anbieten, keine Annexionen und Kontributionen, Selbstbestimmungsrecht der Völker. Das besagte auch sein Dekret für den Frieden. Dem Ersuchen um einen Waffenstillstand entsprachen die Mittelmächte. Am 4. Dezember trat die Waffenruhe zum Zweck der „Herbeiführung eines dauerhaften und für alle Teile ehrenvollen Friedens“ ein. Die Verhandlungen darüber begannen am 22. Dezember in Brest-Litowsk. In der Sitzung am 25. Dezember nannte Österreich-Ungarns Außenminister Graf Czernin die russischen Prinzipien eine diskutable Grundlage. Sollten sie mit Leben erfüllt werden, müßten sich die Regierungen aller kriegführenden Staaten auf ihre Beachtung verpflichten. Man beschloß, die Alliierten um eine entsprechende Äußerung binnen zehn Tagen zu bitten. Es erfolgte keine Reaktion. Ebenso ignorierten die Westmächte die Einladung des russischen Außenkommissars, sich an den Friedensverhandlungen zu beteiligen. Ein von Czernin veranlaßtes Gespräch eines österreichischen Diplomaten mit dem südafrikanischen Politiker Smuts, der Mitglied des britischen Reichs-Kriegskabinetts war, Ende Dezember in Bern erbrachte ebenfalls nichts. Immerhin wurde in diesen Tagen in London erwogen, ob Konzessionen gemacht werden könnten. Die Regierung beschloß aber, an der harten Linie festzuhalten. Der Entwurf der Mittelmächte für den Friedensvertrag mit Rußland war sehr kurz. Danach hatte die russische Regierung von dem auf den Volkswillen gestützten Beschluß Kenntnis zu nehmen, 14 für Polen, Litauen, Kurland und Teile von Estland und Livland die volle staatliche Selbständigkeit herzustellen. Weitere Artikel regelten das Wiederinkrafttreten der vor dem Kriege bestehenden Verträge und den beiderseitigen Verzicht auf den Ersatz von Kriegsschäden und die Erstattung von Kriegskosten. Die Sowjetführung war sich über den Vertrag nicht einig. Lenin sagte in Erwartung der Weltrevolution, er werde nicht lange halten, könne also unterzeichnet werden. Außenkommissar Trotzki schlug vor, einfach aus dem Kriege herauszugehen und fand dafür eine Mehrheit. Nach seiner Rückkehr nach Brest-Litowsk setzte er zunächst auf ein Hinauszögern der Verhandlungen und erklärte am 10. Februar 1918 in der Politischen Kommission, Rußland unterzeichne den Vertrag nicht, es gehe aus dem Krieg heraus und hoffe, daß alle anderen Völker sich dem anschlössen. Das werteten die Mittelmächte völkerrechtlich zutreffend als Kündigung des Waffenstillstandes. Nach Ablauf der Kündigungsfrist nahmen sie den Vormarsch wieder auf. Wenig später war das Zentralkomitee zur Unterzeichnung des nun vorgelegten neuen Vertrags bereit. Er entsprach dem früheren und erhielt einige Ergänzungen zu Zentralasien und Armenien. Der Friedensschluß erfolgte am 3. März. Die Ukraine hatte ihre Unabhängigkeit im November 1917 erklärt. Mit ihrer Anfang Februar 1918 in Brest-Litowsk eingetroffenen Delegation kam der Friedensvertrag schon wenige Tage später zustande. Vom Juni bis Ende August wurden in Berlin deutschrussische Zusatzverträge ausgehandelt. Dabei wurde festgelegt, daß die Mittelmächte ihre Truppen aus dem besetzten President Woodrow Wilson russischen Gebiet nach dem allgemeinen Friedensschluß abziehen sollten. Kriegsende und Friedensschluss Die Beendigung der Kampfhandlungen im Osten ermöglichte der Obersten Heeresleitung die Verlegung von Truppen an die Westfront. Die Ende März dort beginnende deutsche Offensive sollte insbesondere britische Truppen treffen, um London gesprächsbereit zu machen. Zunächst war sie sehr erfolgreich, kam aber Anfang Juni zum Stehen. Ab Juli drängten die alliierten Streitkräfte die deutschen Truppen allmählich zurück. Bulgarien stand seit 1915 an der Seite der Mittelmächte. Mitte September 1918 durchbrachen die Alliierten die dortige Front. Das Land mußte Ende des Monats bedingungslos kapitulieren. Nun verlangte Hindenburg, der Chef der Obersten Heeresleitung, die Reichsregierung solle Präsident Wilson um die 15 Vermittlung eines Waffenstillstandes bitten. Dafür fand er in Berlin Zustimmung. Der Kronrat beschloß am 29. September, das parlamentarische System einzuführen, um damit die Aussicht auf einen günstigen Frieden zu verbessern. Hertling war gegen die Parlamentarisierung und trat zurück. Neuer Reichskanzler wurde Prinz Max von Baden. Durch seine langjährige Tätigkeit in der Fürsorge für Kriegsgefangene besaß er Ansehen auch im Ausland, vor kurzem hatte er sich öffentlich für einen Völkerbund ausgesprochen und innenpolitisch war er reformbereit. Noch am Tage seiner Ernennung, am Abend des 3. Oktober, bat er Wilson über die Schweiz um die Herstellung des Friedens auf der Grundlage der Vierzehn Punkte vom 8. Januar 1918 und, zur Vermeidung weiteren Blutvergießens, um den sofortigen Abschluß eines Waffenstillstands. Die Donaumonarchie schloß sich dem Schritt einen Tag später an, das Osmanische Reich bald danach. Wilson verzögerte die Erfüllung der Bitte um sofortigen Waffenstillstand um fünf Wochen, weil die Alliierten vorher noch ihre militärische Position verbessern wollten. Am 5. November teilte Außenstaatssekretär Lansing mit, die Alliierten seien zu einem Waffenstillstand bereit, der ihnen „die unbedingte Macht sichert, die Einzelheiten des von der deutschen Regierung angenommenen Friedens zu erzwingen“. Die Verzögerung kostete noch etwa 100.000 Soldaten das Leben. In dieser Zeit zerfiel die Donaumonarchie und in Deutschland entwickelte sich Anfang November sehr schnell eine Revolution, die der SPD-Politiker Scheidemann am 9. November nur dadurch eindämmen zu können glaubte, daß er vor Demonstranten vorm Reichstag ein Hoch auf die deutsche Republik ausbrachte. Die Regierungsgewalt übernahm nun ein Rat der Volksbeauftragten. Der am frühen Morgen des 11. November unterzeichnete Waffenstillstand, demzufolge die Kämpfe mittags endeten, machte dem Deutschen Reich die Wiederaufnahme des Kampfes unmöglich und kam so einer bedingungslosen Kapitulation gleich. Völkerrechtlich war er in mancher Hinsicht fragwürdig, weil er Bedingungen enthielt, die politischer Natur waren – die Annullierung der Ostfriedensverträge –, und weil er die Fortdauer der Blockade bis zum Friedensschluß feststellte. Da eine Blockade eine Kampfhandlung ist, hätte sie mit dem Inkrafttreten der Waffenruhe suspendiert werden müssen. Ihre Verweigerung von Friedensgesprächen mit den Gegnern setzten die Alliierten nach dem 11. November konsequent fort. Sie handelten den David Lloyd George 16 Friedensvertrag allein unter sich aus. Die Grundzüge wurden während einer britisch-französisch-italienischen Vorkonferenz in London im Dezember festgelegt. Auch wurde entschieden, Kaiser Wilhelm II. vor Gericht zu stellen. Präsident Wilson, noch auf der Anreise, war mit dem Ergebnis der Vorkonferenz sehr unzufrieden und sagte seiner Delegation, er verlange einen Frieden der Gerechtigkeit. Gingen Lloyd George und Clemenceau nicht von ihren Forderungen ab, werde er abreisen und mit Deutschland einen Separatfrieden schließen. Diese Drohung machte er dann aber aus Sorge um den von ihm gewollten Völkerbund nicht war. Die Beratungen während der am 18. Januar 1919 in Paris förmlich eröffneten Konferenz fanden zu allen wichtigen Fragen im engsten Kreis der leitenden Politiker der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und anfangs auch Japans statt. Es gab zahlreiche Kommissionen, nur waren die Spitzenpolitiker aus Zeitgründen nicht in der Lage deren Vorlagen gründlich zu beraten. Die Gespräche waren zeitweilig wegen des von Clemenceau gesteuerten harten Kurses sehr kontrovers. Als die deutsche Delegation am 29. April in Versailles eintraf, war der Vertrag noch nicht fertig, so wurde sie zunächst interniert. Am Morgen des 7. Mai, wenige Stunden vor der eingangs erwähnten Übergabe, lag er endlich gedruckt vor, bis dahin hatte ihn niemand ganz lesen können. Die deutsche Delegation hielt ihn für unannehmbar und erarbeitete bis zum Monatsende zahlreiche Gegenvorschläge, die von den Alliierten aber fast alle abgelehnt wurden. Die Reichsregierung rang sich dazu durch, der Nationalversammlung in Weimar die Annahme zu empfehlen. Die Abgeordneten entschieden am 22. Juni entsprechend, nahmen aber die Artikel 227 bis 230 über die Anklage des Kaisers und die Aburteilung von Kriegsverbrechern davon aus, ebenso Art. 231, der Deutschland und seine Verbündeten für alle Verluste und Schäden haftbar machte, die sie mit dem den Alliierten aufgezwungenen Krieg verursacht hätten. Diesen Vorbehalt akzeptierten die Siegermächte natürlich nicht, sondern verlangten ultimativ die Unterzeichnung. So fügte sich die Nationalversammlung. Die Unterzeichnung fand am 28. Juni im Spiegelsaal des Schlosses in Versailles statt, in dem König Wilhelm II. von Preußen am 18. Januar 1871 die Annahme der Kaiserwürde ausgesprochen hatte. Für die beiden deutschen Bevollmächtigten hatte der Akt eine demütigende Form, der junge britische Diplomat Harold Nicolson fand ihn widerlich. Am Tag der zweiten Abstimmung in der Nationalversammlung, am 23. Juni, sagte Generalquartiermeister Groener in der Obersten Heeresleitung, die Nichtannahme bringe den „restlosen Vernichtungskrieg Frankreichs gegen Deutschland“. Die Alliierten hätten dann, so wußte man in Weimar aus amerikanischer Quelle, den Vormarsch wieder aufgenommen, Süddeutschland vom Norden getrennt, den süddeutschen Ländern eigene Friedensverträge gegeben und auch das Rheinland von Deutschland abgelöst. Clemenceau wollte links des Rheins einen unabhängigen Staat, der mit Belgien, Luxemburg und Frankreich ein wirtschaftliches und militärisches System bilden sollte. 17 Der Versailler Vertrag war sehr hart. Deutschland verlor fast ein Siebtel seines Territoriums und ein Zehntel seiner Bevölkerung, dabei auch sehr viele Deutsche. Verloren gingen die Hälfte der Eisenerz- und ein Viertel der Kohleförderung sowie ein Siebtel der landwirtschaftlichen Produktion. Verloren gingen die Kolonien und der Auslandsbesitz des Reiches. Die Handelsflotte mußte zum großen Teil abgeliefert werden, es waren langwierige wirtschaftliche Diskriminierungen hinzunehmen. Armee und Flotte mußte ihre Stärke ganz erheblich verringern. Das Rheinland wurde entmilitarisiert und für maximal 15 Jahre von alliierten Truppen besetzt, das Saarland für 15 Jahre dem Völkerbund unterstellt und Danzig nebst Umland zu einer Freien Stadt mit Sonderrechten Polens gemacht. Die Unabhängigkeit Österreichs, das sich dem Reich anschließen wollte, war für immer zu garantieren. Die Höhe der Reparationen sollte später festgelegt werden. Daß die zu erbringende Summe sehr hoch sein und ihre Abgeltung sich über Jahrzehnte hinziehen würde, war unzweifelhaft. In der Reihe der europäischen Friedensverträge seit dem 17. Jahrhundert war der Versailler Vertrag fast einzigartig, weil mit dem Besiegten nicht über ihn verhandelt wurde. Nur ein Friedensvertrag war vergleichbar, derjenige, den Napoleon Preußen 1807 auferlegte. Nach der Unterzeichnung des Vertrags schrieb Präsident Wilsons außen- politischer Berater, Edward House am 19. Juni in sein Tagebuch, der Vertrag sei schlecht und hätte niemals abgeschlossen werden dürfen, seine Durchführung werde Europa in Schwierigkeiten ohne Ende bringen. Und Delcassé, der sehr viel für das Heraufkommen des Krieges getan hatte und 1914 das Werk Bismarcks zerschlagen wollte, stimmte bei der Ratifikation in der französischen Kammer gegen den Vertrag. Einem Journalisten sagte er dazu, man könnte eine Nation von 60 Millionen Menschen nicht dazu anhalten, einer anderen durch 44 Jahre einen Tribut zu zahlen. „Das ist geradezu so, als wollte man dies Volk zwingen, einen neuen Krieg zu beginnen“. Die beiden Politiker, keineswegs deutschfreundlich, sahen richtig. Die Folgen von Versailles waren fatal. Als die Gesamtsumme der Reparationen und der bis zum Herbst 1988 laufende Zahlungsplan 1929 festgelegt wurden, machte die NSDAP diese Thematik zum Hauptinhalt ihrer Werbung. Das hatte ganz großen Anteil daran, das sie von einer Splitterpartei, die sie 1928 noch war, 1930 zu einem Faktor von erheblichem Gewicht wurde und in der Folge weiter wuchs. So wurde Hitlers Reichskanzlerschaft möglich. Wäre 1919 ein gerechter Friede geschlossen worden, nicht einer im Geiste Clemenceaus, so wäre die Geschichte Europas nach dem Ende des millionenfachen Sterbens sehr anders verlaufen. 18 Der Autor Die nachstehenden Ausführungen zum wissenschaftlichen Werk des Autors sind dem Sonderband des Jahrbuchs der Hambach-Gesellschaft anlässlich des 75. Geburtstages von Professor Hans Fenske entnommen. In diesem Sonderdruck dankt die Hambach-Gesellschaft ihrem langjährigen Mitglied des Beirates und eifrigen Beiträger zu den Jahrbüchern und würdigt einen Wissenschaftler, der wie kaum ein anderer den Anliegen der Gesellschaft nachgegangen ist. Aus einer Handwerkerfamilie Holsteins stammend lockte ihn 1956 das Ansehen, das die Universitäten Tübingen und Freiburg in Geschichte und politischer Wissenschaft hatten in den Süden, wo er beruflich wie menschlich seine bleibende Heimat fand. An der Albrechts-Ludwigs-Universität legte er die Grundlage für seine wissenschaftliche Laufbahn. Zunächst durch eine Dissertation über „Konservativismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918“, 1971 folgte die Habilitation über“ Wahlrecht und Parteiensystem: Ein Beitrag zur deutschen Parteiengeschichte“. Seit 1973 fungierte Hans Fenske an der Universität Freiburg als Dozent, 4 Jahre später übernahm er eine Professur. Er lehrte auch weiterhin ge- Professor Hans Fenske legentlich an anderen Hochschulen und erwarb sich Verdienste beim Umbau der Universitäten der DDR nach der Wende. Seine Lehrtätigkeit war nicht weniger zeitlich umfassend und thematisch vielfältig als seine Forschung. Sie war getragen vom Bewußtsein der Verantwortung, die Studierenden gemäß dem Motto der Uni Freiburg: „Die Wahrheit wird euch frei machen“ zu guten Historikern und wachen Staatsbürgern auszubilden. Hans Fenske ist einer der renommiertesten Erforscher des frühen Liberalismus in Deutschland. Er beschäftigte sich eingehend mit der Revolution von 1848 und deren Vorgeschichte, der Epoche des ersten demokratischen Aufbruchs in Deutschland. Er empfand es immer als eine wissenschaftliche wie staatsbürgerliche Herausforderung, das Bewusstsein für die Gefährdung der Demokratie in der deutschen Geschichte, insbesondere durch den Rechtsradikalismus ebenso wachzuhalten wie alternative Traditionen des politischen Denkens. Dabei wurde er von 19 der Überzeugung geleitet, dass die deutsche Entwicklung nur im europäischen Zusammenhang zu begreifen ist. Für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hat H. Fenske Pionierleistungen erbracht. Das gilt insbesondere für Traditionen und Auswirkungen konservativen wie rechtsradikalen Gedankenguts und auf dieser Grundlage für die Erforschung der pfälzischen NSDAP. Besonders gepflegt wurde von ihm das Thema der Beziehungen zwischen Bayern und der Pfalz. Auf der Grundlage der Studie seines Chefs an der Verwaltungshochschule über die Auswanderung in der Zeit des deutschen Bundes untersuchte Fenske Bevölkerungsbewegungen und Verschiebungen von der Binnenmigration im alten Reich über die Auswanderung in der Zeit des Deutschen Bundes bis hin zur Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten und dem Sudetenland am Ende des 2. Weltkrieges. Er tat dies mit in diesem Zusammenhang durchaus selten gewordenen Untertönen zur Haltung der Alliierten und Aktionen der polnischen wie tschechischen Bevölkerung gegenüber den Deutschen und fordert immer wieder die Prüfung der Quellen und Beachtung der Zusammenhänge ein. Ein weiteres Interessengebiet des Historikers Hans Fenske ist die Verwaltungsund Verfassungsgeschichte – Materien, die von der Zunft der Historiker nicht angemessen behandelt werden. Als krönenden Abschluß vielfältiger und umfangreicher Forschungen hat er 2001 eine vergleichende Geschichte des modernen Verfassungsstaates von seinen Anfängen bis zum 1. Weltkrieg gewagt. Systematisierend und vergleichend schweift sein Blick von den Kerngebieten dieser Entwicklung Mittel- und Westeuropa wie den USA, über den gesamten europäischen Kontinent, die britischen Dominions, sowie Südamerika und Asien. Eine ähnliche Synthese bisheriger Forschungen hat er auch zur Geschichte der politischen Bewegungen vorgelegt. In seiner bis in die Gegenwart reichende Geschichte der Parteien in Deutschland werden diese als wichtigste Elemente der politischen Ordnung neben der Verfassung dargestellt. Schließlich zeigen seine zahlreichen Aufsätze wie sehr Hans Fenske die enzyklopädische Zusammenfassung schätzt und beherrscht und daß er sich darüber hinaus gerne in der Zeitgeschichte zu Wort meldet oder als historisch versierter Staatsbürger zu aktuellen Kontroversen äußert. 20 Kommentierte Literaturempfehlungen Walter Vogel Die an den Vortrag anschließenden Fragen betrafen hauptsächlich die Widersprüche zur offiziellen Geschichtsschreibung in den Siegerstaaten und in Deutschland sowie den Wahrheitsgehalt der Quellen und die Diskussion in der Schuldfrage in der sich in jüngster Zeit häufenden Literatur, die vehement eine Neufassung der Geschichtsschreibung einfordert. Dazu führte Herr Professor Fenske aus, dass die auffälligen Lücken bei den diplomatischen Dokumenten in den Staatsarchiven der beteiligten Mächte und die zunehmend nachgewiesene Manipulation in der offiziellen Geschichtsschreibung und Lehre das große Dilemma für streng wissenschaftlich arbeitende Historiker sei. Einige deutsche Nachkriegs-Historiker gingen und gehen damit ungewöhnlich sorglos um. Zu einem Dilemma für Studierende und Lehrer wird es, wenn die am Anfang des Vortrages von Professor Fenske erwähnten Revisionsgutachten von Historikern aus den neutralen europäischen Ländern von 1914 – 1924, welche Deutschland als einzigem der am Krieg beteiligten Länder Friedensbemühungen bescheinigt haben, offiziell ignoriert werden. Zusammenfassend rät er zur Beantwortung der Fragen zum Studium der Bücher unabhängiger amerikanischer, australischer und englischer Historiker, denen mehr Quellen zur Verfügung stehen. Revision, Gegenrevision und Revision der Gegenrevision Als auch angesehene amerikanische und kanadische Historiker in den 20 iger Jahren begonnen haben, die in der englischen Propaganda weltweit verbreiteten, angeblichen Beweise der deutschen Schuld anzuzweifeln, Forschungen anstellten und 1928 als Ergebnis eine alleinige deutsche Kriegsschuld entschieden zurückgewiesen haben, wurde das grundsätzlich aus dem Hintergrund wirkende Establishment des Big Money unruhig. Sowohl der Harvard und Yale Professor Sidney B. Fay in „The Origins of the World War“, als auch der berühmte Professor H.E. Barnes von der New Yorker Columbia Universität in seinem 1928 erschienenen Buch „The Genesis of the World War“ verurteilten die Lügen über die Kriegsschuld. Diese hatte sich seit Beginn des Krieges in der Greuelpropaganda der eigens für diese Aufgabe in London und Paris geschaffenen Propagandainstitute „The Wellington House“ und „Maison de Presse“ manifestiert. Ihr Auftrag war Manipulation der öffentlichen Meinung und ihr psychologischer Berater dafür war der Amerikaner Edward Bernays, Neffe von Siegmund Freud und Begründer der modernen Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Mit seiner auf tiefe Emotionen zielenden Propaganda war es ihm gelungen die Ampeln in Amerika von Grün auf Rot 21 gegen Deutschland zu stellen. Beispiel in Fußnote 1. Die Revision ihrer sorgfältig bereinigten und in Oxford frisierten Geschichtsschreibung gefiel den auf strengste Geheimhaltung bedachten Einflussreichen überhaupt nicht. In Versailles seien, sagt Professor H.E. Barnes, dem unterlegenen Gegner jegliche Verteidigung und Vorlage von Beweisen seiner Unschuld verweigert worden. Nach dem Erscheinen seiner Studie ist, hauptsächlich von der Universität Oxford ausgehend, ein ständiger Strom von anti-revisionistischer Geschichtsschreibung zur Rechtfertigung des ultimativ erpressten Friedensvertrages und der Kriegspropaganda erschienen. Wir sehen später, welchen Einfluss das interessierte Establishment bei der Gegenrevision hatte. Ein damaliger Professor von Oxford, Alfred Zimmern, der von 1913-1920 Mitglied der Londoner Round Table Gruppe war und 1918-1919 Mitglied im Political Intelligence Department des Außenministeriums, der erste Professor für InternatiProfessor Barnes beschreibt in seinem Bericht über die Organisation der Propaganda in Frankreich die Arbeitsmethoden des Maison de la Presse so: „In diesem Gebäude wurden Bilder geschaffen von Menschen mit abgehackten Händen, herausgeschnittenen Zungen, herausgerissenen Augen und Schädeln mit offenliegenden Gehirnen. Diese Bilder wurden dann fotografiert und als unanfechtbarer Beweis für Greueltaten der Deutschen Hunnen in alle Welt verschickt, wo ihnen die erwünschte Wirkung nicht versagt geblieben ist. Ebenso seien zur Verfügung gestellt worden „fiktive Fotos von Ruinen französischer Kirchen, geschändeten Gräbern und Denkmälern. Diese Bilder und Szenen wurden von den besten Kulissenmalern der Pariser Grand Opera hergestellt.“ 1 onale Politik und Gründungsmitglied des Royal Institute of International Affairs (1919) wird von Professor C. Quigley mit der Feststellung zitiert, dass Politiker der käuflichen Wissenschaft hilflos ausgeliefert sind, wenn politische Entscheidungen auf deren Studien aufbauen. Höhepunkt der Gegenrevision Der Hamburger Historiker Fritz Fischer stieß mit seinem 1961 publizierten Buch“ Griff nach der Weltmacht“ auf den Widerspruch der meisten deutschen Fachkollegen was eine heftige Debatte auslöste. Mangels Beweisen* (siehe: geheime“Hoover War Library“ Seite 27) entwickelte Fischer seine Thesen von der deutschen Kriegsschuld ohne sich mit einer Unterscheidung zwischen amtlicher Politik und Meinungsäußerungen Einzelner und Stimmungen in der Presse aufzuhalten. Die britischen Medien triumphierten wegen dieses deutschen Kronzeugen und auch in den deutschen Medien wurde das Buch überwiegend gut aufgenommen, ebenso bei vielen jüngeren Historikern. So wurde das Buch bald als Standardwerk angesehen und hatte lange Zeit kanonischen Rang, bis in die Schulbücher hinein. Obwohl Fischer’s Werk von Marc Trachtenberg, Professor für Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität von Kalifornien, 2006 als unwissenschaftlich abqualifiziert worden ist und Fischer seitdem eher suspekt angesehen wird, erfährt er in England und teilweise auch in Deutschland selbst von amtlicher Stelle weiterhin offizielle Unterstützung, die nach dem Stand der internationalen Forschung nicht mehr nachvollziehbar ist. Professor H.E. Barnes bemerkte dazu: 22 „Das deutsche Kriegsschuldbewusstsein stellt einen Fall von geradezu unbegreiflicher Selbstbezichtigungssucht ohnegleichen in der Geschichte der Menschheit dar. Ich kenne kein anderes Beispiel dafür, dass ein Volk diese nahezu wahnsinnige Sucht zeigt die Schuld an einem politischen Verbrechen auf sich zu nehmen, das es nicht begangen hat“. Wer diese Verbrechen beschlossen, geplant und realisiert hat ist seit der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse des berühmten amerikanischen Historikers, Professor Carroll Quigley in seinen Büchern Tragedy and Hope 1966 und dem 1981 erst posthum publizierten Buch“ The Anglo American Establishment“, für Interessierte kein Geheimnis mehr. Empfehlungen – Aufklärung der historischen Wahrheit ? Weil sich jedoch nach dem Urteil des Herrn Professor Fenske viele deutsche Historiker und zwangsläufig Schulbücher und Politiker noch nicht auf der Höhe des internationalen Forschungsstandes bewegen, oder sich nicht an deren Verwendung wagen, empfiehlt er das Studium englisch sprachiger Historiker, allen voran des oben genannten, vielleicht überragensten amerikanischen Historikers des letzten Jahrhunderts, Professor Carroll Quigley; weiter empfielt er den Australier Sean McMeekin, die Schotten Gerry Docherty und Jim Macgregor, sowie den Cambridge Professor Christopher Clark. Carroll Quigley lehrte nach Princeton und Harvard von 1941 bis 1976 an der School of Foreign Service (Hochschule für den auswärtigen Dienst) an der Georgetown Universität in Washington. Sein 1966 erschienenes Buch „Tragedy and Hope“ ist legendär. Von Teilen der amerikanischen Wissenschaft lange verschwiegen, ist sein Ruf aber in den 48 Jahren seit seinem Erscheinen nur immer weiter gewachsen. In Tragedy and Hope stellt Quigley auf 1.400 Seiten die Geschichte der Welt im Zeitraum von 1871 – 1965 dar, insbesondere die Grundlagen der britischen Macht, den Finanzimperialismus und den Imperialismus im Vorfeld des 1. Weltkrieges vor. Er erwähnt darin immer wieder eine gesellschaftlich privilegierte Gruppe in England, die er Milner Gruppe nennt. Diese hat die Geschichte zwischen 1880 und 1940 nicht nur beeinflusst, sondern maßgeblich bestimmt. Quigley hatte engen Kontakt zum amerikanischen Ostküsten-Establishment. Mit einer Verpflichtung zur Verschwiegenheit hatte er Zugang zu den Archiven des Council on Foreign Relations,CFR* (des die Politik bestimmenden höchsten Lord Milner 23 Organs des amerikanischen Establishments), zu der nicht öffentlichen Hoover War Library in Stanford* (Seite 27) und, wie er schreibt, wurde ihm in den frühen sechziger Jahren erlaubt die geheimen Papiere der Round-Table Gruppen zu studieren. Zur Behinderung der Verbreitung seines Buches erklärte er, dass wichtige Leute das Buch unterdrückt hätten, weil es Dinge enthielt, die „besser nicht gesagt werden sollten, weil es den Feinden Munition liefere“. Ich habe von dem Amerikaner William Engdahl, siehe Sonderdruck „Der geopolitische Hintergrund des 1. Weltkrieges und der Kriegseintritt der USA“ die Information,die er von einer direkt mit Quigley verbundenen Person hat, dass Professor Quigley diese Genehmigung von der damals im Council on Foreign Relations einflussreichsten Familie Rockefeller unter der Bedingung erhalten habe, dass nur die Informationen über den von Rothschild beherrschten englischen Teil des Bündnisses verwendet werden. Dahinter steht die Rivalität mit der Rothschild Familie. Quigley hat wohl zu viel über das von Lord Milner, dem von 1905-1925 dominierenden Treuhänder der Rhodes Trusts geführte Netzwerk preisgegeben und sei mit dem Tod bedroht worden. In Tragedy and Hope hatte er in den Kapiteln „Der Finanzimperialismus“ und „Die RoundTable-Gruppen“ alle Details der Organisation inclusive Namen auch des New Yorker Zweiges, der unter dem Namen Council on Foreign Relations lief und eine Fassade von J. P. Morgan und der kleinen amerikanischen Round-TableGruppe war, offengelegt. Deswegen ließ er sein brisanteres Buch „The Anglo American Establish- ment“ erst posthum 1981 publizieren. Diese Studie befasst sich hauptsächlich mit der englischen Geheimgesellschaft, die er die „Milner Group“ nennt. Es ist für uns wegen der darin enthüllten Einflussnahme britischer Eliten aus Hochfinanz und Adel auf die Planung und Herbeiführung des 1. Weltkrieges besonders wichtiges Buch und ist im Internet u.a. auf der Webseite voltairenet.org frei verfügbar. (nur Anglo American Establishment eingeben) Die Milner-Gruppe, deren beherrschende Familien heute als englischamerikanische Pilgrim Society bekannt sind, hatte gemäß Quigley’s zusammenfassendem Urteil die Macht und das Geld, die Geschichte zu beeinflussen und die Geschichtsschreibung und die Lehre von den Elfenbeintürmen der Universitäten bis in die Schulen zu diktieren. Sie kontrollierte neben der Mainstream Presse sorgfältig die Veröffentlichung offizieller Regierungspapiere und die Auswahl und ggf. Anpassung von Dokumenten für die Aufnahme in die offizielle Version der Geschichte des 1. Weltkriegs und auch danach bis zu Quigley’s Tod, 1967. Bereits im Vorwort zu Tragedy and Hope schreibt Quigley, dass er glaubt, dass die Wahrheit ein Recht darauf hat, berichtet zu werden. Er fiel dann etwas in Ungnade und starb überraschend bereits 6 Monate nach seiner Emeritierung im Alter von nur 67 Jahren am 3. Januar 1976. Er hat umfangreiche, unvollendete Studien hinterlassen. Seine detaillierte Beschreibung der 1891 von Cecil Rhodes nach Vorgesprächen im Landhaus von Lord Rothschild mit den späteren Außenministern Arthur Balfour (siehe Seite 29) 24 und Edward Grey, sowie mit den Herren Brett und Lyttleton gegründeten Geheimgesellschaft, von Quigley Milner Gruppe genannt, mit einem inneren Zirkel „Society of the Elect“ und einem äußeren Zirkel „der Association of Helpers“ (Helferkreis) wurde Grundlage für weitere Forschungen und eine Wiederbelebung der Revision der manipulierten Geschichtsschreibung. Die Association of Helpers ist von 1909 bis 1913 von Lord Milner in Form der RoundTable-Gruppen organisiert worden. Die Anlagen zu Anglo American Establishment enthalten Namenslisten und die Entwicklung der Struktur. Ein ausführlicher Index erleichtert das Verständnis Cecil Rhodes der Zusammenhänge. Viele Idealisten wurden Mitglieder der Association of Helpers ohne die Initiatoren und deren Machtansprüche und Profitgier zu kennen, weil sie das Ideal der weltweiten Ausdehnung des Britischen Empire nach dem Vorbild der englischen Gesellschaft, die in Oxford von Professor Ruskin entwickelt und gelehrt worden war, begeisterte. Cecil Rhodes, dessen Finanzier und Partner in den Diamantenminen von Kimberley, Lord Rothschild war, starb sehr früh 1902 im Alter von 48 Jahren. Zu Treuhändern seines Vermögens und seines letzten Willens zur Schaffung des weltweiten British Empires hatte er Lord Rothschild und den späteren Lord Milner bestimmt. Kernpunkte aus Hidden History und The Russian Origins of the First World War Anders als die von Prof. Fenske im Vortrag zitierten, frühen Revisionisten von 1914-1928, beschränken sich die Schotten Gerry Docherty und Jim Macgregor und der Australier Sean MacMeekin nicht auf die Verneinung einer deutschen Schuld am Ausbruch des 1. Weltkrieges. Während Professor Carroll Quigley die Existenz der die Politik hinter dem Parlament bestimmenden Elite-Zirkel nachweist, sprechen Docherty/ Macgregor Klartext über Mittel und Methoden der Kriegstreiber und machen Großbritannien für den großen Krieg verantwortlich. Dabei verwundert es nicht, daß das englische Parlament von Außenminister Sir Edward Grey und seinen Elitebrüdern W. Churchill, Lord Milner und andere, ebenso getäuscht worden ist, wie die deutschen Diplomaten und der Kaiser. 25 Hidden History Professor Fenske beschreibt den Inhalt kurz und präzise mit: „Eine geheime Elite wollte den Krieg“. Das Vorbild der schottischen Historiker Docherty und Macgregor war, wie sie selbst sagen, Professor Carroll Quigley. Sie haben Professor Quigley‘s Studien fortgesetzt und beantworten auch die Frage nach dem Cui Bono durch Enthüllung weiterer Details über das Netzwerk der Milner Gruppe, welche sie als „Secret Society“ bezeichnen und dessen Aktivitäten zur Herbeiführung des Ersten Weltkrieges in ihrem 2013 erschienenen Buch. Sie verfolgen die Spuren der von Professor Quigley identifizierten und vom Insider (Professor Alfred Zimmern) bestätigten Gründer, deren verwobenen Karrieren, Aufstieg zu Macht und Einfluß und schließlich ihre Mitwirkung an der Vorbereitung des Hinterhaltes, der die Welt in den Krieg stützte. Jeder von ihnen hatte Beziehungen zu unermesslich größerem Reichtum. Keine Spuren hinterlassen, war deren oberstes Gebot. Ergänzend zu Quigley bringen sie Beispiele und Belege für die Beeinflussung der Geschichtsschreibung, der Kontrolle der Presse, beschreiben Details der Fälschung diplomatischer Berichte, schlichte Beseitigung von Korrespondenz (S.351 ff Hidden History.) und Protokollen, sowie Bereinigung und Säuberung der verschiedenen englischen, fran-zösischen, russischen, aber insbesondere der deutschen Regierungsarchive (s. 357 ff Hidden History) und wie diese in die Hoover War Library in Stanford gelangt sind, wo nur Auserwählte Zugang haben. Die Engländer nennen diese Maß- nahmen sinnigerweise „weeding –von Unkraut befreien“. Besonders wegen der Revision beunruhigt sei dieses weeding noch nach der Öffnung der Archive 50 Jahre später fortsetzt worden, weil immer noch Personen ein starkes persönliches Interesse am Verstecken der historischen Wahrheit haben. Sie zitieren u.a. den kanadischen Historiker Nicholas d‘ Ombrain, der 1970 bei seiner Forschungsarbeit im englischen War Office Archiv erlebte, dass fünf Sechstel seines Materials vor seinen Augen entschwunden ist ( S. 352 ). Die Lücke in der Liste der Cabinet Papers (Akten des Kabinett) sei atemberaubend. Nichts sei enthalten über die Zeit vom 14. Juli bis 20. August als der Krieg bereits in die dritte Woche ging. Lord Milner hat private Telegramme verbrannt. Briefe von und an ihn wurden verbrannt oder anders beseitigt. Inkriminierende Briefe des König Edward unterlagen einem Befehl, dass sie nach seinem Tod unverzüglich zu zerstören seien. Admiral Fischer schrieb in seinen Memoiren, dass er vom Sekretär des Königs angewiesen worden sei, sämtliche Briefe des Königs an ihn zu verbrennen, dass er es aber nicht übers Herz gebracht hat sich von allen zu trennen. Lord Nathaniel Rothschild ordnete ebenfalls an, dass seine Papiere und Korrespondenz posthum zu verbrennen seien. Kontrolle der Geschichtsschreibung Kontrollieren bedeutet im Englischen mehrheitlich beherrschen. Das Netzwerk kontrollierte auf verschiedenen Wegen, am effektivsten jedoch in der Universität Oxford das Schreiben und Lehren von offizieller Geschichte. Fast alle wichtigen Mitglieder der Gesellschaft waren 26 auch Fellows ( Mitglieder) eines der drei Colleges– Balliol, New College oder All Souls. So dominierten sie das intellektuelle Leben auf dem Gebiet der Geschichte in Oxford. Viel Geld wurde über Stiftungen investiert. Sie haben zahlreiche Universitäts- und andere Lehrstühle eingerichtet. Dazu gehören die Beit-Lehrstühle und der Montagu-Burton Lehrstuhl in Oxford, der Rhodes Lehrstuhl in London, der Stevenson-Lehrstuhl in Chatham House und noch weitere. Sie kontrollierten auch das Dictionary of National Biography, was bedeutet, dass sie selbst die Biographien ihrer Mitglieder geschrieben haben. Entsprechend unverdächtig und positiv sind diese. Über die Times wurde eine Aktualisierung der Encyclopaedia Britanica gesponsert. Die Korrespondentin Flora Shaw, eine enge Freundin des Lord Milner, durfte dafür die imperial sections überarbeiten (s. 144 Hidden History). Kontrolle der Presse Bereits Professor Quigley hat geschrieben, dass diese Gruppe die Times von 1890 bis 1912 dominierte und seit 1912 vollständig unter Kontrolle hatte. . Im Kapitel 10, Creating Fear/Angst erzeugen, erzeugen wird Lord Northcliff beschrieben. Dieser hatte als Alfred Harmsworth die größten Anteile an der Yellow Press zusammengekauft, war Leader/ Führer der Yellow Press und wurde dafür zum Lord geadelt. William Stead (Gründungsmitglied) war der berüchtigtste Sensationsjournalist seiner Zeit und Anführer aller Spitzenredakteure. Fälschung diplomatischer Berichte Dazu wird Professor Sidney Fay von Harvard zitiert ( S.349) Er sagt zum offiziel- len Regierungsbericht, der am 6.August von Außenminister Grey dem Parlament vorgelegt worden ist: Die Behauptung des britischen Botschafters in St. Petersburg, Sir George Buchanan, dass mit einer Ausnahme sämtlicher diplomatische Austausch zwischen ihm und dem Außenministerium im Blue Book enthalten seien, ist eine skandalöse Lüge. Er hatte Sir George William Buchanan herausgefunden, dass mehr als einmal wichtige Passagen herausgeschnitten worden waren. Sir Buchanans Memoiren‚ My Mission to Russia‘ enthielten Informationen die für eine Publikation zu enthüllend waren. Seine Tochter Meriel bestätigte, dass er mit der Drohung des Entzuges seiner Pension gezwungen worden war, diese Passagen zu entfernen. Nach der Oktoberrevolution habe man entdeckt, dass die drei Telegramme, die Außenminister Grey dem britischen 27 Parlament als Beweis seiner entschiedenen Bemühungen um Frieden vorgelegt hatte, niemals in Rußland angekommen waren. Die belgische Neutralität wird angezweifelt Ebenso verschwiegen hat Grey dem Parlament, dass bereits seit 1906 auf höchster Ebene Verhandlungen über militärische Cooperation mit Belgien stattgefunden haben (S. 348) Auch französische und belgische Generalstäbler waren an den Planungen beteiligt. Ein deutscher Durchmarsch sollte solange verzögert werden bis britische Kräfte in Belgien eingreifen konnten. Es war selbst in den privilegierten Kreisen eines der bestgehüteten Geheimnisse. Der französische Völkerrechtler Professor Albert Geouffre wird mit der Aussage zitiert: „dass selbst eine rein defensive Allianz die Möglichkeit beinhaltet in einen Krieg hineingezogen zu werden. Neutralität verbietet das“. Ende des Zitats. Der amerikanische Journalist, Albert J. Nock schrieb: “weiterhin zu behaupten, dass die belgische Regierung von der deutschen Aktion überrascht und unvorbereitet gewesen sei und die belgische Position anders zu verstehen, als das Belgien einer von vier Alliierten gewesen ist, ist eine Absurdität“. Lücken in den Regierungsakten Die Hoover War Library Auf den Seiten 356 – 360 in „Hidden History“ beschreiben Docherty, McGregor den Diebstahl europäischer historischer Dokumente durch die geheime Elite von 1919 bis 1926. 1919 erhielt Herbert Clark Hoover, ein amerikanischer Bergbau Ingenieur, der für die Familie Rothschild zunächst in deren Minen in Arizona gearbeitet hatte, danach mit brutaler Härte deren australische Goldminen gemanagt hatte, danach betrügerisch die Kontrolle über die staatseigenen chinesischen Kohlebergwerke Kaiping mit Unterstützung britischer Kriegsschiffe durchgesetzt hatte und Sklavenhandel mit chinesischen Arbeitern für die britische Südafrika Kompanie betrieb, von der geheimen Elite den Auftrag die dokumentarischen Beweise der Ursprünge des 1. Weltkriegs in Europa sicherzustellen. Er rekrutierte dafür 1000 Agenten meist englisches und amerikanisches Militärpersonal. Allein die erste Schiffsladung nach Amerika umfasste 350.000 Bände geheimer Kriegsdokumente europäischer Regierungen. Sehr mysteriös erscheint, dass die Bolschewiken freiwillig 25 Wagenladungen an Aktenmaterial aus Petrograd an Hoover übergeben haben sollen. Die Sicherstellung von Dokumenten aus Deutschland soll wenig Probleme bereitet haben. So soll Reichspräsident Friedrich Ebert die kompletten geheimen Protokolle der obersten Heeresleitung als Geschenk übergeben haben. Auch 6.000 Bände des kaiserlichen Hofes über die kompletten offiziellen und geheimen Maßnahmen des Kaisers wurden nach Amerika transportiert und in geschlossenen Räumen der Stanford Universität verwahrt. Docherty und McGregor fragen zu Recht, wo denn die wissenschaftlichen Beweise für die deutsche Kriegsschuld seien. Sie folgern, dass diese sofort veröf- 28 fentlicht worden wären, wenn es Beweise gegeben hätte. Daher war der Besitz der deutschen Archive von größter Wichtigkeit, weil sie bewiesen hätten, dass Deutschland nicht für den Krieg verantwortlich war. Diese größte Sammlung von Dokumenten über den 1. Weltkrieg wurde von der Bibliothek der Universität Stanford physisch getrennt und verschlossen. Nur Personen mit der höchsten Autorisierung hatten Zugang. Sean MacMeekin “The Russian Origins of the First World War“ MacMeekin spricht Russisch, hat hauptsächlich die russischen Quellen ausgewertet und verortet hauptsächlich Russland und Frankreich als diejenigen, die die Signale entschieden auf Krieg gestellt haben. In der offiziellen akademischen Histographie kommen diese Revisionisten nicht vor – ein Beweis für die fortwährende Einflussnahme des Englisch-Amerikanischen Establishments auf Forschung und Lehre. Eine Auswirkung der offiziell nicht erwähnten Studien auf die deutsche Literatur und Lehre wird sich wohl erst nach Vorliegen und Verbreitung weiterer deutscher Übersetzungen auch als Therapie gegen die verbreitete Schuldlust bemerkbar machen. Christopher Clark Einen Anfang in den Medien hat die Übersetzung seines Buches „Die Schlafwandler“ gemacht. Obwohl sich Clark expressis verbis dabei nur auf das ‚Wie‘ des Kriegsausbruches konzentriert und das ‚Warum‘ ausklammert, gelingt ihm mit der oft romanhaft detaillierten Beschreibung der handelnden Personen aus Politik und öffentlichen Ämtern, insbesondere in der Juli-Krise bis zum Kriegsausbruch, eine Entlastung Deutschlands und des als friedliebend charakterisierten Kaisers von der Alleinschuld. Mit seiner eleganten Sprache verpackt er Kritik feinsinnig, diplomatisch und klärt über bisher wenig beleuchtete Aspekte auf. Es ist bewundernswert, wie es ihm ohne Berührung heißer Eisen, an denen sich berühmte englische und amerikanische Vorgänger, wie H.A.Barnes, Carroll Quigley, oder Antony Sutton die Finger verbrannt hatten, gelingt, in der Medienlandschaft eine Erkenntnis der Notwendigkeit der Revision deutscher Schulbücher reifen zu lassen. Obwohl Clark in seinen, nicht immer mit den vorangegangenen Ausführungen konkludenten Schlußfolgerungen darstellt, dass keiner der Schlafwandler einen Krieg wollte, erscheinen Frankreich und Russland als die am meisten an einem Krieg interessierten Parteien. Daneben fällt als Falke nur Sir Edward Grey auf, der als doppelzüngig beschriebene, englische Außenminister mit seinem kleinen Kreis von Unterstützern u.a. dem First Lord of the Admiralty, Sir W.Churchill. Diese standen der ganz überwiegend gegen Rußland und gegen eine Intervention auf dem Kontinent eingestellten Meinung von Öffentlichkeit, Medien und Parlament gegenüber. Warum konnte dieser kleine Kreis seine Ziele durchsetzen? Nach Clarks Erkenntnis hatten damals nicht die Monarchen und Militärs, sondern die Außenminister und allenfalls Botschafter wegen ihres direkten Kon- 29 takts zu den Monarchen, den größten Einfluss auf die Politik in Europa. Nur im Nebensatz deutet Clark einmal einen möglichen Einfluss von Eliten und der City of London an. Tatsächlich ist die City of London der mächtigste Staat der Erde. Nachzulesen auf der folgenden Webseite: http://www. wissensmanufaktur.net/city-of-london Clark bemerkt Widersprüche zwischen offiziellen Darstellungen, vertraulichen Briefen und Tagebucheinträgen, sowie fehlende bzw. verschwundene Protokolle von Spitzengesprächen in der Zeit kurz vor und während der Juli-Krise, insbesondere im Abschnitt über den Besuch des französischen Präsidenten Poincaré vom 20. – 23. Juli 1914 bei Zar Nikolaus II. in St. Petersburg. Der vorangegangene Staatsbesuch des Königs Georg V. und seines Außenministers Sir Edward Grey in Paris mit Hinzuziehung des russischen Botschafters Izvolsky, wird von Clark offenbar wegen des „Fehlens“jeglicher Dokumentation der Gesprächsinhalte nicht erwähnt. Zweifellos diente deren Geheimhaltung und späteres Verschwinden der Täuschung, die zu falschen Beurteilungen der Lage und zu Fehlentscheidungen seitens der Mittelmächte führen sollte. Clark berichtet aber auch, dass bereits 1909 während einer Sitzung der russischen Duma in einer Debatte über den Balkankonflikt von konservativen adeligen Kreisen zum Ausdruck gebracht worden ist, dass Russlands wirklicher Feind Großbritannien sei, welches versucht, Russland in einen Krieg mit Deutschland zu drängen, um die britische Kontrolle der Weltmärkte zu konsolidieren. Da liegt des Pudels Kern und dazu gehörte seit der Jahrhundertwende die nicht nur für die Britische Flotte existenzwichtige Kontrolle über das gerade erst in Persien von einem australischen Geologen im Auftrag des Schah‘s entdeckte Erdöl, welches bis heute die Ursache der Konflikte im nahen und mittleren Osten ist. Mit seinen detaillierten Schilderungen des ‚Ist‘ erweckt Clark verstärktes Interesse an in die Tiefe gehende Untersuchungen der Hintergründe. Clark befreit zwar die deutsche Seele, aber nur die Kenntnis und Analyse der Hintergründe erlaubt eine zutreffende Meinungsbildung. Die Antworten findet der Geschichtsinteressent in den vorgenannten Büchern und nachfolgend bei: Weitere Literatur. Insbesondere nach der Lektüre des auch in deutscher Sprache erschienenen Bestsellers des amerikanischen Autors William F. Engdahl „Mit der Ölwaffe zur Weltmacht“ (A century of war), fasziniert der Vergleich der verheimlichten Hintergründe mit dem veröffentlichten Weltgeschehen. Dieses penibel recherchierteBuch dokumentiert schonungslos und mutig, wie die erstrebte Kontrolle über den mit Erdöl verbundenen Reichtum im Nahen und Mittleren Osten bereits am Beginn des 20. Jahrhunderts dessen Urkatastrophe und die weitere Entwicklung bis zur Ablösung des Empire durch die neue Weltmacht USA nach dem 2. Weltkrieg, sowie den Einfluß von Big Oil bis in die Gegenwart bestimmt. Erst wenn man diese Geopolitik verinnerlicht, die zuerst von Sir Halford Mackinder in „Democratic Ideals and Reality“ und nachfolgend von seinen Schülern Kissinger und Brzezinsky als Leitfaden für globale Machtstrategie wissenschaftlich 30 entwickelt worden ist, versteht man warum die Friedensbemühungen der Mittelmächte, die Professor Hans Fenske in seinem Buch „Der Anfang vom Ende des alten Europa“ abhandelt, schon grundsätzlich aussichtslos waren. Sie hätten das Kriegsziel gefährdet. Deutsche Übersetzungen Eine Übersetzung von Hidden History ist Ende November 2014 unter dem Titel „Verborgene Geschichte. Wie eine geheime Elite die Menschheit in den 1. Weltkrieg stürzte“ im Kopp-Verlag erschienen. Eine auszugsweise Übersetzung von Tragedy and Hope gibt es im Perseus Verlag Basel mit dem Titel Tragödie und Hoffnung. ISBN 3-907564-42-1 The Anglo American Establishment ist im Internet kostenfrei abrufbar bei http://www.voltairenet.org Weitere Literatur Der Amerikaner Dr. John Coleman beschreibt in “The Tavistock Institute of Human Relations” (2005) die alliierte Kriegspropaganda gegen Deutschland von 1913 bis nach dem 2. Weltkrieg. Eine deutsche Übersetzung ist 2011 im Fischer Verlag unter dem Titel “Das Tavistock Institut, Auftrag: Manipulation“ erschienen. Der Amerikaner Edward Bernays, Neffe von Siegmund Freud und Begründer der modernen Werbung und PR mit seinem Hauptwerk „Propaganda“ (1928) deutsche Übersetzung: „Propaganda – Die Kunst der Public Relations“,Orange Press 2007. Gemeint ist Manipulation der Massen. Er war der wissenschaftlich, psychologische Berater der englischen und amerikanischen Propaganda gegen Deutschland . Professor Anthony C. Sutton, geb. 1925 in London und seit 1962 Staatsbürger der USA, Professor für Economics in Stanford. Sein brisantes Material bezieht sich hauptsächlich auf das amerikanische Establishment und Wall Street. Wall Street Bücher: Wall Street and the Bolshevik Revolution, Wall Street and FDR, Wall Street and the Rise of Hitler Unterzeichnung des „ Friedensdiktates“ im Schloss von Versailles. 31 Die Balfour-Erklärung1 Verehrter Lord Rothschild, ich bin sehr erfreut, Ihnen im Namen der Regierung seiner Majestät die folgende Erklärung der Sympathie mit den jüdisch-zionistischen Bestrebungen übermitteln zu können, die dem Kabinett vorgelegt und gebilligt worden ist: Die Regierung seiner Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina und wird ihr Bestes tun, die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, wobei, wohlverstanden, nichts geschehen soll, was die bürgerlicher und religiösen Rechte der bestehenden nicht-jüdischen Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und den politischen Status der Juden in anderen Ländern in Frage stellen könnte. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Erklärung zur Kenntnis der Zionistischen Weltorganisation bringen würden. Arthur Balfour Ihr sehr ergebener Arthur Balfour 1 Mit diesem Brief an seinen Freund im inneren Kreis der Milner Gruppe, bestätigte der englische Außenminister die vertrauliche Vereinbarung, wonach die Zionistische Bewegung Amerika zum Kriegseintritt bewegen sollte. Hiermit und dem Sykes-Picot-Abkommen wurde die Gründung des Staates Israel vorbereitet. 32 Jedes Mitglied wirbt 2015 ein Mitglied Zeitschrift der Freunde des Bayerischen Armeemuseum e.V. Impressum Herausgeber Freunde des Bayerischen Armeemusems e.V. Redaktion: – Manfred Dumann, 1. Vorsitzender Schimmelleite 35, 85072 Eichstätt Tel. 0 84 21 / 42 40, Fax 0 84 21/93 56 99 – Walter Vogel Christerweg 2, 83624 Otterfi ng Tel. 0 80 24 / 89 87, e-Mail: [email protected] Satz | Repro | Druck: KASTNER AG - das medienhaus Schloßhof 2-6 | 85283 Wolnzach